So ihr CE-Fans... Hier nun eine Schreiberei basierend auf Martins,Stefans und meinem ersten Fanfic... Es ist der Versuch das destruktive Ende dann doch noch in ein glückliches Ende zu kehren. Die Storyline ist nun halbwegs abgesteckt aber noch nicht fertig. Es gibt da viele Dinge, die ich gerne ändern würde, doch ich habe einfach keine Ideen wie man es anders machen könnte (u.a. Roberts Krankheit und das 'Geheimversteck in der Wildnis'- aber ihr werdet es ja wohl lesen). Jeder der Ideen für Verbesserungen hat bitte melden. Danke an Matthias und Sandra für ihre Emails Danke an Thomas für seine Homepage Vielleicht, wenn jemand mit einer noch besseren Mega-Idee aufwartet, werde ich auch alles nochmals umwerfen... Aber jetzt mache ich erstmal Urlaub vom CE-Fanfic-Schreiben.... Melissa '6 99 EMAIL: MESCHNEI@GMX.DE ------------------------------------------------------------------------------------- CE fanficmb Teil III. Hitomi schreckte aus dem Schlaf und sie fand sich aufrecht sitzend in ihrem Bett wieder. Es war nicht das erste Mal das ihr so etwas passierte. In den letzten Monaten war sie fast jede Nacht ohne ersichtlichen Grund aufgewacht. Vielleicht hatte sie einen Alptraum gehabt, aber wenn ja, dann konnte sie sich nicht daran erinnern. Aber womöglich lag es ja daran das sie schwanger war oder es war nur deshalb, weil in den letzten Wochen so unglaublich viel passiert war: Ihre Enttarnung, der neue Anfang und ihre Heirat mit Toshi. Es war der glücklichste Tag in ihrem Leben gewesen, doch dann lief Alles aus dem Ruder. Hitomi begann zu weinen, jetzt wo die Erinnerungen an diesen schrecklichen Tag wieder zurück kamen. Vier Tage lang hatte sie um das Leben ihres Mannes gebangt und selbst jetzt wo alle körperlichen Wunden verheilt waren, zuckte Toshi unweigerlich zusammen, immer wenn er laute Geräusche hörte. Sie dachte an Nami. Die Älteste war immer noch in Deutschland. Durch das unerwartete Wiedersehen mit ihre Jugendliebe Robert hatte die schicksalhafte Reise wenigstens für sie ein gutes Ende genommen. - Hitomi gönnte es ihr von ganzem Herzen. Hitomis Hände tasteten sehnsüchtig nach der vertrauten Person, deren Wärme sie nie mehr missen wollte. Doch im Bett neben ihr war in dieser Nacht noch alles unberührt. Langsam stand sie auf und zog ihren Morgenmantel an. Es war kühl im Haus als sie hinaus auf den Gang trat. Sie lauschte.- Das gelegentliche Rattern einer Rechenmaschine drang an ihr Ohr und im Arbeitszimmer am Ende des Flurs war immer noch Licht. Sie ging hinüber und blieb verstohlen in der offenen Türe stehen. Toshi saß mit zerzausten Haaren und am Bleistift kauend vor dem Tisch. Ratlosigkeit und Verzweiflung sprach aus seinem Gesicht während er Kolonnen von Zahlen in die Tastatur der Maschine hämmerte, die vor ihm stand. Doch dann, als wieder dieses Rattern ertönte und ein Stück Papier herausgeworfen wurde, da raufte er sich beim Anblick dieser Zahlen erneut das Haar. Es war irgendwie unfair einen Detektiv hinter die Theke eines Cafés straf zu versetzten. Die Möglichkeit in den Polizeidienst zurückzukehren hatte er gehabt, doch er selbst hatte abgelehnt. Es war wohl seine Art die Vergangenheit vergessen zu wollen. Leise schlich Hitomi sich von hinten an ihren Mann und legte zärtlich ihre Hände auf seine Schultern. "Komm jetzt ins Bett, Toshilein. Das kannst du doch auch morgen fertig machen." flüsterte sie mit sanfter Stimme und begann die verspannte Schulter ihres Mannes zu massieren. "Nur noch einen Moment, Hitomi." erwiderte Toshi und arbeitete beflissen weiter. Die Monatsbilanz - das Ergebnis eines ganzen Monats Arbeit im Café Katzenauge reduziert auf Einnahmen und Ausgaben. Schon bei der oberflächlichen Durchsicht hatte es nicht gut ausgesehen, doch die Zahlen, die er nun schon zum x-ten Mal nachrechnete ließen sein Gesicht noch etwas finsterer dreinblicken. "Vielleicht sollten wir ein paar Lotterielose kaufen und hoffen das wir gewinnen." Hitomi war es besonders schwer gefallen zu akzeptieren, das es letztlich Zuwendungen der Regierung gewesen waren, die ihr Café in den letzten Jahren vor dem Ruin bewahrt hatten. Toshis Worte, zynisch und voller Galgenhumor, hallten immer noch in ihren Ohren: 'Nach der Sache in Europa ist es wohl mit der staatlichen Subvention für unser Lokal vorbei. Wir müssen Asaja ewig dankbar sein, daß wir überhaupt noch leben.' Es klang entmutigend, doch sie würde kämpfen und Toshi war an ihrer Seite,- für immer- wie sie hoffte. "Ist Love noch immer nicht zurück?" Toshi schüttelte den Kopf. "Nein. Aber Kawano wird sie sicher heim bringen.- Sag' mal, haben wir noch einen Kaffee?" "Klar. Für dich immer.." Hitomi ging hinunter in die Küche. Die Straßenbeleuchtung warf genug Licht auf die Anrichte um ihre empfindlichen Augen erkennen zu lassen wie sie mit schlafwandlerischer Sicherheit einen frischen Kaffee für ihren Mann zauberte. Seit ihrem Schulabschluß arbeitete sie in diesem Café. Ein Geräusch ließ sie einen Moment lang ihre Erinnerung bei Seite rücken. Jemand hatte die Hintertüre des Cafés geöffnet. Neugierig blickte sie in den dunklen Korridor hinaus. Die Hintertüre stand einen Spalt weit offen und die Strassenlaterne gegenüber der Einfahrt erhellte die Szenerie gerade so sehr, dass sie erkennen konnte, wie Love einem jungen Mann zärtlich einen Kuss auf die Lippen drückte. "Vielen Dank fürs Herbringen." "Keine Ursache. Soll ich dich morgen früh abholen ?" "Gern, Halb Acht im Café?" "Geht klar. Gute Nacht, Love." "Mach's gut Kawano, und träum' was Süßes." Hitomi musste lächeln. Love hatte sich verändert. Sie war ruhiger geworden,- nicht mehr so ein Wildfang. Und vor allem hatte sie begonnen ihre weiblichen Züge zu akzeptieren, ja beinahe herauszustellen und dieser junge Mann dort, Kawano Mizaki, war der Grund. Love drehte sich schlaflos im Bett hin und her. Kawanos Worte klangen immer noch in ihren Ohren, sie spürte immer noch den verstohlenen Kuß, den sie geteilt hatten. Sie setzte sich auf. Das Telefon lag unter dem Bett, doch mit einem Griff hatte sie es gefunden. Blind wählte sie die Nummer, die sie schon seit Jahren auswendig kannte. Ein Klingelzeichen - Sie würde es ihm jetzt sagen. - Zwei Klingelzeichen - Nur wie? 'Kawano, ich gehe nicht mit?' - Drei Klingelzeichen - 'Bleib hier, ich brauche dich?' Schmunsens - Nein! Wer war sie überhaupt, so ein Opfer von ihm zu fordern. - Viertes Klingeln. - 'Ich komme mit nach Amerika.' Ja, das war es. Doch Halt, woher das Geld nehmen? - Fünf mal Klingeln. - Sicher, Hitomi würde alle Hebel in Bewegung setzen um ihr dieses Auslands-Studium zu ermöglichen. Selbst wenn sie ihr Café verkaufen würde. - "BEI MIZAKI" tönte es aus dem Hörer und Love schreckte aus ihren Gedanken. Sie brauchte Zeit zum überlegen. Mehr Zeit. "Entschuldigung" murmelte sie und legte auf. Müll und Dreck, wo sie hinsah. Auf dem Gehweg, im Hauseingang, selbst hier auf den Treppenstufen. Der Auftritt schmal, ausgetreten, sauber wohl nur deshalb, weil die Leute, die vor ihr hier gelaufen waren den Dreck mit ihren Schuhen fortgetragen hatten. Graffiti beschmierte Wände, zwielichtige Gestalten- keine erstklassige Wohngegend. Hatte es in Tokio jemals so ausgesehen? "Wie Mutter." murmelte Nami zu sich während sie die Schlüssel aus ihrer Handtasche fingerte. Sie arbeitete als Aushilfe.- Kellnerin in der Wirtschaft um die Ecke. Pöbelnde Gäste, rauhe Sitten. Manchmal war es ihr ganz recht, das sie die zweideutigen Witze nicht in allen Einzelheiten verstand. Sie hatte mehr von der Heimatsprache ihres Vaters verlernt, als sie sich eingestehen wollte. Doch sie lernte. Und sie würde alle Qualen und Demütigungen durchstehen. Robert zu liebe. Das kleine Appartement in das sie eintrat war ihre Zuflucht. An das Junggesellen - Chaos würde sie sich wohl noch Jahre erinnern. Doch jetzt war es sauber, aufgeräumt. Wenige Möbel, nur das Wichtigste, klar angeordnet. Schlicht aber freundlich. Ein Kontrast zu der Welt vor der Haustür. Warum nur lebte Robert hier? Er war Kriminaloberinspektor mit eigenem Büro und eigenen Mitarbeitern. Er hatte es weit gebracht. Kaum vorstellbar bei der Art, wie er seine Arbeit zu hassen schien. Wann immer sie auch in den vergangenen Monaten nur das Wort Polizei erwähnt hatte, wurde er ausweichend oder auch böse. Aber vielleicht lag es auch nur an den vielen Sonderschichten, die er in letzter Zeit schob. Er war schon vor ihr nach Hause gekommen. Sein benutztes Geschirr stand sauber abgespült zum Abtropfen im Geschirrhalter auf der Spüle. Er selbst war auf der alten Sitzcouch eingenickt. Nami beugte sich zu ihm und weckte ihn mit einem Kuß. "Hi, ich bin da.." "Nami-san." Er war noch etwas benommen als er sich aufrichtete. "Alles klar bei dir?" Etwas war anders an ihm. Die Art, wie er sie musterte, wie er ihren Kuß nicht erwidert hatte. Er reckte sich. "Ich möchte dir etwas zeigen." sagte er und griff zu der Fernbedienung auf dem Tisch. Das altertümlich anmutende Fernsehgerät sprang an und hinzu gesellte sich das Jaulen eines wohl noch älteren Videogerätes. "Heute Morgen ist etwas Merkwürdiges passiert: Ich war kurz draußen und als ich ins Büro zurückkam da lag eine Videocassette mit einem Umschlag auf meinem Schreibtisch." Ein Bild erschien auf der Mattscheibe. Was er da abspielte schien eine Art Überwachungsvideo zu sein. Schwarz-Weiß, tonlos, fixe Perspektive. Nami erschrak, als sie den Ort der Handlung wiedererkannte. Es war ein Gefängnis.- Das Militärgefängnis in Ost-Berlin, in dem man ihren Vater hingerichtet hatte. Das Gefängnis, in dessen Nähe sie Nageishi für seinen Verrat bestraft hatte. Bewegung im sonst statischen Bildausschnitt. Ein Krankenwagen fuhr in den zentralen Hof des Sicherheitskomplexes ein. Die Kamera zoomte heran. Eine schwere Stahltüre öffnete sich und bewaffnete Männer eskortierten zwei Sanitäter mit einer Trage. Ein bärtiger klein gewachsener Mann war darauf festgeschnallt, doch Genaues war nicht zu erkennen. Der Patient wurde verladen und der Krankenwagen entfernte sich.- Umschnitt.- Eben noch bei Morgendämmerung war nun bereits heller Tag. Im Bild ein Mann in einheitlich grauer Gefängniskleidung. Sein Gesicht verdeckt mit einer geschlossenen Kapuze und seine Hände aneinander gefesselt stand er vor einer grauen Betonwand. Am Rande des sichtbaren Bildausschnittes standen einige Männer in Militäruniform und ein untersetzter Mann in einem hellen Anzug. Er machte eine Handbewegung und plötzlich zuckte der Gefangene zusammen. Blut quoll aus einer Wunde seiner Brust und benetzte die Gefängniskleidung. Sterbend sackte er zusammen. - Wieder ein Umschnitt.- Das Tageslicht ging zur Neige, Nachmittag. Der Gefängnishof war leer. Nur noch die Leiche des Hingerichteten vor der Wand. Zwei Wachleute kamen herbei und legten sie auf einen schwarzen Leichensack. Sie lösten die Handschellen und entfernten die Kapuze vom Gesicht des Toten. - Robert schaltete das Videogerät auf Standbild. Er hatte das Band in den letzten Stunden schon oft angesehen und so hatte er sich diesmal auch ganz auf die Reaktionen seiner Freundin Nami konzentriert. Sie hatte kein Wort gesagt, doch ihre wechselnden Gesichtsausdrücke waren sehr interessant anzusehen gewesen. "Du bist verwirrt?" fragte Robert Nami schluckte. Ja, sie war verwirrt. Dieser Mann, den man dort exekutiert hatte, war nicht ihr Vater gewesen auch wenn sogar der Verräter Nageishi das geglaubt hatte. Eigentlich hatte jeder es geglaubt. "Nami, antwortest du mir nicht?" bohrte Robert. "Nein, äh, doch, ja, äh, ich kenn den Mann nicht." stammelte sie. Robert nickte verständig. "Ja, ich habe mich auch gefragt, warum dieses Band plötzlich auf meinem Tisch lag." sagte er und ließ das Band weiterlaufen. Wieder kam ein Umschnitt und Nami stockte der Atem. Der Ort war eine Lichtung im Wald und das Bild zeigte die Rückenpartie einer junge Dame, gekleidet in ein hautenges dunkles Trikot. Sie richtete eine Waffe auf ihr Gegenüber, einen untersetzten Mann in hellem Anzug. Das Gesicht des Mannes war deutlich zu erkennen: Arrogant, verhöhnend. Die Hand der Frau erzitterte, Rauch quoll aus dem Lauf der Waffe, Blut beschmutzte den weißen Anzug des Mannes. Ein schwarzes Bild zeigte das Ende der Videoaufzeichnung an. "Ein Rachefeldzug.- Findest du nicht?" Nami nickte abwesend. Nein, auf ihre Spur würde er nicht kommen. Ihr Geheimnis war sicher. Es hatte keinen Hinweis auf ihre Identität gegeben. Aber wer hatte dieses Band an Robert geschickt. Warum an ihn? - Weil er ihr Freund war und der geheimnisvolle Informant sicher sein konnte, das er es ihr vorführen würde? - Warum hatte man sie so gefilmt, daß keiner erkennen konnte, das sie der Racheengel war? "Du bist ja heute nicht sehr gesprächig." lachte Robert und schob einen Berg Akten vor sich hin. "Wie auch immer - ich war neugierig." begann er zu erzählen. "Ich habe herausgefunden, das der Mann im weißen Anzug Akiro Nageishi hieß. Nach Informationen unseres Nachrichtendienstes gehörte er dem japanischen Geheimdienst an und arbeitete lange Jahre als Botschafter in den USA." Robert hielt inne und wartete auf eine Reaktion von Nami, doch die sah ihn nur aus leeren Augen an. "Nun gut. Ich habe mich also gefragt, was die junge Dame im sexy Trikot dazu bewegt hatte ihn zu töten. - Es mußte etwas mit der Hinrichtung zu tun haben, die man zuvor gefilmt hatte. Es war offensichtlich dieser Nageishi, der sie befohlen hatte. Aber wenn er japanischer Agent war, wie kam er dazu in einem ostdeutschen Gefängnis eine Hinrichtung anzuordnen.- Merkwürdig nicht?" Wieder reagierte Nami nicht. Was hatte Robert vor ? "Ich sehe, dich hat das Ermittlungsfieber noch nicht gepackt." lachte der Oberinspektor. "Also habe ich versucht die Identität des Hinrichtungsopfers heraus zu bekommen. Er hieß Anton Potapow aber irgendwie gibt es keine Verbindung. Viel interessanter ist der Gefangene, der zuvor mit dem Krankentransport abgeführt wurde." Robert hielt inne und reichte Nami ein Foto. Ein zufriedenes Grinsen flog über sein Gesicht, als er sah, wie Nami kurz ihre Augenbrauen in die Höhe hob. "Ja, du erkennst ihn vielleicht, aber für mich war er der große Unbekannte. Der Mann ohne Namen. Ich habe alles versucht. Ich gab sein Bild an Interpol, den BND - nichts. Kein Gesicht, kein Hinweis." Nami atmete sichtlich erleichtert auf. Doch Robert holte aus, ihr den nächsten Schlag zu versetzen. "Weißt du, heute Nachmittag war nichts im Revier zu tun und ich habe mir das Video immer und immer wieder angesehen. Und ich habe mich irgendwie in diese hübsche junge Dame in diesem Trikot verliebt. Mit einem Mal fiel mir ein Name ein.- ASAJA. So hatte Toshi die Frau in der Hotelhalle angeredet." Nami sah ihren Freund fragend an. "Ich weiß, was du sagen willst. Der Fall ist schon längst abgeschlossen und ich werde ihn weiß Gott nicht mehr aufrollen. Aber ich dachte, ich sollte mal sehen, was hinter dieser Frau steckt.- Du weißt ja wie ich bin. Wenn mich irgend etwas interessiert, dann lasse ich nicht los. - Möchtest du noch mehr hören?" Nami zögerte. "Gut, dann nehm ich das als ein JA." lachte ihr Freund. "Es hat mich einiges an Charme und ein langes Telefongespräch nach Japan gekostet, doch ich fand viel Interessantes heraus: Diese Asaja ist - nein besser war- die Kollegin deines Schwagers, der inzwischen nämlich den Dienst quittiert hat, mit der Begründung, er hätte bei den Ermittlungen gegen eine Diebesbande versagt. Eine Diebesbande junger Damen in aufreizenden Trikots, die Kunstwerke des Malers Michael Heintz gestohlen haben. Ich forschte etwas nach und fand heraus, das es beim Nachrichtendienst eine alte Akte über Heintz gibt.- Unter anderem steht dort, er lebte einige Zeit lang in Japan und hatte mit seiner Frau drei Kinder. Im Sommer 1968 ist er verschwunden." Robert zögerte und sah Nami entschlossen an. "Möchtest du mir vielleicht die Namen seiner Kinder sagen?" Nami schluckte. Egal was kommen würde, sie konnte ihn nicht belügen. Sie holte tief Luft. "Sie heißen Love, Hitomi und Nami." sagte sie leise. "So ein Zufall!" meinte Robert und grinste. Nami wartete. In Gedanken hatte sie ihren Kopf schon auf den Richtblock gelegt und hoffte auf einen sauberen Hieb. "Nami ?" "Ja, Robert?" "Es war einmal eine wunderhübsche junge Frau, die ich sehr liebe. Sie lebte mit ihren jüngeren Schwestern in einer Stadt Namens Tokio in einem fernen Land mit dem Namen Japan. Sie hatten ein Geheimnis, das nie jemand erfahren durfte... - möchtest du weitermachen?" Nami nickte. "Ja, das Märchen von Katzenauge..." Zum dritten Mal machte der Wecker nun schon durch ein markerschütterndes Piepsen auf sich aufmerksam. Und zum dritten Mal kam eine Hand unter der Bettdecke hervor und brachte ihn mit einem Schlag für Minuten zum schweigen. "Love, komm, aufstehen, du Schlafmütze." drang plötzlich an ihr Ohr und sie spürte eine Hand, die zärtlich über ihr Haar strich. "Nur noch einen Moment, Schatz." murmelte sie verschlafen und vergrub ihren Kopf noch tiefer unter ihrem Kopfkissen, so daß zum Schluß nur noch die Spitzen ihres kurzen schwarzen Haares herausschauten. "Steh' auf, sonst kommst du noch zu spät zu deinem letzten Schultag !" mahnte die Stimme jedoch unnachgiebig. 'Letzter Schultag ?!?' ging es Love durch den Kopf, gerade als sie wieder einnicken wollte.- 'Oh mein Gott.- Ist es soweit?' Love zog das Kissen von ihrem Kopf und verschlafen blickte sie die große schlanke Frau mit den langen schwarzen Haaren an, die neben ihrem Bett stand. "Hitomi ! - Was ist ?" "Ich bin der schwesterliche Weckdienst. Zeit zum Aufstehen !" Love gähnte. "Ja ich bin gleich da." "Beeil dich.- Wir warten schon mit dem Frühstück auf dich." "Ja ja !" erwiderte Love und langsam setzte sie sich auf. Hitomi schüttelte den Kopf. "Was ist mit dir? So verschlafen habe ich dich ja noch nie gesehen.- Hast du getrunken ?" fragte sie, doch sofort strafte Love sie mit bösen Blicken. "Ich trinke doch nie etwas, das weißt du doch." Hitomi legte verwundert ihre Stirn in Falten. "Na dann komm." mahnte sie den jungen Wildfang nochmals und verließ das Zimmer. Love seufzte herzzerreißend "Ach Kawano. - Was mach ich nur mit dir." Ihr Blick streifte durch das Zimmer.- Ihre Schulbücher und Hefte lagen auf dem Schreibtisch.- Heute war ihr letzter Schultag und der Anfang vom Ende. Nur noch wenige Tage würde es dauern bis Kawano nach Amerika ging. Seit Jahren kannten sie sich, doch erst in den letzten Monaten hatte sie bemerkt wieviel er ihr bedeutete. Aber nun vielleicht würde sie ihn verlieren. Sollte sie ihn überreden in Japan zu bleiben oder sollte sie ihm folgen? War er überhaupt der Richtige für sie? Der Morgen war kühl und seine Schuluniform ein wenig dünn. Nochmals drückte er den Klingelknopf neben der unscheinbaren Türe. "KOMME JA SCHON" drang es dumpf an sein Ohr. Dann ging die Türe auf. "Oh, Kawano?" Toshi sah auf seine Uhr. "Halb Sieben? Du bist heute morgen aber sehr früh. Love ist noch nicht mal aufgestanden." Der junge Mann senkte verschämt den Kopf. "Entschuldigung, aber ich würde gerne ihren Rat einholen. Es geht um das, was wir besprochen haben." Toshi nickte. "Sicher, komm doch rein und trink erst einmal einen Kaffee." ********** Der Morgen war wolkenverhangen und dämmrig. Ein junger Mann mit dunkler Sonnenbrille kam ihr entgegen. 'Angeber' dachte sie und früher hätte sie auch sicherlich die ein oder andere Bemerkung gemacht, doch heute war das anders. Sie selbst trug ständig eine getönte Brille. Wie so Vieles waren ihre Augen auch ihrer Karrieresucht zum Opfer gefallen. Sie hatte noch nie einen Freund gehabt und der Mann, für den sie sich begeistern könnte, war bereits vergeben. Doch was waren all die Opfer wert? Sie stand vor einem Scherbenhaufen. Dem einfachen Polizeidienst überdrüssig, hatte sie in blinder Gier nach beruflichem Erfolg vor mehr als vier Jahren eine Entscheidung getroffen. Es klang vielversprechend und war eine unglaubliche Herausforderung. Nicht einmal der Dezernatschef wußte es. Die Haßliebe zu ihrem Kollegen, dessen kriminelle Verlobte sie jagte, ohne sie jedoch jemals enttarnen zu dürfen. Ein Spiel wie Katz und Maus. Gott sei Dank war sie noch rechtzeitig aufgewacht. Die Stimme der Menschlichkeit in ihr hatte sich durchgesetzt. Dennoch war der Mann, der ihr etwas bedeutete schwer verletzt worden. Ihn dort in diesem Krankenhaus liegen zu sehen hatte ihr einen Schlag versetzt. Sie wollte bei ihm sein, Tag und Nacht, doch er hatte ja jetzt Hitomi, seine Frau. Und so schwer es ihr fiel, sie mußte ihn gehen lassen. Tagelang hatte sie sich versteckt und das nicht nur aus Angst vor der Rache ihres Mentors oder dessen Kollegen. Vielleicht waren es all diese Schicksalsschläge, die ihre Krankheit in den letzten Wochen so stark vorangetrieben hatten. Sie war angekommen und blickte hinein. Hitomi stand hinter dem Tresen und als sie sie sah winkte sie ihr zu. Sie lächelte und griff nach der Türe. Ihre Sehkraft verließ sie für einen Augenblick, doch sie spürte den kalten Stahl unter ihren Fingern und drückte die Türe auf. Sie hatte begonnen mit anderen Sinnen zu sehen, jetzt wo das Unvermeidliche immer näher zu rücken schien. Hitomi lachte ihr zu. "Hallo Mitzuku.- Alles in Ordnung?" Sie erwiderte das Lächeln. Nein, die Wahrheit wollte diese junge Frau sicher nicht erfahren. "Guten Morgen Hitomi." Sie hatten begonnen einander beim Vornamen zu nennen. "Wie ich sehe bereiten sie den nächsten Geschäftstag vor." Dennoch hatten sie nicht aufgehört sich zu siezen. "Ja, es ist viel zu tun. Aber wir können das Geld auch gut gebrauchen. - Kaffee?" Asaja nickte. "Ja, gern, vielen Dank." Es stand nicht gut um das Café, das wußte sie, wie sie überhaupt sehr viel über die drei Schwestern wußte. "Ich habe Ihnen die Unterlagen mitgebracht, um die Toshi mich gebeten hat." Sie nahm den kleinen Umschlag aus ihrer Handtasche und legte ihn auf den Tresen. Natürlich war es nicht den Vorschriften entsprechend, aber Toshi diesen Gefallen zu erweisen half ihr ungemein ihre Schuldgefühle zu besänftigen. "Vielen Dank Mitzuku.- Gibt es noch etwas, das ich Toshi dazu sagen soll?" "Ja. Sein Schützling soll sich unbedingt bis zum Monatsende entscheiden, damit ich seine Bewerbung noch rechtzeitig dem Chef vorlegen kann, bevor ich abreise." "Abreisen ? - Machen Sie etwa Urlaub?" "Nein, meine Versetzung ist durch." Sie strengte sich an ein zufriedenes, glückliches Lächeln zu zeigen. Es sollte aussehen, als wenn ein Traum für sie wahr geworden wäre. "Ich bin zum Ausbilder berufen worden und nächsten Monat werde ich meinen neuen Posten in Osaka antreten." Es schien zu wirken, denn Hitomi brachte ihr ein ehrliches Lächeln entgegen. "Herzlichen Glückwunsch.- Ich freue mich wirklich für Sie." "Danke Hitomi." Asaja zog kurz ihre Mundwinkel zu einem Lächeln hoch. "Tja und ihr Mann wird froh sein, daß er mich endlich los ist." Mittlerweile hatten für Love die letzten Stunden Schulunterricht begonnen. Sie folgte den Ausführungen der Lehrerin nicht mehr. Sie dachte immer noch an Kawano. Er saß auf dem Platz neben ihr.- Sie hatten einander durch alle Schwierigkeiten begleitet, die das Schulleben bereit hielt. Und nun würde er mit einem Stipendium in der Tasche auf eine Universität nach Amerika gehen. Und bis vor Tagen war sie entschlossen gewesen ihm zu folgen. Doch nun hatte sich das geändert.- Man hatte ihr nichts sagen wollen, doch letztlich hatte Toshi doch geplaudert.- Ihre Schwestern hatten alles getan ihr dieses Leben zu ermöglichen: Sie auf die teure Schule geschickt und ihr den Weg zu einem Universitätsstudium geebnet. Wie enttäuscht wären sie, wenn sie als Kellnerin im Café arbeiten würde.- Aber wenn sie schon nicht mit eigenen Händen für das Weiterbestehen des Café Katzenauge sorgen könnte, so würde sie zumindest einen Beitrag leisten: Sie würde auf eine Universität nahe Tokio gehen. Das wäre nicht so teuer und wann immer sie Zeit hätte würde sie Hitomi helfen. Nur wie sollte sie Kawano das klar machen ? Er freute sich auf ihr gemeinsames Studium. So oft hatten sie davon geredet. Gerade jetzt, wo sie sich ihrer Liebe zu ihm bewußt geworden war, drohte sie ihn zu verlieren. Es war stockfinster draussen und nur das gedämpfte Licht einer kleinen Nachttischlampe erhellte das Schlafzimmer. Nami konnte noch immer nicht fassen, was passiert war.Sie hatte ihm alles erzählt, ihre ganze Geschichte. Sie merkte auf. Robert hatte sich bewegt und sie lauschte seinem Atem. Plötzlich begann er im Schlaf zu reden: "Ja, Herr Doktor. Ja, ich verspreche kürzer zu treten.- Nein, bitte nicht.- Ich bitte sie, behalten sie es für sich.- Bitte nur noch einen Monat." Sie war verwundert. Was hatte das zu bedeuten? Es schien ihn sehr zu belasten und sie würde ihn fragen. Müde gähnte sie und wollte gerade wieder einschlafen, als Robert wieder unruhig wurde. "Ach Nami, wie sage ich es dir nur. " hörte sie ihn murmeln und sie fühlte, wie er zärtlich ihre Hüften streichelte. "Was sagen?" fragte sie und spürte wie Robert erschrak. "Nichts." antwortete er. "Komm schon. Du hast im Schlaf geredet. Von einem Doktor. - Was ist mit dir los?" Robert zögerte. Kein Wort. Sie spürte den Luftzug auf ihrem Rücken als ihr Liebhaber die Decke zurückschlug, hörte das Knarzen des alten Bettes als er es verließ. Erst jetzt streckte sie sich und drehte sich auf den Rücken. Sie sah ihn gerade noch den Morgenmantel umbinden und aus dem Zimmer verschwinden. Als er zurück kam hielt er einen Umschlag in der Hand. Er entfaltete den Inhalt und reichte ihn ihr. Sie überflog die Zeilen. Sie konnte nicht jedes Wort der Behördensprache verstehen, doch sie begriff worum es ging. "Wieso?" fragte sie nur. "Weil ich zu krank bin." erklärte Robert traurig und rieb seine Augen. "Was soll's. Es hätte schlimmer kommen können." fügte er hinzu und lächelte wieder, als er zwei Flugtickets aus den Taschen seines Morgenmantels zog. "Zweimal Heimat gefällig?" Der junge Mann fror und immer wieder nahm er einen Schluck aus dem Pappbecher in seiner Hand. Es war naß und es war kalt und er wußte nicht, warum er das hier überhaupt tat. Gut er war einmal in sie verliebt gewesen, aber das war lange her. Zielstrebig ging er auf den weißen Kombi zu, der, wie viele andere Wagen auch, in den Parklücken der Straße stand. Er stieg ein und reichte die Papiertüte der Fast-Food-Kette an die junge Dame auf dem Beifahrersitz. "Beeil' dich, sonst wird es kalt." meinte er auf Französich. Die Frau nickte dankbar und ließ ihren Kopfhörer hinunter gleiten, bis er wie eine Kette um ihren Hals hing. "War was ?" fragte er und blickte an dem Haus gegenüber hinauf, dorthin, wo gerade ein Fenster mehr aufleuchtete. "Er erzählt es ihr gerade. Ich denke wir können in ein paar Stunden abbrechen." "Gut. Noch eine Nacht im Auto könnte ich nicht überstehen." Sofort erntete er böse Blicke der jungen Frau. "Aiko ..." hob sie an, doch er hob beschwichtigend die Hand. "Ja ich weiß, Melanie. Das war ja auch nur ein Witz, mehr nicht. Hoffentlich macht Miuki ihre Sache genau so gut..." ******** Sie atmete tief ein. Die Luft des Frühlingsabends war kühl und rein. Sie fühlte sich geborgen Hand in Hand mit ihrem Freund. Sie hatten es hinter sich. Jahre der Schulausbildung hatten ihr Ende gefunden in einer Zeremonie, die sie wohl nie vergessen würde. Doch nicht, weil sie sich dort so sehr amüsiert hatte.- Nein, es war eine Farce gewesen. Ein Schauspiel, wochenlang eingeübt. Wie Schlachtvieh hatten sie hinter der Bühne des Festsaales Aufstellung genommen um einzeln ihr Zeugnis aus den Händen des Schulleiters zu empfangen. 'Herzlichen Glückwunsch. Ich bin stolz auf sie, Fräulein... Kisugi.' - die Worte hatten wie aus einem Rundschreiben mit auswechselbaren Adressaten geklungen.- Aber war das ein Wunder? Noch nie zuvor hatte sie diesem Mann gegenüber gestanden,- oder ein Wort mit ihm geredet. Für ihn war sie eine Absolventin wie viele zuvor. Und genauso viele würden wohl noch nach ihr kommen. Sie würde ihre Klassenkameraden nicht vermissen, bis auf zwei Ausnahmen vielleicht: Ihre Kindergartenfreundin Katzumi und Kawano. - Besonders Kawano. Hitomi und Toshi waren dort gewesen, diesen Augenblick mit ihr zu teilen. Sie in den Arm zu nehmen und ihr herzlich zu gratulieren. Doch Kawanos Eltern fehlten. 'Wichtige Geschäfte' hatten sie gezwungen letzte Nacht abzureisen.- Sie hatte die Traurigkeit und den Neid in den Augen ihres Freundes gesehen. - Vielleicht hatte sie keine Mutter und keinen Vater mehr, doch sie hatte ihre Schwestern und ihren Schwager, die mehr waren als Verwandte. Zum Abschlußball waren sie garnicht erst gegangen. Zu sehr verabscheute sie die aufgesetzte Freude und Hilfsbereitschaft ihrer Mitschüler, das geheuchelte Interesse an ihren Zukunftsplänen, nur in der Hoffnung selbst daraus Kapital schlagen zu können. Seit einer Stunde spazierten sie nun schon durch die Straßen der Stadt in Richtung auf den Hafen. Wind kam auf und es wurde kühler. Kurz darauf begann es zu regnen und sie suchten unter einer der Eisenbahnbrücken Schutz. Gebannt blickten sie auf die Schiffe, die selbst zu dieser späten Stunde noch ankamen und abfuhren. Und die Güterzüge, die im Hafen herum rangiert wurden. Love zitterte. Sie wußte nicht ob vor Angst, Aufregung oder Kälte, aber es war ein wunderbares Gefühl. Kawano hatte sie in den Arm genommen, sie fest an sich gepresst und nun teilten sie einen langen lustvollen Kuß. Noch nie, seit sie sich kannten, waren sie einander so lange so nah gewesen. Vor wenigen Wochen hätte ihr der Gedanke einen Jungen zu küssen noch einen Schauer über den Rücken gejagt, doch nun wünschte sie sich diesen jungen Mann nie mehr loslassen zu müssen. Sie mußte es ihm sagen. Aber nicht jetzt, später. Jetzt wollte sie die Berührung ihrer Lippen genießen. "Love, ich muß dir etwas sagen." Die Worte ihres Freundes rissen sie aus ihren Träumen. "Love, ich bekomme kein Stipendium." "Wirklich?! Oh, das tut mir leid." Es fiel ihr schwer ihre Stimme zu kontrollieren, damit sie ihre wahren Gefühle nicht verriet. Sie war glücklich, denn was er gerade gesagt hatte konnte nur eines bedeuten: "Dann gehst du nicht nach Amerika?" Er schüttelte den Kopf. "Nein." "Na ja, dann gehen wir eben hier in Japan weiter zur Schule!- Hier gibt es doch auch gute Universitäten und es kostet nicht so viel." Kawano senkte den Kopf. "Es tut mir leid, Love, aber ich werde nicht studieren." "Nicht studieren?" "Nein. Ich mache eine Ausbildung. " "Wo denn?" "Bei der Polizei." "WAS?" Ihre Augen waren weit aufgerissen und von tief in ihr brodelten die Worte hoch, ohne das sie sie kontrollieren konnte. "WIE KANNST DU MIR SOWAS ANTUN! ICH HASSE DICH." Sie gab ihm eine schallende Ohrfeige und rannte in die anbrechende Dunkelheit... ******* Es hatte aufgehört zu regnen und die Straßen waren beinahe leer, jetzt kurz vor Mitternacht. Das Brummen des Motors klang dumpf in ihren Ohren und war das einzige Geräusch, das den Innenraum dieses kleinen Wagens erfüllte. Sie war ja so dumm gewesen, doch leider war ihr diese Einsicht erst gekommen, als es zu spät war. Sie hatte lange mit Hitomi und Toshi darüber geredet und ihnen erzählt, was vorgefallen war und wie selbstsüchtig sie sich benommen hatte. Sie hatte von ihren geänderten Zukunftsplänen erzählt. Von ihrem Wunsch im Lokal zu arbeiten. Seltsamerweise war es Toshi gewesen, der sie sofort unterstützt hatte und seine Frau so lange beschwatzte, bis sie letztlich doch einverstanden war. Love stoppte den Wagen. Sie war da. Es war ein schmuckes Häuschen in einem der vornehmsten Wohnbezirke Tokios. Die ganze Gegend sah ungemein nobel aus und hier zu wohnen machte schon etwas her. 'Eine Frage des Ansehens,- etwas das der Beruf eines Museumsdirektors zwingend mit sich bringt' - Mit diesen Worten hatte Hitomi es jedenfalls zu erklären versucht. Kaum zu glauben, das Kawanos Familie bei Weitem nicht so gut betucht war, wie dieses Anwesen hier vermuten ließ. Wahrscheinlich waren seine Eltern nur deshalb so oft unterwegs, weil sie hart arbeiten mußten um Alles finanzieren zu können. Dazu gehörte natürlich auch Kawanos Schulausbildung. - Hätte sie es doch nur früher gewußt.- Sie schämte sich für ihren Wutausbruch und die Ohrfeige, die sie ihm verpasst hatte. Und jetzt war sie hier um zu retten, was noch zu retten war. Kawano stand schon seit einer halben Stunde unter der Dusche. Es hätte ihn entspannt, ihm Ruhe und Kraft gegeben, doch nicht so heute. Warum nur hatte er Love nicht schon früher etwas erzählt. Sie darauf vorbereitet, das er vielleicht gar nicht weiter zur Schule gehen könnte. War es denn so schlimm zuzugeben, das seine Eltern nicht steinreich waren? Warum sollte Love ihn deshalb weniger lieben? Sie war sicher nicht so ein Mädchen. "Mist!" Seife war in seine Augen gelaufen und brannte wie Feuer. Er sah absolut nichts mehr und wußte, das seine empfindlichen Augen noch stundenlang feuerrot sein würden. Er hob den Kopf und sah in den Wasserstrahl. Es half ein wenig. Nach Sekunden drehte er sich wieder herum. "Abtupfen, nicht reiben." sagte eine leise Stimme und verschwommen sah er nur eine Hand, die ihm ein beigefarbenes Handtuch hinhielt. Er erschrak fürchterlich und kniff mehrmals die Augen zusammen, bis er etwas klarer sah. "Love, was machst du denn hier?" "Verzeih mir." sagte sie leise. ******* Es war noch tiefe Nacht, als das Klingeln der Türglocke ihn aus dem Schlaf riss. Wie vom Teufel gestochen sprang der junge Ehemann auf und rannte zur Türe, die das Schlafzimmer vom Korridor trennte. "Schnell, Love, hol' den Wagen. Es ist soweit." schrie er in den leeren und dunklen Gang hinaus, während seine Frau sich noch verwundert im Bett aufsetzte und das Nachtlicht entzündete. Erneut ertönte das Geräusch der Türglocke. "Ganz ruhig, Hitomi. Ganz ruhig." In seiner Stimme lag ein deutlicher panischer Unterton. "Was jetzt?" Verzweifelt griff er sich ins strubbelige Haar. "Der Koffer!" Hektisch rannte er zum Kleiderschrank. Er zog einen grossen braunen Reisekoffer heraus und begann wahllos Hitomis Kleider hinein zu werfen. Die junge Frau beobachtete ihn und grinste belustigt. Es war nicht das erste Mal, daß Toshi in der Nacht aufgeschreckt war, fest in dem Glauben das seine Frau in den Wehen läge. Bisher hatte sie ihn immer sofort zurückgehalten, doch dieses Mal machte sie sich einen Spaß daraus, ihn in seinem Irrglauben zu belassen. Derweil Toshi im Wäscheschrank wühlte, erklang abermals die Türglocke. Hitomi stöhnte laut, wie von höllischen Schmerzen gepeinigt. "Toshi, die Türglocke." "Ja, die pack ich auch noch ein." Hitomi lachte. Nein, das ging jetzt langsam zu weit. Leise stand sie auf und baute sich hinter dem Rücken ihres Mannes auf. "UUTZUUMII !!" Toshi fuhr herum und erschrak sie so nah hinter sich zu sehen. "Schatz, was ist ? Hast du Schmerzen? Soll ich den Notarzt rufen?" Sie sah ihn strafend an: "Toshi, die Türglocke am Hintereingang hat geläutet." Er schluckte sichtlich verlegen. "Dann.. Dann hast du also nicht.. Ich meine, es ist noch nicht.." Hitomi schüttelte den Kopf. Einer Antwort gleich zog sie ihr Nachthemd zurecht, so daß es die Konturen ihrer tadellosen Figur und ihres immer noch flachen Bauches zeigte. "Frag' nochmal in sieben Monaten." Toshi wurde vor Verlegenheit rot. "Öh, dann, äh, wenn das, äh,- dann, äh puh äh, werde ich mal,- hmmm - sehen wer da an der Türe ist." stotterte er und lachte betreten. "Das wäre nett." gab Hitomi zurück und kaum das Toshi seinen Bademantel übergeworfen hatte und aus dem Zimmer verschwunden war, brach sie in schallendes Gelächter aus. "Warum passiert sowas immer mir!" murmelte er und hastete die Treppe herunter. Auf dem Absatz angekommen scharf links, den dunklen Korrior entlang. Wenn er diesen Weg nicht schon dutzende Male gegangen wäre, hätte er sich sicher verlaufen. Er fragte sich, ob es Absicht war, das dieses Haus so verwinkelt und unübersichtlich angelegt war. Die vielen kleinen Räume, Abstellkammern, Sitzecken. Dienten sie der Irritation von Eindringlingen? Waren sie Raum für geheime Besprechungen und Projekte? - Den Grund kannten wohl nur die Schwestern. Atemlos erreichte er den Hintereingang. Als er die Türe öffnete, erschrak er unvermutet Nami und ihren Freund Robert Rossinier samt Gepäck in der Auffahrt stehen zu sehen. "Hast du den Weg nicht gefunden, oder sollten wir hier draussen festfrieren, Schwager?" Er lachte "So ungefähr.." Es traf Hitomi wie ein Blitz in Mitten der Bewegung. Ihre Kaffeetasse auf halbem Weg zum Mund, hatte dieser eine Satz ihrer Schwester sie erstarren lassen. Der Grund ihres Kommens, die größte Neuigkeit seit Monaten. "Ich weiß, es ist schwer zu begreifen, aber es scheint als wenn Vater noch lebt." erklärte Nami und begann zu erzählen... Love erwachte in den Armen ihres Freundes. Sie spürte seine beschützenden Hände auf ihrem Bauch und im Takt seines ruhigen Atmens fühlte sie seine Brust auf ihrem Rücken. Ihr Blick fiel auf die leuchtenden Ziffern der Weckuhr. Es war kurz nach Fünf und der neue Tag hatte gerade erst begonnen. Vorsichtig,- ohne Kawano wecken zu wollen- reichte sie an die Nachttischlampe, die die ganze Zeit über gebrannt hatte und jetzt, da sie sie ausschaltete konnte sie auch die Sterne erkennen, die durch das grosse Fenster über dem Schreibtisch schienen und zusammen mit dem Licht der Strassenbeleuchtung den Raum ein wenig erhellten. Love war glücklich. "Ist was?" hörte sie Kawano flüstern. "Nein, schlaf weiter." ******* Die Sonne schien, doch es war noch ein wenig kühl und eigentlich war ihr nicht danach in diesem Moment durch den Park zu spazieren. Immer wieder blickte sie auf das bedruckte Stück Papier, das sie gerade aus dem Umschlag gezogen hatte. "Kneif' mich mal!" meinte sie zu Kawano und er tippte ihr frech vor die Stirn.- Nein, es war kein Traum. Sie hielt einen Gutschein für eine Urlaubsreise in den Händen. Ausgestellt vom Reisebüro im Kaufhaus Asahino und gültig für zwei Personen: Love Kisugi und Kawano Mizaki. Zufrieden schmiegte sie sich noch enger an ihren Freund. Sie hatte sich gefreut Nami und Robert wiederzusehen, doch fragte sie sich, was der eigentliche Grund war, das die Beiden eine solch lange Reise auf sich nahmen. - Sicher nicht, weil sie ihnen zu ihrem Schulabschluß gratulieren wollten. Vielleicht war die Antwort ja in dem dicken braunen Umschlag, den Hitomi nahezu panikartig hatte verschwinden lassen, kaum, das sie das Lokal betreten hatten.- Aber was auch immer es war, sie mußte warten, bis man es ihr erzählte.... Zum ersten Mal seit Stunden war wieder mehr als ein flüchtiges Lächeln auf ihrem Gesicht zu sehen. "Tja, wie es scheint ist unser Küken ja bis über beide Ohren verliebt.- Es war eine gute Idee von dir Schwester." lobte Nami. "Eigentlich war es mehr die Idee von Kawanos Eltern." erklärte Hitomi ein wenig verlegen. "Aber jetzt sag, wie geht es euch? Habt ihr euch schon eingelebt?" Namis Augen hörten auf zu funkeln und das Lächeln auf ihrem Gesicht verschwand. "Ja, ja. Wir kommen klar..." Hitomi hatte diese ausweichende Antwort erwartet. Wann immmer sie in den letzten Stunden dieses Thema angeschnitten hatte flüchtete Nami sich in Belanglosigkeiten. Es war nur zu offensichtlich, daß sie nicht glücklich war. Nami sah aus dem Fenster des Wagens.- Hitomi konnte wirklich hartnäckig sein. Sie hatte ihr gar keine andere Wahl gelassen als mit auf diese Einkaufstour zu gehen. Eine Einkaufstour, die sich nun zur Reise in die Vergangenheit entwickelte. Sie waren unterwegs auf einer Küstenstraße nach Yokohama,- die Straße, die zu einem Ort führte mit dem sie viele Erinnerungen verband: Der kleine Aussichtspunkt mit Blick auf die Bucht von Tokio. An diesem Ort hatte Alles begonnen. Dort war die Aktion Katzenauge geboren worden. Dort hatte die Suche nach ihrem Vater ihren Anfang gefunden. Aber an diesem Ort war es auch gewesen, daß Hitomi ihren Schwestern ihr Geheimnis gestanden hatte, eine tief empfundene Liebe, die alles noch viel viel schwerer machen würde. "Erinnerst du dich noch an den Tag, als ich dir und Love von Toshi erzählt habe?" meinte Hitomi nach einer Weile leise. Nami blickte gedankenversunken über ihre Heimatstadt. "Ja. Es war ein ziemlicher Schock für uns, das kannst du mir glauben." antwortete sie nachdenklich, doch dann erhellte plötzlich ein Lächeln ihr Gesicht. "Aber wie es scheint bist du glücklich, Kind." Hitomi kicherte ein wenig verlegen. "Ja, das bin ich wirklich. Sehr sogar. Toshi ist ein liebevoller Mann und ich bekomme ein Kind von ihm,- was könnte schöner sein." jubelte sie zufrieden. Doch als sie bemerkte, wie ihre große Schwester nur stumm auf das Meer hinaus blickte, da verstand sie: Nami beneidete sie. "Weißt du, Nami. Wenn etwas zu Ende ist, dann muß man loslassen. Fünfzehn Jahre unerfüllte Liebe kann man nicht so einfach ungeschehen machen.- Leute verändern sich." "Nein, das ist es nicht, Kind." erwiderte ihre Schwester ungewohnt mütterlich. "Robert und ich wir lieben uns, aber ich spüre immer mehr, wie alles um mich herum zusammenbricht.- Nichts von alle dem, was mir früher einmal etwas bedeutet hat ist geblieben." Nami seufzte. "Ich arbeite als Kellnerin und Robert ist bis tief in die Nacht in seinem Büro.- Aber das ist ja alles zu ertragen, wenn ich doch nur sicher wäre, daß Robert zufrieden ist." Hitomi blickte ihre Schwester unverständig an. "Weisst du, Robert hat gelogen." erklärte Nami nach einer Weile des Schweigens. "Als wir ihn damals im Zug trafen, da kam er aus einer Spezialklinik.- Einer Nervenklinik. Er ist schwer krank, Hitomi." Toshi ließ den Lappen ins Spülwasser fallen. Er konnte nicht glauben, was Robert ihm gerade erzählt hatte. Dieser blonde Hüne, ein Mann wie ein Baum, sollte krank sein? "Und es gibt nichts, womit man dir helfen kann?" Robert schüttelte den Kopf. "Es würde zwar nie jemand zugeben, aber meine Krankheit ist zu selten, als das es sich für die Pharmakonzerne lohnen würde nach Heilmitteln zu forschen." sagte er und nahm Geschirr von der Spüle. Hilfsbereit begann er es abzutrocken. "Aber im Moment geht es mir recht gut." fügte er hizu, doch so als wollte sein Körper ihn Lügen strafen, begann er zu zittern und er hatte keine Möglichkeit zu verhindern, daß die Tasse in seinen Händen zu Boden fiel. Wortlos bückte Toshi sich und hob die Scherben auf. "Du weißt doch, Lügner gehen ohne Kuß ins Bett." Robert brachte ein selbtsmitleidiges Lächeln hervor. "Du hast recht. Ich mache mir nur selbst was vor. Entschuldige." Langsam holte er eine kleine runde Plastikdose aus der Hosentasche und öffnete sie. Seine Hände zitterten immer noch als er mühevoll einige weisse Kügelchen aus der Dose heraus auf seine offene Handfläche rollen liess. Er begann gar nicht erst die Anzahl der Pillen zu zählen, sondern beförderte sie direkt alle mit einer schnellen Handbewegung in seinen Mund. Stumm und zuvorkommend reichte Toshi seinem Freund ein Glas Wasser. Robert bedankte sich mit einem Kopfnicken und spülte mit einem grossen Schluck die Medizin hinunter. Der Geschmack war bitter, doch mittlerweile hatte er sich daran gewöhnt. "Das Zeugs ist was-weiß-ich-wieviel-mal stärker als Valium." erklärte Robert während er die Tablettendose verschloß und wieder in seiner Tasche verschwinden liess. "Eine davon knipst einem gesunden Menschen schon das Licht aus.- Mir helfen sie schon nicht mehr." Toshi machte ein sorgenvolles Gesicht. "So schlimm?" fragte er. Robert nickte. "Ja." antwortete er leise.. "Und weil er die jährliche Untersuchung nicht bestanden hat, hat man ihn suspendiert?" fragte Hitomi. Nami nickte. "Ja." sagte sie. "Er hat sich um einen Posten im deutschen Konsulat hier in Tokio beworben." "Konsulat ?" fragte Toshi Robert nickte wortlos. "Aber das ist doch nur Schreibtischarbeit.- Also ich könnte das nicht." Robert lächelte. "Und wo ist der Unterschied zu dem, was du jetzt machst?" "Glaub' nur nicht, dass Toshi glücklich ist." murmelte Hitomi nachdenklich. "Er sagt es zwar nicht, aber du solltest sehen, wie seine Augen strahlen, wenn Asaja ins Lokal kommt und von ihrer Arbeit erzählt." "Das mag sein, aber immerhin ist er zu Hause. Er hat dich, Love, Kawano, ja sogar Asaja,- Freunde, die er jeden Tag sieht,- die zu ihm stehen,- seine Vergangenheit teilen.- Aber jetzt sieh uns an. Was haben Robert und ich denn schon. Wir haben einen Anfang und ein Ende und die Jahre dazwischen sind verloren.- Was uns bleibt, sind wage Erinnerungen. Verblassende Fotos und Geschichten, die langsam in Vergessenheit geraten." Hitomi senkte bedrückt den Kopf. "Du weisst, ihr seid bei uns immer willkommen." "Ich wollte auch wegen Nami zurück nach Japan." erklärte Robert. "Meinst du, ich habe mich richtig entschieden?" Toshi zuckte mit den Schultern. "Das kann ich dir nicht sagen." "Ja, du hast wohl recht, Toshi. - Verbindungsoffizier im Konsulat ! Wie kam ich nur auf so eine Idee.- Was meinst du ?" Toshi hob von Neuem unwissend die Schultern "Du allein hast die Wahl,- aber wähle weise, denn du musst wahrscheinlich dein ganzes Leben mit dieser Entscheidung leben.- Du mußt wissen, was dir wichtiger ist. Nami zu Liebe in Japan bleiben oder zurück gehen, allein vielleicht." Toshi legte vertrauensvoll und freundschaftlich seine Hand auf die Schulter des Freundes. "Ich habe 3 Jahre gebraucht, um zu erkennen, was ich für Hitomi empfinde." Robert nickte. Kawano war erleichtert und überglücklich als er mit Love durch das Kaufhaus Asahino spazierte. Die letzten Tage waren zwar nicht so gelaufen, wie er dachte, aber am Ende war er doch zufrieden. Er würde eine Ausbildung bei der Polizei machen und Love im Café ihrer Schwestern arbeiten. Sie wären wie Fräulein Hitomi und Detective Utzumi.- Wobei er sich immer noch fragte, warum Toshi den Dienst quittiert hatte. Er hatte versucht etwas darüber zu erfahren, doch keiner gab ihm eine Antwort. Es war wohl ein Geheimnis, so wie das Familienleben seiner Liebsten. Überhaupt benahm sich Love sehr seltsam in den letzten Wochen. Eben erst hatte sie von einem alten weißhaarigen Mann zwei Glückskekse gekauft. Noch nie zuvor hatte sie sich für solche Dinge interessiert. "Mal sehen, was da für ein Schmunsens drauf steht." lachte Love abschätzig als sie das Gebäck zerbröselte und den eingebackenen Zettel entfaltete. Das Lachen blieb ihr im Halse stecken. 'Büße, Katze und Glaube!' - stand dort. Ohne ein Wort ließ sie den Zettel in ihrer Tasche verschwinden. Kawano sah sie fragend an. "Was steht denn drauf?" "Neugierige Jungs leben nicht lange." wich Love mit einem Scherz aus. "Nun mach schon deinen auf." Der junge Mann schüttelte unverständig den Kopf. "Na gut, dann sehen wir mal." Er entfaltete das Papier. "Was ist bloß aus dem guten alten 'Konfuzius sagt' geworden." grinste er. "'Katzen folgen den Klängen Gottes. Dem Sünder wird sein Traum erfüllt.' - Schwachsinn !" meinte er und wollte das Papier schon unbeachtet zerknüllen, als Love ihn zurückhielt. "Komm, laß uns zu dem Stand zurück gehen. Ich möchte noch Welche kaufen." "Warum? Glaubst du etwa daran?" Love antwortete nicht. "Ich faß es nicht!" entfuhr es Kawano. "Du glaubst tatsächlich daran?" Love nickte. "Na gut, wie du willst, es ist dein Geld." Doch dort, wo eben noch der Stand mit den Glücksbringern gewesen war, verkaufte nun ein junger Orientale Billigschmuck. "Muß ein gutes Geschäft gemacht haben." murmelte Love. "Komm, gehen wir zum Reisebüro." Kawano stimmte zu. Das Reisebüro im Kaufhaus Asahino war ein kleines unauffälliges Geschäft das direkt neben der großen Eisdiele lag, in der Love zusammen mit Katzumi viele ihrer Sommernachmittage verbracht hatte. Der Vorfall vor wenigen Minuten hatte sie ziemlich beunruhigt und auch, wenn Kawano es nicht bemerkte, sie beobachtete ihre Umgebung aufmerksamer und genauer als zuvor. Sie suchte die Menge, in der Hoffnung im Schutze der Passanten Zeugen für weitere merkwürdige Ereignisse zu haben. Es kam ihr nicht ungelegen, daß das Reisebüro rege besucht war. Die beiden Tische, an denen bedient wurde waren besetzt und so mußten sie einen Moment warten, bis sie an der Reihe waren. Als es endlich so weit war, bat ein junger Mann in Toshis Alter Love und Kawano Platz zu nehmen während er noch die Reiseunterlagen des letzten Kunden zusammen räumte. Love musterte den Angestellten. War es die Ähnlichkeit, die dieser Mann mit ihrem Schwager hatte,- was auch immer.- Sie ertappte sich dabei, wie sie unaufmerksam wurde, sich in Sicherheit wiegte. Sie warf Kawano einen Blick zu, doch bei ihm würde sie keine Antwort auf ihre Fragen finden. er kannte ihre kriminelle Vergangenheit nicht und somit war für ihn der Spruch auf dem Glückskeks einfach nur Schwachsinn gewesen. Aber vielleicht war es ja auch nur Zufall... ******* Es war bereits kurz vor vier und den ganzen Tag über hatte ausgesprochene Ruhe im Raubdezernat des Iunari-Reviers geherrscht. Seit man die Akte Katzenauge geschlossen hatte, war der Alltag eingekehrt. Kleinere Diebstähle, Schmuggel, dies und das. Nichts Aufregendes und so wie an jedem Tag bereitete sich der Chef auf seinen verdienten Feierabend vor. "Haben sie eigentlich kein zu Hause." scherzte er ungewohnt gelassen und blickte zu Asaja, die als Einzige noch im Gemeinschaftsbüro sass. "Sie wissen doch, das Verbrechen ruht nie." gab sie zuerst noch gewohnt ernst und beflissen zurück, doch dann mit einem Mal musste auch sie lachen. "Ja, sie haben recht Chef. Seit Utzumi weg ist, ist es viel ruhiger geworden.- Zu ruhig." Ihr Chef lachte. "Oh, das könnte ich nicht sagen. Immerhin habe ich nicht mehr diese furchtbaren Kopfschmerzen seit er weg ist." lachte er. "Aber ich denke, ich kann sie verstehen. Wenn man so jung ist, wie sie beide, dann sehnt man sich nach neuen Aufgaben, das war ja auch der Grund warum sie um die Versetzung nachgesucht haben. Ich aber zähle die Tage bis zu meiner Pensionierung und glauben sie mir,- mit Utzumi und den Katzen hätte ich die Zeit bis dahin sicher nicht überlebt." Asaja rang sich ein Lächeln ab. Ihr Chef kannte nicht die wahren Gründe für ihr Versetzungsgesuch. Die Versetzung zur Ausbildungstruppe nach Osaka war der letzte Strohhalm, der ihr blieb, wollte sie nicht aus dem Dienst ausscheiden. Plötzlich durchbrach das Läuten des Telefons auf Asajas Schreibtisch die Stille. "Iunari Revier, Raubdezernat, Unterinspektor Asaja am Apparat." meldete sich das Fräulein Unterinspektor. "Ja, ja danke, ich komme." Nachdenklich legte sie den Hörer auf und ihr Chef sah sie verwundert an. "Wer war das?" fragte er neugierig. "Das war Fräulein Miuki vom Verkehrsdezernat. Sie sagte sie hätten einen Verkehrssünder festgenommen, der mit mir sprechen will." "Wieso denn mit ihnen?" Asaja schüttelte den Kopf. "Ich weiss nicht." "Nun gut. Gehen Sie, gehen Sie. Die Pflicht ruft." meinte der Chef und seine Untergebene nickte gehorsam. "Ach Fräulein Asaja?" "Ja?" "Wenn sie fertig sind, gehen sie nach Hause." Asaja nickte. Als sie hinunter ins Verkehrsdezernat kam, wartete die Streifenpolizistin Miuki Iahara bereits auf sie. Sie war eine junge Dame von Anfang Zwanzig, etwas jünger als Asaja also und sie hatte hellbraunes kurzes Haar. Sie war ein wenig kindisch in ihrem Verhalten, fand Asaja. Sie erinnerte sich noch an den Einstand, den die junge Dame bei Dienstantritt im Revier hingelegt hatte. Frisch von der Polizeischule war ihre erste Amtshandlung gewesen, dem stadtbekannten Privatwagen des Polizeipräsidenten einen Strafzettel wegen Falschparkens zu verpassen. "Nun, wo ist der Mann?" "Bitte hier entlang, Fräulein Unterinspektor." Fräulein Miuki wies ihrer älteren Kollegin den Weg in ein Besprechungszimmer. Ein Mann in einem mintfarbenen Sakko saß auf dem Holzstuhl vor dem Schreibtisch. Er hatte schwarzes krausiges Haar und nun, da er hörte, wie die Zimmertüre geschlossen wurde, drehte er sich um. Asaja war sichtlich verwirrt, als sie den Mann erkannte. "Aber Toshi was machen sie denn hier?" Der Mann verzog jedoch keine Miene. Wortlos stand er auf und trat zu Miuki. Lächelnd sahen sich die beiden an. Ein merkwürdiges Gefühl stieg in Asaja hoch. "Also was gibt es?" fragte sie, doch immer noch sagte keiner der Beiden ein Wort. Die musternden Blicke des Mannes jedoch wurden immer durchdringender. "Mitzuku Asaja, Unterinspektor." rezitierte der Mann in Toshis Gestalt aber mit fremder Stimme. "Du hattest recht Miuki, sie sieht Hitomi zum Verwechseln ähnlich." "Sag' ich doch, Aiko." gab die Dame neben ihm zurück. "Wer sind sie? Und was wollen sie?" herrschte Asaja die Beiden an und griff bereits nach ihrer Dienstwaffe. Doch der Mann in Toshis Gestalt hob sofort entschuldigend die Hände. "Bitte, Fräulein Asaja. Seien sie nicht verängstigt. Wir wollen ihnen nichts böses." sagte er mit freundlicher und Vertrauen einflößender Stimme. "Wir möchten uns nur ihr Gesicht ausleihen." Als Kawano zu sich kam brummte ihm gewaltig der Schädel. Das Dämmerlicht, das durch ein Fenster fiel ließ ihn erkennen, daß er auf einem Bett lag. Vorsichtig streifte sein Blick umher. Es war ein kleines Zimmer mit zwei Türen und einem großen Fenster. Die Einrichtung war nicht üppig aber wahrscheinlich ausreichend. Es kam ihm vor wie ein Zimmer in einem Ferienhaus, denn er sah keine persönlichen Gegenstände wie Bilder Poster oder antike Möbel. Alles hatte diesen Möbelhaus-Charme. Ein leises Geräusch riß ihn aus seinen Gedanken. Er spürte eine Hand, die sich auf seine Brust legte. "Ich hab' Angst." hörte er Love flüstern. "Komm, wir müssen nachsehen wo wir sind." Langsam standen sie auf und gingen zum Fenster. Als er es öffnete schlug ihm ein kalter Windzug entgegen. Es brauchte etwas Kraft, die Fensterläden aufzustoßen.- Sie schienen festgefroren zu sein. Der Morgen hatte wohl gerade erst begonnen, denn die Sonne war noch nicht über die Gipfel der schneebedeckten Bäume rings umher gestiegen. Love sah auf ihre Uhr und stutze.- Mitternacht ? Sie verließen das Zimmer und gingen hinaus auf den kleinen Korridor. Sie hörten Stimmen, bekannte Stimmen. Langsam schlichen sie die Holztreppe hinunter und kamen in eine Art Wohnküche. Die verwirrten und fragenden Blicke von vier Personen begrüßten sie. Sofort hob Love die Arme. "Ich hab' nichts gemacht." sagte sie. Ratlose Blicke und verwunderte Gesichter rings umher. Schlafgas hatte sie und Kawano im Reisebüro matt gesetzt. Nami, Hitomi, Robert und Toshi mußten ihren Berichten zu Folge nach einem Abendessen mit Unterinspektor Asaja weggetreten sein.- Eines war sicher: Sie waren nicht mehr in Tokio. Wo waren sie und wer hatte sie hergebracht? Was hatte man mit ihnen vor? Tausend Fragen schossen Love durch den Kopf. "Habt ihr denn schon eine Idee?" Toshi nahm ein Schlüssel mit Anhänger vom Tisch. "Der hier gehört zu einem Geländewagen vor dem Haus." "Auf dem Anhänger steht: In vino veritas. - Im Wein liegt Wahrheit." fügte Hitomi hinzu. "Habt ihr schon eine Ahnung, wo wir sind?" fragte Love. Robert legte die Stirn in Falten, als er antwortete. "Also der Wagen hat kanadische Kennzeichen. Die Hütte hier liegt auf einer Lichtung. So weit Toshi und ich sehen konnten, gibt es nur einen unbefestigten Weg, der von hier wegführt." Nami legte ihre Stirn in Falten. "Mehr haben wir nicht herausfinden können. Habt ihr noch etwas?" "Wir haben in unseren Glückskeksen Nachrichten gefunden." erklärte Love und zog den Zettel mit der Weissagung heraus. Kawano tat es ihr gleich und Namis Sorgenfalten verschwanden als sie die merkwürdigen Weissagungen las. Sie ahnte auf welcher Mission sie waren. Kawano hingegen war völlig verwirrt. "Ich verstehe das nicht. Da wird von Katzen geredet. Was haben Katzen denn mit dem allen hier zu tun?" Die drei Schwestern sahen sich an. Sie mußten eine Entscheidung fassen... Love sah ihrem Liebsten tief in die Augen. Die ganze Zeit über hatte er ihre Hand gehalten und nun, da er von Nami die Wahrheit erfahren hatte schien er sehr gefasst. Zärtlich küßte er sie und als ihre Lippen sich trennten murmelte er verständig: "Darum warst du so verschlossen." Sie nickte. Sie war zerrissen zwischen Glück und Angst. Sie war überglücklich zu wissen, das ihr Vater nicht hingerichtet worden war. Doch die Angst wieder nur einer Hoffnung hinterher zu rennen war tief in ihr. - Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen, nun da sie alle vor dem Haus standen und die klare frische Luft genossen. - Ein gefüllter Kühlschrank, Lebensmittel,- ja sogar an warme Kleidung hatten diejenigen gedacht, die sie hergebracht hatten. "Schön, und was jetzt? Wie geht es nun weiter?" Nachdenklich betrachtete Toshi die Gegend. Es war außer dem Wald nichts zu sehen. Keine Stadt, kein Dorf. Nur Glocken klangen in der Ferne und mischten sich unter das Geräusch der Vögel, die über ihren Köpfen hinweg zogen. Es gab tatsächlich nur einen Weg, der von diesem Haus weg führte. Reifenspuren, wenig von Neuschnee bedeckt, zeigten deutlich, das er kürzlich benutzt worden war. "Wir haben weder Karte noch einen Hinweis. Den Wagen zu benutzen wäre sinnlos. Wir wissen ja nicht wohin wir fahren sollen." Zustimmendes Kopfnicken machte sich breit. Ein jeder dachte angestrengt nach. Wieder klangen die Glocken. Nami merkte auf. "Ich weiß es!" rief sie und stieg in den Geländewagen. " Die Glocken sind der Wegweiser. Die Stimme Gottes auf Erden. Kommt, beeilen wir uns." Sie verließen den kleinen Hof vor dem Haus und fuhren auf dem unbefestigten Pfad durch den Wald. Nach Kilometern mündete der Weg in eine schneebedeckte Schneise. Sie schauten einen Moment lang ratlos umher, doch dann sahen sie ihn. Wie ein Leuchtturm in der dunklen Nacht ragte eine Kirchturmspitze über die Baumgipfel am Horizont.. Das Café Katzenauge in Tokio hatte gerade erst die Pforten geschlossen. Es war ein arbeitsreicher Tag gewesen, an dem ein falscher Toshi und eine falsche Hitomi viele Gäste bedient hatten. "Ich glaube wir haben unsere Sache ganz gut gemacht." meinte der Mann in Toshis Gestalt und räkelte sich genüßlich in der Sitzcouch. "Das wäre ja auch alles nicht so schlimm, wenn ich nicht diese dämlichen Kontaktlinsen tragen müßte." warf Hitomis Doppelgängerin ein und betrachtete mit Verachtung die kleine durchsichtige Scheibe die sie auf ihrer Fingerspitze balancierte. "Die sehen auch sehr stark aus." stimmte der Mann zu. "Und glauben sie mir, Monsieur Villant, das reicht noch nicht einmal." entgegnete die Frau und liess die Sehhilfe in den Becher vor ihr gleiten. Bedächtig griff sie nach der Brille auf dem Tisch und setzte sie auf. "Besser so ?" fragte Aiko Villant fürsorglich und die Dame nickte. "Ja, danke." antwortete sie. "Ihre Sehschwäche, das war auch der Grund für ihr Versetzungsgesuch, oder?" "Ja, das stimmt.- Sie scheinen wohl sehr gut über mich Bescheid zu wissen." "Nun, das ist eine Eigenart meiner Schwester. Vor einer Aktion sammelt sie alle Informationen, die sie bekommen kann." "Erzählen sie mir von ihr. Oder besser noch, erzählen sie mir von ihrem Vater, Frederick Köhler." bat Asaja. "Was ist die Verbindung zwischen ihm und Heintz?" fragte sie, doch ihr Gegenüber zögerte noch. So beschloß sie noch ein wenig zu bohren. "Wissen sie, eines macht mich stutzig. Sie und ihre Schwester sind ein wenig jung dafür, daß ihr Vater während des zweiten Weltkrieges verschleppt wurde." Der Mann lachte. "Köhler ist nicht mein Vater." Asaja blickte verwundert. "Mir scheint, sie haben falsche Schlüsse gezogen." stellte Toshis Doppelgänger fest, als er die Reaktion der Dame bemerkte. "Also lassen sie uns ganz am Anfang beginnen." schlug er schließlich vor und das Fräulein Unterinspektor nickte zustimmend. "Nun gut." hob Herr Villant an und streckte sich. "In den 30er und 40er Jahren, als in Deutschland die Nationalsozialisten an der Macht waren, da haben Heintz und Köhler zusammen in Deutschland gelebt, studiert und gearbeitet." "Als Spione." setzte Mitzuku vorschnell hinzu, doch der Mann schüttelte den Kopf. "Nun ja." entgegnete er. "In dieser Zeit konnte man entweder mit dem Strom schwimmen oder untergehen. So gesehen, war jeder, der überlebte vielleicht ein Spion. Aber nichts desto trotz- vor dem Krieg floh Heintz aus dem Land. Köhler arbeitete arglos für das Reich. Er war Eines der Druckmittel, mit dem sie Heintz erpressten, nach Deutschland zurück zu kehren. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges ging Köhler unbehelligt in die Schweiz und wohnte bei meiner Familie. Die unabhängige Schweiz war ein relativ sicherer Ort für ihn und dort heiratete er dann auch seine Frau, meine Tante Margarethe Chatelet. Um 1958 dann erwachte das Interesse an Köhler. Er und seine schwangere Frau flohen zu einem Freund, der weit vor dem Krieg nach Kanada ausgewandert war. Doch auch dort wären sie nicht auf Dauer sicher, das wußte Köhler und so faßte er einen wahnsinnigen Plan. Kurz nach Melanies Geburt verschwand er bei Nacht und Nebel zusammen mit dem Baby aus Kanada. Melanie gab er in die Obhut meiner Familie. Er selbst tauchte in Südafrika unter." "Ich verstehe." meinte Asaja leise, doch Herr Villant fuhr sie mit einem Mal ein wenig brüsk an. "Ich weiss nicht, ob sie verstehen, was es für ihn bedeutet hat, sein Kind seiner Mutter zu entreißen und aus den Händen zu geben. Welche Qualen Melanie durchgemacht hat, als sie aufwuchs.- Können sie sich vorstellen, was es für ein Gefühl ist, nach aussen hin die Tochter einer Musterfamilie zu spielen, wenn man doch weiss, das es nur Pflegeltern sind und der richtige Vater wegen seines Berufes und seiner Abstammung vielleicht irgendwo um sein Leben betteln muss während die Mutter irgendwo in der Wildnis Schutz sucht?- Fräulein Love, ja sie würde es vielleicht verstehen." der Mann stockte einen Moment und warf Asaja wegen seines rüden Tons einen entschuldigenden Blick zu. Gefasst und gesenkten Blickes fuhr er fort "Wissen sie, das war auch der Hauptgrund für Melanie diese Aktion zu starten.- Sie wollte, dass Love ihren Vater kennenlernt.- Ganz egal, ob die Schwestern ihr später bei der Suche nach ihrem Vater helfen werden." "Was das betrifft, da brauchen sie sich keine Sorgen zu machen." beruhigte Asaja lächelnd. "Wenn ich Fräulein Nami und ihre Schwestern auch nicht gut kenne, glauben sie mir, wenn ihr Plan gelingt werden sie sich revanchieren." "Das würde mich freuen, denn nichts wünsche ich mir mehr, als Melanie glücklich zu sehen." der Mann hielt inne, da er bemerkte, wie die Dame ihn wissend angrinste. "Nein, Fräulein Asaja, nicht, was sie denken." gab er zurück. "Melanie und ich, ja, es gab eine Zeit, da waren wir ein Paar, aber wir passen einfach nicht zueinander. Trotzdem ist sie eine sehr gute Freundin,- wie eine Schwester halt." Mitzuku Asaja nickte verständig und rieb ihre Stirn. "Oh, verzeihen sie. Ich langweile sie bestimmt." schlussfolgerte Aiko Villant, als er sah, wie die Dame in dem Sessel neben ihm ihr Gesicht massierte. "Nein, nein." entgegnete Mitzuku Asaja. "Es ist nur, ich habe wieder diese Kopfschmerzen." meinte sie und nahm ihre Brille ab. "Es ist ihre Sehschwäche, die die Schmerzen verursacht." mutmasste Aiko, doch Asaja schwieg. Dann jedoch nickte sie und reichte ihrem Gegenüber ihre Brille. Bedächtig und professionell lies Aiko Villant die Sehhilfe durch seine Finger gehen. "Plastik." murmelte er und tippte mit dem Fingernagel auf die Brillengläser. Der dumpfe Klang bestätigte seine Vermutung. "Fünfeinhalb, vielleicht sechs Dioptrien." stellte er fest als er die Stärke der Brillengläser begutachtete. "Sie leiden an einer Linsentrübung beider Augen." bemerkte er noch und blickte Asaja mitleidig an. "Ja, sie haben recht." gab die Dame zu. "Sind sie Augenarzt?" "Optometriker. Es tut mir leid, wenn ich sie damit jetzt erschreckt haben sollte." antwortete Aiko ein wenig beschämt. "Dann wissen sie ja vielleicht, wie es um mich steht.- Ob mit oder ohne Operation, meine Augen werden immer schlechter und das Einzige, was ich dann noch tun kann, wäre ein Schreibtischjob oder eben Ausbilder.- Deshalb habe ich mich um den Posten in Osaka beworben." Aiko blickte bedächtig zu Boden. "Wissen sie," begann er leise. Es war beinahe ein Flüstern, "einer unserer Grundsätze ist, sich nie in die Belange Anderer einzumischen. Bei unseren Aktionen haben Melanie und ich immer darauf geachtet, so wenig wie möglich das Leben und das Schicksal der Menschen zu beeinflussen. Aber ich finde, sie haben es verdient das ich ihnen sage, was ich weiss." Der Mann sah auf und suchte Asajas Augen zu fixieren: "Als wir ihre Akte durchsahen, da war dort bereits vermerkt worden, daß ihre Versetzung nach Osaka von höchster Stelle widerrufen wurde. Sie werden ins Verkehrsdezernat versetzt.- Innendienst. Ab nächsten Monat sind sie die Vorgesetzte von Fräulein Iahara." Asaja starrte regungslos an die Wand. "Vielen Dank, dass sie so ehrlich zu mir waren." sagte sie emotionslos. "Bitte, entschuldigen sie mich. Es war ein langer Tag und ich möchte auf mein Zimmer gehen." Aiko nickte. "Gute Nacht, Fräulein Asaja." sagte er und als die Dame das Zimmer verliess blickte er ihr noch lange nach. "Ach Mitzuku. Sie sind ein Eisklotz." Er sollte eigentlich schon schlafen, doch irgendwie hatte er noch Hunger und auch noch keine Lust ins Bett zu gehen. Immerhin war die Sitzcouch, auf der er nächtigte nicht gerade ein Himmelbett. Asaja hatte es da doch besser. Sie schlief in Loves Zimmer. Aiko Villant schlurfte mit schweren Gliedern den Gang hinunter. Ein leises Geräusch ließ ihn aufhorchen. Es war ein leises Schluchzen und es kam aus dem Zimmer direkt vor ihm. "Fräulein Asaja, ist alles in Ordnung." rief Aiko halblaut und klopfte an. Es kam keine Antwort und erst als schon eine ganze Weile vergangen war, hörte er Schritte. Die Türe wurde geöffnet und sein Blick fiel in die verweinten Augen von Fräulein Asaja. Mit einer Handbewegung deutete sie ihm noch einzutreten aber dann stellte sie sich sofort wieder vor das grosse Fenster und blickte hinaus in die Dunkelheit. Der junge Mann betrachtete die Szene eine ganze Weile. Welch eine empfindsame und verwundbare Seele unter der rauhen Schale dieser Polizistin steckte. "Können sie sich vorstellen, wie es ist, wenn plötzlich das Eine, für das sie immer gelebt haben, vor ihren Augen zerbricht." Asajas Stimme klang ungewohnt gefühlsbetont und leise. "Seit ich denken kann wollte ich immer in Allem die Beste sein. Die Beste in der Schule, Jahrgangsbeste auf der Universität, Sondereinsatzkommando, japanische Meisterin mit der Luftpistole.- Mein Beruf, das war alles, woran ich denken konnte.- Und jetzt finde ich mich hinter dem Schreibtisch wieder. Formulare ausfüllen,- etwas das auch ein dressierter Affe machen könnte." Asaja fuhr herum und lachte bitter. "Sehen sie mich an. Meine Augen sind ruiniert vom Dämmerlicht der Bibliotheken und den Büchern, in die ich mich vergraben habe. Was hilft mir mein Wissen wenn ich aussehe wie eine vieräugige Vogelscheuche? Glauben sie, ein Mann würde eine studierte Schnepfe wie mich heiraten wollen?- Ich beneide Hitomi und Nami." "Wissen sie, Fräulein Asaja, eine Nelke kann auch schön sein." "Was soll das schon wieder heissen?" "Nun, eine Rose ist eine edele Pflanze. Sie ist gezwungen schön zu sein und ist sie es nicht, dann wirft man sie weg. Eine Nelke hingegen ist eine eher unscheinbare Pflanze. Aber wenn sie entgegen allen Erwartungen zu grosser Schönheit erblüht, dann ist man Stolz und sie wird in Erinnerung bleiben." "Ich bin nicht sicher, dass ich verstehe, was sie mir sagen wollen." "Was ich damit sagen will, ist, dass sie sich nicht unter Wert verkaufen sollen. Sie sind vielleicht kein Model oder eine Schönheit wie Fräulein Nami, aber wer sie kennenlernt, der merkt schon bald, dass sie eine wunderbare und einfühlsame Frau sind." Asaja blickte verwundert und antwortete nicht. Aiko Villant hingegen wandte sich ab und ging hinaus. "Entweder, sie nehmen es als ihr Schicksal hin, oder sie ändern es. Noch haben sie die Wahl. Und glauben sie mir, es gibt zumindest einen Menschen, der sie sehr gern hat." sagte er schliesslich noch bevor er die Türe schloss. "Ach Asaja, fast hätte ich es ihnen gesagt." murmelte er für sich... ******* Einige tausend Kilometer weiter ostwärts hatte indes der Tag gerade erst richtig begonnen und die sechs Reisenden waren vollauf damit beschäftigt, ihr Ziel zu erreichen. Die Stimmung war angespannt. Ohne Vorwarnung hatte man sie aus ihrem Heimatland Japan in die Wildnis Kanadas gebracht. Hatte sie mit Winterkleidung und einem fahrbereiten Geländewagen versorgt. Sogar an die von Robert dringend benötigte Medizin hatten sie gedacht. Es war sicher kein Zufall, daß keine Karte der Umgebung zu finden gewesen war. Sie sollten gezwungen sein Hinweisen zu folgen. Ein merkwürdiges Spiel, das sie zwang nun schon seit Stunden diesem Kirchturm entgegen zu fahren. Love kniff die Augen zusammen um gegen die tief stehende Wintersonne sehen zu können. War die Kirchturmsitze bisher ihre einzige Orientierung gewesen, so tauchten nun auch schemenhaft die Umrisse von Gebäuden hinter dem Hügel auf. "Gleich sind wir auf der Anhöhe, von da aus werden wir besser sehen können." Langsam ließ Nami den Wagen den Hügel hinunter rollen. Der Wald links und rechts der Piste öffnete sich und sie kamen in die weitläufige Ebene an deren Ende das Dorf lag. Es war eine kleine Ansammlung von alt anmutenden Häusern und Hütten die die Straße zur Linken und Rechten umsäumten. Als sie hindurch fuhren, kam es ihnen vor als ob alles um sie herum unbewohnt und seit langem Verlassen war. Der Kirchplatz war am Ende der Häuserzeile und das wohl einst prächtige Gotteshaus war beinahe eine Ruine. Die zweiflügelige Holztüre am Eingang war zum großen Teil zerfallen und die Reste hingen nur noch am seidenen Faden. Viele der bleiverglasten Kirchenfenster waren zerbrochen und das hindurch fallende Sonnenlicht zauberte merkwürdige Lichtspiele. Die Kirchenbänke waren von einer dicken Staubschicht bedeckt und hier und dort lag noch ein aufgeschlagenes Kirchenbuch darauf. Ratlos blickten die sechs Freunde umher und riefen sich noch einmal die mysteriösen Botschaften in den Kopf. "Die Katze soll büßen und glauben. Dem jungen Sünder wird ein Traum erfüllt." Toshi hielt inne. "Wenn die Katze der Sünder ist, dann würde sie zum Büßen..." "Der Beichtstuhl!" platzte Hitomi heraus und zeigte auf das hölzerne Gebilde, das vor der Wand stand. Ohne viele Worte durchsuchten sie den Ort am dem Sünder ihre Buße auferlegt bekamen. Sie fanden eine Sammlung religiöser Motive, was nichts Ungewöhnliches gewesen wäre. Bis auf dieses eine Bild: Es trug als Einziges eine Unterschrift: 'Möge das Licht Gottes euch den Weg leuchten.' und es war ein Abbild eines Kirchenfensters aus genau diesem Gotteshaus. Doch so sehr sie auch das zerbrochene Original in der Wand oder das Abbild auf dem Papier betrachteten, es fiel ihnen nichts auf. Es war eine der vielen Abbildungen von Jesus am Kreuz. Im Kirchenfenster fehlte eine Scheibe und die Mittagssonne stach in Loves Augen, als sie von Neuem hinsah. "Das Licht Gottes." murmelte sie plötzlich und fuhr herum. Ein scharfer Lichtstrahl markierte einen Platz in der Bankreihe nahe dem Ausgang. Scheinbar unachtsam dorthin geworfen lag ein Zettel. "Kommt mal her!" rief Love laut und wedelte mit dem Papier, "Hört zu: 'Katze entlaufen. Schwarzes Fell, hört auf den Namen Love. Belohnung.'" Verständiges Kopfnicken machte sich breit als sie die gemalten Katzenköpfe sahen, die das Blatt umrandeten. Es war das gleiche Bild, wie auf den Visitenkarten von Katzenauge. "Also dann. Wenn die eine Schnitzeljagd wollen, können sie haben..." ******* Während die winterliche Mittagssonne über der Wildnis Kanadas langsam herniedersank und einem dämmrigen Nachmittag Platz machte fuhren unsere sechs Freunde gespannt ihrem Ziel entgegen. In Japan brach indes bereits der Morgen des nächsten Tages an und die Stadt Tokio mit all ihren Einwohnern erwachte langsam zum Leben. Im Café Katzenauge war ein Mann mit schwarzem Haar schon seit einiger Zeit damit beschäftigt ein Frühstück zu bereiten, das Seinesgleichen suchte. "So, mal sehen, ob ich sie hiermit ein wenig aufmuntern kann." murmelte der junge Mann in Toshis Gestalt und Kleidung als er mit einem leeren Tablett in den Händen aus dem Lokal zurück in die Küche kam. Eifrig begann er allerlei Frühstücksleckereien darauf zu laden. "Das, das, das, das - Oh ja, die Margarine.- So, ich denke ich habe alles." stellte er zufrieden fest und gerade wollte er das beladene Tablett vom Tisch heben, als ihn ein Geräusch aufhorchen ließ. Es war ein leises rhythmisches Klopfen an der Hintertüre des Cafés. Es war eine verabredetes Signal, auf das hin er ohne Zögern zur Türe eilte. Leise schloß er auf und öffnete. Wortlos nickend trat eine sehr junge Frau in der Uniform einer Verkehrspolizistin ein und folgte dem Mann zurück in die Küche des Cafés. "Hier ist deine Post." sagte die junge Frau und legte einen kleinen Stapel Briefe auf die Anrichte. "Und das hier ist die Post von Asaja." fügte sie noch hinzu und reichte ihrem Bekannten einen Briefumschlag, den er auch sofort in der Tasche seines mintfarbenen Jacketts verschwinden ließ. "Danke, Miuki. Aber das wäre doch nicht nötig gewesen." antwortete der Herr geschmeichelt, doch das nachdenkliche Gesicht der jungen Frau machte ihn stutzig. "Was hast du Cousinchen?" Die junge Dame zögerte und senkte bedrückt ihren Kopf. Langsam reichte sie in ihre Handtasche und zog einen gefalteten Zettel heraus. "Die neuen Sparmaßnahmen sind durch." sagte sie leise und faltete das Blatt auseinander. "Das hier lag auf dem Tisch des Dezernatsleiters." fügte sie noch hinzu und reichte ihrem Bekannten das Papier. Niedergeschlagenheit sprach aus seinem Gesicht, als Aiko Villant den Zettel sinken lies. "Sie wollen Asaja also noch vor der Beförderung entlassen." "Es tut mir leid. Ich weiß, wie sehr du sie magst." entgegnete Miuki mitfühlend und küßte den Mann freundschaftlich auf die Wange. "Ich muß jetzt gehen.- Bis heute nachmittag." Sie verschwand leise durch die Hintertüre und Aiko erwachte erst wieder aus seiner Lethargie, als er die Türe ins Schloß fallen hörte. "Ach Asaja." seufzte er mitleidig. "Ihr ganzes Leben haben sie der Polizei gewidmet. Ihre Gesundheit ruiniert, um das Gesetz zu verteidigen. Und jetzt entlässt man sie einfach. 'In allen Ehren.'- als ob das etwas ändern würde. So als ob man eine Tasse Kaffee wegkippt, die übrig geblieben ist." Nachdenklich trug er das Tablett die Treppen hinauf und balancierte es gekonnt auf einer Hand, als er an Asajas Zimmertüre klopfte. "Ja bitte." hörte er die Stimme des Unterinspektors rufen und er trat ein. "Guten Morgen Aiko." schallte die Frauenstimme fröhlich aus dem Kleiderschrank. "Guten Morgen Mitzuku. Spielen sie verstecken?" witzelte der junge Mann und setzte das Tablett auf dem Schreibtisch ab. Die junge Dame im Blickschatten der Kleiderschranktüre lachte. "Nein, ich dachte ich sollte heute Morgen etwas Anderes tragen.- Also habe ich mir erlaubt eine legere Jeans aus Frau Hitomis Kleiderschrank zu nehmen. Leider sind mir ihre T-Shirts nur viel zu gross. Sie ist halt etwas üppiger gebaut." erklärte sie freimütig und trat hinter der Schranktüre hervor. "Was denken sie. Steht mir doch gut, oder?" Aiko verschlug es die Sprache. Mit einem Mal war aus der unscheinbaren Asaja in ihrer tristen Dienstuniform eine Schönheit geworden, die den Vergleich mit den Kisugi-Schwestern nicht zu scheuen brauchte. "Sie sehen grossartig aus!" entfuhr es ihm bewundernd. "Ja, ich habe über das nachgedacht, was sie gestern Abend sagten.- Und sie hatten recht. Ich bin keine graue Maus." erwiderte das Fräulein ungewohnt selbstbewusst. "Und wissen sie was, auch wenn ich nur noch am Schreibtisch sitze, ich bin immer noch Polizistin und darauf kann ich stolz sein." "Äh, ja." meinte Aiko ein wenig kleinlaut und begann den Tisch zu decken. "Kommen sie jetzt, frühstücken sie, der Kaffee wird sonst noch kalt." Asaja war geschmeichelt von der Fürsorge, die ihr zu Teil wurde. "Wollen sie nichts?" "Äh, nein, ich habe unten in der Küche..." "Ach kommen Sie, trinken sie wenigstens eine Tasse Kaffee mit mir." Toshis Doppelgänger nickte etwas widerwillig. Er fühlte sich nicht ganz wohl bei dem Gedanken, das er diese Wandlung bei Asaja verursacht haben sollte. "Übrigens Miuki hat ihre Post gebracht." Fast beiläufig zog er den Brief aus seiner Tasche und zu spät merkte er, wie der Zettel mit der unangenehmen Mitteilung ebenfalls herausrutschte. Das zu Boden sinkende Blatt weckte sofort die Aufmerksamkeit des Unterinspektors. "Oh, sie haben etwas fallengelassen." sagte sie und reichte zuvorkommend hinunter um das Papier aufzuheben. "Was ist denn das?" "Äh, das ist, äh nur, mein Einkaufszettel, ja, die Einkäufe fürs Lokal." stotterte Aiko. "Na, dann sollte ich einmal einen Blick darauf werfen." entgegnete Asaja grinsend und faltete das Blatt auseinander. "Vergessen sie nicht, Hitomi gehört die Hälfte des Lokals und da ich Hitomi bin, sollte mich mein Mann..." die junge Frau von Mitte 20 stockte. "Ich wusste garnicht, dass man auch eine neue Karriere einkaufen kann." Scheinbar gefasst gab sie das Papier zurück und stand auf. Sie trat an das große Fenster und Tränen schossen in ihre Augen als sie hinüber zum Polizeirevier blickte. Aiko trat hinter sie, so daß er nur einen Schritt von ihr entfernt war. Seine Stimme klang leise und vertraut, als er sie zu trösten versuchte. "Es tut mir leid, Fräulein Mitzuku. Aber..." Die Einhalt gebietende Handbewegung der Dame vor ihm lies ihn den Satz abbrechen. "Ich weiss, daß sie es nur gut gemeint haben. Und ich bin Ihnen dankbar für das, was sie tun wollten.- Aber ich kann mich der Wahrheit nicht verschließen." Die junge Polizistin fuhr herum und lachte zynisch. "Na, immerhin habe ich einen Pensionsanspruch.- Und das ist doch auch etwas." "Machen sie sich doch nicht lächerlich. Sie sind 27 und haben ihr Leben noch vor sich!- Warum denken sie immer die Starke und Unnahbare spielen zu müssen?" "Was soll ich denn machen ?! Mein Leben ist zerstört.- Alles, wofür ich jemals gearbeitet habe ist verloren. Am Besten bringe ich mich um." Asaja brach in Tränen aus. Verzweiflung und Verwirrung bestimmten ihr Denken. Hatte sie bisher alles mit kühlem Verstand gemeistert, so war dies eine ganz neue Erfahrung für sie. Irgend etwas trieb sie dazu sich diesem Mann anzuvertrauen. Sie versank in seinen Armen und ergab sich darin mit geballten Fäusten zärtlich auf seine Brust einzuschlagen. Aiko ergriff ihre zittrigen Hände und blickte sie todernst an. "Wenn sie sich umbringen wollen, dann müssen sie aber warten, bis Fräulein Hitomi wieder da ist. Alleine schaffe ich die Arbeit im Café nicht." Er hatte es geschafft. Ein kurzes Lächeln erhellte das traurige Gesicht seiner Angebeteten. Asaja spürte die Wärme und Geborgenheit, die dieser Mann ihr entgegenbrachte. Er gab ihr Selbstvertrauen und die Gewissheit, daß alles gut werden würde. Es war ja auch nicht so, als wenn sie nicht damit gerechnet hätte. "Wissen sie, Aiko, ich denke schon eine Weile darüber nach. Vielleicht sollte ich sowas wie eine Privatdetektei aufmachen. Damals, als ich noch mit Utzumi zusammen arbeitete und er wegen seinen Misserfolgen immer kurz vor der Entlassung stand, da hat er oft davon gesprochen." "Na also, das ist doch schon etwas. Ich denke sie wären eine gute Privatdetektivin." "Mag sein. Aber allein und ohne Hilfe werde ich es nicht schaffen, zumal meine Gesundheit ja nicht besser wird. Wie wäre es mit ihnen?" Aiko lächelte verlegen. "Danke, ihr Angebot ehrt mich, aber wissen sie, wenn das hier vorbei ist und meine Ziehschwester ihren Vater wieder gefunden hat, dann werde voller Glück und Freude meinen Beruf als Augenoptiker wieder aufnehmen.- Aber warum fragen sie nicht Utzumi?" "Ich denke nicht.-" zögerte Asaja. "Er ist sicher ein qualifizierter und intelligenter Detektiv.- Aber gerade jetzt wo er Vater wird, glaube ich kaum, daß er das Risiko eingehen wird." Aiko lachte. "Er würde.- Glauben sie mir." "Ich hoffe es geht ihnen allen gut. Ich verstehe nicht, warum sie sie nicht direkt zu Heintz gebracht haben. Warum dieses Rätselraten?" "Sehen sie sich doch einmal an. Ihr eigener Chef kam ins Lokal und erkannte sie nicht. So einfach ist es, die Leute zu täuschen." Asaja blickte nachdenklich zu Boden. "Ja, sie haben recht. Man kann nie vorsichtig genug sein." murmelte sie leise und distanzierte sich ein wenig von dem Herrn, der sie immer noch zärtlich im Arm hielt. Aiko nickte verständig und trat zurück. Eine ganze Weile lang sahen sich die beiden wortlos an. Der junge Mann sah nur zu gut die Angst und Verwirrung in den Augen seiner Angebeteten,- Augen die deutlich zeigten, wie aufgewühlt sie war. Es war wohl das erste Mal gewesen, dass Fräulein Asaja in ihrer Unsicherheit und Verzweiflung bei einem Mann Rat und Trost gefunden hatte. Eine Erfahrung, die sie erst noch verarbeiten musste. "Ich verstehe, dass sie auch mir ein wenig misstrauisch Gegenüber stehen. Und so gerne ich auch etwas dagegen tun würde, weiss ich doch, dass man Vertrauen nicht erzwingen kann." sagte er bedächtig und wandte sich ab. "Bitte glauben sie mir.- Ich mag sie sehr." eröffnete er der staunenden Frau und er war froh, dass sie in diesem Moment nicht sehen konnte, wie er vor Aufregung schwitzte. Aber er wiederum bemerkte auch nicht wie Asaja vor Velegenheit rot wurde und leise ein liebevolles "Ach Aiko." vor sich hin murmelte. Nach einem Augenblick des verliebten Schweigens blickte Toshis Doppelgänger auf seine Armbanduhr und fuhr grinsend herum. "Na, wenn alles nach Plan gelaufen ist, dann steht das grosse Treffen kurz bevor." Hitomis Doppelgängerin nickte. "Ja, bald wird Love ihren Vater treffen." sagte sie zufrieden. ******* In der Wildnis Kanadas hatte der Abend inzwischen Einzug gehalten und in dem Schneesturm, der eingesetzt hatte kamen unsere Freunde nun nicht mehr so zügig voran, wie zuvor. Hinzu kam noch, dass die Abenddämmerung die Waldtiere aus ihren Verstecken lockte und immer wieder schossen sie in Gruppen aus dem Wald links und rechts der Strasse hervor und blieben wie erstarrt im Schein des Fernlichtes mitten im Weg des Fahrzeuges stehen. Alle Personen im Wagen versuchten Nami zu helfen, im immer dichter werdenden Schneefall nicht den Weg aus den Augen zu verlieren. Doch obwohl die Piste, auf der sie fuhren mehr als 20 Meter breit war konnten sie zeitweise nicht die Hand vor Augen sehen und Nami konnte nur mit Schrittempo fahren. Dann jedoch ließ der Schneefall nach und Lichter tauchten am Horizont auf. Eine der wenigen beschilderten Wegkreuzungen lies Nami anhalten. Unaufgefordert griff Hitomi nach der Taschenlampe, die bereits seit dem Einbruch der Dämmerung vor ihr auf dem Armaturenbrett lag und stieg aus. Sie stapfte durch den knöchelhohen Schnee hinüber zu dem hölzernen Pfahl am Wegrand. Das Licht der Autoscheinwerfer reichte nicht bis dorthin und so musste Hitomi die Taschenlampe zu Hilfe nehmen. Der Wegweiser schien alt und das Holz war marode. In etwa zweieinhalb Metern Höhe wiesen zwei Schilder in Richtung der Piste. Sie waren bestimmt einmal groß gewesen, doch nun zerfielen sie zu Bruchstücken. 'Wrigley.' las sie auf dem Wegweiser, der in die Richtung zeigte, aus der sie kamen. Das andere Schild war zu sehr verwittert um noch etwas entziffern zu können. Bedächtig langsam lies Hitomi den Lichtkegel der Taschenlampe um den Mast herum wandern. Ein weiteres Schild zeigte in die Richtung einer Einmündung. Es war nicht mehr als ein kleiner Pfad, der von rechts her auf die Schneise führte. Es war bestimmt nicht die Art Weg, die man bei Nacht mit einem Auto befahren sollte, doch hatten sie wohl keine andere Wahl, denn die Hinweise waren überdeutlich. Hitomi lächelte zufrieden als sie wieder in den Wagen stieg. "Wir müssen hier abbiegen." Nami runzelte die Stirn beim Anblick des Weges, der in den Wald führte. "Bist du sicher?" Hitomi nickte entschlossen. "Ja. Das Schild, das zur Einmündung zeigte war kleiner als die beiden Anderen und in viel besserem Zustand." "Was stand denn darauf?" "Nichts." "Wie nichts ? Und dann willst du, das ich dort entlang fahre." Hitomi lachte weise. "Es war ein Katzenkopf eingeritzt." "Warum sagst du das nicht gleich !" Der schmale Pfad führte bedrohlich dicht an den Bäumen vorbei und er war so holperig, daß Nami nur sehr langsam fahren konnte. Hinzu kam, daß das Schneetreiben wieder dichter wurde und der hohe Neuschnee sämtliche Spuren auf dem Boden verdeckte, die einen Anhaltspunkt für ein sicheres Durchkommen gegeben hätten. Nami dachte noch, ob es nicht besser wäre, wenn einer ihrer Freunde zu Fuß voraus ginge um größere Hindernisse auszuspähen, doch da war es schon zu spät. Ein heftiger Schlag ließ die Insassen aufmerken und alle Gespräche verstummen. Rote Warnlampen erschienen auf dem Armaturenbrett und der Motor starb ab. Der Geruch von heißem Schmieröl, der an ihre Nase drang ließ nur einen Schluß zu. "Na toll" murmelte sie. "Hast du schon eine Ahnung, was es ist?" fragte Hitomi. Ohne Kommentar hielt Love den Metallstab in das Licht der Taschenlampe. Dort, wo sonst ein Ölfilm den Stand des Schmiermittels im Motor anzeigte war nichts zu sehen. Sie legte den Stab bei Seite und nahm ihrer Schwester die Taschenlampe aus der Hand. Sie kniete vor dem Wagen im Schnee nieder. Hier war der Ölgeruch viel stärker und als sie unter das Auto leuchtete konnte sie die Bescherung bereits sehen. Dennoch streckte sie ihre Hand aus und faßte in die Pfütze, die sich unterhalb des Motors befand. Bedächtig stand sie auf und zerrieb die warme schmierige dunkelbraune Flüssigkeit zwischen Daumen und Zeigefinger. "Jetzt weiß ich wie groß der Stein war, vor den wir gefahren sind." Hitomi sah sie unverständig an. "Na ja.- So groß wie das Loch in der Ölwanne halt." erklärte sie zynisch und trat zu Nami an die Fahrertür. "Wie sieht es aus?" "Tut mir leid." grinste das Küken der Familie. "Dieser Wagen ist soeben stehend K.O. gegangen.- Er wird noch ausgezählt." Glücklicherweise hatte mittlerweile das Schneetreiben wieder aufgehört und auch der eiskalte Wind ließ nach. Sie suchten die wichtigsten Sachen zusammen und folgen zu Fuß dem Pfad, der sich immer weiter von der Hauptstraße entfernte. Nach einiger Zeit erreichten sie einen Fluß. Der Pfad führte am Ufer entlang und in der Ferne schimmerte ein Licht. Es dauerte noch eine weitere halbe Stunde, bis sie so nahe heran gekommen waren, das sie etwas Genaues erkennen konnten. Es waren zwei einzelne Häuser: Das Eine war eine alte Farm, mit weitläufigem Gelände und kleinen flachen Anbauten, die an Stallungen erinnerten. Das andere Gebäude lag auf der anderen Seite des Pfades unmittelbar am Ufer eines Sees. Es hatte das Flair einer Versorgungsstation, mit einem kleinen Kramladen und einer Gaststätte im Erdgeschoß und darüber liegenden Fremdenzimmern. Lange vergessene Erinnerungen kamen zurück, als Nami im dem Licht wandelte, das durch die Fenster des Lokals hinaus auf den verschneiten Weg fiel. Sie dachte an die Zeit, die sie in Itzu verbracht hatten, wo jeder jeden kannte und Fremde sofort auffielen. Nami seufzte leise und öffnete die Türe des Lokals. Die Gaststätte war beinahe leer und nur an der Theke saßen einige Leute, die in ein intensives Gespräch mit einer jungen Frau hinter der Bar vertieft waren. Als man die neuen Gäste bemerkte, wurden sie sofort zum Ziel neugierig musternder Blicke. Unberührt vom Tuscheln der Einheimischen legten die sechs Freunde ihre Mäntel ab und setzten sich an einem Tisch. "Netter Ort. So freundlich." lästerte Love. "Na komm." warf Toshi ein. "Ich würde dich gern mal sehen, wenn sechs Eskimos in unser Café kommen." Nami lächelte über den Vergleich, den Toshi gefunden hatte. Dennoch, er hatte Recht. Sie waren hier so fehl am Platze wie Katzen in einem Hundezwinger. Doch vielleicht konnten sie die Hunde mit einem Stück Fleisch besänftigen. Nami nahm die Speisekarte vom Tisch und sah hinein. Ein hinterhältiges Lächeln huschte über ihr Gesicht. Nein, Fleisch würde diese Hunde nicht beruhigen. "Ich werde uns erst einmal etwas zu trinken holen." meinte sie, "Also ich werde ein Glas Wein trinken. Und wie steht es mit euch." "Ich hätte gerne einen Kaffee." sagte Kawano und blickte zu Love. "Zwei Kaffee, einen für mich und einen für Love." ergänzte er als er das leichte Kopfnicken seiner Freundin sah. "Ein Wein, zwei Café." wiederholte Nami. "Und du Hitomi?" "Kaffee für mich, bitte. Toshi?" "Ja ich auch." "Robert ?" "Jap.." Nami nickte. "Gut, also: Ein Wein und fünf Kaffee. Wird erledigt." Die älteste der drei Schwestern nahm sich viel Zeit die wenigen Meter bis zur Theke zurück zu legen, stets beobachtet von den prüfenden Blicken der Einheimischen. Sie musterte die junge Frau hinter der Bar, die sich anschickte sie zu bedienen: Langes blondes Haar, Hitomis Alter. Ihre Augen und ihr Gesicht verrieten deutlich, daß sie europäischer Abstammung war. Nami war sicher: Sie hatte diese Frau schon einmal gesehen. Damals hatte sie schon mit einer Überraschung aufgewartet und dieses Mal würde es genau so sein. "What can I do for you?" fragte die Bedienung mit einem Lächeln auf dem Gesicht. "We would like to order some drinks. Fife coffee black and one white wine, please." bestellte Nami ohne viele Worte. "Sure." erwiderte die Frau. "I'll bring it right over to your table. One moment please." "Merci Madame Levin." sagte Nami und verbeugte sich dankbar. Natürlich entging ihr nicht das erstaunte Gesicht der jungen Frau. Grinsend kehrte sie zu ihren Freunden zurück. "Was hast du?" wollte Hitomi wissen, als sie das süffisante Lächeln auf dem Gesicht ihrer älteren Schwester bemerkte. "Gleich werden wir wissen, ob wir am Ziel sind." gab Nami geheimnisvoll zurück und mit Genugtuung beobachtete sie, wie die junge Barfrau eilig zu dem Knäuel von Einheimischen zurückkehrte. Aufgeregt tuschelte sie mit ihnen, woraufhin dann auch alle das Lokal verließen. Alle, bis auf einem älteren Herr, der von seinem Barhocker aufstand und hinter die Theke trat. Mißtrauisch blickte er Nami an um dann wortlos in einem Nebenzimmer zu verschwinden. Es dauerte nicht lange, bis er mit einer Weinflasche in der Hand zurückkehrte. Stumm nahm er das Tablett entgegen, das ihm die junge Bedienung reichte und kam herüber. Nami musterte den Mann genau, der sich vor ihr aufbaute. Es war ein grosser und stattlicher Mann im Rentenalter, der ein kleines Bäuchlein vor sich her trug. Sein Haar, einst pechschwarz, war grau und sein Vollbart verdeckte die meisten seiner Gesichtszüge, so daß es für außen stehende schwer war zu entscheiden, welcher Abstammung er war. Aber trotz seiner imposanten Erscheinung waren es seine lustig und lebensfroh funkelnden blauen Augen, die ihm das Aussehen eines riesigen Teddybären verliehen,- ein Großvater, klug, weise und liebevoll seinen Kindern und Kindeskindern gegenüber. Wortlos servierte er den Kaffee bevor er sich schließlich an Nami wandte. "Es tut mir leid, daß sie warten mußten, aber wir hatten leider keinen Weißwein mehr. Ich hoffe, daß ihnen dieser Wein hier genauso zusagen wird." Alle am Tisch, ganz besonders Love, starrten den alten Mann verblüfft an. Nur Nami schien es überhaupt nicht zu beunruhigen, daß man hier, in der Einöde Kanadas nahezu perfekt japanisch sprach. "Nun ich denke ich sollte ihrer Empfehlung folgen." "Sie sind sehr gütig." antwortete der Mann und zog einen alten geschwungenen Korkenzieher heraus. Vorsichtig, ja beinahe liebevoll drehte er die Spirale in den Korken und öffnete die Flasche gekonnt und ohne große Anstrengung. Bedächtig goß er etwas von dem Getränk in das Weinglas und reichte es an Nami. Sie nahm einen kleinen Schluck und verzog sofort das Gesicht. Es war Weinessig, den sie verkostete, aber sie wußte sofort, daß es damit seine Bewandtnis hatte. Unaufgefordert zeigte ihr der Ober das Etikett der Flasche. Es war ein gemalter, nicht gedruckter Aufkleber.- Die Kopie eines Flaschenetikettes, das zur Sammlung ihres Vaters gehörte. Dennoch war Etwas auf diesem Bild anders. Ein kleiner Fehler den Nami jedoch sofort erkannte: "Ich wußte gar nicht, daß du so schlecht in Geschichte warst, Vater." meinte Nami halblaut als sie die Flasche zurückgab. "Die Widmung auf dem Original lautete auf Himmler, nicht Göring." Die Augen des Mannes strahlten als er den Korken zurück in den Flaschenhals schob und sich nach hinten zur Theke umdrehte. "Was meinst du, Melanie?" fragte er die Dame hinter der Bar. "Ich glaube wir können das Quiz beenden, Michael." antwortete sie und trat mit einer Flasche richtigen Weins hinter der Bar hervor. "Nun gut, ich denke, wir sollten das Versteckspiel beenden." meinte der Mann schließlich und setzte das Tablett auf einem der leeren Tische ab. Love staunte Bauklötze als Nami mit einem Mal aufstand und dem alten Mann um den Hals fiel. "Vater! Schön das du noch lebst." "Ach Nami." seufzte der alte Mann glücklich. "Lass dich einmal ansehen, du bist eine wunderhübsche Frau geworden. Fast so schön wie deine Mutter." lobte er und blickte zu Hitomi hin. "Hitomi. Du hast geheiratet, nicht? Ich freu mich ja so." sagte er und nahm nun auch Hitomi in den Arm. Doch dann, als er die junge Frau sah, die stumm und mit Tränen in den Augen vor ihm stand, da war er nicht mehr zu halten. Beinahe abweisend stiess der Mann seine ältesten Töchter Nami und Hitomi bei Seite und trat auf Love zu. "Love, meine kleine Love." rief er und die junge Frau fiel ihm in die Arme. "Vater, oh Vater. Endlich lerne ich dich kennen." schluchzte sie und der Mann strich zärtlich über ihr Haar. "Du glaubst ja garnicht, wie viele Nächte ich davon geträumt habe meine jüngste Tochter zu sehen und jetzt ist es endlich wahr geworden." erwiderte Heintz und auch er konnte die Freudentränen nicht mehr zurückhalten, jetzt wo er endlich die Tochter im Arm hielt, die er bisher nur aus Erzählungen kannte. Love konnte es immer noch nicht glauben. Dieser alte Mann, der sich gerade zu ihnen an den Tisch setzte war ihr Vater. Der Mann, nach dem sie immer gesucht hatte. Der Gral, den zu finden Katzenauge zu ihrem Kreuzzug aufgebrochen war. Doch wer war diese Frau an seiner Seite? "Loves Geburt, Mutters Krankheit und ihr Tod, Katzenauge, deine Liebe zu Toshi und die Hochzeit,Hitomi, Namis Wiedersehen mit Robert. Ja, in euren Leben ist schrecklich viel passiert. Aber alles was ich darüber weiss, weiss ich nur aus Erzählungen." meinte der alte Mann leise und wies auf die junge blonde Dame neben ihm. "Das Meiste hat mir Melanie hier berichtet." Hitomi musterte die Fremde. "Sind sie nicht..." "Ja, ich bin Lepans Braut, Monique Chatelet oder Melanie Köhler, wie immer sie es bevorzugen." stellte sich die Dame vor. "Wie sie ja sicher schon erraten haben, waren es meine Mutter und ich, die ihren Vater befreit haben." "Wir sind ihnen zu tiefster Dankbarkeit verpflichtet." erwiderte Hitomi höflich. "Aber bitte, sagen sie uns, warum haben sie uns geholfen?" "Unsere Väter waren sehr gute Freunde. Und ich bin auf der gleichen Mission wie sie." erklärte die junge Frau. "Wie Fräulein Love hatte ich selbst nie das Glück meinen Vater zu sehen, aber im Gegensatz zu ihnen, weiss ich noch nicht einmal, ob er noch lebt, geschweige denn, wo er sich befindet." "Das tut mir leid." meinte Nami bedrückt. "Sie haben so viel für uns getan und wir stehen tief in ihrer Schuld. Bitte sagen sie es uns, wenn wir ihnen helfen können." "Das ist sehr nett von Ihnen." gab die junge Frau zurück. "Ich habe ein Treffen mit einem Informanten in Japan. Aber das nächste Flugzeug von Wrigley geht erst in drei Tagen und mein Kollege Aiko ist bis zu Ihrer Rückkehr in ihrem Lokal beschäftigt." "Wie?" entfuhr es Hitomi. "Was heisst, er ist in unserem Lokal beschäftigt?" "Wir durften keinen Verdacht erregen und daher bat ich Aiko Villant und Fräulein Asaja das sie an ihrer Stelle das Lokal weiterführen. Als Hitomi und Toshi Utzumi." "Es ist unglaublich, an was sie alles gedacht haben." erwiderte Nami bewundernd. "Es scheint als ob sie alles bis ins kleinste Detail geplant hätten." "Ja, sie hat sich da ganz an meinen Töchtern orientiert." warf Heintz liebevoll dazwischen. "All die Jahre über hat Melanie eure Raubzüge beobachtet und euch studiert." Die Unterhaltung verstummte. Eine ältere Frau war hereingekommen. Heintz winkte ihr zu. "Da bist du ja. Komm ruhig her." sagte er vertraut. "Darf ich euch die Frau meines Freundes Frederick Köhler vorstellen?" Musternde Blicke lagen auf der Frau als sie sich mit an den Tisch setzte. Sie war sicher schon 50, nicht sehr groß, schlank und ihr kurzes schwarzes Haar ergraute schon. Ihre Augen, tief in den Höhlen ihres schmalen Gesichtes funkelten zufrieden, als sie jeden in der Runde mit einem Kopfnicken begrüßte. "Es freut mich, das sie hergefunden haben." sagte sie mit warmer mütterlicher Stimme. "Gab es Probleme, Mutter?" "Nein, nein. Alle Spuren sind beseitigt." Fragend blickten die Kisugi-Schwestern ihren Vater an. "Melanie bestand darauf, daß man euch auf Schritt und Tritt beschattet." erklärte Heintz und die junge Dame an seiner Seite lächelte verlegen. "Es tut mir leid, aber wir mußten sicher sein, daß man ihnen nicht folgt." "Was ist mit dem Wagen?" wandte Love ein. "Nami wollte unbedingt einem Stein unsere Ölwanne zeigen." Melanie lachte. "Ja, den Wagen müssen wir morgen früh herholen. Es ist leider im Moment das Einzige Fahrzeug." "Es tut mir leid," entschuldigte sich Nami, "aber ich habe es nicht gesehen und..." "Das ist nicht schlimm." unterbrach Heintz versöhnlich. "Das ist ein kleiner Preis, für das Wiedersehen mit meinen Töchtern." Nami küßte ihren Vater auf die Wange. "Danke..." Es dauerte nicht mehr lange, bis Kawano, Robert und Toshi einer stummen Übereinkunft folgend den Tisch verließen und an der Theke Platz nahmen. Sie verstanden, daß die drei Schwestern versessen waren ihren Vater allein für sich zu haben. Außerdem gab es sicher auch viel zwischen Katzenauge und den neu gewonnenen Freunden zu besprechen. Dinge, die nicht unbedingt für die Ohren von Fremden wie sie bestimmt waren. Einer monatelangen Gewohnheit folgend trat Toshi hinter die Bar und wusch bedächtig ihr benutztes Geschirr in der Spüle. "Es ist schon komisch, wie sich die Dinge gleichen." "Wie meinen sie das?" fragte Kawano. "Du." antwortete Toshi vertraut. Kawano blickte ihn fragend an. "Na ja" begann Toshi, "Ich meine, wir sollten uns duzen, nachher gewöhnen wir uns das Siezen noch an." Kawano nickte. "Wie sie - äh - du meinst." sagte er. "Aber bitte, was hast du gemeint, als du sagtest, dass sich die Dinge gleichen?" "Na, sieh uns drei doch an." grinste Toshi, als er seinen beiden Freunden unaufgefordert eine weitere Tasse Kaffee hinstellte. "Zwei Polizisten und ein Polizeianwärter verlieben sich in drei hübsche Schwestern, die die erfolgreichsten Kriminellen der japanischen Kriminalgeschichte sind und finden sich dann irgendwo in Kanada wieder." "Eine schlechte Geschichte." lachte Robert und nahm einen grossen Schluck aus seiner Tasse. Nachdenklich betrachteten die drei Männer eine ganze Zeit lang ihre Frauen, wie sie gebannt an den Lippen ihres Vaters hingen. Und ganz besonders Love, die sonst immer so sehr darum bemüht war ihre Gefühle nicht zu zeigen, war anzusehen, wie sehr sie sich freute. "Ich denke das ist heute der glücklichste Tag in ihrem Leben." meinte Kawano schliesslich. Toshi nickte nachdenklich. "Hast du dir eigentlich schon einmal überlegt, was du machen würdest, wenn sie sich entscheiden würde hier zu bleiben." Kawano nippte an seiner Tasse. "Egal, was sie macht, ich bleibe bei ihr." sagte er bestimmt. Alle drei schwiegen. Immerhin war es nicht nur Love, bei der die Gefahr bestand, dass sie alle ihre Zukunftspläne über Bord werfen würde... In Japan brach der Nachmittag des nächsten Tages an und das rege Geschäft der Mittagspause hatte sich gelegt. Kein einziger Gast war mehr im Café Katzenauge, doch so sehr sich Toshis Doppelgänger auch auf ein wenig Ruhe und Entspannung freute, so wusste er doch genau, daß es eben diese Zeit der Muße war, die Hitomis Doppelgängerin so nachdenklich machte. Seit Asaja am Morgen von ihrer Entlassung erfahren hatte, war sie verändert. Aus der gelösten und unbeschwerten Frau war mit einem Schlag wieder die verschlossene und eiskalte Polizistin geworden. Aber mehr noch hatte sich Zynismus in ihr breit gemacht. Mit Spott und Ironie reagierte sie auf alles um sie herum,- eine übertriebene Fröhlichkeit, die nur zu deutlich ihre wahre Gefühlslage zeigte. Nachdenklich blickte Aiko Villant aus dem Fenster. Mit einem Mal merkte er auf. "Asaja. Ihr Chef kommt herüber." stellte er fest als er den Mann sah, der aus dem Polizeirevier gegenüber kam und im Gewühl der Fahrzeuge über die Straße lief. "Ich habe ein schlechtes Gefühl. Ich sollte nach hinten gehen." meinte die Dame angstvoll. "Nichts da." zischte Aiko. "Seien sie ganz ruhig. Ich rede mit ihm." Die Ladenglocke läutete und herein kam ein großer leicht untersetzter Mann Ende 40 mit leicht angegrautem Haar in einem schlichten aber dennoch gut sitzenden Anzug. "Hallo Chef, lange nicht mehr gesehen." begrüsste Aiko in der Rolle des Ex- Detektives den Gast. "Guten Tag Utzumi. Frau Hitomi." antwortete der Mann. "Darf ich mich setzten ?" Asaja nickte. "Sagen sie, haben sie Asaja gesehen?" fragte der Chef und die Frau in Hitomis Rolle zuckte zusammen. "Ach so, ja, das habe ich vollkommen vergessen." meinte Aiko verlegen. "Sie hat mir aufgetragen ihnen zu sagen, daß sie eine Grippe hat und zu Hause im Bett liegt." log er. Das Gesicht des Chefs begann sich zu röten. "Utzuuumii !" polterte er los. "Sie sind ein Voll.." hob er an, doch dann stoppte er mitten im Satz. "Sie sind ein gutmütiger Mann. Es tut mir leid, daß ich sie so angefahren habe." entschuldigte er sich schließlich. Toshis Doppelgänger lachte erleichtert. "Die Macht der Gewohnheit." meinte er. "Aber was wollten sie denn von Asaja ?" "Ich habe schlechte Nachrichten für sie." sagte der Mann und zog ein offiziell und wichtig aussehendes Schreiben aus seiner Tasche. Der Umschlag war nicht verklebt und so machte es ihm keine Mühe den Brief herauszunehmen. Wortlos aber einer Erklärung gleich legte er das auseinandergefaltete Papier auf den Tresen. Aiko überflog die Zeilen. "Unehrenhaft? Betrugsversuch?" fragte er den Dezernatsleiter und beinahe unmerklich schob er das Papier so hin, daß auch Asaja einen Blick darauf werfen konnte. "Es ist eine Schande." meinte der Chef nachdenklich. "Zuerst lehnt man ihre Versetzung ab, dann will man sie entlassen und jetzt sogar das." Asaja hörte die Stimmen ihrer Freunde undeutlich wie durch dichte Nebel. Nur die Worte auf dem Papier schienen für sie zu existieren. Ihre Sehkraft verließ sie für Sekunden. Sie war wie paralysiert. Das Geschirr in ihrer Hand fand nicht mehr den Weg auf die Theke und kippte hinunter. Das Geräusch des zerplatzenden Porzellans brachte sie wieder zur Besinnung: "Bitte entschuldigen sie mich." sagte sie und verließ das Lokal. "Was hat sie denn ?" wollte der Chef wissen. Aiko lachte. Es war das selbe komisch verlegene Lachen, das auch Toshi immer aufsetzte. "Ach wissen sie, Hitomi ist ein wenig daneben seit sie erfahren hat, daß sie schwanger ist." Der Chef nickte. "Ich verstehe." sagte er und stand auf. "Die Vorschriften besagen, daß der direkte Vorgesetzte von Fräulein Asaja ihr diese Nachricht aushändigen muß. Solange sie jedoch verschwunden ist, kann ich nichts machen. Ich kann ja nicht ganz Japan nach ihr absuchen." Er nickte zum Abschied. "Eines noch Utzumi.- Bitte grüßen sie Asaja von mir. Und wenn es etwas gibt, womit ich Ihnen beiden helfen kann, sagen sie es mir." Aiko grinste. "Das werde ich..." Nachdenklich zog Aiko die Vorhänge in Loves Zimmer zu und blickte auf die Frau, die im Bett vor sich hindämmerte. Nachdem Asajas Chef gegangen war, hatte er sie in der Küche gefunden hinter einer undurchdringlichen Wand von Zigarettenqualm in Mitten von Sake - Fläschchen. Es hatte sie schwer getroffen. Viel schwerer als die Nachricht am Morgen. Sie war nicht nur entlassen worden, sie war einem Komplott zum Opfer gefallen.- Ein hinterhältiger Plan der Regierung Fehler im Fall Heintz zu vertuschen, dadurch das man eine junge Frau zum Sündenbock machte. Er hatte ihr seine Gefühle gestanden, doch er war sicher, daß sie ihn schon gar nicht mehr gehört hatte. "Ach Asaja. Ich liebe sie und ich kann es nicht ertragen sie so zu sehen." meinte er leise. "Schon bei Melanie mußte ich lernen, daß jemanden zu lieben und geliebt zu werden zwei ganz verschiedene Dinge sind. Aber ich hoffe, das ich eines Tages einen Weg zu ihrem Herzen finden werde." Lautlos ging er hinaus. "Schlafen sie gut, Fräulein Asaja." Tausende Kilometer weiter ostwärts war Kawano indes eingeschlafen. Eine ganze Weile lang hatte er sich im Bett gewälzt. Nicht weil es unbequem war,- nein, im Gegenteil, er fühlte sich sehr wohl.- Es war sein Gewissen, das ihn plagte.- Immer wieder ertappte er sich dabei zwischen seinen Zukunftsplänen und seiner Liebe zu Love abzuwägen.- Was wenn Toshi recht hatte und Love wirklich vorhatte bei ihrem Vater zu bleiben? Hätte er tatsächlich den Mut und den Willen bedingungslos an ihrer Seite zu stehen? Er dachte an seine Eltern und was sie von ihm erwarteten. Er wollte, dass sie stolz auf ihn wären. Aber dann wiederum dachte er an die unvergessliche Nacht an der Seite seiner Freundin, der Frau, die ihm ihr Herz geschenkt hatte. Love erwartete sicher von ihm, dass er sich entscheiden würde bei ihr zu bleiben.- Was sollte er tun ? Ein leises Geräusch liess ihn aufhorchen. Im Schein des Lichtes, das durch die spaltweit geöffnete Tür drang sah er eine Gestalt ins Zimmer huschen. Er verhielt sich ganz ruhig und tat, als ob er schliefe. Leise schloss die Person die Türe und trat in die Mitte des Raumes. Als sie begann sich auszukleiden zeichnete das Mondlicht die Umrisse eines weiblichen Körpers und der Parfümgeruch verriet, dass es Love war, die er mit neugierigen Augen beobachtete. Beschämt über die Lust, die in ihm aufstieg wand er seinen Kopf zur Seite. Einige Minuten später jedoch spürte er, wie vorsichtig die Bettdecke zur Seite geschlagen wurde. Die kalte Luft, die an seine Haut drang liess ihn frösteln, doch schon im nächsten Moment spürte er die Wärme menschlicher Haut und einen Körper, der sich Schutz suchend an ihn presste. "Ach Kawano, warum nur muss alles so schwierig sein." hörte er schliesslich Love murmeln. "Wie sehr habe ich den Moment herbei gesehnt, an dem ich Vater kennenlerne. Ich hatte immer gedacht, das es nichts Schöneres gäbe, als bei ihm zu sein, aber jetzt, da ich weiss, wie du für mich empfindest, da bin ich mir nicht mehr so sicher. Du hast mir etwas geschenkt, dass mir kein Vater geben kann. Dennoch, deine Liebe kann nicht die Liebe eines Vaters ersetzen." Love seufzte. "Aber so gerne ich auch hier bei ihm bleiben würde, wenigstens für einige Zeit, damit wir uns besser kennenlernen können, ich kann und will das nicht ohne dich entscheiden. Aber welchen Sinn hätte es dich zu fragen. Wenn du genau so empfindest wie ich für dich empfinde, dann bist auch du bereit deine Zukunft zu opfern. Egal, wie gross deine Zweifel sind." Kawano hörte das leise verlegene Lachen seiner Freundin. "Und damit wären wir wieder da, wo wir angefangen haben. Ich bin diejenige, die sich entscheiden muss." sagte Love und kuschelte sich zärtlich an ihren Freund. Kawano hingegen tat, als wäre er gerade erst aufgewacht. Zögerlich, wie verschlafen, drehte er sich auf den Rücken und nahm Love in den Arm. "Ach du bist es. Wie spät ist es?" "Nach eins." säuselte Love leise. "Es tut mir leid, dass ich dich geweckt habe." "Macht doch nichts. Ich kann mir denken, dass es ein interessanter und bewegender Moment ist, wenn man seinen Vater zum ersten Mal trifft." Kawano spürte, wie Love nickte. "Ja, das stimmt. Aber es war nicht halb so schön und aufregend, wie hier bei dir zu sein." schmeichelte die junge Frau und schmiegte sich noch enger an ihren Freund. "Ich liebe dich, Love Kisugi." flüsterte Kawano. "Dann beweise es mir." erwiderte Love schamlos... Am nächsten Morgen, als Hitomi aufwachte, da war ihr Toshi bereits aufgestanden. Draussen wurde es langsam hell, doch das Licht reichte noch nicht um den Korridor zu erhellen, der die zehn Zimmer auf dieser Etage miteinander verband. Leise schritt Hitomi über den Gang, dessen hölzerner Fussboden unter ihren Füssen knarzte. Die Tür zu Namis Zimmer stand einen Spalt weit offen und neugierig wie Hitomi war blickte sie hinein. Doch das Zimmer war leer. Nur Roberts Schlafanzug und Namis Nachthemd lagen zerknittert im durchwühlten Bett. "Ach, sie sind schon auf." murmelte Hitomi leise und ging wieder hinaus. Einen kurzen Moment lang blieb sie schliesslich noch vor Loves Zimmer stehen und sie konnte nicht umhin daran zu denken, wie sehr die Augen ihrer kleinen Schwester am Abend zuvor geleuchtet hatten. Und dann erst das Angebot ihres Vaters bei ihm zu bleiben. Hitomi hatte sich sehr gewundert, daß Love im Überschwang der Gefühle nicht sofort zugesagt hatte. Scheinbar gab es mittlerweile etwas Anderes in ihrem Leben, das begann wichtiger zu werden.- Und Hitomi glaubte auch genau zu wissen was, oder besser- wer es war. Dennoch machte sich die junge Besitzerin des Cafè Katzenauge auch ein wenig Sorgen. Natürlich war ihr nicht entgangen, wie sehr Toshi dem Polizeidienst nachtrauerte. Allein die Demonstration seines Könnens, seine Ideen die ihnen bei der Suche nach Heintz so oft geholfen hatten, zeigten doch nur zu deutlich, dass es nicht sein Schicksal sein konnte,- sein durfte - als Kellner in einem Kaffeehaus zu arbeiten. Aber wenn Love sich entscheiden sollte hier in Kanada zu bleiben, dann wäre es unumgänglich, dass Toshi auch weiterhin mit ihr zusammen das Lokal führen würde. Auf Namis Hilfe konnte und wollte sie nicht bauen. Ihre grosse Schwester hatte es verdient ihr eigenes Leben zu führen. Seit ihre Mutter gestorben war hatte Nami sich für das Geschäft aufgeopfert, nur um ihren Schwestern ein gutes Leben zu ermöglichen.- Ihr Leben und ihre Zukunftspläne hatte sie vernachlässigt, doch nun, wo sie dank Robert noch eine Chance bekam, neu anzufangen, da durfte es nicht wieder die Sorge um ihre Schwestern sein, die sie hinderte glücklich zu werden. Als Hitomi hinunter in die Gaststätte kam, da war an zweien der Tische bereits das Gedeck für neun Personen aufgelegt und hinter der Bar wuselten Nami und Frau Köhler herum, eifrig damit beschäftigt das Frühstück vorzubereiten. "Guten Hitomi, aber warum bist du denn schon so früh wach?" flötete Nami vergnügt als sie ihre Schwester sah. "Ach, ich konnte nicht mehr schlafen. Wo sind denn unsere Männer?" "Toshi und Robert sind mit Vater und Herrn Gerard losgefahren um den Wagen zu bergen." "Gerard?" fragte Hitomi. "Ihm gehört die Farm gegenüber." erklärte Frau Köhler. Hitomi nickte verständig. "Ach so." "Sie mußten früh los, weil wir den Wagen in Ordnung bringen müssen.- Meine Tochter braucht ihn, wenn sie übermorgen nach Wrigley fährt." erwiderte Frau Köhler, da auch schon Melanie herein kam. "Und wie lief es, Schatz?" "Merde!" fluchte die hübsche junge Dame. "Es sind keine Ersatzteile aufzutreiben. Frühestens in zwei Wochen." erklärte sie niedergeschlagen und nahm eine Tasse vom Tablett. Wortlos ging sie hinüber zur Kaffeemaschine und goss sich einen Becher ein. "Ich wünschte Logan wäre noch hier.- Ihm wäre sicher etwas eingefallen." "Logan?" "Der alte Logan war so eine Art Aussteiger. Er war Ingenieur von Beruf. Nach dem Tod seiner Frau kam er her. Er war unser Mädchen für alles. Techniker, Mechaniker, Werkzeugmacher - Alles eben." "Was ist aus ihm geworden ?" "Er ist zurück in die Stadt gegangen. Zurück zu seinen Kindern.- Er hat es in der Einsamkeit hier nicht mehr ausgehalten." erklärte Melanie und ihre Mutter nickte zustimmend. "Ja, das ist das Problem hier. Während der Winterzeit ist nichts los. Manche Menschen leben hier ein Leben lang,- andere kommen nur im Sommer." "Was ist eigentlich mit der Siedlung am gegenüber liegenden Seeufer?" wollte Hitomi wissen. "Ist das sowas wie ein Feriendorf?" "Ja, während der Sommermonate, wenn der Schnee hier im Flachland taut, dann können wir uns vor lauter Touristen kaum retten." meinte Frau Köhler und Nami staunte. "Aber was wollen die denn hier?" "Leben,- ausspannen vom Alltag." gab die alte Dame zurück. "Im Umkreis von Kilometern gibt es hier Seen zum Angeln, schneebedeckte Berge zum Skifahren und Wälder zum jagen." "Aber wir..." warf Hitomi noch ein, doch Melanie unterbrach sie. "Ich weiss, du hast nichts davon gesehen.- Genau so erging es mir, als ich das erste Mal herkam. Damals war es auch Winter und ich konnte nicht verstehen, was man an solch einer Landschaft finden könnte. Doch dieser Teil Kanadas ist wie eine schlafende Schönheit." erklärte sie lächelnd. "Im Frühjahr und Sommer lebt das Land, um sich im Winter auszuruhen." "Das klingt romantisch." murmelte Nami leise. "Sag bloss nicht, dass du hier dein ganzes Leben verbringen würdest!" erwiderte Hitomi. "Ich bin ein Stadtkind wie du." grinste Nami. "Aber es geht auch nicht um das was ich will." fügte sie vielsagend hinzu. "Woran denkst du schon wieder Schwester?" hakte Hitomi nach, als sie das zufriedene Lächeln sah, das ihre Schwester aufgesetzt hatte. "Ich habe an Robert gedacht, und wie gut ihm dieses Klima tut.- Weisst du, ich habe gestern Abend eine viertel Tablette von Roberts Medikament genommen." erklärte die älteste der Kisugi-Schwestern. "Das mache ich immer, wenn ich nicht einschlafen kann. Aber es hat nicht gewirkt." "Konnte es auch nicht." warf Melanie hämisch ein. "Ja, die neuen Tabletten, die Robert nimmt, sind so wirksam wie ein Stück Zucker." Hitomi blickte sie fragend an. Nami jedoch nickte wissend. "Warum ?" fragte sie dennoch die junge Frau, die verlegen an ihrem Kaffee nippte. "Weil er von dem Medikament loskommen muss." erklärte Frau Köhler an Stelle ihrer Tochter Melanie. "In meiner Zeit als Krankenschwester habe ich hunderte Leute gesehen, die mit diesem Mittel ruhig gestellt wurden. Es macht süchtig, wie eine Droge." "Aber was ist wenn die Anfälle zurückkehren?" "Für den Notfall ist vorgesorgt. Aber so lange er ausgeglichen ist und keinen Stress verspürt, wird sich sein Körper erholen. Er braucht viel Schlaf, Ruhe und Zuneigung." Nami kicherte kokett. "Was den Schlaf betrifft, da haben wir beide letzte Nacht nicht sehr viel davon bekommen. Aber dafür um so mehr an Zuneigung." Alle mussten grinsen, denn sie wussten, was Nami hatte sagen wollen, doch noch bevor irgendjemand eine Bemerkung hätte machen können, hörten sie auch schon das Hupen einer Autohupe vor dem Haus. Neugierig liefen die vier Damen sofort zur Türe und sahen hinaus. Leider konnten sie nur noch sehen, wie Toshi, Robert und ein älterer Mann den defekten Geländewagen in eine grosse Scheune schoben. Melanie Köhler legte die Stirn in Falten: "Tja, jetzt müssen wir den Wagen nur noch wieder flott kriegen..." murmelte sie. ******* Nur noch ein Paar Beine schaute unter dem aufgebockten Geländewagen hervor. "Das sieht Böse aus." hörte Kawano Love noch sagen, bevor sie von unter dem Wagen hervorkam. Etwas mühsam stand sie von ihrem Rollbrett auf und griff nach dem Lappen, der auf dem Kotflügel des Wagens lag. Nachdenklich schob sie ihre Schutzbrille hoch und wischte ihre Finger ab. "Was denkst du ?" wollte Kawano wissen als er den ölverschmierten Overall seiner Freundin sah. "Abbauen müssen wir die Ölwanne auf jeden Fall." "Was brauchst du? Schlüssel ?" Love zog die Brille wieder auf und legte sich erneut rücklings auf das Brett mit den vier Rollen darunter. "Glaube schon. Am Besten die Knarre." sagte sie noch, dann war sie auch bereits wieder unter dem Wagen verschwunden. Als sie schließlich auf der Werkbank lag, da sah sie mehr nach einem Stück Schrott aus, als nach einem Autoteil. "Ganz schöner Flurschaden." murmelte Love während sie das faustgrosse Loch betrachtete, das der spitze Stein in das erstaunlich dünne Blech geschlagen hatte. "Aber mit dem Schweissgerät ist das halb so wild. Ausbeulen, zuschweissen, fertig." Kawano staunte. "Du sagst das so einfach.- Traust du dir das denn auch zu?" "Na hör mal! - Denkst du nur Machos wie du könnten mit Werkzeug umgehen?" "Schon gut, Schon gut." entgegnete Kawano und hob entschuldigend die Hände. "Dann mal los Misses Ford.- Worauf warten wir?" Die Reparatur des Geländewagens verlief erfolgreich und so stand der Abreise von Melanie Köhler nichts mehr im Wege. Aber auch Toshi und Hitomi hatten beschlossen so schnell wie möglich zurück nach Japan zu fliegen. Hitomi war sicher, daß ihr Vater verstand. Und außerdem war es diesmal kein Abschied für immer. Sie würden zurückkehren. Spätestens nach der Geburt ihres Kindes. Was den Rest der Gruppe betraf, so hatten die sich noch nicht entschieden. Und ganz besonders Love wollte sich auch keine Gedanken machen. Zu sehr hatte sie diesen Moment herbeigesehnt und davon geträumt Zeit mit ihrem Vater zu verbringen. Aber auch wenn sie nicht mit Heintz zusammen war, vergingen nicht zuletzt dank Kawano die Stunden wie im Fluge. Doch der Morgen der Abreise rückte immer näher und mit ihm der Moment, wo sie sich entscheiden mußte... Es war noch sehr früh, als Melanie Köhler, den Geländewagen aus der Scheune holte und vor dem Haus parkte. "So, da sind wir." meinte Toshi und stellte eine kleine Reisetasche in den Kofferraum. "Sag' mal, was wird eigentlich aus dem Wagen, wenn wir ihn am Flughafen zurücklassen?" "Der wird repariert und dann nimmt Pater Tobias ihn wieder mit zurück." antwortete Melanie Köhler während auch sie ihre Reisetasche verstaute. "Pater Tobias?" "Er ist der Dorfgeistliche drüben im Feriendorf. Jeden Frühling kommt er mit den ersten Feriengästen zusammen her und im Herbst geht er zurück nach Quebec zu seiner Familie. Er ist unser Allroundtalent." lachte Melanie. "Er ist Bingo-Guru. Er schreibt und malt. Kinderbücher und Kriminalgeschichten. Mutter nennt ihn immer den Pater Brown Kanadas. Zu Schade, dass du keine Gelegenheit hattest eine Predigt von ihm zu hören.- Don Camillo ist ein Chorknabe dagegen." Toshi grinste. "Ein Grund mehr wieder herzukommen." meinte er zu sich, doch dann fiel sein Blick auf seine Frau, die mit ihrem Vater zusammenstand. "Machs gut Vater, und pass auf dich auf." hörte er Hitomi zu dem alten Mann sagen, der in der Türe des Gasthofes stand und sichtlich die Wärme genoss, die aus dem Wohnhaus hinausströmte. "Ich hoffe, du besuchtst deinen alten Herrn nocheinmal." erwiderte Heintz mit Tränen in den Augen. "Spätestens wenn deine Enkelkinder da sind.- Versprochen." antwortete Hitomi und liess sich von ihrem Vater zärtlich in den Arm nehmen. Toshi ging hinüber zu den Beiden. "Hitomi, wir sind soweit." flüsterte er seiner Frau zu. Hitomi nickte und wand sich langsam von ihrem Vater weg zu ihrem Mann hin. Toshi konnte die Tränen sehen, die die junge Dame im Moment des Abschiedes vergossen hatte und die sie nun heimlich und verlegen wegwischte. "Herr Heintz, es war mir eine Ehre sie kennenzulernen." schmeichelte Toshi und reichte dem Vater seiner Braut die Hand. "Du bist ein guter Mensch, Toshi." lobte der alte Mann und ein glückliches Lächeln erhellte seine Gesichtszüge. "Pass gut auf meine Tochter auf, hörst du?" "Das werde ich." antwortete Toshi. "Ja, das werde ich." Wortlos und in Gedanken versunken standen sie noch eine ganze Weile in der Kälte des frühen Morgens und liessen die letzten Tage Revue passieren, während sie auf Nami und Robert warteten. Auch sie hatten beschlossen nach Japan zurückzukehren. Unruhig blickte Melanie Köhler immer wieder auf ihre Uhr. "Mensch, wo bleiben die denn? Wir sollten schon längst unterwegs sein." murmelte sie leise vor sich hin. "Toshi, kannst du noch einmal nachsehen gehen, wo die beiden bleiben?" Er nickte. Wortlos machte er sich auf den Weg, doch Nami und Robert kamen ihm bereits entgegen. "Na da seid ihr ja!" entfuhr es Melanie Köhler ungeduldig. "Wir warten schon." Sie stutzte. "Habt ihr kein Gepäck?" Nami schüttelte den Kopf. "Nein." sagte sie leise einer Entschuldigung gleich. "Nein, wir haben uns entschlossen hier zu bleiben." Hitomi lächelte verständig. "Wenn du sicher bist, daß es das Richtige ist, was du tust, dann stehe ich hinter dir." "Danke Schwester." "Paßt auf euch auf." Die Stimme drang ganz leise durch das Fenster, doch Love saß sofort senkrecht im Bett. Kawano neben ihr blickte sie verschlafen an. "Sie fahren!" herrschte sie ihm zu und sprang hektisch aus dem Bett. So schnell hatte sie sich noch nie angezogen... "Kawano beeil dich!!!" Der Geländewagen rollte langsam den Pfad entlang. Vom Rücksitz aus beobachtete Hitomi, wie ihr Vater Michael Heintz und Frau Köhler in der Kälte standen und ihnen hinterher blickten. Erst als sie zurück in das Haus gingen, drehte auch sie sich um und blickte nach vorn, dem Sonnenaufgang entgegen. "So, das war es dann also." meinte sie nachdenklich zu ihrem Mann. Der junge Mann auf dem Beifahrersitz drehte sich um. Er sah die Tränen in den Augen seiner Frau. "Na ja, wenn alles gut geht, dann werden wir in einem Jahr oder so wieder hier sein." meinte er tröstend. "Was haltet ihr denn davon, euer Kind hier taufen zu lassen?" warf Melanie ein. "Ja, das wäre eine gute Idee." erwiderte Hitomi und wischte die Tränen aus ihren Augen. Doch in dem Moment, da sie kurz ihren Kopf senkte, da merkte Toshi auf. Schemenhaft sah er zwei Personen, die aus dem Anwesen stürmten, das mittlerweile schon ein ganzes Stück zurück lag. "Halt mal an." meinte Toshi zu Melanie. "Da will noch einer mit." stellte er fest und zeigte nach hinten auf die zwei jungen Leute, die wild mit den Armen wedelnd hinter dem Wagen herliefen. Vorsichtig stoppte die junge blondhaarige Diebin den Wagen an und setzte langsam auf der schmalen Strasse zurück, bis sie die Nachzügler erreicht hatte. "Love, Kawano, was macht ihr denn hier ?" entfuhr es Hitomi, als sie die beiden Personen erkannte, die ein wenig schnaufend zu ihr auf die Rücksitzbank kletterten. "Na, denkt ihr denn wir würden euch alleine fahren lassen." gab Love zurück, während ihr Freund Kawano vom Sitz aus eine Sporttasche in den Kofferraum warf. "Immerhin müssen wir doch sehen, ob unsere Flickschusterei auch hält." fügte Love schliesslich gewohnt frech hinzu. Doch die Gefühle, die sie zu verdecken suchte, waren nur zu offensichtlich, jetzt da sie verstohlen aus dem Fenster blickte, damit nur keiner ihre Tränen sah. "Was ist mit Vater?" fragte Hitomi und reichte ihrer Schwester ein sauberes Taschentuch. "Ich habe ihm einen Brief geschrieben.- Er wird es verstehen." antwortete Love. "Jetzt muss ich mich erst einmal um meine Zukunft und die Zukunft meines Freundes kümmern." "Und spätestens wenn Love und ich heiraten, dann werden wir wieder herkommen müssen." fügte Kawano zu guter Letzt noch hinzu und nahm seine Love vorsichtig in den Arm. Aber nicht nur für Love und Hitomi ging das Abenteuer langsam dem Ende zu. Auch Fräulein Asaja und Aiko waren zufrieden, als sie hörten, dass sie ihr Maskenspiel bald beenden konnten. Und so wurde dann auch der Abend, an dem Aiko in seiner Rolle als Toshi das Lokal zum letzten Mal verschloss und das Licht löschte zu einer Art Fest der Erleichterung. Seine Cousine, Miuki Iahara, war vor einigen Minuten hereingekommen und sass nun zusammen mit Asaja im spärlichen Licht der Barbeleuchtung. Etwas nachdenklich trat Aiko hinter die Bar, die ihm nach dieser Woche fast altbekannt vorkam. Routiniert schenkte er Miuki und Asaja einen Kaffee ein. "Langsam, aber auch nur langsam beginne ich diesen Job zu hassen." murmelte er leise. "Ich kann Utzumi verstehen, wenn ihn das hier langweilt." "Aber immerhin ist es eine halbwegs sichere Einnahmequelle." gab Asaja zurück, während sie die Einnahmen des Tages zählte. "In den letzten Tagen haben wir fast immer den gleichen Schnitt gemacht." Aiko gähnte und streckte sich. "Macht was ihr wollt, ich gehe jetzt erst einmal ein Bad nehmen." meinte er und raufte sein Haar. "Wird Zeit, dass ich morgens wieder meine richtige Haarfarbe im Spiegel sehen kann." "Grünviolett ?" witzelte Asaja und grinste Aiko frech an. "Sie werden mir langsam etwas zu vorlaut, gnädiges Fräulein." lachte Toshis Doppelgänger und verschwand im dunklen Korridor, der in das Hinterhaus führte. "Ich muss sie wirklich loben." sagte die junge Verkehrspolizistin Miuki Iahara schliesslich, als ihr Cousin bereits seit einer Weile gegangen war. "Und wofür?" "Nun, wenn man mich derart verladen hätte, ich glaube, ich wäre wie Rambo ins Revier gezogen und hätte alle umgelegt." Asaja musste lachen, bei dem Gedanken als Rachegöttin gegen ihren Chef zu ziehen, doch dann senkte sie nachdenklich den Kopf. "Nun ja, ehrlich gesagt, habe ich sogar daran gedacht. Und dann habe ich mich zum ersten Mal richtig sinnlos betrunken." "Aiko hat sie wieder auf die Beine gebracht, oder ?" "Ja, er war mir ein sehr guter Freund, wirklich." Miuki nickte. "Wissen sie. Aiko hat sie sehr gern." Langsam stand die Polizistin in der Uniform und dem viel zu kurzen Rock auf. "Ich gehe jetzt wohl besser." sagte sie leise als sie hinter die Bar trat und ohne Zögern an Asaja vorbei auf den Korridor zuging. Mit schlafwandlerischer Sicherheit fand sie zur Hintertüre. "Kennen sie die Geschichte von Lady Oscar? Sie hat es damals versaut." sagte sie noch als sie bereits die Türe zum Hinterhof geöffnet hatte. "Sie können es besser machen." Asaja stand noch eine ganze Weile in der dusteren Diele und dachte nach. "Wenn mir von Anfang an klar gewesen wäre, was ich für dich empfinde, wäre alles anders gekommen." murmelte sie mit einem Mal und aufgeregt lief sie die Treppen zur ersten Etage hinauf. Asaja erwachte am nächsten Morgen dort, wo sie auch in den letzten Tagen immer erwacht war.- Im Bett, in Loves Zimmer.- Doch nun, da die Erinnerung an den letzten Abend zurück kam, da wußte sie, daß sich etwas Großes in ihrem Leben ereignet hatte. Schlaftrunken öffnete sie ihre Augen und blickte im Zimmer umher. Das helle Tageslicht drang durch die zugezogenen Vorhänge und sie erschrak. Hektisch suchte sie nach der Weckuhr, die vom Nachttisch hinunter gefallen zu sein schien. "WAS? NACH ZEHN?!!!" entfuhr es ihr, als sie den Wecker von unter dem Bett hervorkramte. "Warum zum Teufel hat Aiko mich nicht aufgeweckt? - Was ist mit dem Lokal?" Fragen über Fragen schossen durch ihren Kopf, als sich die junge Frau in Windeseile anzog und hinunter ins Lokal rannte. Doch schon als sie vom Korridor in das leere Lokal blickte, fiel ihr das Geschlossen-Schild an der Türe auf. "Guten Morgen Mitzuku." sagte eine leise und warme Stimme hinter ihr und sie spürte, wie sich zwei Hände vertraut und zärtlich um ihre Taille legten. "Was ist hier los, Aiko. Warum hast du das Lokal noch nicht geöffnet?" wollte Asaja wissen und etwas rüde und unverständig fuhr sie herum. Doch dann sah sie sie,- die beiden Reisetaschen, die ihr Freund mit hinuntergebracht hatte und die jetzt im Gang standen. "Willst du schon gehen.- Ich dachte wir wollten noch zusammen deine Schwester am Flughafen abholen." "Das werden wir ja auch." meinte Aiko und küsste Asaja zärtlich auf den Mund, die ihrerseits auch ohne Zögern den Kuss erwiderte. "Aber wir werden nicht wieder mit hierher zurückkehren." "Wie meinst du das ?" stutzte Asaja. "Und was heisst hier WIR?" Aiko lachte und griff in seine Jackettasche. Hämisch grinsend zog er zwei Flugtickets heraus und wedelte damit vor Asajas Augen. "Zürich ? Die Schweiz?" "Ja.- Inclusive Gratis-Abstecher zur Augenklinik nach Bern." "Aber..." "Wenn du nicht willst, dann zwinge ich dich.- Mitzuku, ich liebe dich. Und selbst wenn nur die kleinste Chance besteht, das du geheilt werden kannst oder das deine Krankheit zumindest gestoppt werden kann, dann bin ich bereit alles zu versuchen.- Bitte - spiel nicht mit deiner Gesundheit." flehte Aiko und den Tränen nahe wandte er den Kopf ab. "Ich hätte nie gedacht, das es so schnell gehen könnte, aber du bist für mich der wichtigste Mensch geworden." "Können wir denn das Lokal so einfach schliessen?" warf Asaja ein, da sie sah, wie ein weiterer Gast an der Türe kehrt machte, da er das Schild las. "Toshi und Hitomi können ja unser Gehalt kürzen." erwiderte Aiko und mit einem Mal schmunzelte auch die Polizistin in seinen Armen wieder. "Ja, oder sie entlassen uns,- welch ein Pech." lachte Asaja. "Na gut, dann lass mir noch etwas Zeit zum Packen.." ******* Die Verabschiedung der Flugbegleiterin drang noch laut und krächzend durch die Kabine des Flugzeuges als die ersten Passagiere bereits aufstanden. "Bansai.." rief Toshi halblaut hinter vorgehaltener Hand, während er mit seinen Freunden gelassen den - einer Panik gleichen - Ansturm auf die Ausgänge beobachtete. Hitomi musste laut lachen aber auch Melanie Köhler konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Was meint ihr, wird uns jemand abholen?" wollte Love wissen. "Aiko hat versprochen zu kommen." gab die blondhaarige Diebin zurück und holte ihr Handgepäck aus dem Stauraum über der Sitzreihe. Die fünf Freunde stiegen beinahe als Letzte der unzähligen Passagiere aus der Maschine. Nachdenklich schritten sie den Flugsteig hinunter und reihten sich an den Schaltern der Zollkontrolle ein. Es war eine lange Schlange, in der sie standen und so hatten sie genügend Zeit den Blick schweifen zu lassen. Love und Kawano waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um die beiden Personen zu sehen, die dezent im Hintergrund der Ankunftshalle standen. "Es sieht aus, als wärest du schon da!" meinte Hitomi zu ihrem Mann und stubste ihn an. Wortlos folgten Toshis Augen den Blicken seiner Frau. "Du hast recht, der Mann da neben Asaja sieht mir tatsächlich zum Verwechseln ähnlich." stellte er staunend fest. "Das ist Aiko, der Sohn meiner Pflegefamilie." erklärte Melanie Köhler und sie war sichtlich zufrieden die Verwunderung in Toshis Gesicht zu sehen. "Vielleicht hat dein Vater dir ja etwas verheimlicht, mein kleiner Ex- Polizist." witzelte Hitomi noch, da sie aber auch schon an der Reihe waren. "Haben sie etwas zu verzollen?" fragte der Zollbeamte. Wortloses Kopfschütteln machte sich breit. Dennoch wollte sich der Zöllner davon nicht überzeugen lassen. Neugierig beäugte er die Sporttasche mit Kawanos Namenszug darauf, die Toshi in den Händen trug. "Könnte ich da wohl einmal hineinsehen?" forderte der Beamte höflich aber bestimmt und sein Kollege griff bereits nach der Tasche, da Toshi eiskalten Blickes in seine Gesässtasche griff und seine Brieftasche herauszog. Mit einem geübten Handgriff und ohne hinzusehen klappte er das kunstlederne Etui auf und hielt es dem staunenden Zöllner hin. "Ich glaube, das ist nicht nötig. Wie sie sehen bin ich Detektiv beim Iunari-Revier hier in Tokio." erwiderte er schliesslich gelassen aber dennoch entschieden. Ein Nicken des misstrauischen Zöllners und eine flüchtige Handbewegung seines Kollegen deuteten den fünf Freunden weiterzugehen und obwohl man es ihm nicht ansah, fielen Toshi tonnenschwere Steine vom Herzen. "Danke Love." murmelte er leise seiner Schwägerin zu als sie nun auch noch die letzten Kontrollen passierten. Love nickte zufrieden. "Das ist eben der Vorteil, wenn man in eine Familie wie uns einheiratet." gab sie frech zurück. Es freute sie, dass sie das Richtige getan hatte, als sie damals gegen Toshis Willen seinen Polizeiausweis und die Marke kopiert hatte, noch bevor er den Dienst quittierte. Hitomi ergriff den Arm ihres Mannes und blieb mit ihm etwas hinter ihren drei Freunden zurück, während die sich durch die Menschenmassen in der Ankunftshalle hindurch zu Asaja und Aiko Villant kämpften. "Warum hast du das getan?" herrschte sie ihn an. "Was ist denn da in der Tasche?" "Ein Geschenk deines Vaters an Love. Es ist ein Porträt von ihm und deiner Schwester." erklärte Toshi leise. Hitomi nickte verständig... "Na, Schwesterchen, habt ihr einen guten Flug gehabt. Ihr seid spät dran." begrüsste Aiko Villant seine Ziehschwester und deren Freunde. "Ja, der Abflug hat sich ein wenig verschoben." erwiderte sie. Toshi hingegen musterte den jungen Mann der ihm nun die Hand reichte von Neuem. Selbst auf diese kurze Distanz kam es ihm beinahe immer noch so vor, als würde er in den Spiegel sehen. "Was sehen sie mich denn so merkwürdig an, Herr Utzumi?" fragte der junge Mann als er die prüfendne Blicke des Ex-Detektives bemerkte. "Ach, es ist nichts." gab Toshi zurück und grinste verlegen. "Ich habe nur gedacht, was für ein schicker Kerl ich doch bin." "Ja, durchaus." lachte Aiko. "Na gut, da wir das geklärt haben, können wir ja gehen." drängelte Love, die es immer mehr zum Ausgang hinzog. "Ja, du hast recht. Es war ein langer Flug. Ich würde mich auch gerne hinlegen." stimmte Melanie Köhler zu und hielt ihrem Bruder die Reisetasche hin, damit er sie trage. Aiko nahm die Tasche entgegen, doch dann setzte er sie auf dem Boden ab. "Tut mir leid. Aber wir können nicht mit euch kommen. Unser Flugzeug geht in einer viertel Stunde." Hitomi und die anderen staunten, doch weniger wegen der Antwort als mehr wegen der Art und Weise, wie Aiko zärtlich die Hand von Asaja ergriff, die die ganze Zeit nicht von seiner Seite gewichen war. Melanie nickte. "Ich verstehe, du hast dich also entschieden zurückzukehren." "Ja, wir haben uns entschieden." antwortete Aiko geheimnisvoll. "Aber nicht so, wie du vielleicht denkst. Irgendwann werde ich sicher in die Schweiz zurückkehren. Aber erst dann, wenn du deinen Vater gefunden hast.- Das habe ich versprochen und dazu stehe ich." Melanie nickte verständig. "Dann ist scheinbar viel passiert während wir weg waren." sagte sie bedächtig und hob ihre Tasche wieder auf. "Warum setzen wir uns nicht dort drüben hin und reden." schlug sie vor und noch bevor irgendjemand hätte etwas einwenden können, war sie auch schon an den Tisch eines kleinen Stehimbisses getreten. Die Anderen folgten ihr, nur Asaja blieb zurück und hielt Toshi wortlos am Arm fest. "Haben sie etwas, Mitzuku?" fragte er mir sorgenvollem Blick. Asaja senkte bedächtig den Kopf und nickte dann nachdenklich. "Kann ich ihnen vertrauen, Toshi?" fragte sie schliesslich und blickte Utzumi angstvoll an. "Sicher. Worum geht es denn?" Wortlos legte die junge Frau einen Zettel in die Hand des Ex-Detektives. "Oh mein Gott. Das tut mir leid." entfuhr es Toshi als er den Brief überflog. "Gibt es da nichts was man tun kann?- Haben sie schon mit dem Chef gesprochen?" Asaja schüttelte den Kopf, während sie das Papier zurücknahm. "Es kommt noch schlimmer." sagte sie nach einer Weile leise. "Man hat mich wegen meiner Vergangenheit beim Geheimdienst..." Sie hielt inne und schluckte. Langsam nahm sie ihre Brille ab und man konnte sehen, wie schwer es ihr immer noch fiel zu akzeptieren, was passiert war. "Man hat mich.." hob sie nochmals an, da Toshi sie jedoch unterbrach. "Sagen sie nichts." meinte er und griff die zitternden Hände mit denen Asaja ein Tuch herausfingerte und begann die dunklen Gläser ihrer Brille zu putzen. "Unehrenhafte Entlassung und Strafverfahren.- Genau so war es auch bei meinem Vater." Asaja nickte. "Dann wissen sie ja, was auf mich zukommt. Der Chef versucht zwar mir zu helfen, aber ich denke, das seine Mühe vergebens sein wird." "Nun warten sie erst einmal ab. Fahren sie mit ihrem Freund in den Urlaub. So lange sie nicht in Japan sind, muss das Verfahren und die Entlassung ruhen." "Ach, wenn das mal nur so einfach wäre." seufzte Asaja. "Eigentlich ist es gar kein Urlaub. Ich musste Aiko versprechen mich in der Schweiz untersuchen zu lassen." "Dann wollen sie ihre Augen also operieren lassen?" Asaja stutzte und blickte ihren Gegenüber verwundert an. "Was? Haben sie gedacht, ich hätte es nicht bemerkt?" erwiderte Toshi. Asaja lachte. "Kann man eigentlich nichts vor ihnen verheimlichen?" "Nein, auch nicht daß sie einen Freund haben." lästerte Toshi und deutete hinüber zu Aiko, der immer noch mit Melanie und den Anderen zusammenstand. Unterinspektor Asaja schaute verlegen, doch Toshi lachte hämisch. "Ich wünsche ihnen alles Gute." sagte er und nahm Asaja bei der Hand. "Und jetzt lassen sie uns hinüber gehen.- Verabschieden sie sich von ihren Freunden." Asaja nickte. "Ja, das werde ich." sagte sie leise... Die Frühlingssonne schien in die Fenster des Café Katzenauge und Melanie spürte wie die Sonnenstrahlen ihre Haut erwärmten. "Und was hast du jetzt vor?" wollte Hitomi von der Frau wissen, die ihr gegenüber saß. "Nun, ich habe heute abend noch einen wichtigen Termin." begann die blonde Diebin Melanie Köhler und ließ nachdenklich die Eiswürfel in ihrem halbvollen Glas Limonade kreisen. "Ich werde mich mit einem Detektiv treffen, der in Südamerika Informationen eingeholt hat." "Können wir ihnen dabei helfen ?" wollte Toshi wissen, doch Melanie schüttelte den Kopf. "Nein, das Treffen ist für meinen Informanten viel gefährlicher als für mich. Ich hoffe nur das er etwas herausgefunden hat." "Sie wissen, sie können auf uns zählen." warf Toshi ein. "Das weiß ich zu schätzen." gab Melanie Köhler zurück und stand auf. "Ich werde jetzt gehen. Ich will mich noch ein wenig ausruhen." "Schauen sie morgen bei uns im Lokal vorbei?" fragte Toshi, als er die Dame zur Ladentüre geleitete und aufschloss. "Kann ich noch nicht sagen. - Aber wenn es etwas Neues gibt, werden sie es erfahren.- Also dann, auf Wiedersehen, Toshi. - Hitomi, mach's gut." "Ja, tschüss Melanie." rief Hitomi quer durch das Lokal, während sie bereits das benutzte Geschirr abräumte. "Und viel Glück." "Danke, das werde ich brauchen." gab die blonde Frau zurück, doch dann war sie auch schon auf den Gehweg hinausgetreten und in der Menge der Passanten verschwunden. Toshi blieb noch eine ganze Weile in der Türe stehen und blickte hinüber zum Polizeirevier. "Starrst du Löcher in die Luft?" wollte Hitomi wissen, doch ihr Mann reagierte nicht. Dann jedoch mit einem Mal fuhr er herum. "Brauchst du mich im Moment ?" fragte er seine Frau hinter der Theke. "Nein, wieso? Was hast du denn vor." antwortete sie. "Ach nichts." gab Toshi zurück und trat hinaus auf die Strasse. ******* Die zärtliche Berührung zweier Lippen ließ Love aufwachen. Beinahe drei ganze Monate waren inzwischen ins Land gegangen seit sie Kanada verlassen hatten. Eine Zeit der Umwandlung,- der Veränderung.- Kawano hatte seinen Dienst im Polizeirevier begonnen und war inzwischen zur Grundausbildung nach Fukuoka geschickt worden. Love hatte ihre Arbeit im Café an der Seite ihrer Schwester Hitomi aufgenommen. Ihr Schwager Toshi arbeitete zwar auch noch im Geschäft, doch immer öfter verschwand er für Stunden, ohne auch nur ein Wort über sein Tun verlauten zu lassen.- Es schien, als ob noch nicht einmal seine Frau Hitomi ahnte, was er im Schilde führte. Nami und Robert waren immer noch in Kanada und aus all den Briefen, die sie geschrieben hatten, konnte man schließen, daß sie auch noch länger dort bleiben würden.- Vielleicht sogar für immer. Was Asaja betraf, sie hatte sich inzwischen mit Aiko verlobt. In der Augenklinik von Bern hatte man ihr zu einer schnellen Operation geraten.- Heute würde sie heimkehren. "Love, komm aufstehen du Schlafmütze." flüsterte eine warme und weiche Stimme immer und immer wieder in Loves Ohr. Die junge Dame schlug die Augen auf. Es war stockduster in ihrem Zimmer. Kein Mondlicht, das den Raum erhellte und der fahle Schein der Strassenbeleuchtung reichte nicht um die Person zu erkennen, die sich über sie beugte. "Willst du dein ganzes Leben verschlafen?" fragte die Stimme und lachte. Es war ein herzliches, ausgelassenes Lachen. Ein Lachen, das sie schon seit Wochen nicht mehr gehört hatte. Ein Lachen, das sie so sehr vermißte. "Kawano, was machst du denn hier?" entfuhr es Love und sie war so froh ihren Freund zu sehen das sie ihn sofort umarmte. So innig und heftig, dass der junge Mann das Gleichgewicht verlor und zu ihr aufs Bett fiel. Kawano holte tief Luft als er sich streckte und Love in den Arm nahm. "Ich habe an den Wochenenden Sonderschichten geschoben und die freien Tage aufgespart." erklärte er. "Und wann mußt du zurück?" wollte Love wissen und kuschelte sich enger an ihren Freund. "Nie mehr.- Hoffe ich." erwiderte Kawano. "Am Montag beginnt die praktische Ausbildung im Revier. Love seufzte vor Glück und küßte zärtlich ihren Freund. "Na, na, na. Soll das ein Bestechungsversuch sein?- Wenn ja, dann müßte ich dich verhaften." scherzte Kawano. "Ich bitte darum." lachte Love.. Ein energisches Klopfen ließ das Liebespaar Stunden später aufwachen. "Love, aufstehen." hörten sie Hitomi durch die geschlossene Zimmertüre rufen. Erschrocken blickten sich die beiden Jugendlichen an. "Schnell, in den Schrank." zischte Love ihrem Freund zu. Kawano nickte und sprang aus dem Bett. Hektisch sammelte er seine Kleidung vom Boden auf und zwängte sich in dem großen zweitürigen Kleiderschrank. "Love, komm schon es ist nach sieben." drang Hitomis Stimme von neuem unbarmherzig durch die Türe. "Moment, komm nicht rein, ich bin noch nicht angezogen." log Love und sie war vollauf damit beschäftigt, das Oberteil ihres Schlafanzuges zu zuknöpfen und die Spuren der letzten Nacht zu verdecken. "Das kann ich mir schon denken." murmelte Hitomi vor sich hin und lachte. Natürlich hatte sie das Gepolter im Zimmer ihrer Schwester bemerkt und auch das Zuschlagen der Kleiderschranktüre war ihr nicht entgangen. Und es war auch nicht schwer zu erraten, wen ihre Schwester versuchte zu verstecken. Schließlich waren sie und ihr Mann letzte Nacht aufgewacht, als Kawano mit seiner großen Reisetasche den Korridor entlang gepoltert war. "So, jetzt solltest du aber fertig sein." meinte Hitomi zu sich und öffnete die Türe. Love stand noch vor dem Spiegel und kleidete sich an, als ihre ältere Schwester hereinkam. Hitomi bemerkte sofort die Umrisse von Kawanos Reisetasche neben dem Schreibtisch, die sich durch die scheinbar achtlos darüber geworfene Steppdecke drückten. "Guten Morgen Love." sagte Hitomi und baute sich so hinter ihrer Schwester auf, daß sie einander im Spiegel sehen konnten. "Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Kleines." fügte sie schließlich mit einem Lächeln hinzu. "Danke, Schwesterlein." gab Love nur scheinbar gelassen zurück. Doch das Spiegelbild verriet Hitomi die Anspannung, die im Gesicht ihrer Schwester geschrieben stand. "Komm jetzt Love, Toshi wartet schon auf uns." meinte Hitomi schließlich unbewegt, doch allein die Tatsache, daß sie sich umdrehte ließ Love nicht das süffisante Grinsen auf dem Gesicht ihrer älteren Schwester sehen. Die jüngste der drei Kisugi-Schwestern atmete erleichtert auf, da sie im Spiegel beobachten konnte wie ihre Schwester zur Türe strebte. Dann jedoch durchfuhr es sie wie ein Blitz als sie sah, daß Hitomi plötzlich kehrt machte und zielstrebig auf den Kleiderschrank zusteuerte. Beherzt klopfte Hitomi an die Doppeltüre des Schrankes. "Ach übrigends. Wenn du dich beeilst kannst du auch mit uns Frühstücken, Kawano." sagte sie schließlich zu der Holztüre, hinter der sich der junge Mann versteckte. "Und wenn du schon mit einem Nachschlüssel hereinkommst und nachts durchs Haus schleichst, dann mach nicht solch einen Lärm. Oder du musst damit vorlieb nehmen, dass Toshi dich mit dem Baseballschäger prügelt." Mit einer schnellen Handbewegung griff sie zu dem Schlüssel an der Schranktüre und drehte ihn herum. Erst als die Riegel bereits gegriffen hatten wurde Kawano klar, dass er in der Falle sass. Doch so sehr er auch an der Türe rüttelte, sie ging nicht auf. Hitomi stimmte in diebisches Lachen ein, so laut, dass es auch noch im Schrank zu hören war. Love blickte ihre Schwester angstvoll und aus grossen Augen an. Hitomis Lachen verstummte und beruhigend schüttelte sie den Kopf. Sie wollte den Freund ihrer kleinen Schwester nicht bestrafen, aber im Moment fand sie, dass es Zeit war, dass bis über beide Ohren verliebte Paar ein wenig zurechtzuweisen. "Es tut mir leid." murmelte Love entschuldigend und senkte verschämt den Kopf. "Aber ich ..." "Du musst dich nicht entschuldigen." unterbrach Hitomi und griff die eiskalten und angstvoll zitternden Hände ihrer kleinen Schwester. Behutsam legte sie den Schrankschlüssel hinein. "Du bist alt genug um zu wissen, was du tust. Aber bitte sei vorsichtig..." "Ich hatte doch nur.." hob Love an. "Das musst du mir nicht erzählen.- Aber vielleicht verstehst du jetzt, was Toshi und ich durchgemacht haben. Du warst nur Wochen von Kawano getrennt. Bei Toshi und mir waren es fünf Jahre." Love nickte betroffen. "Ich glaube ich verstehe." sagte sie leise. "Das ist schön." erwiderte Hitomi. "Und eines sollst du wissen. Was auch immer geschieht,- egal was für Probleme ihr habt,- Toshi und ich wir sind für euch da.- Vergiss das nie." fügte sie noch hinzu und ging hinaus. Nachdenklich ging Love hinüber zum Schrank und liess ihren Freund frei. Als Hitomi ins Lokal kam, lachte sie immer noch bei dem Gedanken an Kawano und Love. "Und was machen Romeo und Julia?" wollte Toshi wissen, als Hitomi zu ihm hinter die Bar trat. "Sie spielen wilde Spiele im Kleiderschrank." lästerte Hitomi und blickte verführerisch zu ihrem Mann hinüber. Toshi grinste gewohnt verlegen als er hinter seine Frau trat und seine Arme um ihre Hüften legte. "Vielleicht sollten wir ihnen eine kleine Demonstration geben." flüsterte er lustvoll und drehte Hitomi herum. "Ich denke, sie kommen auch ganz gut alleine klar." hauchte Hitomi mit einem Kuss. Das Klingeln der Türglocke unterbrach das junge Ehepaar. "Irgendwann reiße ich dieses Teil noch mal von der Wand." fluchte Toshi während er seine Lippen von denen seiner Frau löste. Wieder dröhnte die Klingel durch das Haus. "Ja, ja ich komme schon." schrie der Ex-Detektiv und eilte zur Hintertüre. Als er aufschloß fand er einen Postboten vor, der ihm zwei Umschläge hinhielt. "Herr Utzumi ?" fragte er. Toshi nickte. "Eine Eilzustellung und ein Einschreiben für sie, Herr Utzumi. Bitte unterschreiben sie hier." erwiderte der Mann und hielt einen Quittungsblock samt Schreiber hin. Toshi kritzelte seinen Namenszug darauf und nahm die Post entgegen. Der Postbote nickte höflich und stieg wieder in seinen Dienstwagen, der in der Auffahrt parkte. Nachdenklich schloß Toshi die Türe. Der große Umschlag war von Nami, das sagte schon der Absender. Sicher war es Post für das Geburtstagskind Love. Viel mehr interessierte ihn der kleine graue Umschlag, dessen Erhalt er hatte quittieren müssen. "Wer war es denn." fragte Hitomi als sie die Schritte ihres Mannes hörte, der zurück ins Lokal kam. "Der Postbote." erwiderte Toshi und reichte Hitomi den Brief ihrer Schwester. Er selbst nahm ein Messer aus der Besteckschublade und öffnete den Umschlag seines Briefes. Hitomi versuchte neugierig ein Blick auf den Inhalt zu erhaschen, doch Toshi wußte das durch geschicktes Abwenden zu verhindern. "TOSHI!" meinte Hitomi mit Schmollmund. "Nein, du wirst es früh genug erfahren." "Ach komm, was ist es denn?" "Wart's ab." gab er knapp zurück und ging hinaus in die Diele. Hitomi folgte ihm. "Was hast du vor?" fragte sie verwundert, da sie sah, wie ihr Mann seine Jacke vom Haken der Kleiderablage nahm. "Ich muss nochmal weg." antwortete er geheimnisvoll und nahm den Autoschlüssel vom Schlüsselbrett. Verwundert blickte Hitomi ihrem Mann hinterher, wie er ohne ein Wort zu verlieren aus der Hintertüre verschwand und in ihren Wagen stieg, der im Hinterhof parkte. Langsam setzte er rückwärts die Auffahrt hinunter und fuhr davon. "Er ist richtig komisch in der letzten Zeit." murmelte Hitomi bei sich als sie wieder zurück ins Lokal ging. Sie öffnete den großen braunen Umschlag, den ihre Schwester Nami geschickt hatte. Ein gutes Dutzend Briefe und Glückwunschkarten war darin und die Meisten waren für Love bestimmt. Eine Nachricht jedoch war an sie allein adressiert. Erwartungsvoll riss sie den Umschlag auf und entfaltete das Briefpapier. Der Inhalt war in japanisch geschrieben und bereits ohne zu lesen erkannte sie die Schrift ihrer älteren Schwester. Ungeduldig begann sie zu lesen. "Liebe Hitomi, Robert und ich haben beschlossen noch eine Weile in Kanada zu bleiben. Robert hat für den Herbst eine Stelle im Konsulat in Tokio in Aussicht. Aber all das werden wir euch erzählen wenn ihr zu unserer Hochzeit kommt." Hitomi lachte vor Glück und sie musste sich erst einmal ihre Freudentränen aus dem Gesicht reiben, damit sie weiterlesen konnte. "Ja, du hast richtig gelesen, Schwester.- Robert und ich, wir werden noch in diesem Sommer heiraten, dann wenn du dein Kind bekommen hast. Was Toshi betrifft,- sollte er sich in der letzten Zeit etwas merkwürdig verhalten haben, so sei nicht besorgt. Aber laßt euch überraschen und feiert schön.- Und vergeßt nicht,- die Briefe nicht vor der Feier aufmachen. Liebe, deine Schwester Nami. " Hitomi seufzte. "Endlich hast du es geschafft, Nami." sagte sie leise zu sich, als sie ihren Brief einsteckte und die Anderen wegpackte. Es war kurz vor Zehn an diesem Morgen und Hitomi hatte gerade die Pforte des Lokals geöffnet, als zwei Personen das Polizeirevier gegenüber verließen und geradewegs herüber kamen. "Mitzuku! Wie geht es dir?" platzte Hitomi hervor als sie die dunkelhaarige Frau musterte, die von einem jungen Mann gestützt das Lokal durchquerte. "Ganz gut. Ich sehe nur nichts mehr." gab sie zurück und tastete nach einem Barhocker. Der junge Mann half ihr sich zu setzten, dann nahm auch er Platz. "Sie übertreibt mal wieder." lachte er. "Die Ärzte sind sehr zuversichtlich. Sie kann es nur nicht abwarten, wie immer." Toshi grinste. "Ja, ja, hören Sie mal lieber auf ihren Verlobten." mahnte er. "Und wann beginnt ihr Dienst im Verkehrsdezernat?" Asaja merkte sichtlich auf. Dann formte sich ein Lächeln auf ihren Lippen. "Ich wußte doch, das sie dahinter stecken." "Teils teils." gab Toshi zurück. "Was wird hier eigentlich gespielt?" fragte Hitomi verwirrt. "Die Katzen haben sich für mich eingesetzt." erklärte Asaja mit Zufriedenheit in der Stimme. "Sie haben den Leiter des Geheimdienstes des Kunstschmuggels beschuldigt und damit gedroht, die Wahrheit ans Licht zu zerren, wenn man mich nicht rehabilitieren würde.- Meine Entlassung wurde von höchster Stelle widerrufen.- Danke Toshi." "Keine Ursache, Mitzuku.- Immerhin war es Namis Idee. Ich habe nur den Postboten gespielt." "Dann bleiben sie also bei der Polizei?" fragte Hitomi. "Ich denke nicht.- Ich werde etwas anderes versuchen. Vielleicht erstmal mit Aiko hier zusammen Fräulein Köhler helfen." Toshi sah sie ernst an. "Planen sie nicht zu viel. Heute könnte ihr Glückstag sein!" "Wie meinen sie das?" "Heute könnte für uns Beide ein Traum in Erfüllung gehen." "Müssen sie immer in Rätseln sprechen?" "Sie werden schon sehen.- Heute Abend werde ich die Katze aus dem Sack lassen." Der rote Kleinwagen rollte langsam die Einfahrt hinauf, die in den Hinterhof des Cafés führte. Schon wieder hatte er Hitomi allein gelassen mit der Arbeit im Café. Er wollte es nicht, aber er hatte in den letzten Wochen so viel zu tun gehabt. All die Behördengänge, die Unterlagen, die Vorbereitungen für diesen Tag. Doch endlich war alles im Lot. Nachdenklich stieg Toshi aus und ging zum Kofferraum. Als er ein Paket herausnahm, fiel sein Blick unvermittelt auf ein Buch, das unter die Rückbank gerutscht war. Neugierig zog es der Ex-Detektiv hervor und musterte den ledernen Einband. "Ach, da ist es ja." meinte er leise zu sich. Es war Eines der Tagebücher seines Vaters. Erinnerungen kamen zurück und es ließ ihn nicht los. Er mußte hinein sehen. Selbst als Toshi Minuten später hinter der Theke des Cafés stand blätterte er immer noch verträumt in dem Tagebuch. "Was liest du da?" Toshi schrak auf. "Ach nichts, das ist nur ein Tagebuch meines Vaters. Es lag unter der Rückbank. Muß wohl beim Umzug unbemerkt aus den Kartons gefallen sein..- Es ist aus der Zeit, nachdem er Mutter und mich verlassen hat.- Er arbeitete damals beim Sondereinsatzkommando." "1971!? Wow, das ist aber verdammt lange her. " entfuhr es Hitomi als sie die Jahreszahl auf dem Ledereinband sah. "Und hast du etwas Bestimmtes darin gesucht?" "Ich weiss nicht." erwiderte Toshi nachdenklich. "Mein Vater hat mich nie um Etwas gebeten, oder mir Vorschriften gemacht. Das es sein grösster Wunsch war, dass auch ich einmal Polizist werde,- das es ihm von Herzen leid tat, dass er Mutter und mich verlassen hat und wie sehr er darunter litt - all das hat er mir nie gesagt. Nur in seinen Tagebüchern steht davon. Ich glaube fast, ich habe ihn nie richtig gekannt." "Vielleicht wirst du ja seinen Vorstellungen noch gerecht.. " meinte Hitomi mehrdeutig und kuschelte sich zärtlich an ihren Mann. Es war kurz nach sieben Uhr Abends und seit dem frühen Nachmittag hatten Toshi und Hitomi das Lokal geschlossen gehalten. Während die junge werdende Mutter sich alle Mühe gab das Café für Loves Feier ein Wenig zu dekorieren saß ihr Mann stumm in einer Ecke des Lokals und brütete über den einmal mehr längst fälligen Monatsbilanzen. Immer wieder krakelte er Zwischenergebnisse auf die Papierserviette, die er als Schmierblatt missbrauchte. Schon seit Stunden ging das so und Hitomi war es nicht entgangen, wie seine Miene mit jeder Tagesabrechnung und jedem Quittungszettel düsterer wurde. Um so Erstaunter war sie dann auch, da er plötzlich freudestrahlend aufsprang und mit breiten Grinsen auf dem Gesicht die Akten zusammen sammelte. Hitomi war gerade dabei eine Girlande aufzuhängen, als ihr Mann schließlich wie ein Wilder durch den Laden rannte und sie fast von ihrer Leiter stieß. "Was hat dich denn gestochen?" fragte Hitomi ein wenig böse. "Wart's ab." antwortete Toshi wortkarg und verschwand lachend im Hinterhaus. Die junge Frau stand wie angewurzelt auf der kleinen zweisprossigen Trittleiter und sie konnte genau hören, wie ihr Mann fröhlich pfeifend die Treppe hinauflief. "Na, dann lasse ich dich mal in dem Glauben, dass du mich überraschen könntest." murmelte Hitomi zu sich und kicherte. Ein Klopfen an der Ladentüre ließ sie aufhorchen. Schnell stieg sie von der Leiter hinunter und öffnete die Türe. "Erst kommt keiner, und dann alle auf einmal." begrüsste sie Mitzuku Asaja und Aiko Villant, die in Begleitung von Love, Kawano waren. Die junge Frau im dezenten gut sitzenden Kostüm lachte. "Wir haben die Beiden getroffen, als sie sich im Park vom Einkaufsstreß ausruhten." "Was, sie spazieren durch den Park, Mitzuku ?" fragte Hitomi mit einem überraschten Lächeln im Gesicht. "Haben sie denn für sowas Zeit?" "Wissen sie,- die Zeit muss man sich halt nehmen." erwiderte die Polizistin. "Ich sehe schon, du hast deine Freundin ja voll im Griff." scherzte Hitomi zu Aiko. "Ich gebe mir Mühe." lachte er zurück, während er seine sehbehinderte Freundin an die Festtafel führte. "Und was ist mit euch?" meinte Hitomi schliesslich zu ihrer Schwester und ihrem Freund.- "Wie wär's wenn ihr eure Pakete wegstellt?" Love nickte. "Willst du denn gar nicht wissen, was wir gekauft haben?" Hitomi schüttelte den Kopf. "Na gut, aber glaube nicht, das ich dir auch nur etwas davon leihe!" erklärte Love mit verschmitztem Lächeln und einem sündigen Augenzwinkern. Aber auch schon im nächsten Moment war sie zusammen mit Kawano in den hinteren Räumen des Cafés verschwunden. "Wo ist denn Toshi?" fragte Aiko, als er Hitomi bei den letzten Dekorationen zur Hand ging. "Der hat bis eben noch die Bilanzen gemacht aber gerade ist er wie ein Wilder herausgestürmt." Aiko blickte Hitomi fragend und auch unverständig an, doch sie konnte nur mit einem Achselzucken antworten. Unterinspektor Asaja indes hatte einen Blick auf die zerknüllte Serviette geworfen, die achtlos im Aschenbecher lag und so kam es auch für sie nicht sehr überraschend, dass ihr Ex-Kollege frohgelaunt herunter kam. "Sie strahlen wie ein Honigkuchenpferd." witzelte sie während alle Augen auf Toshi ruhten. "Sag' mal Toshi, konntest du keinen besseren Anzug finden?" wetterte Hitomi, als sie die alte Detektivkluft an ihrem Mann wiedererkannte. "Nein, das hat schon seinen Sinn." gab Toshi zurück. "Sind unsere Kinder schon da?" "Ja, die kommen sicher gleich." meinte Hitomi noch, da kamen Love und Kawano aber auch schon wieder zurück ins Lokal. "So ihr Zwei, setzt euch hin." befahl Toshi und rückte den beiden Jugendlichen die Stühle zurecht. "Und was hast du jetzt vor?" warf Love ein, als sie sah, wie Toshi wieder hinausging. "Jetzt geht's los, das habe ich vor." antwortete er und nickte Aiko zu. Wie auf Kommando folgte der seinem zwillingsgleichen Freund. "Hast du es bekommen?" wollte Aiko wissen, als Toshi ihn in den Keller des Hauses führte. "Ja, da steht es. Zwar gebraucht aber immerhin." meinte Hitomis Ehemann und zeigte auf ein etwa tischhohes Objekt, dass mit einem Laken verhüllt unauffällig in der Ecke stand. Neugierig lüftete Aiko das Tuch und lugte darunter. Er musste lachen. "Das sieht wirklich gut aus. Das wird Mitzuku umhauen." sagte er und er war hoch zufrieden mit dem, was er und sein Freund ausgeheckt hatten. Die beiden Männer stellten den recht schweren Gegenstand im Korridor ab, der vom Wohnhaus zum Ladenlokal führte. Dann verschwand Toshi für einen kurzen Moment in der kleinen Kammer neben der Küche und kehrte mit Hammer, Nagel und einem großen flachen Paket unter dem Arm zurück. "Komm, hilf mir das eben noch in Loves Zimmer aufzuhängen." Als die beiden Handwerker schließlich wieder zurück ins Lokal kamen, da hatten ihre Freunde die Geburtstagstorte bereits angeschnitten und warteten sehnsüchtig auf die Nachzügler. "Na, hast du denn auch schon alle Geschenke bekommen?" fragte Toshi scherzhaft, als er die Pappschachteln und das zerrissene Geschenkpapier sah, in dem Love sass. "Ja, alles in allem recht ergiebig." lachte sie. "Nur komisch, dass Hitomi nichts besseres eingefallen ist, als eine Schürze mit dem Namen des Cafés darauf." Hitomi grinste, da sie wusste, dass das weitaus wertvollere Geschenk in Loves Zimmer wartete. Ein Überraschung, mit der die jüngste der drei Kisugi-Schwestren wohl kaum rechnete. "Was ist mit dir, Kawano?" fragte Toshi etwas herausfordernd, als er den jungen Polizeianwärter betrachtete, wie er liebevoll Loves Hand hielt. Kawano senkte verlegen den Kopf und Schamröte stieg in sein Gesicht. "Ähm, Kawano kann mir mein Geschenk jetzt nicht geben." stotterte Love und sie war ungemein verlegen. Alle am Tisch, außer den beiden jung verliebten grinsten wissend. "Privat und unter vier Augen." murmelte Asaja leise aber gut verständlich zu ihrem Freund Aiko. "Vielleicht eher unter vier Händen und zwei Paar Lippen." setzte Hitomi hinzu. "Und selbst wenn.." polterte Love los. "Immerhin werde ich heute.." "Hör auf." unterbrach Hitomi ihre Schwester. "Du brauchst dich doch nicht zu rechtfertigen.- Hauptsache, du weisst, was du tust." "Schluss jetzt." fuhr Toshi dazwischen und griff in die Innentasche seines Jacketts. "Also, da du deine Geschenke ja schon hast, sollen die anderen auch nicht leer ausgehen." Triumphierend und mit theatralischer Würde reichte er einen schlichten Umschlag an seine Frau Hitomi. Hastig riss sie das Kuvert auf und zog den Inhalt heraus. Sie platzte fast vor Neugier, als ihre Augen über das Papier flogen. Immer wieder betrachtete sie die drei dicken und fetten Nullen, die die tabellarische Aufstellung abschlossen. "Aber wie..." stotterte sie und legte das Papier auf den Tisch. Toshi holte ein Feuerzeug aus seiner Tasche, griff das Blatt und entzündete es über dem Ascher. "Ja, ich habe eben unsere Hypothek abgelöst.- Wir sind schuldenfrei." jubilierte er. "Aber wo hast du denn das Geld her?" warf Love verwundert ein. "Nami hat mich beauftragt ihren Wagen an das Polizeipräsidium zu verkaufen, etwas hat mir mein Onkel geliehen,- zinsfrei,- und der Rest stammt aus dem staatlichen Förderprogramm für Geschäftsgründungen." "Aber das Lokal besteht doch schon so lange.- Ist da die Zeit nicht schon längst abgelaufen?" gab Asaja in ihrer typisch überkorrekten Art zurück. Toshi lachte. "Ja, da haben sie recht." gab er zu. "Doch das bringt mich auch zum letzten Tagespunkt." sagte er und deutete Aiko zusammen mit ihm den schweren verhüllten Kasten ins Lokal zu schieben. "Was ist denn das? Ein Whirlpool für Goldfische?" scherzte Love als sie den Kasten sah, der hereingerollt wurde. "Du wirst es gleich erfahren." erwiderte Aiko und half seiner Freundin Asaja auf die Beine. Fragend blickte die Polizistin ihren Verlobten an. "Bitte, ihr Auftritt, Fräulein Asaja." Mit einem heftigen Ruck riss Asaja das Tuch herunter und sie musste sich sofort setzen, um nicht vor lauter Überraschung umzufallen. Immer wieder las sie die Worte, die dort auf dem grossen Leuchtschild geschrieben standen.- So unglaublich erschien es ihr. "Ich bin Mitbesitzerin einer Privatdetektei..." stotterte sie fassungslos. Unbemerkt beugte sich Kawano zu seiner Freundin Love hin. "Clever und Smart." Love grinste frech. "Nee, eher Dumm und Dümmer..." flüsterte sie leise... ****************************************************************************** Hoppala.... so Ende Teil III Mehr aus Spaß habe ich mir überlegt, wie es wäre die Geschichte etwas Ad Absurdum zu führen, so wie es bei der Sitcom-Serie Roseanne geschah. Daher ist das folgende nur eine Idee und auch zugegeben größtenteils abgeschrieben.... Und an Matthias : Lieber Matthias - das ist NICHT das Ende---- MELISSA Epilog (für eine Geschichte die mein CE-Fanfic-Schreiben irgendwann mal beendent) Das monotone Hämmern der Typen der alten Schreibmaschine verstummt und die schwarzhaarige Frau von Mitte 40 lehnt sich in den alten Bürostuhl zurück. Müde reibt sie ihre rehbraunen Augen und streicht durch ihr langes Haar. Gezeichnet von langen Nächten ohne Schlaf wendet sie sich schliesslich einem Block Briefpapier zu. Flüchtig überfliegt sie die letzten umgeschlagenen Seiten und greift dann zu dem angekauten Bleistift der auf dem kleinen Schreibtisch liegt. Sie schlägt ein ganz neues, leeres Blatt auf und langsam beginnt sie zu schreiben... >Man fragt mich oft, wovon ich inspiriert werde.- Ich denke, es sind die kleinen Sachen. Nebensächlichkeiten, Gefühle, Liebe und Zärtlichkeit. All die Dinge, die uns täglich begegnen und unser Leben wirklich prägen. Nehmen sie Love zum Beispiel: Sie ist in Wahrheit gar nicht so cool wie ich sie dargestellt habe. Viele Leute haben meine kleine Schwester einen Trottel genannt. Aber man hat auch die Beatles für Trottel gehalten. Was meine grosse Schwester Nami betrifft, so kommt sie noch aus einer Generation, in der man von Frauen Unterwürfigkeit verlangte. Ich hab mich dem nie gebeugt und wünschte, sie hätte es auch nicht getan. Ich wünschte sie hätte mehr für sich selbst entschieden. Darum glaube ich, habe ich sie zur berechnenden und von Männern begehrten Sexbombe gemacht. Ich wollte, das sie ein anderes Selbstgefühl als Frau bekommt. Sie gab mir Halt und ich hätte es ohne sie niemals so weit gebracht. Ich schätze meine langjährige Schulfreundin Mitzuku Asaja ist auch so eine Art Heldin für mich, weil sie sich aus der Hölle einer furchtbaren Ehe befreite und zu grosser Stärke fand. Ich weiss nicht, was aus ihrem Ex-Mann wurde aber nun, da sie wieder glücklich verliebt ist, habe ich ihn in meinem Buch einfach nicht erwähnt. Als Love vor ein paar Jahren Robert anschleppte, da dachte ich, das ist falsch,- er ist viel zu alt für sie und viel mehr Namis Typ. Und als Nami mit einem ihrer Studenten anbandelte, dachte ich, der passt besser zu Love.- Jetzt weiss ich, ich habe mich da geirrt, aber ich dachte, dass die Beziehungen, so wie ich sie mir vorstellte viel besser funktionieren würden. Also tat ich in meinem Buch das, was jede gute Autorin tun würde: Ich hab's hingebogen. Ich verlor Toshi vor nun fast 10 Jahren.- Wir hatten früh geheiratet und ich war zum zweiten Mal schwanger als er bei einem Einsatz erschossen wurde. - Aber er ist immer noch das Erste, woran ich denke wenn ich aufwache und das Letzte, bevor ich schlafen gehe.- Er fehlt mir. Als moderne Frau wandele ich auf dem schmalen Grat zwischen Tradition und Fortschritt. Und in den Augen aussen stehender versage ich gewöhnlich. Aber was bedeutet schon Gewinnen oder Verlieren. Ich fand heraus, das ich alles, was ich tue vor mir allein zu verantworten habe. Und ich allein habe mein Leben in der Hand.- Nur mir ist es gegeben meine Zukunft zu bestimmen. - Nichts auf der Welt ist grösser als diese Gabe. Es war das Schreiben, das mir half, die ersten Jahre nach Toshis Tot zu überstehen. Jedes Mal, wenn die Glocke läutete und ein Gast in mein Café kam, erwartete ich Toshi wieder zu sehen, so als wäre er nur um die Ecke gegangen um Zigaretten zu holen. Ich begann darüber zu schreiben, wie es wäre ein aufregendes Leben zu führen. Ich stellte mir vor, dass meine Schwestern und ich ein Super-Gangstertrio wären und Toshi war der dumme Detektiv, der uns jagte. Ich erfand Geschichten wie die von James Bond und Miss Marple, wo niemand wirklich echte Probleme hat und Alles nach einem Kapitel wieder in Butter ist. Für eine Weile verlor ich mich in einer Fressucht und fiel in eine so tiefe Depression, dass ich nicht einmal aus dem Bett aufstehen konnte. - Doch dann, als Love ein Baby bekam, das beinahe gestorben wäre, vergaß ich auf der Stelle meine Depressionen und mobilisierte meine ganze Lebenskraft. Und in dem Moment, als ich mich für das Leben entschied, -da wurde mir klar, dass mein Traum, schreiben zu können, nicht einfach wahr werden würde,- ich musste dafür arbeiten. Und so - während ich in meinen Schriften ein aufregendes Leben erfand, erlebte ich in Gedanken das Meine wieder und wieder und was mir nicht gefiel, das änderte ich. Ich legte mir die Verpflichtung auf, etwas zu Ende zu bringen und das, selbst wenn ich dafür mitten in der Nacht im Keller schreiben musste, wenn Andere schliefen. Doch je mehr ich schrieb, desto besser verstand ich mich selbst und die Gründe für meine Entscheidungen und DAS war der eigentliche Gewinn... Ich lernte, dass Träume ohne Taten nichts wert sind und dass niemand mich aufhalten konnte, nur ich selbst. Ich lernte, dass die Liebe stärker ist als der Hass. Und das Toshi immer bei mir sein wird, denn der beste Teil von ihm lebt weiter- in mir und meinen Kindern. Aber vor Allem lernte ich, dass Gott existiert. Er oder sie lebt in Jedem von uns - unter allem Schmerz und allem Leid und aller Schande. Ich glaube, es wird mir viel besser gehen, nun, da dieses Buch vollendet ist.