Vorwort I. Sag' auf Wiedersehen Tokio, Toshi II. Die neue Welt Autoren ----------------------------------------------------------------------------- Vorwort Die Geschichten basieren auf der TV-Serie 'Ein Supertrio' (Manga: 'Cat's Eye' von Tsukasa Hojo). Die Geschichte orientiert sich an den Handlungen und Personen der TV-Serie, was besonders Unterschiede der Namensgebung gegenüber dem Anime betrifft. Dank all denen, die diesem Fanfic Speicherplatz einräumen und sich die Zeit nehmen, es zu lesen. Teil I und II wurden erstmals 1997 im CB-Packet-Radio-Netz veröffentlicht Letzte Überarbeitung 3-1999 Melissa Schneider (meschnei@gmx.de) Martin Bueltgen (mabueltgen@gmx.de) Stefan Krommes (krommes@uni-duesseldorf.de) ----------------------------------------------------------------------------- Ein Supertrio Cat 's Eye I. Sag' auf Wiedersehen Tokio, Toshi 1. Blick in die Zukunft 2. Träumereien 3. Auf Beutezug 4. Die Drohung 5. Das letzte Spiel beginnt 6. Zukunftsängste 7. Abschied 1. Blick in die Zukunft Eine kleine Kapelle irgendwo in Mitten einer Berglandschaft und rings umher war alles eingehüllt in ein weißes Schneekleid. Alles war für die Hochzeit vorbereitet: Kerzen brannten ruhig in den vielen antiken Leuchtern, Blumengebinde waren überall in der Kapelle verteilt und ein wertvolles Marienkreuz zierte den Traualtar. Am Ende des scheinbar kilometerlangen Mittelganges stand der Priester. - Ein Mann von Ehrfurcht einflößender Statur, aber gütigen Gesichtszügen. Einige Schritte neben ihm stand der Bräutigam. - Ein gut aussehender Mann Mitte-Ende 20 und unauffälliger aber dennoch attraktiver Gestalt. Er trug einen weißen Anzug, der ihm so sehr schmeichelte, daß wohl eine jede Frau in der Kirche auf die Braut neidisch war. Der Trauzeuge des Bräutigams war ein großer, leicht untersetzter Mann Ende 40 mit angegrautem Haar. Sein schlichter aber dennoch gut sitzender grauer Anzug hatte etwas von einer Dienstkleidung und im Gegensatz zum Bräutigam, der ganz entspannt wirkte, verriet sein Gesicht Anspannung und Nervosität. Immer wieder zupfte er unruhig an seiner Krawatte und mühte sich nicht vorhandene Falten aus seinem Anzug zu streichen. Doch dann hatte das ungeduldige Warten endlich ein Ende: Der Hochzeitsmarsch ertönte und die Orgel ließ bei den tiefen Tönen die Kapelle förmlich erzittern. Die Augen der Besucher richteten sich auf den Eingang, wo ein großer, etwas korpulenter Mann in einem edlen weißen Anzug erschien. Sein Bart verlieh seinen asiatischen Gesichtszügen aristokratisches Aussehen und auch sein erhabener Gang und seine Bewegungen wirkten ausgesprochen majestätisch, als er langsam die Eingangstüre der Kapelle öffnete. Ein würdiger Führer und Beschützer für die Braut, die er nun hereinführte. Sie war eine ausgesprochen gut gebaute aber etwas zierlich scheinende Frau, die in etwa genau so alt wie der Bräutigam war. Ihr wundervolles schwarzes Haar war zu einem Knoten gebunden, der ihren Schleier trug. Und wie schon bei ihrem Bräutigam waren in ihrem Gesicht auch leichte nicht - asiatische Einflüsse zu erkennen. Sie trug ein wundervoll gefertigtes Brautkleid mit weitem Rock und langer Schleppe und man hatte das Gefühl, daß das Weiß ihres Kleides sogar noch heller strahlte als die Kerzen in den Leuchtern. Ein letztes Mal wurde die die Schleppe des Kleides gerichtet und dann war sie bereit Arm in Arm mit dem Brautführer den Mittelgang hinunter zum Altar zu schreiten. Die bewundernden Blicke der Gäste begleiteten jeden ihrer Schritte und jeden Atemzug bis zu dem Moment, da sie schließlich an ihrem Ziel angekommen waren. Der Priester begann mit der Zeremonie und laut und mahnend hallten seine Worte durch die Kirche, doch die Gedanken der Braut waren ganz woanders... Zwei Jahre war sie jetzt verlobt und hatte in all der Zeit nur auf diesen Moment gewartet. Zwei Jahre in denen sie jede Minute Gefahr lief, ihr Geheimnis zu verraten. Jahre des Wartens auf das Eine, was vielleicht nie passieren würde - vielmehr nie geschehen durfte. Wie hatte sie sich nur in solch eine Zwickmühle bringen können. - 'Wir werden erst heiraten, wenn ich Katzenauge gefaßt habe.' Wie oft hatte sie ihren Verlobten das sagen gehört. Aber das war jetzt alles Vergangenheit.- Jetzt, da der Priester sich anschickte ihr die alles entscheidende Frage zu stellen, wußte sie, daß sie nur noch einen Schritt von der Ehe entfernt war. - Es war die eine Frage, die sie in ihren Träumen und schlaflosen Nächten für sich selbst schon so oft beantwortet hatte: "..Willst du, Hitomi Kisugi, diesen Mann Toshi Utzumi zu deinem rechtmäßig angetrauten Mann nehmen ?" "Ja, ich will..." antwortete die Braut kaum, daß der Priester den Satz beendet hatte. Sie war glücklich. Gleich war sie am Ziel ihrer Träume.- Gleich war sie die Frau von Toshi Utzumi. 'Hitomi Utzumi,- irgendwie klingt das gut..' dachte sie. Und überhaupt,- was konnte jetzt noch schief gehen ? Es sei denn...-- aber Hitomi zögerte diesen Gedanken zu Ende zu führen... Der Priester wandte sich dem Bräutigam zu: "Und nun frage ich dich, Toshi Utzumi, willst du diese Frau, Hitomi Kisugi zu deiner rechtmäßig angetrauten Frau nehmen?" Hitomi konnte in Gedanken ihren Bräutigam schon 'Ja , ich will' sagen hören. Sie freute sich sogar schon auf den Hochzeitskuß,- doch Toshi zögerte und sein Blick war starr auf das kostbare Marienkreuz gerichtet, daß auf dem Altar stand. Hitomi war verwirrt und wütend zugleich. Wollte Toshi vielleicht kneifen ?- Oder träumte er einfach wieder einmal nur so vor sich hin ..- 'So eine Schande und das bei meiner Hochzeit !' dachte sie und trat näher an ihren Verlobten heran. Vorsichtig stubste sie ihn an. "Was ist los mit dir, Toshi ? Träumst du ?" raunzte die Braut leise und blickte ihren Bräutigam wütend an, doch es kam keine Antwort. Toshis Augen waren immer noch starr auf den Altar gerichtet und auch Hitomis Blick ging wieder in diese Richtung... Und jetzt sie sah es: Dort, wo eben noch das Marienkreuz stand, lag jetzt nur noch eine weiß - rote Visitenkarte. Erschrocken und ratlos sah sich Hitomi um. Was war passiert ? Mit einem Mal waren Alle um sie herum wie erstarrt und auch sie selbst konnte sich beim besten Willen nicht bewegen. Allein Toshis Trauzeuge schien nicht betroffen zu sein, denn er ging langsam zum Altar und nahm diese rot - weiße Karte an sich. Ein kurzer Blick darauf und sofort legte sich seine Stirn in Falten. Sekunden später wurde sein Gesicht feuerrot und er begann laut zu schreien: "UTZUMI ! SIE VOLLIDIOT ! Während sie hier Hochzeit feiern haben die Katzen wieder ein Kunstwerk unter ihren Augen gestohlen ! Ich werde sie versetzen, degradieren und ihr Gehalt halbieren, wenn sie diese Katzen nicht sofort verhaften !" Der Bräutigam zuckte zusammen. "Jawohl Chef !" antwortete er und langsam fragte sich Hitomi, in welchem schlechten Film sie war. Ob ihr Zukünftiger etwa schon vergessen hatte, daß dies hier seine Hochzeit war?- Der wichtigste Moment in ein seinem Leben!? Verständnislos und ein wenig wütend wandte sie sich wieder ihrem Verlobten zu und sie erschrak ganz fürchterlich.... Wo eben noch ein gut gekleideter Mann gestanden hatte, war jetzt nur noch ein genervter Detektiv in fahl grauer Leinenhose, zerknautschtem weißgrauen Oberhemd unter einem mintfarbenem Jackett und schlecht sitzender Krawatte. Zwar war es immer noch ihr Toshi, aber nicht der Toshi den sie heute heiraten wollte. Das neben ihr war der Detektiv Toshi, der noch immer erfolglos die Kunstdiebe jagte und deshalb ständig von seinem Chef gescholten wurde. Und eben dieser Versager - Typ erwachte nun wieder zum Leben und traf eine Entscheidung... "Es tut mir leid, Hitomi, aber ich kann dich erst heiraten, wenn ich Katzenauge gefaßt habe" sagte er bestimmt und Hitomi war sprachlos. Hilfe suchend fuhr sie herum und blickte fragend zu den Gästen in die Kapelle, doch inzwischen waren auch alle Bänke leer.... Ihr Blick ging zurück zu ihrem Bräutigam, doch auch Toshi, sein Chef, ihr Brautführer und der Priester waren mit einem Mal verschwunden. - Kein einziger Gast war mehr da....- Nur in der ersten Bankreihe, gleich hinter ihr,- dort wo ihre Schwestern gesessen hatten, da saßen nun zwei Frauen in hautengen Trikots. Die eine von ihnen war kaum 20 Jahre alt, hatte kurzes schwarzes Haar und in der Hand hielt sie eine Karte, die aussah, wie diejenige die eben noch auf dem Altar gelegen hatte. Die zweite Frau war eine sehr gut aussehende Dame Ende 20, mit dunkelbraunem fast schwarzem schulterlangem Haar und einem hübschen Muttermal auf der linken Wange. Sie hielt das Marienkreuz in ihren Händen. Hitomi wollte etwas sagen,- wollte fragen, was das Alles zu bedeuten hatte,- doch noch bevor sie die richtigen Worte fand, zischte etwas an ihr vorbei und schlug neben ihr ein. Die beiden Diebinnen verschwanden lachend und Hitomi zog langsam die Visitenkarte aus dem hölzernen Altar. Nachdenklich begann sie zu lesen: "Detektiv und Diebin,- das geht auf gar keinen Fall. Gruß Katzenauge." Die Braut seufzte laut und blickte an sich hinunter, doch inzwischen hatte auch sie sich verändert: Statt des Brautkleides trug nun auch sie ein Trikot.- Das gleiche Trikot wie die beiden Diebinnen vorhin. Hitomi stiegen Tränen in die Augen. Was Gefühle betraf, war sie nur zu oft und zu gerne ein Eisklotz gewesen. Aber wenn es um ihren Toshi ging, dann warf sie alles über Bord. Langsam wischte Hitomi die Tränen aus den Augen um wieder klar sehen zu können. Verwundert blickte sie sich um. Auch der Ort der Handlung hatte sich nun verändert. Sie war jetzt wieder zu Hause in Tokio und stand hinter der Theke des Cafés, das sie zusammen mit ihren Schwestern führte. 'Café Katzenauge' hatten sie es genannt, und dieser Name hatte schon zu mancher Spekulation geführt. Hitomi musterte die Person auf dem Barhocker vor ihr. Es war Toshi, doch inzwischen war er ein alter Mann geworden,- mit grauem Haar und rundem Bäuchlein. Seine Hände zitterten, als er die Tasse mit dem Kaffee zum Mund führte.- Er zitterte so stark, daß etwas auf seine Krawatte tropfte. Hitomi lachte.. "Ach Toshi, so alt du auch wirst,- du wirst dich nie ändern. Warte, ich wisch' das weg." sagte sie fürsorglich und griff nach dem Lappen auf der Theke. Doch als sie hinüber reichte um den Fleck abzutupfen zuckte sie zurück.- Ihr Blick war auf ihren eigenen Handrücken gefallen und der war ganz runzelig. Verstört blickte sie in den Spiegel an der Wand, doch dort wo sonst immer ihr Spiegelbild war, sah sie nun eine buckelige alte Frau mit grauen Haaren. Es lief ihr eiskalt den Rücken hinunter und sofort begannen ihre Augen hektisch nach ihren Schwestern zu suchen.--- Auch sie waren alt geworden.- Die ältere Schwester Nami hatte viel von ihrer Schönheit verloren und das einst so hübsche Muttermal auf ihrer Wange war in Altersflecken untergegangen. - Und Love, die jüngste der drei Schwestern, sah aus, als ob sie bereits um die 40 wäre. "Ach übrigens, die Katzen haben eine Karte geschickt." murmelte Toshi leise und Hitomi fuhr herum. "Ach ja. Und was schreiben sie." fragte sie. "Sie wollen sich ein Gemälde holen...." antwortete der Detektiv und schlug mit der Hand auf den Tisch, so wie er es oft machte, wenn er hinter Katzenauge her war. Doch aus dem Schlag, der sonst das Café erzittern ließ war mittlerweile ein harmloser Klaps geworden. "Heute Nacht fasse ich sie !" sagte er mit Bestimmtheit und seine Augen funkelten als er fortfuhr "Und dann, ja dann können wir heiraten, Hitomi." "Ach Toshi, wie oft hast du das schon gesagt..." "Wieso ? Findest du, daß eine 30-jährige Verlobungszeit zu lang ist ?" "Na ja, also laß es mich so sagen : Wenn sich jeder so viel Zeit ließe, dann hätten wir wohl keine Probleme mit Überbevölkerung mehr." Toshi lächelte, wenigstens sein komisches Grinsen war das Alte geblieben.- "Na ja," sagte er. "Wenn das so ist, dann... AHHHH Mein Herz !"- Toshi griff an seine Brust. "Was ist ? Was hast du ?" fragte Hitomi besorgt, doch ihr Gegenüber war inzwischen schon auf dem Hocker zusammengesunken und sein schmerzverzerrtes Gesicht lag mit weit aufgerissenen Augen auf der Theke. "Toshi, was hast du ? Sag doch etwas...." rief Hitomi, doch der Detektiv antwortete nicht. Hektisch griff sie seinen Arm um den Puls zu fühlen, doch sie spürte nichts. Und als ihr schließlich klar wurde, daß sie ihren Verlobten für immer verloren hatte, ließ sie ihren Gefühlen und ihrer Verzweiflung freien Lauf: "TOSHI ! NEIN! NEIN! BITTE NICHT ! BLEIB BEI MIR !.." 2. Träumereien Immer wieder hallten die Schreie durch das Caféhaus: "NEIN TOSHI !! BITTE STIRB NICHT ! BLEIB BEI MIR ! NEIIIIIN ! " Das Licht im Flur der ersten Etage ging an und eine wunderschöne Frau im Morgenmantel trat aus einem der Zimmer auf den Gang hinaus. Sie horchte einen Moment und wollte gerade wieder unverrichteter Dinge in ihr Zimmer zurückkehren, als sich eine zweite Türe öffnete und eine jüngere Frau ihren Kopf in den Gang steckte. "Hast du auch die Schreie gehört ?" fragte sie und die Frau im Morgenmantel nickte "Ja, ich dachte schon, ich hätte mich verhört." Die junge Frau mit dem Wuschelkopf lächelte. "Wetten, daß unsere Schwester wieder heimlich eine wilde Party mit ihrem Verlobten feiert !" witzelte sie und auch die Frau im Morgenmantel begann zu lachen. "Keine Chance." sagte sie. "Ich habe Hitomi gesehen, als sie heute abend nach Hause gekommen ist. Und sie war allein.- Geh wieder schlafen Love, ich sehe einmal nach ihr." Die junge Frau nickte. "Ist gut. Wenn das so ist, dann werde ich wohl meiner großen Schwester gehorchen müssen.- Obwohl ICH den Schönheitsschlaf nicht nötig habe...." sagte sie noch und verschwand wieder in ihrem Zimmer. "Frech wie immer." murmelte die schöne Frau und schüttelte den Kopf. Sie hatte sich inzwischen an die frechen Bemerkungen der jüngsten Schwester gewöhnt und außerdem meinte Love es nie böse, denn sie war alles andere als hinterhältig. Sie war eben nur frech und vorlaut, so wie alle Jugendlichen. Die Dame löschte das Licht im Gang und klopfte an die Türe zum Zimmer der dritten Schwester. "Hitomi ? Schläfst du schon ?" fragte sie mit sanfter Stimme doch es kam keine Antwort. Langsam öffnete sie die Türe und sah hinein. Hitomi lag ruhig in ihrem Bett und es gab nichts ungewöhnliches zu erkennen. Leise trat die Frau in das Zimmer und setzte sich vorsichtig auf die Bettkante. "Hitomi ? Alles in Ordnung ?" fragte sie leise während sie ihre Schwester aufweckte. Müde schlug Hitomi ihre Augen auf. Aber das spärliche Licht, das von draußen ins Zimmer fiel ließ sie nur die Umrisse der Person erkennen, die sie aus dem Schlaf geholt hatte. Und so griff sie zuerst zu der kleinen Lampe auf ihrem Nachttisch. "Ach du bist es Nami." seufzte sie glücklich. "Und du bist genau so schön und jung, wie ich dich in Erinnerung habe." Erleichterung sprach aus ihrem Gesicht. Nami blickte verwirrt.- Solch eine Begrüßung hatte sie wirklich nicht erwartet. "Vielen Dank, aber ich würde zu gern wissen, womit ich diese nächtliche Liebeserklärung verdient habe?" "Ach nur so..." sagte Hitomi ausweichend, doch sie merkte genau, wie sie langsam vor Verlegenheit rot wurde. Die große Schwester sah sie strafend an. "Du hast wieder einen dieser merkwürdigen Träume gehabt, stimmt's ?" fragte Nami und Hitomi nickte. "Ja, und ich denke ich weiß nun endlich was mir mein Unterbewußtsein sagen will: Ich werde Toshi verlieren, wenn wir nicht bald heiraten." Nami blickte Hitomi verständig an, doch im nächsten Moment setzte sie auch schon diesen mahnenden Blick einer großen Schwester auf. "Ich versteh dich ja, aber vergiß nicht, daß wir noch einen Auftrag zu erfüllen haben. Und eine Diebin kann sich nun mal eine Ehe mit einem Detektiv nicht leisten." Ihre jüngere Schwester nickte bedächtig.- Über die Jahre hatte sie gelernt ihrer großen Schwester zu vertrauen und ihre Ratschläge zu befolgen.- Doch wenn es um Toshi ging, da hatte sie ihren eigenen Dickkopf. Traurig blickte Hitomi aus dem Fenster in die dunkle Nacht hinaus. "Ach Nami," seufzte sie. "Ich bin nun mal nicht so super sexy wie du. Bei mir stehen die Männer nicht Schlange. Ich habe Angst, daß ich Toshi verliere und dann,- dann finde ich vielleicht keinen Anderen mehr." Nami grinste weise. "Ach Schwesterlein. Es gibt noch andere Männer außer Toshi, die ihr Leben geben würden um dich glücklich zu machen." "Das verstehst du nicht, Nami. Ich kenne Toshi seit unserer Schulzeit. Seine verrückten Macken, die Art wie er sich aufregt wenn er von Katzenauge hört, seine Tolpatschigkeit" Hitomi hielt inne und wurde etwas verlegen "Und all das liebe ich an ihm." "Ich hab' ja auch nicht gesagt, daß du dir einen Anderen suchen sollst. Ich finde es gut, daß du dich mit ihm triffst. Aber, wenn ihr heiratet, dann ist Katzenauge Vergangenheit. Und verlobt zu sein ist doch auch schön, oder?" "Ach Nami. Nächste Woche werde ich sechsundzwanzig. Viele meiner Freundinnen haben schon Kinder und ich,- ich bin noch nicht einmal verheiratet." entgegnete Hitomi und - auch wenn sie es nicht wollte - begann sie zu weinen. Nami nahm die Schwester tröstend in den Arm. "Es tut mir leid..." sagte sie mit ihrer gewohnt sanften Stimme. "Aber so lange wir noch die Katzen sind gibt es zu viele Risiken. Doch ich werde dir ein Geheimnis verraten, Hitomi. Du mußt mir aber versprechen, daß unser kleiner Wildfang nichts davon erfährt." Hitomi blickte auf und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. "Ich werde Love nichts erzählen, das verspreche ich." "Gut.- Also Herr Nageischi hat mir heute Abend mitgeteilt, daß es nur noch zwei Objekte unseres Vaters gibt, die nicht in unserem Besitz sind. Das Eine ist ein Gemälde.- Es heißt Frühherbst und hängt im Museum von Funabashi. Und das letzte Objekt ist ein Diamant. Er heißt Katzenauge und befindet sich im Ost-West-Museum hier in Tokio." Hitomis traurige Augen begannen mit einem Mal wieder zu leuchten. "Wirklich ? Na dann laß uns die Sachen so schnell wie möglich holen. Am besten heute noch. - Ja? - Ach komm schon, bitte !" Hitomi konnte es kaum glauben. War es wirklich soweit? Nach drei Jahren des Versteckens und des doppelten Spieles war die Erfüllung ihres Auftrages in erreichbare Nähe gerückt. -- Ihr größter Traum war greifbar nah. "Wir müssen noch warten Hitomi. Wir dürfen uns jetzt so kurz vor dem Ziel keine Fehler erlauben. Herr Nageischi holt gerade Informationen über das Museum ein. Wenn alles nach Plan läuft, dann holen wir das Bild morgen Nacht." "Na gut, wenn das so ist, dann glaub' ich kann ich auch noch ein paar Tage warten." meinte Hitomi leise und mit einem Mal war sie irgendwie ungeheuer glücklich. "Da bin ich sicher." entgegnete Nami. "Und jetzt schlaf, du weißt, wir haben morgen einen großen Auftritt." Der nächste Morgen begann so wie immer. Es war kurz nach acht Uhr, und obwohl das Café erst um Zehn öffnete, waren die drei Schwestern schon seit langem auf den Beinen. Sie putzen und fegten das kleine Café voller Liebe und bereiteten den nächsten Geschäftstag vor. Dieses Café war mehr als nur ein Geschäft. Es war ihr zu Hause, ein Traum, den sie sich erfüllt hatten. Viel Geld war mit dem Kaffeehaus natürlich nicht zu machen, aber seine Lage machte es zu etwas Besonderem : Es war ein kleines Lokal in einem kleinen malerischen Haus in Mitten von Tokios häßlich schönen Wolkenkratzern. Ja, es hatte irgendwie einen besonderen Charme... Ach ja, und - nicht zu vergessen - es lag direkt gegenüber vom Iunari Polizeipräsidium. - Kein Wunder also, daß die Schwestern immer über Toshis Pläne informiert waren. Wie schon so oft nutzten die Diebinnen auch an diesem Morgen die Zeit vor dem Öffnen um ihre nächste Aktion vorzubereiten. "Wir haben ein neues Ziel !" begann Nami und sofort strahlten Loves Augen wie die Augen eines Kindes, daß seinen ersten Weihnachtsbaum sah. "Oh Toll ! Endlich mal wieder ein wenig ÄKSCHEN ! Ich habe schon gedacht ich roste ein !" rief sie aufgeregt und brannte schon darauf Einzelheiten zu erfahren. Am liebsten wäre sie gleich auf Beutezug gegangen, denn für sie waren die nächtlichen Raubzüge mit ihren Schwestern das Schönste auf der Welt.- Ein riesiges Abenteuer halt.- Ihre Schwestern jedoch mißbilligten diese Einstellung. Sie fanden, daß Love klar werden mußte, daß das, was sie taten, kein Abenteuer war. Im Gegenteil, es war ein Verbrechen und dazu noch gefährlich. Zu gefährlich manchmal. Sie planten ihre Einsätze zwar immer bis ins kleinste,- doch so gut sie Toshi auch mittlerweile kannten und auch mit seinen Schwächen rechneten, sie wußten, daß immer etwas schief gehen konnte. Zu Beginn hatten Nami und Hitomi oft versucht ihre kleine Schwester aus den Plänen heraus zu lassen, aber nicht zuletzt wegen ihrer Begabung im Umgang mit moderner Technik und der Starrköpfigkeit, die junge Menschen haben, war sie mittlerweile ein fester, unverzichtbarer Bestandteil des Teams geworden. "Love ! Das ist kein Spiel !" ermahnte Hitomi von Neuem ihre kleine Schwester und auch die älteste der drei Schwestern, Nami, warf der Kleinen strafende Blicke zu. Love schmollte. "Ja, Ja. Ich weiß, ich weiß, ich muß noch viel lernen. - Aber nun erzähl, Nami, worum geht's !" "Wir werden uns heute Nacht den Frühherbst holen. Das Gemälde hängt im Museum von Funabashi und Herr Nageischi wird uns heute noch die Pläne bringen. Unsere Karte habe ich schon abgeschickt... " "Zucker !" rief Love und begann zu kichern . "Was ist denn so komisch ?" fragte Nami ihre Schwester irritiert. "Heute Nacht ist gut, sogar sehr gut. Morgen ist doch der zweite Jahrestag von Hitomis Verlobung mit Toshi und da werden die beiden doch sicher ausgehen wollen." "Ja und ? Was willst du damit sagen ?" fragte Hitomi etwas grimmig. "Na ja," grinste Love, "dann hast du ja Gelegenheit ihn wieder aufzubauen, nachdem ihn sein Chef zusammengestaucht hat, weil er wieder versagt hat." "Love, wann hältst du endlich dein vorlautes Plappermaul." mahnte Hitomi mit einem wütenden Ton in der Stimme. Doch sie war nicht wirklich ärgerlich. Sie wußte, wie sehr Love es liebte solche Späße zu machen. Manchmal hatte sie sogar das Gefühl ihre kleine Schwester beneidete sie um Toshi. "Schon gut, schon gut !" besänftigte Love ihre Schwester und beinahe zufällig ging ihr Blick aus dem Fenster auf die Straße hinaus. "Übrigens, wenn man vom Teufel spricht, da kommt ja unser junger Detektiv." Die drei Schwestern blickten hinüber zum Polizeipräsidium. Sie konnten gerade noch sehen, wie Toshi unter Gehupe und dem Geräusch quietschender Bremsen die viel befahrene Straße zwischen dem Präsidium und dem Café überquerte. Voller Schwung und Elan stieß er schließlich die Ladentüre auf und fast wäre die Türglocke hinunter gefallen und hätte ihn am Kopf getroffen. "Hi Girls !" rief er fröhlich und ließ eine mittelgroße Reisetasche, die er über seine Schulter trug, auf den Tisch direkt neben der Eingangstür fallen. "Hallo Toshi. " begrüßten ihn die drei Damen und besonders Hitomi lächelte ihren Verlobten an. "Du bist ja heute so gut gelaunt !" stellte sie fest. "Ist dein Chef krank ?" "Das wäre wohl zuviel des Guten." lachte Toshi. "Nein, die Katzen haben eine neue Aktion angekündigt und Asaja ist im Urlaub. Endlich kann ich den Einsatz wieder alleine planen, ohne diese studierte Schnepfe fragen zu müssen." erklärte er und man konnte ihm wirklich die Zufriedenheit und Erleichterung ansehen. "Na dann herzlichen Glückwunsch." antwortete Nami und goß unaufgefordert und wie selbstverständlich einen frisch zubereiteten Kaffee ein. "Hier, der geht aufs Haus!" Eigentlich war Toshi ihr größter Feind, aber irgendwie war er auch ein Teil ihres Teams. Seine Fehler und die Unfähigkeit seiner Kollegen hatten Katzenauge schon oft gerettet. - Ja, man konnte fast sogar darauf vertrauen. Dennoch,- er war nicht zu unterschätzen. Sie respektierten ihn als Gegner. Und die Art, wie er über Katzenauge sprach, zeigte ihnen, daß auch er eine hohe Meinung von dem Gangstertrio hatte. Toshi bedankte sich höflich, als er die Tasse Kaffee entgegen nahm. "Danke Nami, du bist immer so gut zu mir." Hitomi schmollte ein wenig. "Und was ist mit mir?" "Ja, Hitomi." begann Toshi "Heute Nacht ist es soweit. Ich werde Katzenauge endlich fassen und noch bevor dieser Monat um ist werden wir Mann und Frau sein." "Wie oft hast du das schon gesagt "Ja, du hast recht. Aber diesmal werde ich es schaffen." Love musterte Toshis Tasche auf der Bank neben dem Eingang. "Und jetzt packst du schon für die Flitterwochen oder warum hast du diese riesige Tasche bei dir ?" "Ach nein, da sind nur die Dinge drin, die ich für meinen Einsatz brauche." Nami merkte auf und ein wenig Unsicherheit klang in ihrer Stimme "Willst du etwa dort übernachten ?" "So ist es ! Und wenn die Katzen dann kommen, dann greif' ich sie mir ! Und glaubt mir, diesmal bin ich vorbereitet !" Hitomi zuckte zusammen. Ihr Toshi strotzte ja geradezu vor Selbstvertrauen und das gab ihr zu denken. Zu ungern erinnerte sie sich an den Fischzug, als der Detektiv ihnen das letzte Mal versteckt aufgelauert hatte. Er hatte sie total überrascht und sie waren nur mit äußerster Not entkommen. Und auch jetzt hatte sie irgendwie das Gefühl, daß Toshi ihre Pläne durchkreuzen würde. Das Geläut der Glocke über der Eingangstüre unterbrach mit einem Mal unsanft ihre Gedanken und herein kam ein stattlicher bärtiger Mann in einem feinen weißen Anzug. "Guten Morgen, mein Herr, und willkommen im Café Katzenauge." begrüßte Hitomi den Gast und beugte sich dann über die Theke zu ihrem Verlobten hinüber. "Schau einmal auf die Uhr, Toshi. Müßtest du nicht schon längst wieder im Revier sein ?" Toshi blickte auf die große Wanduhr und sprang wie von Bienen gestochen auf... "Ja, du hast recht, ich muß gehen, bis morgen dann Girls." rief er noch, griff seine Tasche und rannte aus dem Lokal. Die Zurückgebliebenen blickten ihm noch eine Weile stumm nach, bis dann schließlich Nami das Wort ergriff. "Guten Morgen, Herr Nageischi." sagte sie zu dem Gast im feinen Anzug. "Guten Morgen, meine Damen." gab der Mann zu Antwort und griff in seine Tasche. Er zog ein gefaltetes Stück Papier heraus und begann, es auseinander zu legen. "Hier ist der Plan des Funabashi Museums." erklärte er und rückte die Gebäudezeichnung auf der Theke zurecht. Die drei Schwestern betrachteten eingehend die Blaupausen, während der mysteriöse Gast mit seinen Erklärungen fortfuhr. "Wie sie sehen, verläuft ein alter Abwassertunnel direkt unter dem Raum, in dem sich das Gemälde ihres Vaters befindet. Der Tunnel ist nur wenigen bekannt, und deshalb denke ich, daß dies der ideale Weg ist um in das Gebäude einzudringen." Der Fremde war er sicher, daß sein Plan Zustimmung finden würde, denn Katzenauge war bisher fast immer seinen Vorschlägen gefolgt.- Doch diesmal schüttelte Nami den Kopf. "Nein, ich denke, das wäre nicht die beste Lösung, Herr Nageischi." wandte sie nachdenklich ein und zeigte auf eine Markierung im Plan. "Was ist das hier ?" "Das ist ein Lüftungsschacht, Fräulein Nami." "Gut, dann sollten wir von Dach aus über die Lüftung eindringen." Hitomi legte ihre Stirn in Falten: "Aber wie sollen wir dort hinein kommen? Toshi läßt das Dach sicher bewachen. " "Nein, das glaube ich nicht." entgegnete Nami. "Toshi plant doch, uns im Museum aufzulauern, und was wäre ein besser Platz als der Lüftungsschacht unter dem Gemälde. Und wenn er uns nur diesen einen Weg offen ließe.." Der Fremde lachte. "Wie ich sehe, haben sie schon wichtige Informationen eingeholt. Also dann verabschiede ich mich. Viel Erfolg meine Damen." "Vielen Dank Herr Nageischi. Sie haben gute Arbeit geleistet, wie immer." lobte Hitomi und der Fremde verbeugte sich mit typisch japanischer Höflichkeit. "Vielen Dank, Fräulein Hitomi, es war mir ein Vergnügen ihnen zu Diensten zu sein." antwortete er und verließ schließlich erhabenen Schrittes das Lokal. Die Schwestern blickten ihrem wundersamen Gast noch eine ganze Weile nach. "Wenn wir Herrn Nageischi nicht hätten, dann wären wir manchmal ganz schön aufgeschmissen." murmelte Hitomi leise und ihre große Schwester nickte zustimmend. "Ja, ohne ihn hätten wir es wohl nie geschafft Vaters Sammlung wieder zusammenzubringen." Die drei Schwestern widmeten sich wieder den Plänen des Museums. "So gut dein Plan auch sein mag, Nami." bemerkte Hitomi nach einer Weile nachdenklich, "Es bleibt aber noch ein Problem, wir müssen Toshi aus seinem Versteck locken und ausschalten bevor wir an das Gemälde kommen können.". Nami schmunzelte über den Einwand ihrer Schwester, hatte sie doch schon längst eine Lösung gefunden. "Sag' mal Love, was hältst du davon, wenn wir uns eine neue Hitomi basteln ?" "Krasse Idee, Nami." entfuhr es Love. "Ich mache mich gleich daran." Hitomi überlegte kurz. "Ach jetzt verstehe ich! Eine von meiner Sorte ist euch nicht genug!" stellte sie mit einem schelmischen Lächeln auf dem Gesicht fest und mit einem Mal freute auch sie sich auf den bevorstehenden Beutezug. Und das besonders, weil es ihr vorletzter war. 3. Auf Beutezug Es war kurz vor Mitternacht und Toshi hatte rings um das Museum von Funabashi Wachen postiert. Ein jedes Fenster und jede Türe waren mit Gittern gesichert worden und im Inneren waren alle Räume hell erleuchtet. Toshi selbst hatte hingegen schon vor Stunden sein Versteck bezogen. Zwar war der Lüftungsschaft unter dem Gemälde klein, aber heute machte ihm das nichts aus. Immer wieder blickte er ungeduldig auf seine Armbanduhr.- Jetzt war es bald soweit. Die Katzen waren bisher immer pünktlich gewesen und irgendwie war Toshi ein wenig nervös als er in seiner Tasche kramte. Atemmaske, Schutzbrille, Ohrstöpsel.- Der Detektiv lachte.- Wie gesagt, diesmal war er auf alles vorbereitet. Draußen, weitab der Großstadtlichter, im Schutze der mondlosen wolkenverhangenen Nacht, schwebten Nami und Hitomi indes mit einem unauffälligen Ballon dem Museum entgegen. Nami war erstaunt über das große Polizeiaufgebot und sie plagten Zweifel an der Durchführbarkeit ihres Planes. Warnend drang ihre Stimme durch das Sprechfunkgerät an Hitomis Ohr, die sich an eine Strickleiter unter dem Ballon klammerte: "Sei ja vorsichtig! Wir können nicht sicher sein, das Toshi hier auf dem Dach keine Wachen aufgestellt hat." "Ich bin doch immer vorsichtig !" antwortete die Diebin zuversichtlich und kletterte geschickt wie eine echte Katze hinunter auf das Dach des Museums. Ein Schornstein bot ihr den nötigen Schutz und als sie das Dach unter ihren Füßen spürte sah sie sich sofort um. Es war, wie ihre Schwester es vorausgesagt hatte: Es waren auf dem Dach keine Wachen postiert. "Alles klar, Nami. Es ist keiner hier. Du kannst Love jetzt das Signal geben." flüsterte sie in ihr Mikrofon "Ist gut Hitomi." antwortete die älteste der drei Schwestern und Sekunden später tönte ihre Stimme aus einem Funkgerät, das tief unten in dem alten Abwasserkanal stand. "Love, es ist soweit, du kannst loslegen." Durch das Gewirr von Gängen und Kammern klang Namis sonst so sanfte Stimme mit einem Mal unheimlich und bedrohlich und so, obwohl sie schon ungeduldig auf diese Worte gewartet hatte, erschrak Love ein wenig. "Ist gut, Frankenstein. Von mir aus kann's losgehen." antwortete sie der älteren Schwester und kicherte leise vor sich hin. "Paß gut auf, Toshi. Unsere neue Hitomi ist schon ganz heiß auf ihren ersten Auftritt." Toshi war inzwischen in seinem Versteck eingeschlafen. Doch die Explosion, die ein großes Loch in den Boden riß, weckte ihn unsanft auf. "Katzenauge ! Jetzt bist du dran !" murmelte er noch ein wenig verschlafen und setzte seine Atemmaske auf. Er sah aus seinem Versteck in den erleuchteten Ausstellungsraum hinein. Die Explosion hatte Unmengen von Staub aufgewirbelt, dennoch erkannte er eine Gestalt, die sich langsam auf ihn und das Gemälde zu bewegte. - Sein Herz pochte. Die Person war nur noch wenige Meter entfernt und er erkannte sie: Die Silhouette von Katzenauge.- Umrisse, die er mittlerweile nur zu gut kannte. "Katzenauge ! Jetzt hab ich dich !" rief er und stürzte von einem Adrenalinstoß getrieben aus seinem Versteck. Mit einigen schnellen Schritten erreichte er den Dieb und riß ihn zu Boden, noch bevor dieser sich wehren konnte. Eigentlich wunderte es ihn schon ein wenig, das dieses Katzenauge keinen Widerstand leistete- jetzt wo er die Handschellen anlegte. Aber in diesem Moment dachte er einfach nicht weiter darüber nach... "Ha, jetzt endlich werde ich dein Gesicht sehen!" rief er voller Freude und drehte seinen Gefangenen auf den Rücken, doch als er plötzlich in Hitomis Gesicht blickte erschrak er fürchterlich und es dauerte einige Sekunden, bis er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. "Nein, das kann nicht sein ! Du bist nicht Hitomi ! Du trägst eine Maske! Aber mich legst du nicht rein !" rief er und griff beherzt in das Gesicht seines Gegenübers. Er zerrte an den Wangen und tatsächlich begann sich eine Maske abzulösen... ..doch darunter war nichts als ein stählernes Skelett. "Was zum Teufel geht den hier vor ?" rief Toshi und riß sich wütend seine Atemmaske vom Gesicht. Absolut frustriert begann er mit seinen Fäusten auf die Brust des Diebes zu trommeln. Doch alles was er spürte war hartes Metall, das bei jedem Schlag dumpf wie eine alte Blechtonne klang. Und da erst wurde ihm bewußt, daß man ihn hereingelegt hatte. Sofort fuhr er herum und blickte zur Wand. Doch es war schon zu spät. - Dort, wo eben noch das Gemälde gehangen hatte, war nunmehr nur noch ein leerer Fleck. Toshi ließ sofort von dem falschen Dieb ab und rannte zur Türe hinaus. "Schnell folgt mir ! Katzenauge flieht auf das Dach !" rief er zu den Wachen, doch obwohl sie die Treppen zum Dach gleichsam hinauf flogen, war alles was sie sahen der Lichtschein eines Heißluftballons, der am Horizont verschwand. - Wieder einmal blieb Toshi nicht anderes zu tun, als den Katzen bewundernd nachzusehen. 4. Die Drohung Am nächsten Morgen herrschte im Haus der Schwestern eine ausgelassene Stimmung, als die hübschen Diebinnen zusammenkamen, um zu beobachten wie Toshi seinem Chef Bericht erstattete. "Was meinst du, wie oft wird der Chef heute auf den Tisch schlagen?" fragte Love mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Sie fand, daß die Abfuhr, die Toshi ein jedes Mal nach einem mißglückten Einsatz bekam, mit das Schönste an ihren Raubzügen war. "Ich weiß nicht, Love..." sagte Hitomi nachdenklich. "Aber ich möchte jetzt nicht in Toshis Haut stecken." "Ja, da hast du recht Hitomi." pflichtete die große Schwester bei. "Aber wer weiß... Vielleicht wird sich das Problem ja irgendwann von selbst lösen.." Hitomi nickte.- Sie hatte den Wink verstanden. Schließlich fehlte nur noch ein Objekt und die Sammlung ihres Vaters war wieder komplett. Dann war ihre Aufgabe was die Kunstdiebstähle betraf wohl endlich erfüllt und Katzenauge war nichts, als ein weiterer ungelöster Fall in den Akten der Tokioter Polizei. "Ach schaut mal ! Da ist ja unser Held" rief Love mit einem Mal und alle Augen richteten sich sofort auf das Polizeirevier. Nami griff zum Fernglas. Schon vor langer Zeit hatten sie dieses Zimmer auf der ersten Etage zu ihrem Besprechungszimmer gemacht, weil es genau gegenüber des Büros lag, das Toshi mit seinem Chef teilte. Doch erst seit sie gelernt hatte von den Lippen zu lesen hatte dieser Raum seinen besonderen Wert bekommen. Während sich die Damen schon auf das bevorstehende Schauspiel freuten, schlich auf der anderen Seite der Straße einer der Hauptdarsteller zur Arbeit. Am liebsten wäre er jetzt unsichtbar gewesen.- Denn kaum das sich die Mitteilung von der Ankunft des wiederum glücklosen Detektives wie ein Lauffeuer verbreitet hatte, hörte er auch schon das Geschrei seines Chefs: "UTZUMI ! WO IST DIESER NICHTSNUTZ SCHON WIEDER ?" Schnellen Schrittes hetzte der Detektiv die letzten Treppenstufen hoch, denn Eines hatte er inzwischen gelernt: Es wäre ausgesprochen unklug gewesen, dem Chef aus dem Weg zu gehen, denn jede Minute, die er ihn warten ließ würde seine Wut nur noch größer machen. Ein wenig außer Atem erreichte er das Büro, das er mit seinem Chef und Kollegin Asaja teilte. Früher war er immer erst einen Moment vor der Tür stehen geblieben,- um sich zu sammeln ,- Mut zu fassen. Aber in letzter Zeit machte ihm ein Anpfiff seines Chefs immer weniger aus. 'Übung halt !' - sagte er immer, wenn seine Kollegen fragten, warum er so gut mit der Schelte fertig wurde. Toshi trat ohne zu klopfen ein. "Hallo Chef ! Da bin ich !" sagte er und machte ein unschuldiges Gesicht. "Ich habe gehört, sie wollten mich sprechen ?" "UTZUMI SIE VOLLTROTTEL !" schrie der Chef. "Während sie mit einem Blecheimer ringen wird hinter ihrem Rücken ein Gemälde gestohlen. Sie sind eine Schande für das ganze Revier. Wie soll ich das nur der Presse erklären!" "Aber Chef, der Roboter sah täuschend echt aus. Wie die richtige Katze." "Sie sind ein Vollidiot, Utzumi. Sie waren wohl betrunken und der Alkohol hatte ihr Gehirn vernebelt !" "Sie wissen doch ,daß ich nie im Dienst trinke !" "Ach ja ? Vielleicht sollten sie es dann einmal versuchen. Betrunken stellen sie sich vielleicht nicht mehr so unheimlich dämlich an." "Jawohl Chef ! antwortete Toshi und salutierte. "Kann ich jetzt gehen, Chef?" "Gehen Sie - Gehen Sie. " bemerkte der Chef und seine Stimme klang mit einem Mal wieder gefaßt und weit weniger aufgeregt. "Aber Eines noch, Utzumi. - Der Polizeipräsident hat Erfolge gefordert. Er hat unmißverständlich klar gemacht, daß bei weiteren Mißerfolgen Köpfe rollen werden.- Und ich glaube sie wissen, wessen Kopf er damit meinte, Utzumi." Toshi nickte. Er verstand diese Andeutung nur zu gut.- Es war ja geradezu ein Wunder, daß diese Drohung nicht schon vor langer Zeit ausgesprochen worden war. "Jawohl Chef, ich verstehe. Wenn ich beim nächsten Mal versage, werde ich kündigen. Darf ich jetzt gehen?" Der Chef grinste. "Dann haben wir uns ja verstanden, Toshi." sagte er. "Sie können wegtreten. Und genießen sie ihre Kaffeepause, es könnte die letzte sein." "Danke Chef." antwortete der Detektiv und verließ mit gesenktem Kopf das Büro. An diesem Morgen schien das Café Kilometer weit entfernt und Toshis Weg dorthin dauerte viel länger als sonst. Die drei schönen Schwestern erwarteten ihn natürlich bereits in ihrem Café. Sie hatten alles beobachtet und durch Namis Fähigkeiten kannten sie auch jedes Wort, daß Toshi und sein Chef gewechselt hatten. "Das war ja richtig langweilig heute morgen." meckerte Love. "Der Chef hat unseren Toshi ja noch nicht einmal richtig angeschrien. Ich glaube er kommt langsam in die Jahre." "Sag sowas nicht. " entgegnete Nami. "Es kommt nicht darauf an, wie laut man etwas sagt, wichtig ist, was man sagt. Und was das betrifft war der Chef heute morgen wohl mehr als deutlich." "Ja, das stimmt." seufzte Hitomi leise. "Wenn Toshi nicht bald Erfolg hat, dann ist seine Karriere wirklich in Gefahr." "Ach, macht sich Frau Utzumi Sorgen um Ihre Zukunft ?" witzelte Love. "Was verstehst du kleines Küken schon von solchen Dingen." "Ja, ja, ich weiß. Ich muß erst einmal erwachsen werden um dich zu verstehen. Aber selbst wenn ich steinalt bin, werde ich nicht verstehen, was zwischen dir und Toshi abläuft." "Schluß jetzt ihr Zwei !" rief Nami dazwischen und sah Love böse an. "Was Hitomi und Toshi machen, daß ist einzig und alleine ihre Sache. Solange es nicht unserem Auftrag im Weg steht haben wir kein Recht uns einzumischen." "Schon gut, ich habe ja auch nur so gedacht.." gab die jüngste der drei Schwestern kleinlaut zurück als plötzlich eine andere Stimme durch das Lokal hallte: "Das Denken sollte man den Pferden überlassen,- die haben den größeren Kopf." Erschrocken blickten die drei Damen zum Eingang... Toshi war unbemerkt hereingekommen. "Ach Toshi, was machst du denn hier ?" entfuhr es Hitomi.- Wie hatten sie nur so unvorsichtig sein können die Türe offen zu lassen?! "Ich habe meine Kaffeepause, schon vergessen ?" "Nein, Nein. Aber sag, seit wann stehst du schon da und belauschst uns ?" "Lange genug um zu wissen worüber ihr redet..." antwortete Toshi geheimnisvoll und Hitomi erschrak. Sie konnte zwar nicht glauben, daß Toshi durch das Gespräch ihrer Schwestern hinter das Geheimnis um Katzenauge gekommen war, aber ihr Verlobter war nun 'mal immer für eine Überraschung gut und zweideutige Sprüche jagten ihr regelmäßig einen Schauer über den Rücken. Aber diesmal schien nicht nur Hitomi beunruhigt zu sein, denn auch Nami klang verunsichert als sie fragte: "Und worüber haben wir deiner Meinung nach geredet, Toshi ?" Toshi setzte einen weisen Blick auf und lächelte. "Über Hitomi und mich." antwortete er. "Aber wie auch immer... Hitomi,- wie es scheint werden wir nun bald heiraten." "Ich glaube, das haben wir gestern schon einmal gehört." warf Love gewohnt vorlaut ein und Toshi grinste verlegen. "Ich war gestern eben ein bißchen zu optimistisch." gab er zu. "Aber heute liegen die Dinge anders. Das nächste Mal wird mein letztes Treffen mit Katzenauge sein." Hitomi fiel es schwer, Unwissenheit zu heucheln. "In wie fern das ?" Toshi blickte noch tiefer in seinen Kaffee. "Nun ja, der Chef hat gesagt, das ich den Fall Katzenauge abgeben soll, wenn ich das nächste Mal nicht erfolgreich bin." erklärte er leise und ein wenig widerwillig. Den Fall abgeben - eine merkwürdige Umschreibung für das Karriereende. Toshi hatte seiner Freundin geschworen, sie nie zu belügen, aber dies eine Mal war es vielleicht besser, wenn sie noch nicht die Wahrheit erfahren würde. "Dann will dein Chef dir also den Fall wegnehmen ?" Doch Toshi antwortete nicht... Es dauerte lange bis der junge Detektiv an diesem Morgen seinen Kaffee getrunken hatte. Eigentlich war seine Pause längst vorbei, aber keine der Damen wagte es, ihn darauf hinzuweisen. Als er fertig war bedankte er sich höflich und ging dann wortlos hinaus. Nachdenklich und verstört stand Hitomi hinter der Bar und sah ihrem Verlobten nach. Nami musterte sie eine ganze Weile. "Solltest du nicht hinterherlaufen ?" "Ja du hast wohl recht." antwortete Hitomi und legte ihre Schürze ab. Sie zögerte noch einen Moment und warf der großen Schwester noch einen zweifelnden Blick zu, doch als Nami beschwörend nickte lief sie endlich ihrem Verlobten nach. Als sie ihn einholte, hatte der Detektiv schon beinahe das Polizeirevier erreicht. "Toshi, warte ! Warte, Toshi !" Der Angesprochene fuhr herum. "Hitomi ! Was machst du denn hier ? Ist was ?" Hitomi holte kurz Luft und strafte ihren Gegenüber schließlich mit einem vorwurfsvollen Blick. "Hast du etwa vergessen, daß heute der zweite Jahrestag unserer Verlobung ist?" Toshi lachte. "Vergessen ? Nein natürlich habe ich das nicht vergessen." entgegnete er, doch die Art wie er es sagte und sein Gesicht verrieten, daß er log. Normalerweise hätte Hitomi solch eine offensichtliche Lüge rasend gemacht, aber nicht so dieses Mal. - Heute spürte die junge Dame genau, daß es an ihr war, ihren Freund ein wenig aufzumuntern. "Na dann können wir ja heute Abend ausgehen" Toshi zögerte. "Äh ja, klar, laß uns ausgehen." meinte er und fügte noch leise hinzu "Wer weiss, wann wir wieder ausgehen können." "Gut, dann holst du mich also nach der Arbeit im Café ab ?" Toshi nickte. "Klar doch." sagte er noch und war im nächsten Moment auch schon mit schnellem Schritt im Polizeirevier verschwunden. Hitomi ging langsam zurück zum Café und insgeheim bewunderte sie Toshi dafür, wie gut er mit dem Druck fertig wurde, der auf ihm lastete. Den ganzen Tag über freute sich Hitomi auf den Abend.- Sie konnte es kaum erwarten endlich wieder einmal mit ihrem Verlobten auszugehen. Wie fast immer an solch einem Abend gingen die Beiden zunächst ins Kino und natürlich schlief Toshi auch wieder ein. Früher hatte es Hitomi immer sehr geärgert, wenn am Ende des Filmes das Licht im Kino wieder anging und der Begleiter im Sitz neben ihr noch immer schnarchte.- Inzwischen machte ihr so etwas nichts mehr aus.- Ja, sie liebte es sogar, sich in der Dunkelheit des Kinos an ihren Verlobten zu kuscheln und sein leises Atmen zu hören. Toshi mußte ja nicht mitbekommen, wie sehr sie sich nach seiner Wärme sehnte. Und so kam es, daß auch an diesem Abend nach eineinhalb Stunden wieder eine leise Stimme sanft an Toshis Ohr drang: "Aufwachen, Toshi. Der Film ist gleich zu Ende." Toshi schreckte auf. "Was, was ? Oh , ich muß eingeschlafen sein.- Entschuldige Hitomi..." "Ist schon gut.." flüsterte seine Verlobte während das Licht bereits wieder anging. "Und was möchtest du jetzt machen Toshi ?" Toshi gähnte. Eigentlich wäre er jetzt am liebsten nach Hause gegangen, aber er traute sich nicht, das zu sagen. Immerhin war es vielleicht seine letzte Verabredung mit Hitomi. "Worauf hättest du denn Lust ?" gab er galant zurück und Hitomi überlegte kurz. "Was hältst du davon, wenn wir noch zu uns ins Café gehen?" schlug sie vor und Toshi stimmte zu. Immerhin war sein Appartement nur ein paar Straßen vom Haus der Schwestern entfernt und eine Tasse von Hitomis Kaffee vor dem Schlafen gehen war nicht zu verachten. Die Uhr zeigte schon weit nach Zehn, als die beiden schließlich am Café Katzenauge eintrafen. Das Lokal war schon geschlossen und nur noch in den Zimmern der Schwestern im ersten Stock brannte Licht als Hitomi leise die Türe aufschloß. "Was hältst du von einem Kaffee ?" fragte sie mit sanfter Stimme, während sie im Lokal Licht machte. "Eine gute Idee !" antwortete Toshi und setzte sich müde an die Theke. Er staunte immer wieder, mit welcher Hingabe Hitomi den Kaffee bereitete. Es war wohl diese Liebe, die den Kaffee der Schwestern zu etwas ganz Besonderem machte.- Genau so außergewöhnlich wie der Name des Lokals. Wann immer Toshi Zeit hatte, kam er her, um diesen herrlichen Kaffee zu genießen. Meist jedoch hatte er seine Tasse noch nicht einmal angerührt, wenn sein Chef ihn schon wieder zurück ins Revier rief. Überhaupt hatten er und Hitomi kaum mehr Zeit für einander, seit er im Iunari Revier arbeitete. Sein letzter Urlaub lag schon Jahre zurück. Damals, als er gerade seine Aufnahmeprüfung an der Polizeischule bestanden hatte, waren er und Hitomi zwei Wochen nach Saipan gefahren.- Saipan, das Hawaii der Japaner,- der Ort wo sie sich ewige Liebe geschworen hatten. Noch heute zehrte er von den Erinnerungen an diesen gemeinsamen Urlaub. 'Bald werde ich wohl alle Zeit der Welt haben, um meinen Kaffee zu trinken.' dachte der Detektiv bei sich, als seine Verlobte das Getränk servierte. "Hier, laß es dir schmecken." sagte Hitomi, doch Toshi reagierte nicht. Zu sehr machte ihm die Sorge um seinen Job zu schaffen. "Was ist, träumst du ?" fragte Hitomi nach einer Weile. Ihr war aufgefallen, daß ihr Verlobter kein Wort mehr geredet hatte, seit er dort an der Theke Platz genommen hatte. "Äh nein. Nein, ich träume nicht." antwortete Toshi und rührte weiter bedächtig in der Tasse. "Sag mal Hitomi," begann er leise, "Was wäre, wenn ich kein Detektiv wäre,- würdest du mich dann auch noch heiraten ?" Hitomi wußte in diesem Augenblick genau, worauf ihr Freund anspielte. Aber dennoch machte sie ein überraschtes Gesicht. Sie durfte sich nicht anmerken lassen, daß sie bereits alles wußte.- Ihr blieb keine andere Wahl als das Spiel mitzuspielen. "Was redest du denn da für einen Unsinn ? Natürlich würde ich dich auch dann noch heiraten, wenn du kein Polizist mehr wärst. Aber wieso fragst du?" "Ach, nur so..." seufzte Toshi ausweichend, doch Hitomi fand, es war nun langsam an der Zeit dieses Spiel zu beenden... "Toshi, du verschweigst mir doch etwas ! Dein Chef hat gedroht dich zu entlassen. Stimmt's ?" Toshi erschrak, doch schnell hatte er sich wieder gefangen. Noch nie war es ihm gelungen seine Verlobte in solchen Dingen anzulügen. "Woher weißt du das denn ?" "Na hör mal, glaubst du etwa ich bin blöd ? Ich habe sowas schon lange kommen sehen." "Ja ja, du hast ja recht." gab Toshi kleinlaut zu und ließ seinen Kopf noch tiefer sinken. "Ich frage mich nur, was wird, wenn ich meinen Job verliere." sagte er ganz leise und blickte hilfesuchend zu seiner Verlobten. Doch die lächelte nur zuversichtlich. "Was soll schon aus uns werden,- wir heiraten, was sonst. Und dann arbeitest du eben bei uns im Café.- Was hältst du davon, Toshi ?" Hitomi wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher, als daß ihr Freund auf diesen Vorschlag eingehen würde.- Sie hatte die ganzen letzten Jahre darüber nachgedacht und mit jeder geglückten Aktion der Katzen war die Sorge in ihr größer geworden. Die Sorge, daß Toshi wegen seinen Mißerfolgen eines Tages gefeuert werden würde.. Doch Toshi schwieg. Hitomi spürte den Kampf, der in ihrem Verlobten tobte. Der Beruf bedeutete ihm sehr viel und Katzenauge zu fangen war eine Obsession geworden. Resignieren, geschlagen den Rückzug antreten und den Dienst quittieren? - Das würde sein Stolz nie zulassen. Doch vielleicht konnte die Zuneigung, die sie für einander empfanden den Stolz besiegen. "Nein, nein, nein !!!!" brach es aus Toshi heraus. "Hitomi, das kann ich nicht. Entweder ich heirate dich als erfolgreicher Detektiv oder gar nicht." "Du spinnst doch, Toshi." fuhr ihn Hitomi wütend an. "Was hat denn deine Arbeit mit deinen Gefühlen für mich zu tun ?" "Es tut mir leid Hitomi, aber so denke ich nun mal. Und alles was du sagst wird nichts daran ändern." Hitomi schwieg. Sie sagte kein einziges Wort mehr. Sie kannte ihren Verlobten viel zu gut um zu wissen, daß jede weitere Diskussion überflüssig war.- Im Gegenteil, ein falsches Wort konnte alles nur noch schlimmer machen. Doch auch Toshi spürte, daß es an diesem Abend nichts mehr zu sagen gab. Und so stand er langsam auf und rückte seinen Stuhl zurecht. "Es war ein schöner Abend. Aber ich glaube, ich sollte jetzt gehen. Vielen Dank für die Verabredung, Hitomi." Hitomi nickte beiläufig, doch sie hörte nur mit einem Ohr zu. Als sie aus ihren Gedanken aufschreckte, hatte Toshi aber schon das Lokal verlassen. Hitomi stand noch eine ganze Zeit lang hinter der Bar bevor sie bedächtig zum Eingang ging und die Türe verriegelte. Als sie die Lampen im Lokal löschte zeichnete das spärliche Licht der Straßenbeleuchtung, das durch die Fenster fiel, gespenstische Schatten. Hitomi ging die wenigen Schritte zurück zur Theke und ließ sich auf einen Barhocker fallen. Sie empfand eine schreckliche Wut. Doch es war nicht Toshi, auf den sie wütend war.- Sie erkannte bald, daß sie vielmehr auf sich selbst wütend war. Die Pläne, die sie sich zurecht gelegt hatte gingen in Rauch auf. In all den Jahren hatte sie für alle möglichen Fälle Pläne gemacht. Nichts durfte dem Zufall überlassen sein, denn übereilte Entscheidungen waren schon immer der Feind eines jeden Kriminellen gewesen. Leider hatte sich der Kern ihrer Gedanken, - Liebe ist stärker als Logik - offensichtlich als falsch erwiesen. Zwar hatte sie kalkuliert, das ihr Verlobter in diesen Dingen traditionell und dickköpfig sein würde. Aber sie wollte einfach nicht glauben, daß ihm sein Stolz wichtiger war, als die Liebe, die sie für einander empfanden. Was war es, das sie in diesem Moment fühlte? War es Wut oder Verzweiflung? War es nicht beides das Gleiche? Sie versuchte ihre Gedanken zu ordnen, doch je bewußter ihr wurde, was vor wenigen Minuten vorgefallen war, desto stärker stieg die Angst in ihr hoch. - Die Angst, Toshi zu verlieren. Und mit einem Mal, so sehr sie sich auch mühte, konnte sie ihre Gefühle nicht mehr unter Kontrolle halten - Weinend brach sie über der Theke zusammen. "Hitomi, du bist noch wach ?" fragte plötzlich eine Frauenstimme. Und sie spürte die zärtliche Berührung einer Hand auf ihrer Schulter. Sie erschrak ein wenig, doch als sie aufblickte erkannte sie durch ihre verweinten Augen ihre Schwester. "Ach Nami, du bist's." flüsterte Hitomi leise während sie sich die Tränen aus dem Gesicht rieb. "Geht es dir gut , Kleines ?" frage die Älteste der drei Schwestern mit ihrer wunderschönen sanften Stimme. - Hitomi nickte.- "Ja, ja, es geht schon." "Das klingt ja wenig überzeugend. - Weißt du, ich habe dein Gespräch mit Toshi mit angehört.-- Und irgendwie kann ich ihn verstehen." "Ach ja !? Du verstehst, daß ihm sein Job wichtiger ist als ich ?? Was bin ich denn,- eine Siegestrophäe, die er sich in sein Zimmer stellen kann?" "Sieh das doch einmal von Toshis Seite. Er will sicher sein, daß er für dich Sorgen kann. Er findet eben, daß einzig und alleine der Mann für die Familie sorgen muß.- Und in einem Caféhaus unter dem Befehl einer Frau,- seiner Frau, zu arbeiten, das könnte er nie." "Aber was ist mit mir ? Zählen meine Gefühle nichts ? Glaubst du etwa ich werde meine Arbeit hier so einfach aufgeben, wenn wir heiraten ? Glaubst du etwa, daß ich zum Hausmütterchen werde und brav am Herd warte bis der Herr nach Hause kommt." Nami lachte. "Ja, das wirst du - glaube ich. Die Dinge entwickeln sich nie so, wie man sie plant.- Wenn man eine Familie ist und Kinder hat, dann kommt sowas automatisch." Hitomi warf trotzig ihr Haar zurück. "Nie und nimmer. !" antwortete sie mit großer Bestimmtheit und wie ein Blitz durchzuckte sie der Gedanke. "Vielleicht will ich Toshi ja auch gar nicht mehr heiraten." Ja das war es. Pure Logik. Wenn sie ihre Beziehung mit Toshi beenden würde, dann wäre doch alles in Ordnung. "Belügst du dich jetzt nicht selbst ? Glaube mir, er ist der Richtige für dich. Weißt du noch wie oft ich früher versucht habe, dir deine Freundschaft mit ihm auszureden ?- Und was habt ihr getan, ihr habt euch verlobt. Glaubst du nicht, daß ihr auch solche Probleme lösen könnt?" "Weiß nicht ....." murmelte Hitomi nachdenklich doch Nami war sehr viel zuversichtlicher. Zu eindeutig waren die Zeichen. "Du und Toshi, ihr werdet es schaffen, glaube mir. Du kannst dir seiner Liebe sicher sein. Und was seinen machohaften Stolz betrifft,- ich glaube am Ende bist du ihm tausend mal wichtiger. Und jetzt komm,- es ist Zeit ins Bett zu gehen." Hitomi seufzte. "Ja... Hoffentlich..." sagte sie leise und kurze Zeit später verließen die beiden Schwestern gemeinsam das Lokal. 5. Das letzte Spiel beginnt Die folgenden Tage verliefen so wie immer. Jedoch mit einer Ausnahme. Obwohl Toshi jeden Morgen zu seiner Kaffeepause ins Café der drei Schwestern kam, wechselten Hitomi und er kaum ein Wort. Manchmal schien es sogar, als ob sie sich aus dem Weg gingen und einander ignorierten. Dabei wußte Toshi genau, daß er sich bei Hitomi für sein Verhalten hätte entschuldigen sollen. - Doch es waren sein Stolz und seine Schüchternheit, die ihn davon abhielten. Aber auch Hitomi traute sich nicht, den ersten Schritt zu machen. Wie gerne hätte sie Toshi ihre Liebe gestanden, doch sie fand, daß sich dies für eine Frau nicht ziemte. Und so verging eine ganze Woche, ohne daß die beiden ihren Streit beilegten. Und die Nachricht, die Nami eines morgens verkündete, sollte alles nur noch schlimmer machen. "Wir werden wieder zuschlagen." sagte sie und Love, die jüngste der Schwestern, war sofort Feuer und Flamme. "Super ! Und was holen wir diesmal?" fragte sie neugierig. "Wir holen das Katzenauge. Es ist ein Diamant und er befindet noch für zwei Tage im Ost-West-Museum hier in Tokio." erklärte Nami. Ein Lächeln huschte über Hitomis Gesicht. Ein seltener Anblick in den letzten Tagen. Auch Love kicherte. "Katzenauge stiehlt Katzenauge. - Das könnte glatt ein Buchtitel sein. Vielleicht werde ich ja mal ein Buch über uns schreiben. Und dann kriege ich den Pulitzerpreis." Alle grinsten über diese Phantasie, doch Hitomi war die Erste, die es auf den Nenner brachte: "Ja, das oder 20 Jahre Gefängnis wegen mehrfachen Diebstahls." Love begann natürlich zu schmollen "Du bist Blöd..." sagte sie eingeschnappt, doch im nächsten Moment lachte sie auch schon wieder mit den anderen Beiden um die Wette. "Kommt Kinder zurück zur Aufgabe!" ermahnte Nami schließlich. "Es gibt nämlich ein Problem. Wir müssen den Stein holen, bevor das neue Alarmsystem fertig ist. Und da bleibt uns leider nur noch heute Nacht." "Du willst heute Nacht auf Beutezug gehen ?" Hitomis Stimme klang sehr enttäuscht. "Ich weiß, heute ist dein Geburtstag und du freust dich schon auf deine Feier mit Toshi, aber wir können es nicht verschieben." Nami hielt inne, als sie sah wie das Lächeln aus dem Gesicht ihrer Schwester wich. "Natürlich, wenn du willst, dann werden Love und ich die Aktion alleine durchziehen." Hitomi winkte ab. "Nein, nein, wenn uns dieser Fischzug gelingt, dann habe ich alle Zeit der Welt meinen Geburtstag nachzufeiern. Glaubst du ich will das Finale verpassen?" - Wieder einmal mehr beschloß Hitomi, daß sie ihre Gefühle hinter der Aufgabe zurückstellen mußte. Sie war geübt darin, denn Gefühle machten sie unaufmerksam und verwundbar. Was sie jedoch nicht sah war, daß die Gefühle, die sie nun zu unterdrücken suchte, um Einiges stärker waren als die, die sie bisher zurückgestellt hatte. Die jüngste der drei Kisugi-Schwestern merkte indessen auf. "Wie meinst du das: 'Das Finale verpassen' ? " fragte sie neugierig aber keiner ging auf die Frage ein. Hitomi gab keine Antwort und Nami tat so, als hätte sie gar nichts gehört. "Sag schon, ihr verheimlicht mir etwas, oder ?- Das ist Gemein von euch !- Sagt schon, was ist es ?" quengelte Love immer und immer wieder. So lange bis Nami schließlich nachgab: "Was Hitomi damit meinte ist, daß dies das letzte Stück aus Vaters Sammlung ist." Love begann frech zu grinsen "Ach dann gibt es ja bald eine Hochzeit - und eine Entlassung..." Hitomi antwortete nicht. "Love, hör bitte auf. Das, was ich euch jetzt zeige ist wichtig." ermahnte Nami und zog eine Zeichnung hervor, die sie auf der Ladentheke ausbreitete. "Seht her, Schwestern. Das ist ein Plan vom Ost-West-Museum. Seit unserem letzten Besuch hat man in allen Gängen Fallgruben installiert. Es gibt nur einen Weg, auf dem wir ans Ziel gelangen können, ohne eine Fallgrube auszulösen. Deshalb habe ich mir für unseren letzten Einsatz etwas ganz besonders überlegt. Dieses Mal werden wir einfach durch die Eingangstüre marschieren." Love nickte. "Ja soviel zu den Fallgruben, doch wie willst du die Sensoren in den Gängen überlisten ?" "Darum hat Herr Nageischi sich schon gekümmert." erklärte Nami. "Dieses Gerät hier macht die Sensoren in einem Umkreis von 10 m unwirksam. Aber da es nur bei den alten Sensoren funktioniert, müssen wir heute Nacht noch in Aktion treten. Außerdem haben wir nur ein Gerät, also kann auch nur Eine von uns den Diamanten holen." Hitomi merkte auf. "Dann mach ich es." Nami hob mißbilligend ihre Augenbrauen. "Bist du sicher, daß du das willst.-" fragte sie. "Du hast in letzter Zeit viel durchgemacht, Hitomi.- Vielleicht wäre es besser, wenn einer von uns.." "Nein, ich schaffe das. Meine Arbeit und mein Privatleben sind zwei verschiedene Paar Schuhe." unterbrach Hitomi energisch. Und es müssen wohl auch die braunen Rehaugen gewesen sein, mit denen sie ihre große Schwester bettelnd ansah, die Nami letztlich entgegen alle Vernunft zustimmen ließen. "Also gut,- wenn du sagst, daß du es schaffst, dann glauben wir dir, Hitomi. Aber ich hoffe dir ist klar, daß du auf keinen Fall vom Weg abweichen darfst, ansonsten landest du unweigerlich in einer Fallgrube." Hitomi nickte zuversichtlich. "Ich werde aufpassen..." sagte sie und setzte ein selbstbewußtes Lächeln auf. Sie nahm sich vor, das sie diesen letzten Auftrag genau nach Plan durchführen würde.- Egal, welche Konsequenzen für ihr Gefühlsleben es hatte. In der folgenden Nacht, als die Schwestern in Namis Wagen zu ihrem letzten Einsatz fuhren, herrschte mehr als sonst eine fröhliche, ja beinahe ausgelassene Stimmung. Nami und Love konnten es kaum erwarten, diesen Auftrag zu beenden in der Hoffnung danach vielleicht endlich wieder ein normales Leben zu führen. Sie redeten und redeten und machten bereits Pläne für die Zukunft... Nami wollte sich endlich einen netten Mann suchen und Love träumte davon, die Geschichte von Katzenauge aufzuschreiben und später als Buch zu veröffentlichen. Hitomi jedoch schwieg den ganzen Weg über. Seit der Besprechung am Morgen hatte sie fast kein Wort mehr gesprochen. Aber so sehr sie auch versuchte, sich auf den Einsatz zu konzentrieren,- es wollte ihr nicht gelingen. Immer wieder dachte sie daran, welche Auswirkungen ihr Tun auf die Zukunft haben würde.- Würde sie die Liebe ihres Lebens verlieren ? Könnte sie danach je wieder glücklich werden ? 'Reiß dich zusammen' - sagte sie sich immer wieder. 'Du darfst dich nicht deinen Gefühlen hingeben. Es ist nicht nur dein Leben um das es hier geht. Wenn du versagst werden deine Schwestern ihren Vater vielleicht nie wieder sehen. Loves größter Traum würde nie in Erfüllung gehen.' - Sie konzentrierte sich und in Gedanken ging sie den Plan noch einmal durch. Es mußte alles perfekt funktionieren. Während sie sich versteckt hielt würden Love und Nami die Wachmänner - 'heiraten' ???? - Sie erschrak. Wie kam sie in diesem Moment auf diesen Gedanken. Warum konnte sie den Traum einer Hochzeit mit Toshi nicht genau so einfach verdrängen, wie alle anderen Gefühle zuvor. - Langsam kamen ihr Zweifel, daß sie der Aufgabe gewachsen war, die vor ihr lag Bei Toshis Männern herrschte unterdessen Aufregung und Nervosität als sie rings um das Museum herum ihre Posten bezogen. Der Detektiv hatte am Nachmittag eine dreistündige, äußerst geheime Einsatzbesprechung abgehalten und dabei mit seinen Männern Dutzende von möglichen Szenarien durchgespielt. Noch nie hatte er einem Einsatz solche Aufmerksamkeit gewidmet und seine Kollegen ahnten, daß dieses Mal sehr viel auf dem Spiel stand. Als die drei Schwestern kurz vor Mitternacht am Ort des Geschehens eintrafen, waren sie gewaltig überrascht. Nami hatte schon mit einem großen Polizeiaufgebot gerechnet, doch was sie nun sah, übertraf ihre Erwartungen bei Weitem. Entgegen früheren Einsätzen hatte Toshi die Wachen dieses Mal unauffällig und sehr gezielt plaziert.- Ein wirkliche Herausforderung. "Dein Liebster hat sich aber sehr viel Mühe gegeben. Das wird nicht leicht werden." stellte nun auch Love mit Bewunderung fest. Hitomi freute sich für das Lob, das ihr Verlobter erhielt. "Ja, es geht für ihn ja auch um sehr viel." Nami lachte und begann ihr Trikot zu richten. "Das wird ihm aber nichts nutzen. Gegen die Waffen einer Frau sind die meisten Männer nun einmal machtlos." erklärte sie mit einem hämischen Grinsen auf dem Gesicht und Love lachte lauthals los. "Ja, wir sind nun 'mal ganz niedliche Katzen." sagte sie. "Aber 'mal ehrlich, welcher Mann läuft nicht gerne zwei Damen in hautengen Trikots hinterher und kann dann auch noch behaupten, nur seinen Job zu machen... Nicht wahr, Hitomi ?" Hitomi warf ihrer jüngeren Schwester böse Blicke zu. "Wenn du Toshi damit meinst, dann bin ich sicher, daß er nur seinen Job macht und nichts Anderes." gab sie schließlich beleidigt zurück, doch Love grinste nur und erwiderte spitzzüngig. "Ach ja, entschuldige. Ich hab ja ganz vergessen, daß dein Toshi so etwas nicht tut. Er ist ein Heiliger und hat noch nie einer anderen Frau nachgesehen." Diese Bemerkung machte Hitomi schier rasend doch bevor sie etwas Passendes antworten konnte unterbrach Nami auch schon das Wortgefecht. "Jetzt ist es gut ihr Zwei ! Habt ihr etwa vergessen warum wir hier sind ? Schaut mal auf die Uhr ! Es wird Zeit für uns." Kurz darauf verließen die drei Diebinnen das Auto. Die beiden Wachen links und rechts des Haupteinganges gähnten beinahe wie auf Kommando. "Was meinst du wie lange es dauert?" fragte der Eine. "Ich denke es wird bestimmt 3 Uhr." antwortete der andere und blickte wieder in die Dunkelheit. Dort war etwas. Eine Bewegung im Hintergrund - undeutlich aber vernehmbar - lies ihn aufmerken. Ein Schatten huschte am Rande der Grünfläche entlang und verschwand in dem hohen Bewuchs, der die Steinmauer verdeckte, die das Grundstück umschloß und nur zu einer Seite hin einen Ausgang hatte. Wachsam starrte der Polizist in die Dunkelheit und sofort übertrug sich diese Angespanntheit auf all die anderen Wachposten. Nami warf Love einen kurzen Blick zu und mit einem Sprung waren die beiden von ihrem Versteck auf einem Baum mitten hinein in den Eingangsbereich des Museums gesprungen. Mehrere tausend Watt Lichtenergie ließen ihre weiblichen Rundungen voll zur Geltung kommen, während sie sich aufreizend in Pose stellten. Hitomi, die abseits des Einganges im Gebüsch Platz gefunden hatte, rief mit verstellter Stimme: "DA, DIE KATZEN AM HAUPTEINGANG! FANGT SIE!" Und schon im nächsten Moment wurde sie Zeuge, wie sicher Namis Plan funktionierte: Wie eine Horde wilder Affen jagte der größte Teil der Wachposten hinter den beiden Katzen her. Und die bemühten sich redlich ihre Verfolger so schnell wie möglich vom Museum weg zu locken. Hitomi kicherte - es stimmte schon: Ihre Schwestern machten wirklich eine Superfigur in ihren Trikots. Und sie fragte sich, ob ihr Verlobter auch zu denen gehörte, die auf diesen, wie sie fand, billigen Trick hereingefallen waren. Eines stand jedoch fest, - Unterinspektor Asaja hätten sie nicht so leicht austricksen können. Hitomi blieb noch einen Moment lang in ihrem Versteck und beobachtete das Museum. Soweit sie erkennen konnte waren mittlerweile alle Wachposten verschwunden und so schlich sie leise und, wie sie hoffte, ungesehen zum Hauptportal des Museums. Sie zog einen Schlüssel hervor und führte ihn vorsichtig in das Schloß ein. Behutsam begann sie zu drehen.. Mit einem klickenden Geräusch entriegelte sich das Schloß und die Türe öffnete sich fast wie von selbst. "Vielen Dank, Herr Nageischi. Der Nachschlüssel paßt perfekt.- Wie immer." murmelte sie dankbar als sie in das Museum eintrat. Dort, im Inneren war alles Dunkel. Nur spärlich erleuchtete verirrtes Licht der Außenbeleuchtung durch die vielen Fenster hindurch die Gänge. Mit größter Vorsicht machte sich Hitomi auf den Weg zu dem Edelstein. Sie wußte, daß ein unachtsamer Schritt genügte und sie würde in eine metertiefe Grube fallen. Die Gänge schienen unendlich lang zu sein und sie hatte das Gefühl, daß sie Stunden unterwegs war bis sie endlich eine große zweiflügelige Holztüre erreichte. Hinter dieser Türe lag der Raum, in dem der Diamant aufbewahrt wurde. - Ein kurzer Blick - es war keiner zu sehen. Vorsichtig öffnete sie einen Flügel der Türe und trat ein. Sie lauschte gespannt.- Die Stille war bedrohlich aber beruhigend zu gleich. Konnte es sein, daß außer ihr kein Anderer mehr im Museum war? Hitomi wurde ein wenig nervös. Vielleicht wartete Toshi ja schon auf sie ? - Aber wenn ja, wo hatte er sich dann versteckt ?- Nach jedem Schritt hielt die Diebin inne und horchte. Der Weg zu der Säule in der Mitte des Raumes schien eine Ewigkeit zu dauern. Doch nun hatte sie es geschafft. Dort, genau vor ihr - unter einer Glaskuppel und auf ein Samtkissen gebettet - da lag er: Katzenauge, der Stein, der den Katzen ihren Namen gegeben hatte. Schnell und routiniert hatte Hitomi das Alarmsystem ausgeschaltet. 'So, das war es dann wohl', dachte sie und beim Anblick des Edelsteins in ihren Händen, der im Zwielicht glänzte wurde sie unweigerlich traurig. Eigentlich hätte sie glücklich sein sollen, jetzt, da sie endlich ihren Auftrag erfüllt hatte, doch sie befürchtete, daß sie gleichzeitig Toshi vielleicht für immer verloren hatte. Hitomis Gedankenspiele stoppten abrupt. Nein - an ihr Gefühlsleben durfte sie jetzt keinen Gedanken verschwenden. Vor ihr lag noch ein langer Weg und sie mußte sich beeilen, denn jeden Moment konnten die Polizisten das Ablenkungsmanöver ihrer Schwestern durchschauen und zurückkehren. Eilig trat sie den Rückweg an. Kaum hatte sie den Raum verlassen und war wieder auf dem Korridor der tausend Fallgruben, da schallte plötzlich eine Stimme den Gang entlang. "HA KATZE, STEHENGEBLIEBEN, JETZT HAB ICH DICH !" Hitomi fuhr erschrocken herum. Sie konnte erkennen, wie ein Schatten am Ende des Ganges auftauchte. Sie brauchte nicht zu überlegen: Es war kein Anderer als ihr Toshi und augenblicklich wußte sie, daß sie den Ausgang schnellstens erreichen mußte.- Nur da war sie sicher. Es würde ein sehr langer Weg zurück sein. Sie mußte den Detektiv in Schach halten aber gleichzeitig auch aufpassen, daß sie nicht in eine Grube fiel. "Bleib' stehen Katze, du entkommst mir nicht." rief Toshi immer wieder und Hitomi sah mit Schrecken, daß er mit jedem Schritt er näher an sie heran kam. Noch schneller zu laufen war ihr nicht möglich. Schon mehrmals war sie auf Auslöser getreten und hatte sich erst im letzten Moment durch einen gewagten Sprung vor den offenen Fallgruben retten können. Sie war am Ende ihrer Kräfte. Völlig geschafft blieb sie stehen und drehte sich zu ihrem Verfolger um. Er kam unaufhaltsam heran und so sehr sie es auch haßte, sie hatte in diesem Moment keine Wahl:- Sie mußte Toshi gewaltsam außer Gefecht setzen... Widerwillig zog die hübsche Diebin eine kleine Pistole hervor. "Tut mir leid, Toshi." murmelte sie leise und drückte mit letzter Kraft den Abzug.... - Eine kleine Glaspatrone verließ zischend die Waffe und zerplatze vor Toshis Füßen. Mit einem Schlag füllte sich der Korridor mit Tränengas und der Detektiv war mitten drin. Er versuchte zwar noch nach seinem Taschentuch zu greifen, aber es war zu spät. - Das Gas wirkte schon und er konnte nichts mehr erkennen. Hitomi verharrte noch einen Moment.- Bevor sie flüchtete mußte sie erst sicher sein, daß ihr Verlobter nicht ernsthaft verletzt war. Doch als sie dann sein Fluchen hörte, da wußte sie, daß sie wieder einmal mehr nur seinen Stolz verletzt hatte. "Puh, geschafft." murmelte die Diebin erleichtert und wollte gerade den nächsten Schritt in Richtung Ausgang machen, als sie plötzlich dieses zischende Geräusch hörte... Sie spürte noch den Boden unter ihren Füßen zittern, doch noch bevor sie wußte wie ihr geschah fiel sie auch schon haltlos in die Tiefe.... Hitomi schlug hart auf dem Boden der Grube auf. Sie war benommen, aber instinktiv versuchte sie sofort wieder aufzustehen. Sie schrie auf. Was war nur mit ihrem rechten Bein ? Sie konnte es kaum bewegen und es tat höllisch weh. Auf allen Vieren kroch sie in eine Ecke und blickte nach oben. 'Das sind gut und gerne 5 Meter.' dachte sie und plötzlich hörte sie Toshis lautes Lachen. "Ha,Ha,Ha. Na Katze, nun bist du in die Grube gefallen." schallte es höhnisch von oben in die Grube herunter. "Ich dachte Katzen fallen immer auf die Füße, oder ?" Hitomi reagierte nicht auf den Spott. Toshi war keine Gefahr für sie so lange seine Kollegen fort waren. Aber wenn sie zurückkämen, dann wäre sie in sehr sehr großen Schwierigkeiten. Immer wieder versuchte sie aufzustehen, aber das Bein schmerzte bei der kleinsten Bewegung.- Aus eigener Kraft war keine Flucht möglich. Hoffentlich würden ihre Schwestern rechtzeitig zurückkehren.- Sie konnte nicht ahnen, daß Nami und Love immer noch von den Polizisten verfolgt wurden und im Augenblick meilenweit vom Museum entfernt waren... Hitomi merkte auf. Eine Schattengestalt erschien oben am Rande der Grube. - Es mußte Toshi sein, der sich vorsichtig dorthin vorgetastet hatte. Der Detektiv war zufrieden. Wegen des Tränengases sah er zwar kaum etwas, konnte es aber auch nicht erwarten noch ein paar verspottende Bemerkungen an die Diebin los zu werden. "Na Katze, wie geht es dir da unten ? Ich hoffe du fühlst dich wohl. Vielleicht kann ich dich nicht sehen, aber - glaube mir,- ich spüre deine Angst." Toshi stockte. 'Komisch' - dachte er - Was er eigentlich wie eine Floskel gesagt hatte stimmte. Irgendwie war da ein Band zwischen ihm und einer der Diebinnen. Etwas, das sie Gefühle und Gedanken teilen ließ. "Ha, ich Toshi Utzumi habe dich endlich gefangen. Du bist schuld, daß mich keiner mehr ernst nimmt !" schrie er schließlich wütend und rutschte noch näher an den Rand heran. Plötzlich verlor er das Gleichgewicht und stürzte schreiend hinunter... Regungslos lag er schon einige Zeit am Boden. Hitomi befürchtete, daß er sich schwer verletzt hatte. Sie überlegte noch, ob es sicher wäre, ihm zu Hilfe zu kommen, da jedoch rappelte sich der Detektiv bereits aus eigener Kraft wieder hoch. Er verharrte noch einen Moment im Sitzen, doch dann, mit einem Mal, begann er wie ein Wilder auf allen Vieren durch die Grube zu kriechen in der Hoffnung Katzenauge zu fassen zu bekommen. Die Katze hatte große Mühe immer rechtzeitig ihrem Verlobten auszuweichen. Sie konnte ihn zwar die ganze Zeit über sehen, doch waren ihre Bewegungen wegen ihrer Verletzungen unbeholfen und langsam und zu allem Übel machte sie dabei auch Geräusche, die sie verrieten. Minuten vergingen. Wie lange würde sie das noch durchhalten. Die Schmerzen in ihrem Bein bescherten ihr immer öfter kurze Schwindelanfälle. Sie wußte diese Jagd würde nicht mehr lange gut gehen. Ein paar Mal hatte er sie schon berührt, doch nicht zu fassen bekommen. Wollte sie dieses Spiel gewinnen mußte es bald zu Ende sein - dachte sie und wie auf Kommando hielt Toshi plötzlich inne. Da war es wieder, dieses laute und triumphierende Lachen. "Na Katze, hat dir unsere kleine Jagd gefallen ?" spottete der Detektiv und stand langsam vom Boden auf. Wie ein Blinder tastete er sich an der Wand entlang um nach einigen Schritten eine Ecke zu erreichen, wo er sich auf den Boden setzte. "Ich kann dich vielleicht nicht sehen, Katze,- noch nicht! Aber ich weiß, daß du verletzt bist. Und ICH habe Zeit." meinte er nach einer Weile des Schweigens und begann wieder von neuem höhnisch zu lachen. "Was ist das für ein Gefühl, Katze, wenn man in die Enge getrieben wird.- Wie ein wildes Tier, das vergeblich versucht seinem Schicksal zu entkommen." Hitomi schwieg. Während ihr Verlobter weiterhin spottete und siegessicher lachte versuchte sie wieder mit analytischem Verstand Auswege zu finden, suchte nach Fluchtmöglichkeiten. In etwa drei Meter über dem Boden war etwas, das wie ein offener Schacht aussah. Doch sie würde in ihrer jetzigen Verfassung nicht einmal alleine aufstehen können,- geschweige denn mit einem Sprung den Schacht erreichen. Zum ersten Mal fühlte sie sich völlig hilflos. Toshi hatte alle Trümpfe in der Hand und es schien als genieße er diesen Sieg. Doch entgegen aller Logik verstummte Toshis Lachen mit einem Mal. "Weißt du, Katze." begann er leise und blickte nachdenklich zu Boden. "Es bedeutet mir sehr viel, daß ich dich endlich gefangen habe. Keiner nahm mich mehr ernst und mein Chef wollte mich sogar feuern. Doch nun, werde ich vielleicht sogar befördert.- So eine Beförderung habe ich mir schon lange gewünscht.- Aber ehrlich gesagt ist sie mir gar nicht so wichtig.- Wichtig für mich ist nur Eines,- jetzt da ich Katzenauge gefangen habe, kann ich endlich meine Verlobte heiraten." Hitomi stutzte in ihren Fluchtgedanken. Sie hatte Toshis Stimme nur unterbewußt wahrgenommen, doch reichte es aus, um ihre Gefühle wieder die Kontrolle über ihren Verstand gewinnen zu lassen. Etwas mit Toshi stimmte nicht. Wenn er so versessen darauf wäre sie zu heiraten - und weiß Gott, da war sie sich sicher - warum war er so niedergeschlagen? - Warum dann nur konnte sie an seinem Gesicht sehen, daß ein Gefühlskrieg in ihm tobte. Er hatte doch Katzenauge besiegt.- Was konnte seine Freude darüber mildern? - Konnte es sein.... Ein Gedanke beschlich sie. Eine böse Ahnung. Etwas, das sie immer verdrängt hatte und das Alles, woran sie glaubte auf den Kopf stellen würde. - Wußte Toshi etwa... - 'NEIN, NEIN, NEIN - Hitomi, das ist unwichtig.' schimpfte sie mit sich. Sie hatte andere Sorgen als Toshi. - Ihr Auftrag allein war es, was zählte und die Suche nach einem Ausweg aus ihrer mißlichen Lage war das einzige Problem, das es zu lösen galt. Und so zwang sie sich abermals Toshi zu ignorieren, als er fortfuhr zu reden... "Ja, meine Verlobte zu heiraten, davon träume ich schon seit vielen Jahren. Zu schade, daß das für immer ein Traum bleiben muß." Wieder hatten die Worte des Detektivs einen Weg in ihre Gedanken gefunden. 'Heirat für immer ein Traum?' - Sprach Toshi in Rätseln, oder war sie im Moment einfach nur unfähig seinen Gedanken zu folgen? Der Sturz, die Schmerzen, die Wut über ihre eigene Unaufmerksamkeit, der grundlose Streit mit ihrem Liebsten Tage zuvor, die Angst um die Zukunft ihrer Liebe. Tausend Gedanken auf einmal stürzten auf sie ein und sie konnte keinen Sinn darin sehen. Ihr schwirrte der Kopf und sie schloß die Augen. 'Ruhig Hitomi, denk an Namis Worte!' sagte sie zu sich.- Die Katzen haben keine Zeit für Gefühle. Flucht - ja nur daran durfte sie jetzt denken. Ihr eiserner Wille - etwas worauf sie sich verlassen konnte - das war ihre einzige Hoffnung. Sie wollte um jeden Preis versuchen aufzustehen. Das Erreichen des rettenden Schachtes über ihr war ihr einziges Ziel. Die Schmerzen in ihrem Bein durfte sie einfach nicht spüren... Sie konzentrierte sich. Alles um sie herum verschwand aus ihren Gedanken, doch vielleicht gerade deshalb trafen sie Toshis Worte unvorbereitet wie eine Kugel direkt ins Herz. "Sie müssen wissen, meine Freundin Hitomi ist Katzenauge und ich selbst habe sie gefangen." Hitomi riß ihre Augen auf. Ihr Kopf war plötzlich wie leergefegt. Es war als ob ein schwarzes Loch in ihrem Kopf alle Gedanken, alle Gefühle, einfach Alles hatte verschwinden lassen . Und nun - einem Urknall gleich - drohte die einzige Wahrheit ihren Kopf zu sprengen: VORBEI. ES IST VORBEI. Alle Hoffnungen, Träume einer Zukunft mit Toshi und ihrem Vater - alles verloren. Trauer. Tiefe Trauer empfand sie in diesem Moment. Trauer um ihre verlorene Liebe. Ein Geräusch ließ sie zu Toshi hinüber sehen. Er hatte seine Handschellen vom Hosenbund genommen und ließ sie durch seine Finger gleiten. Das Klappern des blanken Metalles wurde in unheimlichen Echos von den Wänden der Grube zurückgeworfen. Hitomi rührte sich nicht, nun, da sie sah, wie der Detektiv aufstand und zu ihr herüber kam. Sie wollte nicht fliehen, sie sah einfach keinen Sinn mehr darin. Sie versuchte ihre Tränen zurückzuhalten, doch als Toshi schließlich vor ihr stand und sie in seine treuen Augen sah, brach alles aus ihr heraus. "Es tut mir leid." schluchzte sie und hielt ihm einer Aufforderung gleich ihre beiden Handgelenke hin. Sie scheute sich in sein Gesicht zu blicken. Hätte sie es getan so hätte sie darin das Spiegelbild ihrer eigenen Gefühle gesehen. Sie wandte ihren Kopf ab und ergab sich mit geschlossenen Augen in ihr vermeintliches Schicksal. Sie fühlte die Zärtlichkeit mit der Toshi ihre Hände nahm und wartete auf das Klacken der Handschellen. Doch an Stelle des kühlen Metalls auf ihren Handgelenken spürte sie einen sanften Kuß auf ihrer Stirn. Fragend sah sie Toshi an, der vor ihr auf die Knie gefallen war und sich nun behutsam neben sie setzte. "Du mußt dich nicht entschuldigen Hitomi." sagte er leise und legte liebevoll einen Arm um die Schultern seiner Freundin. Hitomi fror und es tat gut seine Wärme zu spüren. Könnte das doch nur immer so bleiben. "Was denkst du, wie lange haben wir noch ?" "Du meinst, wie lange es noch dauern wird, bis meine Männer kommen ? - Stunden. Minuten vielleicht." Hitomi seufzte traurig. Sie wollte nicht reden über das, was unvermeidlich war. Ganz eng kuschelte sie sich an ihren Freund und legte den Kopf an seine Schulter. Er bemerkte wie sie vor Angst zitterte und spürte ihre Tränen als seine Hände ihre Wangen berührten. Verliebt ließ er ihr langes schwarzes Haar durch seine Finger gleiten. "Tut dein Bein sehr weh ?" "Ich kann nicht laufen, wahrscheinlich ist es gebrochen." flüsterte sie leise und blickte ihn mit Tränen in ihren großen braunen Augen an. Toshi griff in sein Jackett und zog ein frisches Taschentuch heraus. Vorsichtig trocknete er ihre Tränen ab. "Sei froh, daß du keine echte Katze bist." sagte er lächelnd zu der hübschen Diebin. "Weshalb das ?" "Na ja, Tiere werden bei sowas eingeschläfert !" "Du bist ein solcher Idiot." Hitomi begann zu lächeln und Toshi war sichtlich froh darüber. "Na also, jetzt lächelst du schon wieder. Übrigens,- herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Hitomi." Und zärtlich küßte er ein zweites Mal ihre Stirn. "Danke Toshi." flüsterte sie und schmiegte sich noch fester an ihren Verlobten. Es verging eine ganze Weile und keiner von beiden sagte ein Wort. Sie genossen die letzten Augenblicke die ihnen noch blieben. Die letzen Minuten, bevor Toshis Kollegen kämen und sie für immer getrennt wären. Wenn es schon so enden mußte, dann hier und jetzt in den Armen ihres Geliebten. Besser so als irgendwo in einer dunklen Gasse in mitten von Polizeisirenen. Doch plötzlich horchte Toshi auf. "Hör mal, da kommt wer." flüsterte er und auch Hitomi lauschte gespannt. Sie hörte Polizeisirenen in der Ferne, die schnell näher kamen und etwas später hallten auch schon die ersten Schritte durch den Gang. Hitomi war traurig aber gelassen. "So, das war es dann wohl. Es war eine schöne Zeit mit dir, Toshi." Toshi nickte. "Ja, es war auch schön mit dir." flüsterte er leise und sprang auf. Sein Blick wanderte die Wand hinauf. Hitomi erwartete, daß er nun laut rufen würde, damit man sie schnell fände. Sie war sicher das es das Ende war. Unverhofft faßte der Polizist seine Freundin unter den Armen und zog sie auf die Beine. "Was machst du da ? Was soll das ?" Toshi sagte kein Wort. Mit einem festen Griff packte er seine Verlobte bei den Hüften und stemmte sie in die Luft. "Los, rein da !" rief er und Hitomi begriff, was er im Sinn hatte. Mit der Hilfe ihres Freundes, war es für sie leicht in den rettenden Schacht zu kriechen. Ihr Bein schmerzte gehörig, doch das konnte sie aushalten. Sofort nachdem sie sich in der Öffnung Halt verschafft hatte, reichte sie in die Grube hinunter. "Los komm, Toshi, ich zieh dich hoch!" Der Detektiv winkte ab. "Nein, laß nur. Das hier muß ich alleine durchstehen." sagte er und begann sich mit seinen eigenen Handschellen zu fesseln. Ein leises Zischen ließ ihn jedoch kurz aufschauen. Er wollte noch zurückweichen, doch es war zu spät. Von oben herab setzte ihn eine geballte Ladung Schlafgas Schachmatt. Er taumelte noch einen Moment und fiel dann rückwärts gegen die Wand. Hitomi faßte seine Arme und begann ihn hinauf zu ziehen. "Mensch Toshi, du hast zugenommen... Ich muß dich wohl auf Diät setzen." meckerte sie leise vor sich hin. Immer wieder drohte sie selbst den Halt zu verlieren, doch sie ließ nicht locker. Die Polizeisirenen waren schon lange verstummt und im Gang über der Grube ging bereits das Licht an. "Nein, so einfach gebe ich dich nicht auf." murmelte die Diebin immer wieder und je näher sie die Polizisten wähnte, desto entschlossener wurde sie... Es verging keine Minute mehr bis sie die nahen Stimmen von mehreren Polizisten hörte und Lichtkegel von Taschenlampen den Boden der Grube erhellten. Ihr stockte der Atem. Schutz suchend presste sie sich an Toshis Körper, der neben ihr in diesem kalten Betonschacht lag. Sie zwang sich ganz still dazuliegen. 'Was, wenn sie den Gang entdecken ?' dachte sie und wagte es nicht hinzusehen. Ängstlich schloß sie die Augen und öffnete sie erst wieder, als sie nach einer ganzen Zeit des Wartens wieder dieses laute, zischende Geräusch hörte.- Es war inzwischen stockfinster in der Grube geworden. - Sie streckte vorsichtig den Kopf aus dem Schacht und als sie nach oben blickte hätte sie am liebsten laut aufgeschrien vor Glück: Die Polizei hatte die Falltüre wieder geschlossen und einstweilen waren sie in Sicherheit.... Sofort blickte die hübsche Diebin zu ihrem Freund.- Er war immer noch bewußtlos und so beschloß sie auf eigene Faust und ohne seine Hilfe durch den Schacht nach draußen zu kriechen um ihre Schwestern zu benachrichtigen. Weit kam sie nicht. Nach kaum zwei Metern brach sie ohnmächtig vor Schmerzen zusammen. 6. Zukunftsängste Als Toshi wieder aufwachte dröhnte ihm gehörig der Kopf. "Oh Mann, wie ich den Kerl hasse der dieses blöde Schlafgas erfunden hat." meckerte er und versuchte sich in der Dunkelheit des engen Lüftungsschachtes zurecht zu finden. "Hitomi, wo bist du ?" rief er leise. Doch es kam keine Antwort. 'Sie wird wohl schon längst weg sein.' dachte er und begann tiefer in den Schacht zu kriechen. Doch nach wenigen Schritten ertasteten seine Hände plötzlich ein Hindernis. Seine Augen waren in dieser Dunkelheit nicht so verläßlich wie die von Hitomi und so mußte er sich auf seine anderen Sinne verlassen. Seine Finger begannen das Objekt zu betasten und als er die Wärme menschlicher Haut spürte, war ihm schnell klar, auf was er da gestoßen war. "Hitomi ! Hitomi ! Geht's dir gut ?" rief er leise und versuchte seine Verlobte aufzuwecken, aber so sehr er sich auch anstrengte, es gelang ihm nicht. Er fühlte ihren Puls und schlagartig wurde ihm klar, daß er schnell handeln mußte... Im Haus der Schwestern hielten Nami und Love inzwischen Kriegsrat. "Hitomi ist immer noch nicht zurück. Da ist bestimmt etwas passiert !" mutmaßte Love. "Sag sowas nicht ! Aber komisch ist es schon. Alle Streifenwagen sind inzwischen wieder ins Revier zurückgekehrt und ich habe genau gesehen, wie die Polizisten ausgestiegen sind, nur Toshi war nicht dabei." "Na ja, vielleicht feiert er ja mit unserer Schwester Geburtstag und Entlassung zugleich." spottete die Jüngste frech , doch Nami winkte ab. "Nein, selbst wenn, dann hätte sie uns bestimmt informiert. Aber wie auch immer, wir können ihr nicht helfen. Alles, was wir tun können ist warten." "Ja, ja. Aber dieses Warten macht mich nervös." Nami nickte zustimmend. Immer wieder blickte sie aus dem Fenster zum Polizeipräsidium hinüber. Auch sie sorgte sich, doch, im Gegensatz zum Küken der Familie wollte sie es nicht zeigen. Bedrückende Stille machte sich breit. Da plötzlich flog die Zimmertüre auf und Toshi stürzte herein. "Ihr müßt mir helfen. Schnell ruft einen Arzt." "Was ist denn mit dir los?" fragte Nami noch entgeistert, doch Toshi war schon wieder aus dem Zimmer verschwunden. Die beiden Schwestern folgten ihm den Flur hinunter zu Hitomis Zimmer, wo eine böse Überraschung auf sie wartete... Hitomi lag auf dem Bett und sie war kreidebleich. Nach einer kurzen Schrecksekunde lief Love sofort hinunter ins Lokal um den Hausarzt der Schwestern zu verständigen. "Wir sind in eine Fallgrube gefallen. Sie hat sich wahrscheinlich das Bein gebrochen und vielleicht hat sie auch noch innere Verletzungen." berichtete Toshi besorgt und rannte nervös im Zimmer umher. "Jetzt beruhige dich erst einmal, Toshi." sagte Nami. "Love telefoniert gerade nach einem Arzt. Es wird alles wieder gut." Toshi nickte. "Ja, du hast wohl recht Nami." murmelte er leise und sein Blick ging wieder hinüber zu Hitomi. Namis Worte hatten ihm ein wenig von seiner Sorge genommen. Dennoch spürte er, daß es nicht gut um seine Freundin stand. "Ich gehe zur Hintertüre und erwarte den Doktor." sagte er nach einer Weile. "Aber ihr solltet ihr das Trikot ausziehen. Es wissen schon zu viele Leute von eurem Geheimnis." Nami nickte zustimmend und als Toshi daraufhin leise das Zimmer verließ begann sie vorsichtig Hitomi das verräterische Trikot auszuziehen. Es wunderte sie sehr, wie gefaßt und besorgt Toshi war, jetzt wo er alles wissen mußte. In der Zwischenzeit lief der Detektiv die Garageneinfahrt hinter dem Haus auf und ab. Immer wieder suchte er in den Taschen seines Jacketts nach Zigaretten. Und genau so regelmäßig fiel ihm wieder ein, daß er Hitomi zu Liebe das Rauchen aufgegeben hatte. Toshi war total verwirrt. All seine Gedanken drehten sich um seine Freundin. Und hätte man ihn jetzt nach seinem Namen gefragt, dann hätte er wohl 'Hitomi' gesagt. Schreckliche Sorgen und Vorwürfe quälten ihn. Warum war er so versessen darauf gewesen die Diebe zu fangen ? Er wußte längst, wer die Katzen waren und er kannte auch die Gefahr, die von den Fallgruben ausging. Trotzdem hatte er Hitomi wie ein Verrückter durch die Gänge gejagt. Was wäre, wenn sie wegen ihm nie wieder gesund werden würde ? Könnte er sich das jemals verzeihen ? Fragen, Vorwürfe, Schuld, all das kreiste immer wieder durch seinen Kopf bis ihn nach einer Weile des sinnlosen Umherlaufens eine Stimme aus seinen Gedanken riß: "Nun mach mal halblang! Du läufst ja noch Furchen in die Auffahrt." Toshi fuhr herum. Es war Love und sie hatte ihm einen Kaffee gebracht. "Hier, trink das. Es wird dir gut tun." Toshi nahm dankend die Tasse entgegen. Er hätte nie gedacht, daß die jüngste der drei Schwestern so mitfühlend sein könnte. Bisher hatte er nur Spott und Häme von ihr geerntet. "Danke, Love. ... Wie geht es ihr ?" fragte er und starrte die Straße hinunter in die Dunkelheit. Love senkte den Kopf. "Nicht gut.- Sie war eben einmal kurz bei Bewußtsein, aber dann sie ist sofort wieder ohnmächtig geworden." Toshi ließ vor Schreck die Tasse fallen. Sie zerplatze und der Kaffee bildete eine kleine Pfütze auf dem Asphalt, die langsam begann zu zerlaufen um schließlich im Rinnstein zu verschwinden. Mit einem Mal wurde ihm schwindelig und er ließ sich mit letzter Kraft auf die kleine Steinmauer fallen, die die Auffahrt säumte. "Oh, mein Gott ! Was ist wenn sie stirbt ? Und ich bin schuld !" rief er immer wieder und schlug die Hände vors Gesicht. Love setzte sich neben Toshi auf die Mauer und versuchte ihn zu beruhigen. "Sie stirbt nicht." sagte sie zuversichtlich und es lag ein sanfter Klang in ihrer Stimme, den er bei ihr so noch nie gehört hatte. "Und außerdem trifft DICH keine Schuld. Hitomi wußte sehr gut, daß es gefährlich war. Und wenn einer Schuld hat dann wir, weil wir zugelassen haben, das sie es alleine durchzieht. Wir wußten, daß sie nicht voll bei der Sache war." Toshi merkte auf. "Wie meinst du das, Love? Sie ist nicht voll bei der Sache gewesen ?" Love setzte eines ihrer frechen Teenagergesichter auf und polterte los : "Sag' mal, wie blöd bist du eigentlich, Toshi ? Glaubst du etwa meine Schwester kann es so einfach wegstecken wenn sich ihr Verlobter von ihr trennt?" Doch Toshi antwortete nicht und starrte wieder in die Dunkelheit. Nach einer Weile zog er ein Taschentuch aus seinem Jackett. Verstohlen wischte er sich Tränen aus den Augen und schneuzte seine Nase. "Wo bleibt bloß dieser verdammte Arzt ?" fluchte er schließlich und steckte das zerknüllte Taschentuch wieder ein. Obwohl er sich mühte, den harten Mann zu spielen, hatte Love längst bemerkt das er wegen Hitomi Tränen vergossen hatte und sie verstand. Noch nie hatte sie solch tiefe Gefühle bei Toshi gesehen. "Es tut mir leid. Ich habe es nicht so gemeint. Ich wollte dich nicht so anfahren." entschuldigte sie sich leise. Toshi nickte. Die beiden saßen noch einige Minuten stumm auf der Mauer und warteten. Minuten, die ihnen wie Stunden vorkamen. Endlich traf der Arzt ein und Love begleitete ihn hinauf zu Hitomis Zimmer.- Toshi blieb allein zurück. Es verging wieder eine ganze Zeit, während der er ziellos in die Dunkelheit starrte. Er blickte auf die Uhr,- eine halbe Stunde war inzwischen vergangen, seit dem der Arzt eingetroffen war. Wie gerne hätte er gewußt, wie es seiner Freundin ging, aber er konnte sich einfach nicht dazu durchringen ins Haus zu gehen. Von Neuem kam ein Taxi die Straße hinunter gefahren. Es hielt an der Auffahrt und wartete. Wenige Augenblicke später trat der Arzt aus dem Haus der Schwestern.- Die Älteste der drei Schwestern begleitete den Doktor zu dem wartenden Taxi. Nami blickte dem abfahrenden Wagen noch einen Moment lang nach, bevor sie langsam die Auffahrt hinaufkam. Sie musterte den Detektiv gründlich bevor sie sich zu dem Häufchen Elend auf die Mauer setzte. "Sie ist außer Gefahr." sagte sie leise. "Sie hat eine schwere Gehirnerschütterung und einen Schock. Ihr rechtes Bein hat viele Prellungen und der Knöchel ist verstaucht, aber Gott sei Dank ist nichts gebrochen. Der Dokter hat ihr etwas zum Schlafen gegeben, aber er denkt, daß sie in drei bis vier Tagen wieder fit ist." Toshi blickte die Dame neben ihm aus den Augenwinkeln heraus an und nickte. Zwar sagte er kein Wort, doch Nami spürte genau, wie erleichtert er war. Lange starrten die Beiden wieder mit leerem Blick in die Dunkelheit. "Und der Stein ?" fragte der Detektiv schließlich fast beiläufig. "Wir haben ihn." "Wie viele Stücke fehlen denn noch ?" Nami zögerte. Sie überlegte wie viel Toshi wußte. Kannte er das ganze Geheimnis? Was konnte sie ihm sagen, ohne das sie die Lage noch verschlimmern würde? "Das war das letzte." antwortete sie schließlich. "Es hat ja auch lange genug gedauert" Toshi nickte zustimmend. "Ja, über drei Jahre bin ich jetzt schon hinter Katzenauge her." ergänzte er leise und in seinem Kopf war plötzlich wieder die Erinnerung an die erste Karte, die die Katzen abgeschickt hatten.- Diesen Tag würde er wohl nie vergessen. Die Katzenkarte steckte auf seiner Geburtstagstorte, die er für die Feier im Präsidium gekauft hatte. Wieder herrschte Schweigen. "Heintz." sagte Toshi nach einer Weile und blickte Nami aus abgeklärten Augen an. "Heintz ist euer Vater, oder ?" Die Älteste der drei Schwestern versuchte ihre Verwunderung nicht zu zeigen. Erstaunlich wie viel Toshi wußte. "Ja, du hast recht Toshi." gab sie zu. "Aber wir wissen nicht, ob er noch lebt oder wo er sich zur Zeit aufhält." "Und jetzt soll euch seine Sammlung helfen." "Wenn wir herausfinden können, wer die Werke unseres Vaters auf den Markt gebracht hat, dann erfahren wir vielleicht wo er ist." "Und wie geht es jetzt weiter ?" "Alle Hinweise zeigen nach Frankreich. Also werden wir dort anfangen zu suchen." "Wann ?" "Sobald Hitomi wieder auf dem Posten ist und wir eine Vertretung für das Café gefunden haben." "Ich verstehe... Dann wünsche ich euch viel Glück." "Danke Toshi." erwiderte Nami und überlegte kurz. Es war nur eine Idee.- Eine Eingebung, die sie aus der Tiefe ihrer Seele wie ein Blitz durchzuckte.- Es war ein Vorschlag, den Hitomi mit Sicherheit machen würde und den sie vor Sekunden noch als unmöglich abgetan hätte. - Aber vielleicht ging es ja doch... "Toshi, du kannst gerne mitkommen, wenn du möchtest." "Vielen Dank Nami, das ist zwar gut gemeint, aber ich glaube, es ist besser, wenn ich hier bleibe. Ich würde euch nur Unglück bringen." "Überleg' es dir noch mal, Toshi. Wir würden uns freuen, wenn du mit uns nach Frankreich kommen würdest. Du bist wirklich herzlich eingeladen." "Nein, Nami. Ich denke nicht, daß ich mitkommen werde. Trotzdem vielen Dank." Die Dame neben ihm nickte verständig. "Seit wann wußtest du es eigentlich, Toshi ?" "Schon länger.." Toshi lächelte selbstzufrieden. "Kleinigkeiten. Belanglosigkeiten zumeist. Aber als ich die Verbindung zwischen Heintz und den Katzen fand, begann Alles einen Sinn zu machen." "Ich verstehe. Na ja, früher oder später mußte es ja Einer merken. Aber wenn du es wußtest, warum hast du nie auch nur versucht uns zu verhaften." "Es hatte viele Gründe." Toshi stockte. Nein, den wahren Grund mußte sie nicht erfahren, fand er. Doch Nami war bereits im Bilde. "Es war wegen Hitomi, nicht ??" "Ja !" "Dann liebst du sie ?" "Liebe?" fragte Toshi und blickte Nami aus treuen Augen an. "Nein, Liebe beschreibt nicht im Geringsten die Gefühle, die ich für sie empfinde." "Und weil du meine Schwester vergötterst willst du es einfach so enden lassen. Ja, das klingt verdammt logisch für mich, Toshi." entgegnete Nami zynisch und Toshi ließ seinen Kopf noch etwas tiefer sinken. "Ach Nami," seufzte er, "Erwarte bitte nicht von mir logisch zu sein. Ich weiß ja noch nicht einmal was ich im nächsten Augenblick machen soll." "Heute Nacht bleibst du erst 'mal hier bei uns." Toshi zögerte einen Moment. "Ja, ich glaube, du hast recht." meinte er schließlich. "Ich kann ja in Loves Zimmer schlafen." "Nichts da !" erwiderte Nami sehr energisch. "Du verbringst die Nacht bei Hitomi. Sie wird sich freuen, wenn sie aufwacht und dich sieht." "Na gut, von mir aus. " meinte er und plötzlich erhellte ein Grinsen sein Gesicht. "Aber beschwer' dich nachher nicht, wenn du in einigen Monaten hier überall kleine Toshis herumlaufen hast." Nami mußte kichern. "Ach weißt du, ich glaube, da hat Hitomi auch noch ein paar Worte mitzureden." "Na ja, das war ja auch nur so ein Gedanke." "Ja ja, das sagen sie alle. Komm jetzt, Toshi, es wird langsam kalt, laß uns 'rein gehen." "Ja, du hast recht. " stimmte er zu und bot Nami seinen Arm an. Sie akzeptierte und die beiden gingen Arm in Arm wie alte Freunde zurück ins Haus. Der neue Morgen graute schon, als Toshi aufwachte. Er hatte die ganze Nacht am Bett seiner Verlobten gewacht. Er war immer wieder kurz eingenickt bis vor ein paar Stunden der Sandmann ganze Arbeit geleistet hatte. Noch etwas benommen blickte er sich um... Hitomi schlief und ihr Atem war ruhig und regelmäßig. Sein Blick ging zum Fenster. Er hörte das leise Zwitschern der ersten Vögel und die Turmuhr der nahen Kirche schlug halb acht. Vorsichtig faßte er das Handgelenk seiner Verlobten.- Ihre Haut war warm und trocken. Er spürte ihren Puls, kräftig und regelmäßig. Toshi seufzte zufrieden. Es schien seiner Freundin tatsächlich besser zu gehen.- Ihm fiel ein Stein vom Herzen. Langsam stand er von seinem Stuhl auf und reckte sich. Der Rücken und die Glieder schmerzten von der Nacht, die er auf dem unbequemen Holzstuhl verbracht hatte. Er blickte zu Boden. Dort, neben Hitomis Bett, lag ein Kopfkissen mit zwei Decken,- genau das Richtige um gemütlich auf dem Boden zu schlafen. 'Ach, wie bequem hätte ich diese Nacht verbringen können, aber nein, ich mußte ja unbedingt hier auf diesem harten Stuhl hocken bleiben' dachte Toshi bei sich und begann leise zu lachen. "Ich hoffe, du weißt das zu schätzen, Hitomi." sagte er sehr leise und kaum hörbar während er wieder seine Verlobte betrachtete. Sie sah einfach wundervoll aus, wie sie so da lag. Ruhig und friedlich schlafend, als ob nichts in der Welt ihr etwas anhaben konnte. "Sie sieht aus, wie eine Prinzessin, die darauf wartet, daß ihr Prinz kommt und sie wach küßt." sagte plötzlich eine sanfte Frauenstimme und Toshi blickte kurz über seine Schulter: Nami war hereingekommen. Sie trug ein Tablett in den Händen, das sie leise auf Hitomis großem Schreibtisch vor dem Fenster abstellte. "Ich habe mir gedacht, daß wir beide einen Kaffee vertragen könnten." sagte sie mit gewohnt sanfter Stimme und begann das Tablett abzuräumen. Toshis Blick war immer noch starr auf Hitomi gerichtet. Er konnte einfach nicht von ihrem Bett weichen. Zu sehr war er besorgt, daß seine Verlobte erwachen würde und er wäre nicht da. "Komm her, und setz dich. Davon das du dich zu Tode sorgst hat keiner was." sagte Nami und deutete auf den leeren Stuhl am Schreibtisch. Toshi zögerte, doch schließlich gehorchte er und nahm neben der hübschen Schwester am Tisch Platz. Stumm und in Gedanken versunken begann er in seinem Kaffee zu rühren. "Und, wirst du nachher ins Revier gehen ?" wollte Nami wissen, doch Toshi schwieg. Sein leerer Blick ging zwischen dem Bett seiner Verlobten und dem Fenster hin und her. Dann schaute er tief in seinen Kaffee und schüttelte den Kopf. "Dann hast du dich also entschieden : Du gehst nicht zurück ..." Toshi rieb nachdenklich über seine Bartstoppeln. "Vielleicht irgendwann, aber so lange Hitomi krank ist, will ich bei ihr bleiben." "Das ist ein guter Entschluß, Toshi." "Ja ? Du findest also, daß ich das Richtige tue, Nami ?" "Auf jeden Fall. Das ist das Beste, was du tun kannst." Toshi war zufrieden und zum ersten Mal seit Tagen war er ein wenig weniger verzweifelt. Es bedeutete ihm sehr viel, daß die Älteste der drei Schwestern ihn lobte. Sie war für ihn so etwas wie die Stimme der Vernunft.- Sie war die Außenstehende, die alles mit kühlem Verstand betrachten konnte und nicht befangen durch Gefühle, wie er und Hitomi. "Eines würde ich zu gerne wissen, Nami. - Warum hattet ihr euch Katzenauge genannt ? Hatte es etwas mit diesem Edelstein zu tun ?" Nami nickte. "Er ist ein Geschenk an uns." Toshi blickte unverständig. "Sieh- Vater wollte derjenigen von uns drei Schwestern, die zuerst heiraten würde, diesen Stein zum Geschenk machen. - Als Teil einer Mitgift sozusagen." "Ach, darum habt ihr Hitomi also nicht davon abgehalten den Stein alleine zu stehlen." "Richtig, es sollte eine ganz besondere Ehre für sie sein." antwortete Nami leise und es klang ein Ton des Bedauerns in ihrer Stimme. Toshi verstand Namis Stimmungslage und so versuchte er das Gespräch auf ein anderes Gleis zu lenken... "Das klingt als wäre euer Vater sehr fürsorglich gewesen." Nami nickte nachdenklich. "Das war er - ja das war er." murmelte sie und ohne das Toshi darum gebeten hatte begann die älteste der drei Kisugi- Schwestern zu erzählen. Voller Leidenschaft und Hingabe erzählte sie von ihrem Vater und seinen Kunstwerken.- Sie erzählte von der Familie, die sie eigentlich nie waren und davon, wie sie ihre Schwestern aufgezogen hat... Es verging Stunde um Stunde und Nami erzählte immer neue Geschichten und Toshi,- er hörte so gespannt zu wie er wohl nie zuvor einem Menschen zugehört hatte. Er war überwältigt von der Lebensgeschichte seiner Verlobten und ihrer Schwestern und einmal mehr bewunderte er ihren starken Willen. Auf diese Weise verbrachten sie beinahe den ganzen Tag in Hitomis Zimmer. Und als endlich die letzte Geschichte erzählt und die letzte Seite im Familienalbum umgeblättert war, dämmerte es draußen schon wieder. Was Toshi betraf, so war er nun um Einiges schlauer und irgendwie auch gestärkt für die Entscheidung, die er treffen mußte. Als die Nacht über die Stadt hereinbrach und Nami zu Bett ging, setzte Toshi sich wieder zu seiner Verlobten ans Bett. Er machte sich Sorgen. Sie war immer noch nicht bei Bewußtsein. Zwar hatte der Arzt immer wieder gesagt, daß es an den Medikamenten lag und das kein Grund zur Sorge bestand. - Dennoch. - Es war schon komisch das sonst so quirlige Katzenauge regungslos im Bett liegen zu sehen. Er wachte noch eine die ganze Zeit lang aber gegen Mitternacht dann fühlte er wie seine Augen langsam immer schwerer wurden und er beschloß sich schlafen zu legen. Toshi wälzte sich hin und her. Er konnte keinen Schlaf finden. Nicht, daß sein Schlafplatz auf dem Boden neben Hitomis Bett unbequem gewesen wäre, er konnte einfach nicht die nötige innere Ruhe finden. Immer wieder lauschte er ihrem Atem und wenn gerade kein Auto vorbei fuhr, glaubte er sogar ihren Herzschlag hören zu können. In dieser Nacht, zum ersten Mal seit dem Zwischenfall in der Grube, dachte er an seine Zukunft. Wie würde es weitergehen ? Sollte er zusammen mit den Schwestern nach Frankreich gehen oder in Tokio bleiben? Es gab wohl nur diese zwei Möglichkeiten, doch keine davon schien die Richtige zu sein. Er war noch immer zu keiner Entscheidung gekommen, als ihn dann doch gegen Morgen die Anstrengung der vergangenen Tage einholte und er in einen tiefen Schlaf fiel. 7. Abschied Die ersten Sonnenstrahlen fielen schon ins Zimmer als Hitomi die Augen öffnete. Sie war zunächst verwirrt und ein wenig orientierungslos. Nach einigen Augenblicken erinnerte sie sich dann aber an Alles: An die Grube.- An Toshi, der ihr zur Flucht verholfen hatte. Daran, wie sie ihn Schachmatt gesetzt hatte, um auch ihn zu retten. Und wie sie schließlich vor Schmerzen zusammengebrochen war. Sie lauschte.- Ein leises Schnarchen drang an ihr Ohr und weckte ihre Neugier. Sie rutschte hinüber zur Bettkante. - Ihr Bein schmerzte kaum mehr und sie konnte es wieder bewegen. Nur war ihr immer noch ein wenig schwindelig, wenn sie sich bewegte. Ihr Blick fiel auf den Boden und mit einem Mal mußte sie kichern.- Toshi lag zusammengekauert wie ein Baby neben ihrem Bett und schlief. Eine ganze Weile betrachtete sie ihn. Bartstoppeln zierten sein Gesicht und sein Haar war völlig zerwühlt. "Ach, Toshi,- es war also wahr: Du warst die ganze Zeit hier bei mir ..." murmelte sie bewundernd und ihr Blick schweifte aus dem Fenster. Sie fragte sich, wie lange sie eigentlich geschlafen hatte,- Tage? Stunden? Wochen ??? Während sie noch grübelte öffnete sich die Zimmertüre und ihre Schwester Nami steckte den Kopf herein. "Hitomi ? Du bist wach ? Geht's dir gut ?" "Ja, ich bin ganz okay. - Glaube ich. Aber sei bitte leise. Toshi schläft und ich will ihn nicht aufwecken." Nami nickte und trat wortlos an das Bett ihrer Schwester. "Wie lange habe ich eigentlich geschlafen ?" "Fast eineinhalb Tage. Wir haben uns schon Sorgen gemacht. Der Doktor sagt, daß du sicher wieder gesund werden wirst." Hitomi lächelte erleichtert aber im nächsten Moment war ihre Aufmerksamkeit auch schon wieder auf Toshi gerichtet. "Und was ist mit ihm ? Weiß er schon, was er machen will ?" Nami schüttelte den Kopf. "Nein, ich glaube, er hat noch keinen klaren Gedanken fassen können." Hitomi seufzte kummervoll. In dem Moment als Toshi selbstlos Katzenauge vor der Polizei beschützt hatte, hatte er seine eigene Zukunft zerstört. "Ich werde uns einen Kaffee holen. Das wird helfen die Wirkung all der Schlafmittel, die du bekommen hast, zu mindern." schlug Nami schließlich vor und auf Katzenpfoten verschwand sie leise aus dem Zimmer. Sie kehrte mit zwei Tassen auf einem silbernen Tablett zurück und als der Duft des Kaffees das Zimmer erfüllte freute sich Hitomi schon auf den Genuß. Liebevoll stellte Nami das mit einer Blume dekorierte Tablett auf die Bettdecke. "Was denkst du gerade, Hitomi ?" "Ich frage mich, ob ich das Richtige getan habe. Toshi hatte mich ja gebeten, ihn zurückzulassen, aber ich mußte ja meinen Kopf durchsetzen und ihn mitnehmen." "Darin übertriffst du manchmal sogar unsere kleine Schwester." stellte Nami amüsiertfest. "Aber egal ob es richtig war oder nicht,- du hättest dich niemals anders entschieden. Du hast aus Liebe gehandelt und Liebe fragt nun mal nicht nach Logik oder Verstand." "Ja, ich denke du hast recht." Hitomi fand, daß das was ihre Schwester gerade gesagt hatte, sehr weise klang. Überhaupt wunderte es sie, weshalb Nami so viel von Liebe und Beziehungen verstand, wo sie doch noch nie einen festen Freund gehabt hatte. Aber vielleicht war es halt die naturgewollte Aufgabe von älteren Schwestern, den Jüngeren in solchen Fragen zu helfen. Nachdenklich ging ihr Blick zum Polizeirevier hinüber. Sie konnte beobachten, wie die ersten Polizisten ihren Dienst antraten. Doch egal, was dort drüben auch vor sich ging, eines war sicher: Die Zierde des Reviers, Detektiv Toshi Utzumi, würde heute fehlen. Hitomi lachte still in sich hinein. 'Die Zierde des Reviers', ja , so hatte Love ihn immer genannt. Drei Jahre lang schon verfolgte er erfolglos Katzenauge.- Seit zwei Jahren waren sie mittlerweile schon verlobt. Detektiv und Diebin.- Halt so wie in einem schlechten Film. Doch nun, wo eigentlich ihrem Glück nichts mehr in Wege stand, war vielleicht alles vorbei. Ihr Verlobter konnte nicht zurück ins Revier gehen, ohne daß die Identität von Katzenauge aufflog, so viel war klar. Aber den Dienst quittieren um dann im Café zu arbeiten, das würde er nie tun. Hitomi zermarterte sich den Kopf. Es mußte einen Weg geben, Toshi aus seiner mißlichen Lage zu befreien... Sie überlegte hin und her. Und während sie so grübelte fiel ihr Blick auf einen alten Mann im Rollstuhl, der von einer Krankenschwester geschoben wurde. Mit einem Mal kam ihr eine Erleuchtung,- die rettende Idee.... - Gut, es war ein verwegener Plan, doch bei allem was die Katzen in den letzten Jahren geschafft hatten mußte es einfach klappen. Ein Grinsen erhellte Hitomis müdes Gesicht und ihre Augen funkelten als sie sich an ihre große Schwester wand. "Sag mal Nami, was hältst du davon, wenn wir unseren Detektiv einfach mitnehmen ?" "Das habe ich ihm schon angeboten, aber er hat abgelehnt.- Es tut mir wirklich leid." Nami senkte ihren Blick. Irgendwie fürchtete sie sich in das Gesicht ihrer Schwester zu sehen. Sich dem Ausdruck der Enttäuschung in Hitomis Augen zu stellen. "Du hast mich da falsch verstanden." kam die Antwort und Nami merkte auf. "Wie?" "Manche Leute muß man eben zu ihrem Glück zwingen." sagte Hitomi und ihr Gesicht war erfüllt mit einem Ausdruck enormer Hinterhältigkeit. "Du sprichst doch nicht etwa von einer Entführung?" "Oh nein, wie könnte die Verlobte eines Detektivs kriminelle Pläne aushecken. Das überlassen wir besser Katzenauge." Nami blickte ihre jüngere Schwester vorwurfsvoll an. "Wir hatten uns doch geeinigt, daß Katzenauge jetzt nie wieder in Aktion treten wird." "Ich weiß ja, aber können wir nicht..." "Hör auf..." unterbrach Nami. "Du hast mich ja schon überredet. Wir werden Toshi mitnehmen. Aber wir müssen schnell handeln. Ich werde sofort mit Herrn Nageischi reden." "Vielen Dank Nami." "Schon gut. Aber jetzt ruh dich aus. Love und ich, wir schaffen das schon und wenn Herr Nageischi uns hilft, dann kann nichts schiefgehen. Du mußt nur dafür sorgen, daß Toshi nichts erfährt." "Laß das nur meine Sorge sein." entgegnete Hitomi und ein wenig übermütig begann sie ihr Nachthemd etwas aufreizender herzurichten. "Wenn ich mit ihm fertig bin, dann frißt er mir aus den Hand." "Übertreibe es nicht ! Ihr seid noch nicht verheiratet !" Hitomis lachendes Gesicht wurde mit einem Mal wieder etwas trauriger. "Ja, leider." seufzte sie. "Kopf hoch, vielleicht fällt uns ja etwas ein,- immerhin ist ja auch bald Weihnachten." scherzte Nami und verließ daraufhin leise das Zimmer. Sofort wanderten Hitomis Augen wieder zu Toshi auf den Boden. Sie fand, er sah richtig süß aus, wie er so da lag. Vorsichtig rutschte sie noch näher an die Bettkante und beugte sich zu ihm hinunter. "Toshi, aufstehen." flüsterte sie in sein Ohr, doch der Detektiv wollte einfach nicht aufwachen. "Dann muß ich es wohl anders versuchen.." "Utzumi ! Alaaaarm ! Die Katzen !!" rief sie plötzlich laut und Toshi sprang förmlich auf. Er war zunächst böse als er merke, das er veralbert worden war. Aber seine Verlobte so munter zu sehen änderte das sofort. "Hitomi, wie geht es dir ?" "Mir geht es gut, Toshi. Und ich danke dir, daß du mir geholfen hast." "Keine Ursache. Hauptsache es geht dir gut." Hitomi seufzte verzweifelt. "Ach Toshi, du hilfst mir, bist die ganze Zeit über bei mir und als Dank verlierst du deinen Job." Toshi schüttelte den Kopf und reckte sich. Langsamen Schrittes ging er zum Fenster und blickte hinüber zu seinem Polizeirevier. "In dem Moment als ich dich habe laufen lassen, da war mir klar, daß ich meinen Dienst quittieren muß." "Aber das ist nicht fair." schimpfte Hitomi. "Ich wünschte, ich könnte dir helfen." Toshi drehte sich langsam vom Fenster weg. "Du solltest jetzt nicht an mich denken." sagte er liebevoll und setzte sich zu seiner Freundin auf das Bett. "Du mußt jetzt an Europa und deinen Vater denken. Bald werdet ihr ihn endlich wiedersehen." Der Detektiv bemühte sich, Hitomis Selbstvorwürfe zu zerstreuen - ein tapferes Gesicht zu machen.- Der Klang seiner Stimme jedoch verriet ihn. "Du dummer Toshi. Was willst du hier in Tokio machen, ohne Job und ohne Freunde.- Sei ehrlich, du willst doch gar nicht hierbleiben." Toshi blickte überrascht. War es so offensichtlich ? "Warum kommst du dann nicht mit uns ?" "Nein, Hitomi. Das geht nicht." warf Toshi ein. "Ich habe euch schon zu viel Unglück gebracht und durch mich könnte jemand hinter euer Geheimnis kommen. Ich bin eine Gefahr für euch." Hitomi begann leise zu weinen. "Ich verstehe. " sagte sie leise und dicke Tränen rollten ihre Wangen hinab. Toshi drückte seine Freundin ganz fest an sich. Hitomi kuschelte sich an ihn. Sie wußte, daß ihr nicht mehr viel Zeit blieb ihr neues Leben zu ordnen. Im Moment aber war sie einfach nur glücklich in den Armen ihres Liebsten. Und sie würde ihn ganz fest halten und hoffen, daß alles gut würde. Eine Etage tiefer, im Café, bediente Nami indes einen ganz besonderen Gast.... "Guten Morgen mein Herr und Willkommen im Café" hatte sie den Mann begrüßt, kaum daß er hereingekommen war. Und nun, während er noch den Raum durchschritt und an die Bar trat, musterte sie ihn bereits mit fachmännischem Blick: Stattliche Erscheinung, schwarzes, leicht angegrautes Haar, schlichter grauer Anzug,- Ende 40 schätzte sie. "Guten Tag, Fräulein Nami." sagte der Gast und verbeugte sich höflich zur Begrüßung. "Ich bin der Dezernatsleiter des Iunari Raubdezernats. Ich vermute, sie erinnern sich an mich?" Natürlich kannte Nami diesen Mann. Sehr gut sogar, dennoch gab sie vor, zuerst noch einen Moment nachdenken zu müssen. "Aber ja, sie sind doch der Vorgesetzte von Detektiv Utzumi. - Sagen sie mir, mein Herr, wie kann ich ihnen helfen ?" "Wir haben eine Nachricht von Katzenauge erhalten" Nami runzelte die Stirn. "Und damit kommen sie zu uns?" fragte sie mit verwundert klingender Stimme und interessiert beobachtete sie, wie ihr Gegenüber eine weiss-rote Visitenkarte hervorzog. "In dieser Nachricht geht es um Detektiv Utzumi und daher hätte ich gerne Fräulein Hitomi gesprochen, wenn das möglich ist." "Ich verstehe. Hitomi ist oben, auf ihrem Zimmer. Aber ich werde sie sofort rufen. Bitte setzten sie sich doch. Es dauert nur einen Moment." antwortete Nami freundlich und ging auch gleich zur Sprechanlage, die über dem entfernten Ende der Theke an der Wand hing. "Hitomi, Toshis Chef ist hier und er würde gerne mit dir reden." Es dauerte nur wenige Sekunden bis Hitomis Antwort aus dem Gerät dröhnte,- so laut, daß es jeder im Lokal hören konnte: "Ich komme sofort." Und tatsächlich - Minuten später trat Hitomi leibhaftig ins Café... Der Gast an der Bar erkannte die Freundin seines Mitarbeiters sofort wieder. "Ahh, Fräulein Hitomi. Es freut mich sehr, sie zu sehen." "Guten Tag. Ich habe gehört, sie wollen mich sprechen ? Womit kann ich ihnen helfen ?" Der Gast setzte ein wichtiges Gesicht auf. "Es geht um ihren Verlobten. Sagen sie, haben sie Detektiv Utzumi in den letzten zwei Tagen gesehen oder mit ihm gesprochen." Hitomi zögerte einen Augenblick. "Nein, - seit seinem letzten Einsatz gegen Katzenauge habe ich nichts mehr von ihm gehört. - Ich dachte er müßte Überstunden machen und hätte Nachtdienst." antwortete sie und fügte dann mit Angst in der Stimme hinzu. "Es ist ihm doch nichts passiert oder ? Bitte sagen sie mir die Wahrheit !" "Ich fürchte, ich habe keine guten Nachrichten." berichtete der Chef und gab Hitomi die Katzenkarte in die Hand. "Diese Karte hier hat uns Katzenauge zukommen lassen. Sie haben Detektiv Utzumi entführt.- Aber bitte, lesen sie selbst." Hitomi musterte die Karte genau bevor sie schließlich leise und bedächtig die Aufschrift vorlas: "Detektiv Utzumi ist in unserer Gewalt. Wir möchten versichern, daß sein Leben nicht in Gefahr ist, aber ein Zwischenfall bei der letzten Aktion macht es unumgänglich, daß er uns einige Tage Gesellschaft leistet. Bitte teilen sie seiner Verlobten Fräulein Hitomi Kisugi mit, daß kein Grund zur Sorge besteht. Katzenauge." Hitomis Gesicht war wie versteinert und sie ließ vor Schreck die Karte auf den Tresen fallen. "Oh, mein Gott ! Diese Verbrecher ! Toshi !" rief sie und brach in Tränen aus. Tröstend legte Nami den Arm um sie. Der Dezernatsleiter war sichtlich ergriffen und fühlte mit der jungen Frau. "Ich versichere ihnen, daß wir unser Bestes geben werden, um ihren Verlobten zu finden." versprach er und verließ nach einer kurzen Verabschiedung eiligst das Lokal. Interessiert beobachteten die zwei Schwestern wie er mit großen Schritten die Straße zum Polizeipräsidium überquerte. Ein großer Mann in einem weißen Anzug, der gerade das Lokal betreten hatte, blickte ihm ebenfalls neugierig hinterher. "Ich glaube, die Nachricht ist angekommen." sagte er leise und ging langsam und erhabenen Schrittes auf die beiden Schwestern an der Bar zu. "Guten Morgen, Herr Nageischi." begrüßte Nami den neuen Gast und der vornehme Herr verbeugte sich. "Guten Morgen meine Damen. " antwortete er mit einer Stimme, die der eines Königs würdig gewesen wäre. "Darf ich fragen, wie es Fräulein Hitomi heute geht ?" Hitomi kicherte. "Mir geht es sehr gut, das sehen sie doch !" erwiderte sie etwas vorlaut und plötzlich erhellte ein Lachen die strengen Gesichtszüge des geheimnisvollen Gastes. "AHH, das Fräulein Love. Frech, wie immer, wenn ich das sagen darf." "Schade,- sie haben mich erkannt. Aber sie lassen sich eben nicht so leicht täuschen, Herr Nageischi." antwortete Hitomis Doppel und der merkwürdig entrückte Ausdruck auf ihrem Gesicht verschwand als Teil der Maske, die Love nun auszog. Das Nesthäkchen begann zu Kichern. "Ja, nur wo Love drauf steht ist auch Love drin." meinte sie selbstverliebt und sogar der Gast mit dem gestrengen Gesichtsausdruck ließ sich neuerlich zu einem flüchtigen Lächeln bewegen. Schnell kehrte der ernste Ausdruck auf seinem Gesicht wieder. "Ich habe schlechte Nachrichten, meine Damen.." begann Nageischi. "Leider müssen sie bereits heute Nacht abreisen. Anderenfalls kann ich für ihre Sicherheit nicht mehr garantieren. Ich habe aus sicherer Quelle erfahren, daß der Chef des Iunari Reviers wegen des Verschwindens von Detektiv Utzumi sehr aufgebracht ist. Er hat sogar umgehend veranlaßt, daß Unterinspektor Asaja ihre Reise abbricht und mit einer Sondermaschine zurückkommt. Sie wird bereits morgen vormittag hier erwartet und wenn sie die Ermittlungen übernimmt, dann sind sie und der Detektiv hier nicht mehr sicher." Nami nickte zustimmend. "Ja, sie haben recht, Herr Nageischi." sagte sie und zog die Stirn in Falten. "Unterinspektor Asaja hat uns schon immer mißtraut, und wenn sie zurückkommt, dann wird sie alle Hebel in Bewegung setzten um Toshi zu finden. Und früher oder später wird sie dann auch unser Haus durchsuchen lassen." "Wie ich sehe, teilen sie meine Sorge, Fräulein Nami. Ich werde also die Vertretung für das Café heute nachmittag gegen Vier Uhr zum Hintereingang bringen. Es bliebt ihnen dann noch genug Zeit die Damen einzuweisen bevor gegen Acht Uhr das Fahrzeug eintrifft. Bei ihrem Eintreffen in Paris wird man sie dann am Flughafen wie besprochen erwarten." Die beiden Schwestern nickten zustimmend. Nach einer kurzen Verabschiedung verließ der stattliche Herr das Lokal. Eine bedrückende Stille machte sich breit und Love war die erste, die ihre Gefühle in Worte zu fassen wagte. "So, dann geht es also los. - Nami, ich werde Tokio vermissen." "Ja, ich werde das hier auch vermissen. Aber irgendwann werden wir zurückkommen. Wer weiß - vielleicht sogar zusammen mit unserem Vater." "Vater.", seufzte Love traurig, "Ich frage mich, ob wir ihn finden werden." Nami nickte und überlegte kurz. Die traurige Stimmung ihrer kleinen Schwester gefiel ihr gar nicht. Und in solchen Fällen gab es nur eines, was Love aufrichten konnte. "Love, meinst du, du hast noch Zeit zum Einkaufen." "Aber klar doch, dafür habe ich immer Zeit." antwortete sie und ihre Augen leuchteten als sie den Zettel las, den Nami ihr reichte. "Das ist eine Liste der Dinge, die ich für die Reise holen wollte. Schau doch einmal bitte was du davon noch bekommst." "Sicher, aber wie soll ich das alles transportieren? Das ist viel Zeugs und ich bin doch kein Lastesel." "Und wenn du Toshi bittest dich zu begleiten ? " "Klasse Idee Nami !" jubelte Love. "Mein eigener Chauffeur und Diener.- So macht Einkaufen noch mehr Spaß." Als der junge Wildfang Sekunden später in Hitomis Zimmer stürzte, da blätterten die beiden Verlobten in alten Fotoalben aus ihrer gemeinsamen Schulzeit. Neugierig, wie sie war, setzte Love sich hinzu und hörte den Geschichten zu, die Toshi und Hitomi zu erzählen wußten. Immer besser begann sie zu verstehen, was ihre Schwester und diesen Detektiv verband : Es war ihre gemeinsame Vergangenheit. Die Erinnerung an Orte, die sie gemeinsam besucht hatten,- Freunde, die sie kannten. In jeder Erinnerung die ihre Schwester hatte, war irgendwo auch Toshi. Er war ein Teil von ihr.- Und sie ein Teil von ihm. So sehr sie sich vielleicht auch wünschten diese Jahre hinter sich lassen zu können,- sie würden es nicht schaffen, es waren die Glücklichsten in ihren Leben. Und egal was passieren würde,- solange die Beiden lebten, würde Keiner den Anderen gehen lassen. Love blickte auf ihre Armbanduhr. Es war schon kurz nach Drei. In weniger als fünf Stunden würden sie Tokio verlassen,- den Ort an dem Alles begonnen hatte. Sie würden alles zurücklassen und das Schlimme war, keiner würde es bemerken,- nein, mehr noch, keiner durfte es bemerken. Und Alles was blieb war die Erinnerung. "Mein Gott, ich muß ja noch einkaufen gehen." stellte Love plötzlich mit panischem Unterton in der Stimme fest, ganz so als ob ihr das gerade erst siedend heiß eingefallen wäre. Hilfe suchend wandte sie sich an Toshi: "Du, Toshi, würdest du wohl mitkommen und mir beim Tragen helfen ?" "Ja, natürlich. Mir wird es gut tun, wenn ich an die frische Luft komme und Hitomi kann sich dann etwas ausruhen." "Ja, du hast wohl recht, Toshi. Ich fühle mich wirklich noch ein wenig müde." gestand Hitomi. "Ich werde mich noch ein wenig ausruhen, und dann Nami im Café helfen." Love war zufrieden und unternehmungslustig als sie mit Toshi in den Kleinwagen stieg, der im Hinterhof parkte. Hitomi hingegen blieb erst noch eine Weile auf dem Zimmer, bevor sie gemächlich hinunter ins Lokal ging. Es war kein Gast im Café und ein Schild mit der Aufschrift 'GESCHLOSSEN' hing an der Türe. Sie blieb im Türrahmen stehen und sah sich kurz um bevor sie letztlich zu ihrer Schwester hinter die Ladentheke trat. Nami bereitete bereits das Abendessen vor und sofort begann Hitomi ihr dabei zu helfen. "Bist du denn schon wieder in Ordnung ? " "Ja, mein Bein tut kaum noch weh." "Oh, das ist sehr gut. Wir müssen nämlich einmal ungestört miteinander reden." "Ja, und worum geht es ?" "Wir müssen schon heute Abend abreisen." Hitomi ließ traurig den Kopf sinken. "Dann heißt es jetzt wohl Abschied nehmen.." seufzte sie leise. "Ja, aber irgendwann werden wir sicher hierher zurückkehren." sagte Nami tröstend, doch auch ihr war klar, daß dies wohl für einige Zeit das letzte Mal sein würde, daß sie dort hinter diesem Tresen stand. Ein Geräusch riß die beiden Schwestern plötzlich aus ihrer Melancholie. "Ah, das wird Herr Nageischi sein. Pünktlich auf die Minute." sagte Nami nach einem kurzen Blick zur Uhr und eilte zum Hintereingang. Es vergingen mehrere Minuten ohne das Nami zurückkehrte und Hitomi machte sich ein wenig Sorgen. Vorhin hatte sie noch Namis Stimme gehört, doch mittlerweile war alles still. Vielleicht war etwas passiert? - Sie wollte gerade nachsehen gehen, als Nami zurückkehrte. "Da bist du ja wieder. Das hat aber lange gedauert. Was war denn da hinten los ?" "Nichts Besonderes. Da war nur so ein Vertreter. Ich habe ihn wieder weggeschickt." Hitomi nickte zufrieden und wandte sich wieder ganz ihrer Arbeit zu. Wenige Augenblicke später kam auch Love zurück ins Café. "Hallo, da bin ich wieder !" rief sie fröhlich und Hitomi schreckte regelrecht auf. "Ach du bist es, Love." entfuhr es ihr. "Du hast mich vielleicht erschreckt!" "Wieso ? Hast du wieder von deinem Toshi geträumt ?" entgegnete Love frech und diesem alten Spiel folgend reagierte Hitomi dann auch gewohnt ärgerlich: "Halt' mal lieber dein Plappermaul !" schimpfte sie. "Und übrigens wo ist denn Toshi ? Läßt du ihn die Einkäufe ganz alleine tragen?" Love schwieg. Ihre Augen funkelten hinterhältig als sie sich an die Bar setzte und ihrer älteren Schwester geradewegs ins Gesicht starrte. - Hitomi fühlte sich von den Blicken paralysiert. Sie wollte etwas sagen, doch noch bevor sie die Worte parat hatte, hörte sie ihre eigene Stimme durch das Lokal schallen. "Woher soll das Mädchen überhaupt wissen, was Love einkaufen sollte?". Hitomi brachte kein Wort heraus. Und als sie schließlich sich selbst aus dem Dunkel des Korridors treten sah, war sie endgültig verwirrt. Diese Person dort sah ihr zum Verwechseln ähnlich. Hilfesuchend blickte sie zu ihren beiden Schwestern. Doch die zeigten keine Spur von Verwunderung. Im Gegenteil, es schien, als würden sie sich köstlich auf ihre Kosten amüsieren. Hitomi ging ein Licht auf. "Moment mal, ihr seid gar nicht meine Schwestern !" rief sie. "Wer zum Teufel seid ihr ?" fragte sie, doch die Doppelgänger lachten nur. Hitomis Ratlosigkeit begann in Angst umzuschlagen. Tausend Fragen schossen mit einem Mal durch ihren Kopf. Wer hatte diese Doppelgänger geschickt ? Was wollten sie ? Waren sie Freunde oder Feinde ? Fragen über Fragen. Keine Sekunde ließ sie dei Fremden aus den Augen. Sie begann zu überlegen, was wäre, wenn sie jetzt angreifen würden. Wie könnte sie sich verteidigen? Etwas berührte ihre Schulter und mit einem Ruck fuhr sie herum. Sie hatte schon ihre Hände gehoben und war bereit abzuwehren oder auszuteilen, je nachdem was nötig wäre, dann erkannte sie Nami und Herrn Nageishi. Die Anspannung wich aus ihrem Körper. Jetzt war die Lösung des Rätsels klar. - Sie steckten dahinter. "Es tut mir leid, daß wir sie derart in die Irre geführt haben, Fräulein Hitomi." entschuldigte sich der feine Herr. "Aber ihre Schwester dachte, daß es ein guter Test für die Glaubwürdigkeit der Damen wäre, wenn sie ihnen unvorbereitet gegenüber treten würden." Hitomis Zorn und Mißtrauen legte sich augenblicklich und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. "Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Herr Nageischi. Ich muß sagen, daß die Damen ihre Aufgabe sehr gut gemacht haben.- Ich bin wirklich beeindruckt." Und das war sie wirklich. Ihr Alter Ego war ein nahezu perfektes Ebenbild von ihr. Ihrer beider Stimmen waren fast identisch und das Aussehen war so ähnlich, daß Hitomi immer noch zögerte zu Entscheiden, ob Dies vielleicht sogar sie Selbst war. Aber auch die Älteste der drei Schwestern, die in solchen Sachen eine Perfektionistin war, war sichtlich zufrieden: "Ja, Herr Nageischi, ich muß meiner Schwester beipflichten. Das war sehr gute Arbeit." "Vielen Dank, Fräulein Nami. Es freut mich, das alles zu ihrer Zufriedenheit ist." erwiderte Herr Nageischi und mit einer Handbewegung deutete er den Doppelgängern der Schwestern wieder im dunklen Korridor des Hauses zu verschwinden. "Da sie uns ja bereits eingewiesen haben, werden wir uns jetzt verabschieden. Die Damen werden, wie besprochen, morgen früh ihre Vertretung aufnehmen. Auf Wiedersehen, meine Damen." Nami geleitete die Besucher noch zur Hintertüre des Cafés, wo sie unbeobachtet in der einbrechenden Dunkelheit verschwinden konnten. Als sie zurück ins Lokal kam war Hitomi bereits wieder in ihre Arbeit vertieft... "Tut mir leid, Hitomi." "Ach macht nichts. - Aber weißt du eigentlich, wer sie sind?" Nami schüttelte den Kopf,- "Herr Nageischi meinte, es wäre besser, wenn beide Seiten nicht all zu viel von einander wissen." "Ja, da hat er wohl recht." antwortete Hitomi. Doch überzeugt klang das nicht. "Irgendwie mache ich mir Sorgen um unser Café." Auch Nami teilte diese Sorge, dennoch antwortete sie nicht und blickte nur stumm und traurig umher. Früher hatte Love Einkaufstouren als Strafe empfunden, aber dieses Mal lag die Sache anders. An Läden, an denen sie sonst unbeachtet vorbei gehastet war, blieb sie stehen und betrachtete die Auslagen.- Souvenirs, die sie sonst immer als Kitsch abgetan hatte, weckten genau so ihre Aufmerksamkeit wie Schmuckläden und Boutiquen. Für lange Zeit war dies der letzte Gang durch ihre Heimatstadt. Es war ein Streifzug durch Erinnerungen, ein Abschied von der Vergangenheit. Für Toshi jedoch, war es eine Tortur. Seine Füße brannten wie Feuer und sein Rücken schmerzte gewaltig. Aber nun, da das rettende Haus der Schwestern nur noch wenige Meter entfernt war, war er sicher, daß er es überleben würde. Mit letzter Kraft wuchtete er die schweren Einkaufstüten und Geschenkkartons aus dem Kofferraum und wankte den letzten Teil der Auffahrt hinter dem Café hinauf, während Love mit nur einer kleinen Tüte in der Hand munter wie ein Rehkitz um ihn herum tänzelte und ihn immer wieder antrieb. "Nun mach schon, Toshi. Du bist einfach nicht in Form." "Frechheit." murmelte der Detektiv als er müde an ihr vorbei schlich während sie ihm die Hintertür des Cafés offen hielt. Sie grinste. "Setz' die Sachen einfach in die Kammer. Ich bin im Lokal, wenn du mich brauchst." meinte sie und noch bevor Toshi etwas sagen konnte war sie auch schon fröhlich pfeifend verschwunden. Der Detektiv schnaufte. Teils vor Erschöpfung teils vor Wut.- Schon vor Stunden hatte er die Hoffnung aufgegeben, daß Love ihm beim Tragen der Einkäufe helfen würde. "Was soll's. Ich habe es ja bis hierhin geschafft, dann werde ich das restliche Stück auch noch schaffen." murmelte er leise vor sich hin und schleppte die schweren Lasten wie befohlen in den Lagerraum. Als Toshi müde ins Lokal stolperte erwartete ihn der Lohn für seine Mühen in Form eines üppig gedeckten Tisches. Love legte noch die letzten Gedecke auf und Nami servierte bereits das Abendessen. Ausgelaugt ließ Toshi sich auf den freien Stuhl neben seiner Verlobten fallen. Er war kaputt von den letzten Nächten ohne Schlaf und wäre sicherlich auch sofort eingeschlafen, hätte ihn der Duft der Mahlzeit nicht wach gehalten. Aus schläfrigen Augen betrachtete er den gedeckten Tisch. Das Essen sah wirklich köstlich aus, und weil keiner so gut kochen konnte wie Nami und Hitomi, war er sicher, daß es auch köstlich schmecken würde. Während des Essens wurde kaum gesprochen. Die Schwestern waren bedrückt, weil dies das letzte Abendessen in ihrem Heimatland war. Und Toshi,- nun ja, entweder hatte er gerade den Mund voll oder er kämpfte tapfer gegen seine Müdigkeit an. Nach dem Essen servierte Nami einen Kaffee - den letzten Kaffee in Japan. 'Der wird mich wieder ein wenig aufwecken.' dachte Toshi bei sich und führte die Tasse zum Mund. Er nahm einen kräftigen Schluck und stutze. "Weißt du, Nami, das Essen war wirklich köstlich." lobte er und verzog das Gesicht. "Aber der Kaffee schmeckt irgendwie komisch." Love kicherte und begann zu zählen "10 , 9 , 8 ,7 ..." "Was machst du da ?" fragte Toshi verwundert. "Ich zähle." antwortete Love. "6 , 5 , 4 ..." "Und wozu soll das gut sein ?" " 3 , 2 , 1.. " Love hielt einen Augenblick inne und blickte dem Detektiv lachend ins Gesicht. "Gute Nacht Toshi !" meinte sie und wie auf Kommando schlossen sich dann auch die Augen des Detektivs und sein Kopf sank auf den Tisch. "Armer Toshi." "Du weißt ganz genau, das es nicht anders geht, Hitomi!" erklärte Nami und begann das Geschirr abzuräumen. "Kommt jetzt, Kinder ! Love, wir wollen noch aufräumen. Und du Hitomi kümmerst dich um Toshi. Er muß fertig sein, wenn euer Wagen kommt." "Ja, Schwester..." Die junge Frau genoß den Trubel in der Abfertigungshalle. Die Hektik dieser Stadt würde sie sicher vermissen. Langsam schob sie den Rollstuhl zum Abfertigungsschalter. Sie mußte kichern bei dem Anblick des alten Greises dort vor ihr. Er war wirklich gut gelungen. Das weiße Haar, der lange Bart, die Krähenfüße sogar die faltige Haut auf seinem Handrücken hatten sie hinbekommen. Es gab nur wenige Indizien, die verrieten, das dieser Mann nicht der war, der er vorgab zu sein. Love stöhnte übertrieben, als sie den letzten Koffer zum wartenden Taxi schleppte. Nami folgte ihr mit einer Reisetasche in den Händen. Stumm drückte sie ihrer Schwester die Schlüssel zum Café in die Hände. Love nickte verstehend und ging die Auffahrt hinauf. Es war an ihr den Abschied von Tokio zu besiegeln. Sie verriegelte ein letztes Mal die Hintertüre des Cafés und blickte sich um. Ein letztes Mal betrachtete sie ihr Heim. "Auf Wiedersehen." murmelte sie leise und ihre Stimme klang bei weitem nicht so fröhlich und jugendlich wie gewohnt. Es war deutlich zu spüren wie schwer der Abschied von Tokio fiel. Inzwischen war Hitomi unbehelligt im Flugzeug angekommen. Zwar hatte man den Greis im Rollstuhl des öfteren beäugt, doch kaum, daß sie mit einer herzzerreissenden Geschichte sein Schicksal beschrieben hatte, war jeder noch so mißtrauische Blick wie weggefegt. Und nun saß er neben ihr am Fenster und schnarchte leise vor sich hin. Vielleicht würde Toshi in vielen Jahren wirklich einmal so aussehen, doch in ihren Augen wäre er dann immer der junge Detektiv, der er heute war. Zärtlich griff sie die Hand ihres Verlobten. "Ach Toshi," seufzte sie traurig. "Ich weiß zwar, daß du mich jetzt nicht hören kannst, aber ich möchte, daß du weißt, das es mir leid tut, was wir getan haben.- Und vor allem tut es mir leid, daß du jetzt nicht miterleben kannst, wie wir alle unser Heimatland verlassen.- Aber was sollte ich denn machen ? - Du hast mir doch gar keine andere Wahl gelassen,- du mit deinem Dickkopf." Hitomi kicherte. "Ja, deshalb habe ich dich wohl auch so gern" flüsterte sie zärtlich in sein Ohr und hielt die Hand ihres Verlobten noch fester als zuvor. Sie war glücklich. Wenigstens für eine Weile brauchte sie nicht zu fürchten von Toshi getrennt zu werden. Love und Nami kamen mit dem letzten Schwung Passagiere in die Maschine. Stumm verstauten sie ihr Handgepäck und setzten sich neben ihre Schwester. Die Stimmung war gedrückt und als dann letztlich das Dröhnen der Triebwerke in ihren Ohren klang, da wußten sie, daß es soweit war: Nun würden sie ihre Heimat für eine lange Zeit hinter sich lassen. Hitomi blickte aus dem Fenster. Die Lichter der Rollbahn zogen immer schneller vorbei um dann mit einem Ruck immer kleiner zu werden. Es dauerte nicht lange und ihre Heimatstadt war nichts, als ein See von Lichtern, der immer kleiner wurde, um dann schließlich ganz in der Dunkelheit der Dezembernacht zu verschwinden. In diesem Augenblick hatte Hitomi das Gefühl, jetzt schon krank vor Heimweh zu sein. "Sag auf Wiedersehen Tokio, Toshi." flüsterte sie leise. "Auf Wiedersehen Tokio, Toshi." antwortete Nami leise. Die beiden Schwestern sahen sich an und lachten.... Cat 's Eye II. Die neue Welt 1. Neue Perspektiven 2. Das Versprechen 3. Hochzeitsgefühle 4. Eine merkwürdige Weihnachtstradition 5. Eine schöne Bescherung 6. Die zwei Seiten der Wahrheit 7. Unerwartete Hilfe 8. Geänderte Pläne 9. Reise ins Ungewisse 10. Fehltritte 11. Ein Akt der Nächstenliebe 12. Finale 1. Neue Perspektiven Hitomi öffnete langsam ihre Augen. Sie befand sich in einem Zimmer, das sie noch nie zuvor gesehen hatte. Mehr noch, sie hatte absolut keine Ahnung wie sie dorthin gekommen war. Neugierig streiften ihre Augen umher während sie selbst - aus Vorsicht wohl - zunächst bewegungslos auf dem Bett liegen blieb. Am einzigen Fenster, das der Raum besaß, waren die Vorhänge zugezogen und so konnte das Tageslicht den Raum nur schwach erhellen. Nahe dem Fenster stand ein Tisch mit zwei Stühlen daran und etwas rechts davon war ein offener Kamin in die Wand eingelassen. Holzscheite brannten darin ruhig vor sich hin und die Menge an Holz die aufgelegt war, ließ sie vermuten, daß der Kamin erst vor kurzem entzündet worden war. Kleiderschrank, Wäschekommode - Hitomi konnte nichts Ungewöhnliches entdecken. Sie drehte den Kopf und sah den kleinen Nachttisch am Kopfende ihres Bettes. Der Radiowecker darauf zeigte 9 Uhr 26. Das Radio hatte sich eingeschaltet - zweifellos der Grund warum sie aufgewacht war. Die Musik verstummte und eine fremdartige Sprache drang an ihr Ohr.- Sie überlegte. Französisch,- ja, das war es. Sie hatte in der Schule einmal Französisch gelernt, aber das war schon Jahre her.... Sie konzentrierte sich und konnte Bruchstücke verstehen. Nach einer Weile des Zuhörens fand sie heraus, daß der 23. Dezember war. Ein Tag vor Weihnachten und sie war irgendwo in Frankreich. Aber wo um alles in der Welt war sie ? Frankreich war groß und vor allem, wie war sie hierher gekommen. Hitomi fragte sich, was geschehen war und langsam ließ sie die Erinnerungen an die vergangenen Tage Revue passieren... Sie hatte in ihrer Rolle als Katzenauge gerade das letzte Stück aus der Sammlung ihres Vaters gestohlen, als ihr Verlobter Detektiv Toshi Utzumi sie stellte. Auf der Flucht vor ihm war sie in eine Grube gefallen und hatte sich schwer verletzt. Toshi hatte ihr selbstlos zur Flucht verholfen. Und Sie hatte ihn gegen seinen Willen mitgenommen. Zwei Tage war es also jetzt her, daß sie und ihre beiden Schwestern Nami und Love beschlossen hatten die Suche nach ihrem Vater in Frankreich zu beginnen. Sie grinste, als sie sich erinnerte, wie sie Toshi betäubt und als Greis verkleidet einfach mitgenommen hatten. Es war eine verwegene Aktion gewesen - würdig der Katzen. Sie erinnerte sich an die Landung in Paris. Aeroport Charles-de-Gaulle - Love hatte noch gefragt was dieser Name bedeutete. Sie hatten den Flughafen verlassen, doch von da an war alles ein Nebel. Irgendwann auf dem Weg zum Hotel mußte sie abgetreten sein.... Hitomi schaltete den Radiowecker aus und lauschte.- Um sie herum war alles ruhig und sie beschloß aufzustehen um das Zimmer zu erkunden. Als sie aus dem Bett stieg und den ersten Schritt machte spürte sie einen leichten Schmerz.- Ihr verletztes Bein. Sie ging hinüber zum Fenster und schob vorsichtig die bestickten Vorhänge bei Seite. Sie war sie überwältigt von dem Anblick der schneebedeckten Berge rings umher. Diese Aussicht und die Natur da draußen,- sie war in einer kleinen Berghütte irgendwo in den französischen Bergen. "Weihnachten im Schnee." sagte sie zu sich selbst und irgendwie war sie glücklich. - Weiße Weihnachten in den Bergen,- davon hatte sie schon immer geträumt. - Sie war fröhlich und all das Mißtrauen, das sie in solch einer unklaren Situation hätte haben sollten, machte nur dem einen Gedanken Platz. 'Wenn jetzt bloß Toshi hier wäre.' Es klopfte und sofort war sie wieder auf dem Boden der Realität. Sollte sie antworten ? "Hitomi ? Bist du da drin ?" Hitomi lächelte. Toshis Stimme klang dumpf du leise hinter der geschlossenen Zimmertüre, doch sie würde sie immer erkennen. - Er war hier.- Ihr Verlobter war auch in dieser Hütte gestrandet. "Ja, ich bin hier. Komm rein Toshi." antwortete sie und ihre Augen leuchteten als ihr Verlobter hereinkam. Hitomi zuckte ein wenig zusammen als sie bemerkte, wie ihr Freund sie merkwürdig gebannt ansah. Jetzt erst fiel es ihr ein.- Sie hatte ganz vergessen, einen Morgenmantel umzulegen und nun stand sie ihrem Verlobten mit nur einem dünnen Nachthemd bekleidet gegenüber. Früher wäre ihr eine derartige Unaufmerksamkeit nicht passiert. Und selbst die wenigen Male, wo eine solche Situation unvorhergesehen eingetroffen war, da war ihre erste Reaktion ein hysterisches 'TOSHI DREH DICH UM' gewesen. Doch heute war alles anders. Sie stand da und machte nicht einmal den Versuch etwas zum Überziehen zu finden. Irgendwie gefiel es ihr zu sehen, wie ihr Verlobter jeden Zentimeter ihres Körpers mit seinen Blicken erkundete. Toshi bemerkte natürlich auch wie seine Augen unkontrolliert ihren wunderschönen Körper anstarrten. Verschämt drehte er sich ab. "Entschuldige, Hitomi. Du siehst einfach wundervoll aus." meinte er schüchtern und irgendwie spürte er schon jetzt die Ohrfeige, die ihm seine Freundin immer gab, wenn er sie derart anstarrte. Hitomi aber lächelte nur. "Ist schon gut, Toshi. Ich finde, daß der Schlafanzug dir mindestens genau so gut steht." stellte sie belustigt fest und Toshi lachte erleichtert. 'Das muß wohl an Weihnachten liegen.' dachte er. "Sag mal, Hitomi, wo sind wir hier ? Das letzte, woran ich mich erinnere ist, daß der Kaffee beim Abendessen irgendwie bitter schmeckte und Love sagte plötzlich 'Gute Nacht, Toshi' und dann war ich weg. Was zum Teufel geht hier vor ?" "Es tut mir leid, Toshi." begann Hitomi leise. "Es ist alles meine Schuld. Ich habe meine Schwestern dazu überredet dich nach Frankreich mitzunehmen. Und da dein Chef denkt, daß Katzenauge dich entführt hat, mußten wir dich heimlich aus Japan herausschaffen." Sie zögerte und sah aus dem Fenster. "Aber warum wir jetzt in einer Hütte in den Bergen sind und nicht in einem Hotel in Paris, daß weiß ich beim besten Willen auch nicht." Toshi war ganz ruhig. Was sollte er tun ? Er war hier und wenn das stimmte, was Hitomi gesagt hatte - und weiß Gott, er glaubte ihr - dann mußte er sich bis auf Weiteres in das Schicksal fügen, das man für ihn bestimmt hatte. Der Detektiv ließ seinen Blick durch den Raum schweifen, während seine Verlobte weiterhin gebannt aus dem Fenster starrte. Ein Briefumschlag auf dem Tisch weckte seine Aufmerksamkeit. Er war ungeöffnet und in handgeschriebenen japanischen Schriftzeichen stand 'Für Hitomi' darauf. Er hob ihn auf und trat zu Hitomi ans Fenster. "Hier, vielleicht hilft uns das weiter." Hitomi sah ihn verblüfft an. "Er lag dort auf dem Tisch." beantwortete Toshi die stumme Frage, die er glaubte in ihren Augen lesen zu können. "Danke, ich hatte ihn gar nicht gesehen." erwiderte Hitomi und öffnete den Umschlag. Sie erkannte die Handschrift auf dem Briefpapier. Es war die Schrift ihrer älteren Schwester Nami. Ihre Augen flogen über die Zeilen. Es stand nichts Geheimes darin und so fand sie, daß es nur fair wäre, wenn sie den Brief laut vorlesen würde... "Liebe Schwester." las sie. "Wenn du diesen Brief findest sind Love und ich schon wieder in Paris. Es tut mir leid, daß wir dich und Toshi etwas hinter das Licht geführt haben. Aber wie oft hast du mir erzählt, wie gern du einmal Weihnachten im Schnee verbringen würdest ? - Wir dachten du hast es dir verdient. Was unsere Suche nach Vater betrifft, so stehen uns die Freunde von Herrn Nageischi mit Rat und Tat zur Seite. Sei also versichert, daß wir auch ohne deine Hilfe klar kommen werden. Wenn es sich einrichten lässt, werden Love und ich euch über Weihnachten besuchen. Bis dahin alles Gute und tue nichts, was ich nicht auch tun würde. Liebe, Nami." Hitomi lächelte zufrieden und steckte den Brief zurück in den Umschlag. "Wie es aussieht, ist die Katze von den Katzen reingelegt worden." grinste Toshi. "Na, ich glaub' ich werd' mich jetzt mal anziehen und sehen, was die Küche so zu bieten hat." "Ja, eine gute Idee." meinte Hitomi. "Mach' schon mal Frühstück. Ich komm' dann nach." Toshi nickte und verließ wortlos das Zimmer. Hitomi freute sich wie ein kleines Kind und ging hinüber zum Kleiderschrank. Sie nahm ihren ungeöffneten Reisekoffer heraus und warf ihn mit Schwung auf ihr Bett. Leider jedoch lag er falsch herum mit der Unterseite nach oben. Normalerweise hätte sie es sofort gesehen. Selbst die kleinsten Dinge, Nebensächlichkeiten, waren ihren Augen nie entgangen. In ihrer Rolle als Katze hätte sie sich Unaufmerksamkeit auch nie leisten können. Heute aber merkte sie gar nichts und so, als sie schließlich den Deckel öffnete fielen ihr natürlich alle Sachen in umgekehrter Reihenfolge entgegen. 'Murphy's Law. Was auch immer schiefgehen kann, geht schief.' dachte Hitomi und kicherte. Ja, was Mißgeschicke und Unfälle betraf, da war ihr Toshi ja ein Meister. - Aber vielleicht war es ja ansteckend und von jetzt an würde ihr so etwas öfter passieren.- Ein schrecklicher Gedanke, fand sie und sie mußte plötzlich herzlich lachen. "Was für einen Schwachsinn rede ich denn da ?" schimpfte sie dann auch leise mit sich als sie ihre Sachen ordnete. In Mitten all ihrer Kleidungsstücke fand sie plötzlich ein verschnürtes Paket und einen weiteren Brief . Etwas hektisch riß sie den Umschlag auf. Zwei geheimnisvolle Nachrichten an einem Tag und dazu noch ein weitaus geheimnisvolleres Paket waren doch etwas zu viel für ihren Geschmack. Ungeduldig faltete sie das Briefpapier auseinander und begann zu lesen: "Liebes Schwesterlein, in diesem Jahr haben wir beschlossen, dir ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk zu machen. Morgen nachmittag wird euch ein Pferdeschlitten abholen und zu einer kleinen verträumten Bergkapelle bringen, wo du deinen Toshi heiraten wirst. - So wie du es dir immer erträumt hast. Was das Drum und Dran betrifft, so haben Love und ich uns erlaubt etwas für euch auszusuchen. Ihr findet Alles in der Abstellkammer im Keller.- Ich weiß, daß das alles ein wenig überraschend für euch kommen mag, aber wie du selbst schon sagtest: 'Manche Leute muß man eben zu ihrem Glück zwingen.' - In dem verschnürten Paket, in deinem Koffer, ist übrigens Katzenauge. Ich habe unseren Glücksbringer in eine Brosche setzen lassen.- Möge er euch Glück und ewige Liebe schenken.- Wenn ihr hinunter in den Ort geht, besucht doch bitte das Bistro im Ort.- Man erwartet euch schon. Wir sehen uns dann morgen. Gruß Nami und Love. PS: Vergiß nicht Toshi zu überreden !" Hitomi ließ sich froh gelaunt auf das Bett fallen. "Ach Nami,-" seufzte sie glücklich. "Das ist das schönste Geschenk von allen." meinte sie freudestrahlend, doch dann zog sie mit einem Mal ihre Stirn in Falten. "Jetzt muß ich nur noch Toshi überreden.- Und das wird nicht einfach." Toshi hatte in der Küche der Berghütte ein wahres Chaos angerichtet. Eierschalen, Mehl und verschüttete Milch bildeten einen undurchdringlichen Schmierfilm auf dem Arbeitstisch und in der Spüle stapelten sich Meter hohe Berge von benutztem Geschirr und Töpfen. Als Hitomi hereinkam schlug sie die Arme über dem Kopf zusammen: "Mein Gott! Was ist denn hier passiert ? Toshi, was zum Teufel hast du schon wieder gemacht ! Dich kann man auch wirklich keine zwei Minuten aus den Augen lassen." polterte sie los und der Detektiv verdrehte beschämt die Augen. "Es tut mir leid." entschuldigte er sich, "Aber dafür habe ich uns auch etwas ganz besonderes zum Frühstück gezaubert." "Ach ja, wirklich ?" fragte Hitomi neugierig und erwartungsvoll. Toshi nickte selbstbewußt und stolz zeigte er auf den gedeckten Eßtisch, der von der Küche aus zu sehen war. - Hitomi mußte lachen. "Sechs Pfannkuchen, Filterkaffee, etwas Toast, Butter und Marmelade ? - Ist das etwas ganz Besonderes für dich ?" fragte sie zynisch. "Da hast du aber bei uns im Café ein üppigeres Frühstück bekommen und das ohne daß ich dafür die Küche in Schutt und Asche gelegt habe." Toshi grinste peinlich berührt. "Du hast noch den Honig vergessen." meinte er mit rechtfertigendem Ton und hob ein völlig verklebtes Glas in die Luft. Wiederum konnte sich Hitomi ein Lächeln nicht verkneifen. "Toll.." bemerkte sie ironisch. "Aber paß' auf, daß nachher nicht noch der Tisch an deinem Honig kleben bleibt." Toshi grinste verlegen. "Ja, ich glaube, wir sollten auf den Honig verzichten." pflichtete er bei und wusch seine verklebten Finger ab. Seine Verlobte jedoch schüttelte nur bemitleidend den Kopf. 'Ach, Toshi. Ich muß dir aber noch viel beibringen.' dachte sie, doch sie war sicher, daß sie - erst einmal verheiratet - über solche Kleinigkeiten nur noch müde lächeln würde. Egal wie viele Probleme auch immer auf sie zu kamen, sie beide würden sie zusammen meistern. "Komm' Toshi. Lass' und erst 'mal aufräumen." schlug sie vor und ihr Freund stimmte zu. An diesem Morgen ließ sich Hitomi besonders viel Zeit beim Frühstücken. Toshis Kaffee schmeckte fade, der Toast war kalt und die Pfannkuchen halb durch,- aber all das kümmerte sie nicht. Sie war in Gedanken schon bei ihrer Hochzeit. Toshi indes langte kräftig zu. Und als er zu guter Letzt seinen fünften Pfannkuchen verputzt hatte streichelte er genüßlich über seinen Bauch. "So, jetzt bin ich zu allen Untaten bereit." sagte er selbstzufrieden und stand auf. "Ich werde 'mal etwas Holz hacken gehen. Du kommst ja hier ohne mich viel besser klar." meinte er, doch seine Verlobte reagierte nicht und blickte mit abwesendem Gesichtsausdruck aus dem Fenster. "Hast du was, Hitomi ?" Hitomi schreckte auf. "Was ? Äh, nein.- Äh, was hast du gesagt ?" stammelte sie sichtlich verwirrt und sah ihren Verlobten mit verträumten Augen an. "Ich sagte, ich gehe Holz hacken. " Hitomi nickte beiläufig. "Ja, mach das. Ich räume hier inzwischen auf und dann können wir ja zusammen in den Ort gehen." Toshi stutzte. Was war nur mit Hitomi los? So verträumt hatte er sie noch nie gesehen. Kopfschüttelnd zog er seinen dicken Wintermantel an und verließ das Haus. Während er durch den knöcheltiefen Schnee zum Holzstapel hinter der Hütte stapfte dachte er nach. Vor wenigen Minuten war etwas vorgefallen, das haufenweise zweiflerische Gedanken in ihm aufgekommen ließ. Fragen, die er sich vor ein paar Tagen noch nicht gestellt hatte. Und das lag nicht nur daran, daß sie ihn unfreiwillig aus seinem Heimatland geschafft hatten. Er hatte etwas von dem blinden Vertrauen gegenüber den Schwestern verloren. Vielleicht war das die Vorsicht und Distanz, die ein guter Polizist immer sein Eigen nennen sollte. Hätte er bereits früher so gehandelt, wäre das hier vielleicht gar nicht erst passiert. Er fragte sich wie die Schwestern trotz ihrer scheinbar überstürzten Abreise aus Tokio in der Lage gewesen waren alles so gut zu planen. War wirklich jede Aktion im voraus festgelegt worden- so wie in einem Drehbuch. Wenn ja, wer schrieb es und welche Rolle hatte man ihm dabei zugedacht. Denn er war auch er hier. An diesem Ort, zu dieser Zeit und vor allem allein mit Hitomi.- Nur damit er etwas Zeit mit seiner Verlobten verbringen konnte ? - Nein, irgendwas war faul. Irgend etwas Besonderes sollte hier passieren.- Und mit einem Mal hatte er diese Ahnung und wenn er sich nicht sehr irrte, dann würde es sein ganzes Leben verändern.- Aber solange es das war, was er vermutete, dann war er sich sicher, daß er es nicht verhindern wollte. "Also von alleine hackt sich das Holz nicht. Du mußt schon die Axt benutzen." sagte plötzlich eine sanfte Frauenstimme und Toshi fuhr herum. "Ach, du bist es, Hitomi.- entschuldige, aber ich war ganz in Gedanken." antwortete er und grinste verlegen. Doch Hitomi hatte ihm seine Pflichtvergessenheit längst verziehen. "Ist schon gut, Toshi.- Komm jetzt. Lass' uns gehen. Es ist ein langer Weg ins Dorf und hier oben wird es verflucht schnell dunkel." "Ja, du hast recht. Machen wir uns auf den Weg." stimmte Toshi zu und so verließen die beiden schließlich Arm in Arm ihr neues Heim und machten sich auf den Weg ins Tal. Das Dorf, das am Fuße des Berges lag, hatten sie schon von ihrer Hütte aus sehen können. Es schien nicht weit entfernt zu sein, ein paar Kilometer vielleicht, aber der Schnee, lichte Tannenwäldchen und ein äußerst steiler Abhang machten es unmöglich einen direkten Weg zu nehmen. Also blieb dem Paar nichts übrig als einen Umweg zu machen und die Straße zu benutzen die hinunter führte. Wie eine riesige Schlange wand sich der unbefestigte und schneebedeckte Weg in Serpentinen den Hang hinunter. Und Toshi dachte mit Grauen daran, daß er den ganzen Weg in ein paar Stunden wieder hinauflaufen mußte. - Konnte man nicht einen Aufzug einbauen oder zumindest einen Golfwagen mieten? Hitomi machten lange Spaziergänge nichts aus. Sie genoß die Landschaft und die Nähe ihres Freundes. Immer wieder erzählte sie, wie glücklich sie war,- allein mit ihrem Verlobten in einem Winterwunderland. Toshi glaubte ihr. Er freute sich für sie, doch teilen konnte er ihre Freude nicht so recht. Schnee, Winter, Berge.- Nein zu viele Erinnerungen waren damit verknüpft. Zu oft hatte sich sein Leben an verschneiten Wintertagen entscheidend verändert. Vielleicht war das auch der Grund, warum er sich nicht so ungezwungen und arglos all diesem hingeben konnte. Als die beiden Verliebten schließlich nach einer Stunde Fußmarsch im Dorf ankamen führte ihr erster Weg in das Bistro Robert, so wie ihre Schwester es geschrieben hatte. Es war ein kleiner Laden und irgendwie erinnerte er Hitomi an ihr eigenes Café zu Hause in Tokio, was dann auch ihr Interesse weckte. Einige wenige Gäste saßen verstreut an den Tischen. Touristen zumeist, wie Hitomi an dem Gewirr verschiedenster Sprachen feststellte. Wortlos zeigte sie auf einen freien Tisch neben der Bar und kaum daß sich die Beiden müden Wanderer niedergesetzt hatten, kam auch schon eine Bedienung herbei. Hitomi musterte die Frau genau. Sie war eine ältere Dame um die 50 und einige dezente graue Haare verliehen ihrem mütterlichen Gesicht eine gewisse Reife. "Vous desirez ?" fragte die Dame höflich und Hitomi blickte ihren Verlobten an. Toshi hatte kein Wort von dem verstanden, was die Kellnerin gesagt hatte, und so mußte sie für ihn übersetzen. "Möchtest du einen Kaffee, Toshi ?" Er nickte wortlos. Hitomi wandte sich wieder der Bedienung zu. "Alors deux cafés noires, s'il vous plait." bestellte sie in nahezu perfektem Schulfranzösisch. Die alte Dame nickte und musterte die beiden mit prüfenden Blicken. "Also zweimal Katzenauge schwarz, so sagen sie doch in ihrem Café." wiederholte sie plötzlich in fast akzentfreiem Japanisch und Hitomi erschrak. Ihr Blick war starr auf die Dame vor ihr gerichtet und so entging ihr wie Toshi mißtrauisch die Augenbrauen hob. "Sie sprechen Japanisch ?" fragte Hitomi verwundert und die Kellerin lachte. "Wenn sie erlauben, daß ich mich vorstelle, ich bin Yakko Robert, ich bin eine Schwester ihres Freundes Herr Nageishi." stellte sie sich den Beiden vor und verbeugte sich stilvoll. "Und wenn ich mich nicht irre, dann sind sie Fräulein Hitomi Kisugi und das ist ihr Verlobter Herr Toshi Utzumi." Hitomi war verwundert. "Ja, das stimmt. Aber sagen sie, woher kennen sie uns, Madame Robert ?" "Ihre Schwestern haben uns viel von Ihnen erzählt." Toshi unterbrach. "Die Kisugi-Schwestern waren hier ? Wann ?" "Gestern Abend." antwortete Madame Robert. "Schließlich war ja noch viel zu besprechen wo morgen ja..." Plötzlich hielt sie inne. Sie hatte bemerkt, daß Hitomi sie mit einem Mal aus weit aufgerissenen Augen anstarrte und leicht den Kopf schüttelte. Sie erinnerte sich, was die Schwestern gesagt hatten und sie ahnte, daß Hitomi ihrem Verlobten immer noch nichts von der überraschenden Hochzeit gesagt hatte. Also beschloß sie Stillschweigen zu bewahren. Toshi hingegen ließ nicht locker. "Was ist morgen ?" fragte er unnachgiebig. Die Dame jedoch schwieg. "Weihnachten." warf Hitomi ein. "Morgen ist Weihnachten, schon vergessen." Sie hoffte auf Toshis Leichtgläubigkeit. Sie hoffte, daß er diese Lüge nicht durchschaute. Denn wenn einmal etwas seine Neugier geweckt hatte, dann konnte er sehr hartnäckig sein. Toshi lachte verlegen "Ach so. Ja Weihnachten. Ja, sicher. Natürlich, morgen ist Weihnachten und da gibt es noch eine Menge vorzubereiten. Warum bin ich denn nicht selbst darauf gekommen." Hitomi atmete erleichtert auf. Scheinbar hatte er ihr die Ausrede abgekauft. - Sie ahnte nicht, das Toshi sich so seine Gedanken machte. Sie saßen noch eine ganze Weile im Café und redeten mit Madame Robert und ihrem Ehemann. - Das heißt - meist redete Hitomi, denn Toshi war ungewohnt schweigsam. Als sie sich verabschiedeten und den Heimweg antraten, stand die Sonne nur noch knapp über den Bergen. Schnee lag in der Luft und Hitomi kämpfte mit sich selbst. 'Irgendwann mußt du es ihm sagen. Tu es jetzt, dann hast du es hinter dir.' sagte ihr die Stimme der Vernunft immer wieder, doch ihr Gefühl antwortete genau so regelmäßig 'Das ist etwas Romantisches. Warte bis zum richtigen Zeitpunkt.' Was sollte sie tun ? Natürlich mußte sie Toshi von der Hochzeit erzählen - sie konnte ihn schließlich nicht bewußtlos zur Zeremonie schleppen - aber hier und jetzt war ihr das einfach nicht stilvoll genug. 'Heute Abend am Kaminfeuer werde ich ihn dazu bringen mir einen Antrag zu machen.' träumte sie und schmiegte sich enger an ihren Mann. Es war merklich kälter geworden und nun, da sie ungefähr die Hälfte des Weges hinter sich hatten begann es auch noch zu schneien. "Ich hasse den Winter." schimpfte Toshi leise als ihm die ersten Schneeflocken ins Gesicht stiebten. "Es scheint, als ob alle wirklich wichtigen Dinge in meinem Leben im Winter passieren." fügte er nachdenklich hinzu. "Ich mag den Schnee." meinte Hitomi gedankenversunken. "Denk' ich an Winter, denk' ich an Schnee, warme Mäntel und Geborgenheit." "Und das erinnert dich an etwas sehr sehr Schönes ?" "Ja. Acht Jahre ist es nun schon her. Es schneite damals. Und es war sehr kalt, so wie heute... Doch damals, in dieser Winternacht da fühlte ich mich zum ersten Mal so richtig geborgen. Ich war schrecklich verliebt in dich und du, - du hattest mir gerade eröffnet, daß du zur Polizeischule gehen würdest. Also was sollte ich tun ? Ich ahnte nur zu gut, wie viele Probleme es bringen würde in einen Polizisten verliebt zu sein. Aber dennoch,- in dieser Nacht, als du deinen Mantel um meine Schultern legtest und mich in den Arm nahmst, da habe ich mich entschieden. Ich habe geschworen allen Hindernissen zu trotzen, die uns im Weg stehen würden." Hitomi hielt inne und seufzte. "Ach Toshi, ich fühlte mich so warm und geborgen bei dir. Du warst für mich der größte und stärkte Mann auf der ganzen Welt." "Ja, der größte und stärkste Verlierer, den man sich vorstellen kann." erwiderte Toshi ironisch. "Was wäre gewesen, wenn ich damals nicht meinen Traum Fotograf zu werden aufgegeben hätte ? Wo wären wir dann heute ? Ich hätte bestimmt schon längst eine eigene kleine Agentur und wir wären glücklich verheiratet. Aber nein, ich mußte ja den Ritter des Rechtes spielen. Den Schrecken aller Bösewichte." "Weißt du, es ist völlig unwichtig was wäre wenn wir dies oder das nicht getan hätten. Was zählt, ist wo wir sind und was in Zukunft sein wird. Wir müssen Entscheidungen treffen, unser ganzes Leben lang, und wir müssen lernen mit diesen Entscheidungen zu leben. Wir können nicht zurück, niemand kann das. Was zählt sind die Freunde, die uns begleiten. Leute, die man liebt. Die Person, mit der man sein ganzes Leben verbringen möchte hat es verdient die Wahrheit zu erfahren ohne Wenn und Aber und falschen Stolz." "Ach ja, findest du ?" bemerkte Toshi sarkastisch. "Weißt du, wenn man das Gefühl hat, jahrelang benutzt, ausgehorcht und manipuliert worden zu sein, dann fragt man sich, was es mit der Wahrheit auf sich hat. Selbst jetzt, tausend Kilometer von Japan entfernt scheint es mir als ob ich immer noch Teil eines eurer verdammten Spiele bin." "Was meinst du damit." "Heute Morgen auf der Suche nach einer Axt zum Holz hacken habe ich ein Hochzeitskleid und einen weißen Anzug gefunden. NEU." Hitomi erschrak innerlich. Er hatte es gewußt. Den ganzen Tag über hatte er es gewußt. Natürlich - jetzt machte sein Verhalten Sinn. Er mußte sich verschaukelt, in die Enge getrieben vorkommen. Sie schwieg. Was hätte sie sagen sollen ? Das es stimmte ? Das sie Toshi all die Jahre benutzt hatten um ihre Fischzüge zu planen ? Es war egal wie oft sie ihm das Leben gerettet hatte oder die Katzen der Polizei geholfen hatten.- Das sie seine Liebe ausgenutzt hatte war nicht zu entschuldigen. Und was hatte ihr das Recht gegeben Toshis Leben völlig umzukrempeln? - Ihn zu entführen und eine Hochzeit hinter seinem Rücken zu planen? Warum hatte Nami überhaupt zugestimmt Toshi mitzunehmen? - Die Gefahr einzugehen durch Toshis Entführung entdeckt zu werden, das war nicht die Art der Frau, die der Kopf der Katzen war. Die Frau, die zusammen mit Nageishi die Aktionen geplant hatte, zu denen Love die technischen Geräte beisteuerte und die sie, Hitomi, letzlich ausführte. Hatte Toshi recht und Nami hatte auch das hier von langer Hand geplant? War ihre Enttarnung vielleicht auch gar kein unglücklicher Zufall gewesen, sondern....? Nein daran wollte sie nicht einmal im Traum glauben. Den Rest des Weges über sagte keiner mehr ein Wort und auch beim Abendessen in der Berghütte sassen sie sich stumm gegenüber. Später am Abend dann ging Toshi hinter dem Haus Holz hacken.- So wie er es schon am Morgen machen wollte. Es hatte inzwischen wieder aufgehört zu schneien und durch ein kleines Fenster konnte er beobachten, wie Hitomi den Abwasch erledigte. Es tat ihm mittlerweile leid, was er zu seiner Verlobten gesagt hatte. Eigentlich hatten die Schwestern nur das Beste für ihn gewollt. Sie hatten ihm auf ihre Art geholfen Entscheidungen zu treffen, zu einer Zeit als er selbst nicht in der Lage dazu gewesen war. - Ein jedes Mal wenn seine Axt durch ein Stück Holz fuhr und es zerteilte stellten sich neue Fragen. Warum eigentlich stellte er immerzu die Liebe zwischen Hitomi und ihm in Frage? Wie sehr hatte er sich gewünscht Hitomi zu heiraten und war es nicht deshalb, weil sie den gleichen Traum hegte, das er hier war? Um ihre Hand anhalten ? - Nein, das traute er sich nicht. Doch was wäre, wenn Hitomi genau so schüchtern und reserviert war wie er ? Sie würden beide noch Jahrzehnte lang Seite an Seite leben ohne sich jemals ihre Liebe zu gestehen. Er wußte, Hitomi war in solchen Dingen sehr traditionell. Und das Brautkleid im Keller, die merkwürdige Unterhaltung im Bistro - es machte einen Sinn. Es war kein Zwang, der dahinter steckte.- Kein Plan der Katzen.- Es war einfach nur, das man ihm den Weg ebenete und ihm ein Werkzeug an die Hand gab, seinen Traum zu erfüllen. Die Arbeit jedoch musste er selbst tun. Von Neuem sah Toshi ins Innere der Bergütte. Eine große Durchreiche, die Küche und Wohnzimmer verband erlaubte ihm einen Blick direkt auf den Kachelofen zu werfen. Holzscheite brannten darin und auf dem Boden davor saß Hitomi. Sie drehte ihm zwar den Rücken zu und er konnte nicht in ihr Gesicht sehen, doch allein schon die Art, wie sie dort saß - zusammengekauert wie ein Häufchen Elend - sie sprach Bände. Angst, Ratlosigkeit und Wut über seine eigene Schüchternheit kämpften in ihm. Aber so wie er es sah, ging es Hitomi genau so. Er bearbeitete wieder die Holzscheite. Doch sie würden ihm sicher keine Antwort geben. Von totem Holz war nun einmal keine Hilfe zu erwarten. Toshi erkannte, daß er nun ganz allein und auf sich selbst gestellt war. Seit Jahren war Hitomi immer für ihn dagewesen. Entscheidungen hatte er mit ihr geteilt,- ihren Rat eingeholt. Und obwohl die Person, für die er sein Leben gegeben hätte, nur Meter von ihm entfernt war schien sie ihm meilenweit entrückt und er fühlte, daß sie sich wegen ihm die Augen ausweinte. Es begann wieder heftig zu schneien und der Schnee hüllte die frisch zerteilten Holzstücke in ein reines weisses Kleid. Alles sah mit einem Mal so friedlich und unschuldig aus. Und da plötzlich wusste Toshi, was er zu tun hatte. Es war so, einfach.- Wie er schon gesagt hatte, alle wichtigen Entscheidungen in seinem Leben traf er an verschneiten Wintertagen. 2. Das Versprechen Als Toshi hereinkam, sass Hitomi immer noch auf dem Boden vor dem offenen Kamin. Sie hatte sich nicht gerührt. Sie saß einfach nur da und starrte in das prasselnde Feuer,- klein, unschuldig und hilflos wie ein Baby. Sie hielt ihre Beine angewinkelt und ihre Arme umschlossen ihre Knie. Sie schaukelte langsam vor und zurück und obwohl er es bisher nicht sehen konnte.- Er wußte, dass sie weinte. Es war schrecklich, Hitomi so zu sehen. Egal, was ihm die Schwestern auch angetan hatten,- er hatte kein Recht Hitomi dafür so zu bestrafen. Ja, er war richtig, der Entschluss, den er eben draussen vor dem Haus gefasst hatte und jetzt musste es sein. Jetzt musste er all seinen Mut zusammen nehmen und ihr seine Entscheidung mitteilen. Toshi schritt langsam durch das Zimmer und war schrecklich nervös. Immerhin war er dabei, den wohl wichtigsten Schritt in seinem Leben zu machen. Aber so gerne er sich auch noch länger davor gedrückt hätte, er durfte Hitomi nun nicht mehr im Unklaren lassen. Leise trat er zu seiner Verlobten an den Kamin und setzte sich dicht hinter ihr auf den Boden. Natürlich hatte Hitomi ihn schon längst bemerkt, dennoch bewegte sie sich nicht. Sie würdigte ihn keines Blickes und starrte nur weiter auf die Flammen im Kamin. Und selbst als Toshi schliesslich seinen weichen Wintermantel auszog und um ihre Schultern legte, sagte sie immer noch kein Wort. Alle Gefühle in ihr waren die ganze Zeit über wie erstarrt gewesen. Doch jetzt wo sie die Wärme des Mantels und die Nähe ihres Freundes zu spüren begann, war es mit einem Mal wieder da,- dieses Gefühl der Geborgenheit. Empfindungen voller Wärme und Liebe, die sie bei ihrem Streit mit Toshi verloren hatte, kehrten langsam in ihr Herz zurück. Und als sie sich vertrauensvoll zurücklehnte um in Toshis Armen zu liegen, da war sie glücklicher denn je. Minuten vergingen, während der keiner von Beiden ein Wort spach. Sie sassen da, eng aneinander geschmiegt und lauschten dem leisen Prasseln des Kaminfeuers. "Du, Toshi, was war für dich das schönste Weihnachtsfest, an das du dich erinnerst ?" Toshi überlegte. "Ich weiss nicht, ich glaube wenn man älter wird, dann wird Weihnachten immer unwichtiger. Am liebsten erinnere ich mich an die Weihnachten, die ich bei meinen Eltern verbracht habe, als ich noch klein war." sagte er und lachte. "Aber am ausgefallensten waren wohl die Weihnachten zusammen mit euch." "Ja, wir hatten viel Spass." "Hm, hm. Auf meine Kosten." erwiderte Toshi, doch seine Stimme verriet sofort, daß er nicht böse war. "Weißt du noch, wie ich an der Theke eingeschlafen bin und ihr habt einen Christbaum aus mir gemacht. Mit Christbaumkugeln und Lichterketten. Ihr habt Lieder zu meinen Füßen gesungen. Meine Kollegen haben mich monatelang damit aufgezogen." Hitomi lachte."Oh Toshibaum. Das war Loves Idee, ich schwöre." "Ja, ja. Das sagen sie alle." erwiderte er und machte ein beleidigtes Gesicht. Doch sofort lachte er wieder und Hitomi mit ihm. "Erinnerst du dich auch noch an letztes Jahr?" fragte sie. "Klar. Weihnachten mit Katzenauge. Zuerst begräbt mich Love am Morgen im Café unter eurem Weihnachtsbaum und am Abend lädt Katzenauge dann Geschenke über der Stadt ab.- Ich glaube, der Chef wird euch nie verzeihen, dass ihr ihm sein Fest vermasselt habt." "Ja, das mag wohl sein, aber es war meine Schuld. Ich habe nicht aufgepasst und darum mussten wir in Aktion treten." "Das verstehe ich nicht. Warum seid ihr damals in ein Radiostudio eingebrochen und habt am Ende nur eine Platte abgegeben." "Das stimmt nicht ganz. Vater ist in die USA gegegangen, noch bevor Love geboren wurde. Sie hat ihn bis heute nicht gesehen. Doch dann letztes Jahr - ein paar Tage vor Weihnachten - hatten wir eine Schallplatte in die Hände bekommen. 'Weihnachtsgrüsse aus Amerika'. Vater hatte sie für Love zu ihrer Geburt besprochen und wir fanden, daß es das Richtige Weihnachtsgeschenk für sie war. Aber dummerweise ist die Platte dann bei dem Unfall mit dem Baum dieser Radiotussi in die Finger gefallen." "Ach, ich verstehe, dann habt ihr euch damals also die Platte zurückgeholt." "Ja. Aber da es kein Kunstwerk war, hat es wohl keiner bemerkt." "Love tut mir leid." meinte Toshi nach einer Weile. "Es muss schlimm sein, seinen Vater nur aus Erzählungen zu kennen." "Ja, das sehe ich auch so." sagte Hitomi nachdenklich. "Und ich wünsche mir nichts mehr, als dass wir Vater finden, damit er endlich sieht, was für ein hübsches Mädchen Love geworden ist." Toshi lachte. "Nicht nur Love. Die Heintz-Tochter, die ich gerade im Arm halte ist ist auch nicht schlecht gelungen." schmeichelte er seiner Verlobten. Hitomi lächelte verlegen, doch plötzlich machte sie wieder ein sehr ernstes Gesicht. "Du, Toshi, wir müssen uns unterhalten..." begann sie schliesslich leise, doch Toshi legte sofort zärtlich seine Finger auf ihre Lippen. "Psst. Sag' nichts. Ich möchte, dass du dir zuerst anhörst, was ich zu sagen habe." "Na gut, was hast du mir denn so wichtiges zu sagen ?" Toshi zögerte. So entschlossen er noch vor Sekunden gewesen war, so unsicher war er jetzt. Seine Hände waren ganz schwitzig, so nervös war er. Doch zu guter Letzt nahm er noch einmal all seine Willenskraft zusammen und rückte nach einem tiefen Atemzug mit der Wahrheit heraus. "Hitomi, ich habe lange über unsere Beziehung nachgedacht." sagte er und seine Verlobte seufzte traurig. Seine Stimme hatte leise und bedrückt geklungen und das konnte nur Eines bedeuten... "Ich glaube, es ist das Beste," begann Toshi und machte eine gedankenschwere Pause. "Es wäre das Beste, wenn wir heiraten." Hitomis Kopf fuhr herum und sie sah ihn aus grossen und weit aufgerissenen Augen an. "Heiraten ?" fragte sie verdutzt. "Ja, du hast richtig gehört. Wir sollten heiraten." wiederholte er entschlossen. Doch immer noch zweifelte Hitomi. "Wirklich ? Du willst mich heiraten ?" fragte sie von Neuem, doch Toshis zustimmendes Kopfnicken wurde immer entschlossener. Er beugte sich vor und dann flüsterte er ihr die Worte ins Ohr, auf die sie schon seit Jahren wartete. "Hitomi, willst du meine Frau werden ?" Tränen der Freude schossen in Hitomis Augen, so schnell, das sie es gar nicht hätte verhindern können. Und ihre Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. "Ja, Toshi. Ich will. Und ob ich das will ! Ich bin dein,- für immer !" säuselte sie überglücklich. Und im nächsten Moment fiel sie Toshi um den Hals und küsste ihn so temperamentvoll und leidenschaftlich, dass sie beide das Gleichgewicht verloren und nach hinten überkippten. Der Boden war hart und kalt, doch das machte jetzt nichts mehr aus. Sie hatten einander gefunden. Und in dieser Nacht, aneinander gekuschelt vor dem lodernden Kaminfeuer, wurde Hitomi Kisugi Toshis Frau. In einer kleinen Berghütte tausende Meilen von zu Hause entfernt haben der Detektiv und die Diebin einander versprochen, dass, egal was kommen mochte, sie immer zusammen bleiben würden. Es war ein Versprechen voller Leidenschaft, Aufrichtigkeit und Weisheit. Ein Versprechen, dass nur aus tiefstem Herzen junger Menschen kommen konnte. Nach acht Jahren der Freundschaft hatten sie endlich gewagt, einander ihre Liebe zu gestehen. Und als Hitomi schliesslich kurz vor dem Morgengrauen zärtlich von ihrem Verlobten wachgeküsst wurde, da kam ihr alles wie ein wunderbarer Traum vor.- Wie ein Märchen. Sie war die Prinzessin und Toshi der edele Prinz, der sie beschützte. Das Kaminfeuer war inzwischen erloschen und im Zimmer war es kühl geworden. Hitomi fröstelte und suchte die Wärme ihres Freundes. Die letzte Nacht mit ihm hatte ihr sehr viel bedeutet, mehr als sie sich je erträumt hatte. Es war das erste Mal gewesen. Das erste Mal, dass sie die Nacht in den Armen eines Mannes verbracht hatte. Das erste Mal, dass sie sich hatte gehen lassen.- Dass sie ihre Gefühle offen gezeigt hatte. - In dieser Nacht hatte Toshis Liebe sie alles um sich herum vergessen lassen. Mit Leib und Seele hatte sie sich ihm hingegeben.- Sich mitreissen lassen von seinen heißen Küssen, die das Verlangen schürten, das schon so lange in ihr brannte. Letzte Nacht, da sie und Toshi endlich Eins waren, zum ersten Mal in ihrem Leben, da war sie der glücklichste Mensch auf der ganzen Welt gewesen. Und an diesem Morgen, wo sie aufgewacht war in den Armen des Mannes, den sie von ganzem Herzen liebte, dem sie bedingungslos vertraute und der alle ihre Geheimnisse teilte, da war dieses Gefühl noch viel stärker. - Und sie wünschte sich, dass es nie enden würde. Leider, kaum dass die ersten Sonnenstrahlen den neuen Tag begrüssten, holte das schrille Läuten des Telefons die beiden Verliebten wieder auf die Erde zurück. In Windeseile raffte Hitomi einige ihrer Kleidungsstücke zusammen, die verstreut auf dem Boden lagen. Und als sie begann sich anzuziehen blickte Toshi sie begehrend an. Hitomi kicherte. "Komm jetzt,- anziehen Romeo !" meinte sie kokett und hastete dürftig bekleidet zum Telefon. Sie hob den Hörer des Telefons ab und endlich verstummte das penetrante Klingeln. "Utzumi hier." meldete sie sich noch in Gedanken versunken, doch da bemerkte sie auch schon ihren Fehler. "Entschuldigung, ich meine hier ist Kisugi. Wer ist da ?" Ein schrilles Lachen drang aus dem Hörer und eine Teenagerstimme sagte "Wie ich sehe hast du Toshi überredet, Schwesterlein." "Love, du bist wirklich unmöglich !" "Wieso,- habe ich euch etwa bei etwas besonderem gestört ? - Denk dran,- ihr seid noch nicht verheiratet." "Ach, sei ruhig. Davon verstehst du nichts." "Aber du hast ja voll die Ahnung !" "Ja, vielleicht hast du ja gar nicht so unrecht." "Wow, Schwester ! Sag schon Hitomi, wie war's ? War Toshi gut ? Los, sag schon." "Nichts da, Love.- Keine Chance." "Oh, du bist blöd..." drang Loves kindlich naiver Tonfall aus dem Hörer und Hitomi konnte sogar ihr schmollendes Teenagergesicht vor ihrem geistigen Auge sehen. Sie musste lachen. "Ach und deshalb rufst du mich an ? Um mir zu sagen, dass ich blöd bin ?" "Nein, Nami lässt ausrichten, dass wir in einer Stunde da sind." antwortete Love und fügte mit ihrer frechen Stimme hinzu "Ihr habt also genügend Zeit, euch voneinander loszueisen und etwas anzuziehen. Ein kaltes Bad könnte auch helfen. Tschau Schwesterlein !" "Love ! Du bist ein Biest !" rief Hitomi empört ins Telefon, doch da hatte ihre Schwester schon längst aufgelegt. Hitomi knallte wütend den Hörer auf die Gabel. "Womit habe ich nur so eine Schwester verdient !" sagte sie, doch schon in der nächsten Sekunde war alles vergessen. Schliesslich war sie auch einmal jung gewesen und damals war sie bei Gott genau so ein Frechdachs wie Love gewesen. Hitomi blickte durchs Zimmer. Toshi war gegenagen und ein paar Sachen lagen noch auf dem Boden verstreut. "Typisch Männer. Zuerst heben sie dich in den Himmel und dann lassen sie dich mit der ganzen Arbeit sitzen." nörgelte sie. Doch als sie die warme Wolldecke aufhob, unter der sie die Nacht verbracht hatten, da musste sie auch schon wieder glücklich kichern. "Danke für die wunderbare Nacht, Toshi." flüsterte sie leise und legte sich verliebt die Decke um. In Gedanken versunken verschwand sie auf ihrem Zimmer. Kurze Zeit später in der Küche als sie das Frühstück bereitete, da war sie aber wieder ganz die Alte. Aus der leidenschaftlichen Frau von vorhin war wieder die Hitomi geworden, die es liebte ihren Toshi zu verwöhnen und ihn zu bemuttern. Sie dachte an die Worte ihrer Schwester. 'Das Leben verläuft nie so wie man es plant.' hatte sie gesagt und das sie eines Tages als Hausmütterchen hinter dem Herd enden würde, oder so.- Und vielleicht hatte sie ja auch recht. - Aber selbst wenn es so wäre, dann wäre es ganz okay, so lange Toshi bei ihr wäre. - Und je öfter sie darüber nachdachte, desto mehr begann sie davon zu träumen zu Hause in Japan eine grosse glückliche Familie zu sein. Plötzlich riss sie ein lautes Scharren aus ihren Träumen. "Toshi, was machst du denn schon wieder ?" polterte sie los ohne auch nur nachgesehen zu haben, denn sie war sicher, dass ihr Verlobter in seiner unendlichen Tolpatschigkeit wieder irgend etwas zerschlagen oder umgestossen hatte. Aber als keine Antwort kam, wurde sie dann doch etwas mißtrauisch. Neugierig lief sie ins Wohnzimmer und was sie da sah, verschlug ihr schier die Sprache. Toshi hatte einen riesigen Tannenbaum hereingeschleppt, der bis unter die Zimmerdecke reichte. "Wo hast du denn den her ?" fragte sie und bewunderte das edele Gewächs. Toshi grinste überlegen. "Wußtest du nicht das ich der perfekte Holzfäller bin?" "Prahl hier nicht so herum, zukünftiger Schwager. Den haben wir gekauft und du hast ihn nur reingetragen." hallte plötzlich eine Teenagerstimme durch den Raum. Hitomi fuhr herum und blickte die beiden Damen in Türrahmen verwundert an. "Ihr seid schon hier ?" Nami lachte. "Ja, wir dachten, dass ihr etwas Hilfe gut gebrauchen könntet." "Ist ja alles schön und gut, grosse Schwester." warf Love ein und stellte schnaufend ein großes Paket ab. "Ich helfe Hitomi und unserem zukünftigen Schwager ja auch gerne, aber wie wär's Herr Superdetektiv, würdest du erwägen auch noch weiter beim Ausladen zu helfen." Toshi lachte und verbeugte sich demutvoll wie ein englischer Diener. "Stets zu ihren Diensten. Ich werde mich sofort daran begeben." erwiderte er theatralisch und voller Tatendrang ging er hinaus. Love schüttelte den Kopf als sie ihm folgte. Nami blickte den beiden verwundert hinterher. "Was hast du denn mit Toshi gemacht ? So habe ich ihn ja noch nie gesehen." Hitomi lächelte zufrieden. "Ja, da kannst du mal sehen, was ein wenig Luftveränderung ausmachen kann." meinte sie. Doch ihr verschmitzes Grinsen ließ Nami sofort begreifen. Toshis Sinneswandel hatte weniger mit der Luft als mit dem Körper ihrer Schwester zu tun. Sie hatte es nur nicht offen gesagt, da sie wohl befürchtete, das ihre ältere Schwester sie schelten würde. Doch von diesen Gedanken war Nami weit entfernt. Sie fand, daß Hitomi alt genug war um zu wissen, was sie tat. Und so ging sie nicht weiter darauf ein. Inzwischen hatten Toshi und Love gemeinsam den Kleinbus ausgeladen, den sich die Schwestern gemietet hatten. All die vielen Pakete und Koffer daraus stapelten sich nun überall in der engen Berghütte. Es dauerte einige Zeit bis sie alles ausgepackt und sortiert hatten. Und als sie schließlich noch den großen Baum fertig geschmückt hatten läuteten die Glocken der Kirche unten im Dorf schon die Mittagszeit ein. Sie hatten in ihrer Hütte abseits des Grosstadttrubels garnicht bemerkt, wie die Zeit verflogen war. Und nun wurde es langsam Zeit, sich auf die Hochzeit vorzubereiten. Als Love ins Zimmer trat, war Toshi schon beinahe fertig. Er trug den feinen weissen Hochzeitsanzug, den sie ausgesucht hatten und mühte sich gerade seine Fliege zu binden. Love sah ihn bewundernd an. Noch nie hatte der Detektiv derart elegant ausgesehen. "Komm her, lass mich dir helfen !" bot Love an. "Nachher strangulierst du dich noch !" "Danke Love." erwiderte Toshi dankbar für die Hilfe. "Du, Toshi. Sag' mal was ist eigentlich mit dir los ? Du bist heute so anders als sonst.- Hast du 'was ?" "Wie meinst du das ? Mir geht es gut. Immerhin heirate ich gleich." "Ja, das ist es eben." entgegnete Love. "Früher hat dich doch schon der Gedanke an eine Verabredung mit Hitomi völlig aus der Fassung gebracht. Und jetzt heiratest du und bist kühler als ein Kühlschrank. Da stimmt doch etwas nicht !" Toshi schmunzelte. "Ach das meinst du. Weisst du, früher habe ich immer versucht alles richtig zu machen, erfolgreich zu sein, den coolen Mann zu spielen. Um alles in der Welt wollte ich Hitomi beeindrucken. Doch je mehr ich versuchte der perfekte Mann sein um so mehr ging schief." Er seufzte glücklich. "Aber seit gestern da bin ich sicher, das Hitomi mich so will wie ich bin. Sie will den Toshi, der ich einmal war - damals als wir uns kennenlernten. Sie will den Toshi der Träume hat und sich nicht sein Leben von seinem Chef oder seiner Arbeit diktieren lässt." "Und was hat dich zu dieser weltbewegenden Erkenntnis gebracht ?" Toshi schaute aus dem Fenster. "Der Schnee. " meinte er gedankenversunken. "Ja, der Schnee hat mich darauf gebracht." "Wie der Schnee ? - Was ist denn mit dem Schnee ? - Ist dir zu viel davon auf den Kopf gefallen und hat dein wenig Gehirn unterkühlt, oder was ?" "Ach Love." lachte Toshi. "Das verstehst du nicht. Schnee, Winter, warme Mäntel, Geborgenheit, all das ist Teil einer wunderschönen Erinnerung, die Hitomi und ich teilen." "Ja, du hast recht. Solchen Schmunzens verstehe ich wirklich nicht." erwiderte Love genervt von Toshis gefühlsbetontem Gesülze, wie sie es zu nennen pflegte. "Ich glaube, ich will auch garnicht wissen, was da letzte Nacht zwischen euch abgegangen ist. Aber eines lass dir gesagt sein, Bruder.- " begann sie schließlich und zog Toshis Binder so fest zu, dass er nach Luft rang. "Wenn du meine Schwester nicht glücklich machst, dann kannst du dich auf etwas gefasst machen." Toshi schnappte nach Luft. "Ja, ja, ist schon klar." keuchte er. "Aber jetzt lass mich los, sonst machst du deine Schwester schon vor der Hochzeit zur Witwe." Love lockerte den Knoten. Sie hatte es übertrieben. Sie hatte es eigentlich gar nicht tun wollen, doch etwas hatte sie dazu gezwungen. Beschämt zupfte sie wieder Toshis Querbinder zurecht. "Es tut mir leid, Toshi, aber Hitomi ist meine Lieblingsschwester und wenn man ihr wehtut, dann kann ich mich nicht beherrschen." "Ist schon gut." erwiderte Toshi immer noch ein wenig atemlos. "Ich verstehe dich nur zu gut. Hitomi hat mir erzählt, wie sehr du an deinen Schwestern hängst. Und auch wie sehr du dich danach sehnst deinen Vater kennenzulernen. Und ich wünsche dir, dass du ihn so bald wie möglich finden wirst." "Danke Toshi." sagte Love traurig. "Aber ich habe langsam schon aufgegeben daran zu glauben." "Ach, sag' sowas nicht, Kleines." erwiderte Toshi tröstend und schaute auf die Weckuhr die an seinem Bett stand. "Es ist noch früh, und die Kutsche kommt auch noch nicht, was hälst du von einem kleinen Spaziergang im Schnee? Vielleicht kannst du mir dabei etwas über deine Mutter erzählen." schlug Toshi vor. Er wusste von Hitomi, wie gerne Love von ihrer Mutter erzählte. Denn sie war der einzige Elternteil, den sie kennengelernt hatte. Und in ihren Erzählungen, da lebte sie weiter. "Ja, Mama... Sie war eine wunderbare Frau. Ich glaube sie wäre glücklich zu sehen, wie Hitomi heute heiratet." meinte Love und seufzte traurig. Aber Minuten später, als sie zusammen mit Toshi durch den Schnee vor dem Haus stapfte, da war sie wieder bester Laune. Von ihrer Mutter zu erzählen, war für sie die beste Medizin. "Sieh mal da !" meinte Hitomi plötzlich als sie aus dem Fenster ihres Zimmers blickte und die beiden Spaziergänger im Schnee sah. "Sie sehen aus wie Bruder und Schwester." Nami folgte den Blicken ihrer Schwester. "Ja, du hast recht." stimmte sie zu. "Machmal habe ich tatsächlich das Gefühl, dass Toshi für sie so etwas wie ein Bruder ist." "Er sieht wirklich klasse aus in seinem Anzug." stellte Hitomi bewundernd fest. "Findest du nicht ?" "Ja, er sollte öfter heiraten." scherzte Nami. "HA, HA. Wirklich witzig." entgegnete Hitomi wenig belustigt. "Wart' erstmal ab, wenn du heiratest." "Mensch Hitomi, das war doch nur ein Scherz. Warum bist du denn so gereizt?" "Entschuldige, aber ich bin schrecklich nervös. Was wenn mein Kleid nicht sauber ist. Was wenn ich vor lauter Angst kein Wort mehr herauskriege ? Hoffentlich geht alles gut. Was ist wenn Toshi auf meine Schleppe tritt ?" sorgte sich die Braut. "Dann fällt er hin." antwortete ihre Schwester schlagfertig. "Jetzt beruhige dich. Schau dich doch einmal an. In deinem Kleid siehst du aus wie eine Königin, aber du benimmst dich wie ein Kind. Und was Toshi betrifft.- Sieh' doch nur 'mal aus dem Fenster.- Findest du, dass so ein Tolpatsch aussieht ?" "Du hast ja recht, aber es ist ..." "Schluss jetzt, Hitomi. Es reicht. Gleich, wenn die Kutsche kommt, dann steigst du ein, fährst zur Kapelle, gehst zum Altar, hörst dir die Predigt an und wenn der Priester dich was fragt dann sagst du 'ja' und damit hat sich's und jetzt will ich kein Wort mehr hören." Hitomi nickte gehorsam. Sie war dankbar für den Beistand ihrer Schwester auch wenn sie gerade vielleicht etwas kühl und genervt geklungen haben sollte. Aber das war ihre Art sie dazu zu drängen, dass zu tun, was sie sch mehr als alles Andere wünschte - zu heiraten. Dennoch quälten sie Fragen und Zweifel. Warum, das wusste sie nicht. Sie hatte einfach das Gefühl, dass sie noch nicht bereit war. So sehr sie sich gestern Abend noch eine schnelle Hochzeit gewünscht hatte, so sehr wünschte sie sich jetzt noch ein wenig Zeit, bevor sie den entscheidenden Schritt wagen würde. Doch als sie eine Weile später zusammen mit ihrem Bräutigam und ihren Schwestern im Schlitten sass, da fielen die Sorgen langsam von ihr ab. 3. Hochzeitgefühle Es dämmerte schon leicht, als die beiden Pferde den Schlitten mit dem Hochzeitspaar über schneebedeckte Wege hinauf zu der kleinen Bergkapelle zogen. Das Geläut der Schlittenglocken, das Knarzen des Schnees unter den Kufen und die Nähe ihrer Freunde, all das liess Hitomi ihre Bedenken vergessen. Als sie an der kleinen Kapelle hoch oben auf dem Berg ankamen wartete Herr Nageischi bereits auf sie. Bei ihm war Monsieur Robert, der sich bereit erklärt hatte Toshis Trauzeuge zu sein. Nachdem man einander förmlich begrüsst hatte betrat Toshi zusammen mit dem Bistrobesitzer als Erster die Kirche. Der Gang, der durch die Bankreihen hindurch führte schien kilometerlang zu sein und auf seinem Weg zum Traualtar liess Toshi seinen Blick umherstreifen. Die Bänke waren nur spärlich gefüllt mit Personen, deren Gesichter er bei dem Bummel durch das Dorf gesehen hatte. Am Ende des Mittelganges angelangt fiel sein Blick auf den Pfarrer. Er war ein nicht sehr großer Mann mit Bart und gütigen Gesichtszügen. Seine Statur, sein Gesicht und die schmalen Augen verrieten seine Herkunft und Toshi konnte sich vorstellen, daß die Schwestern ihn vielleicht sogar extra aus Japan hatten einfliegen lassen. Die Türen der Kapelle öffneten sich und Nami und Love traten ein. Der Pater gab ein Zeichen zum Organisten auf der Empore und zu den Klängen des Hochzeitsmarsches schritten die Schwestern den Gang zum Altar hinunter und streuten einen Teppich von Rosenblättern. Erst nachdem sie schon ein Stück des Weges hinter sich hatten erschien dann auch endlich die Braut, geführt von Herrn Nageischi. Hitomi lächelte. Darum hatten ihre Schwestern sie so eindringlich nach ihrem Traum befragt. Sie hatten alles kopieren wollen. Das Marienkreutz auf dem Altar, die Blumengebinde, die Art wie Nami ihr das Haar hochgesteckt hatte,- Ein Knoten, der den Schleier trug. Ihr wundervoll gefertigtetes Brautkleid mit weitem Rock und langer Schleppe in einem Weiß, das heller strahlte als die Kerzenleuchter in der Kapelle... Doch in diesem Moment wurde all das übertroffen von dem Lächeln auf ihrem Gesicht. Hitomi war überglücklich aber auch zugleich schrecklich nervös. Der Priester begann mit der Trauungszeremonie und obwohl wahrscheinlich kaum einer der einheimischen Gäste japanisch verstand, war wohl einem jeden bewusst,wovon er predigte.- Und dann, zu guter Letzt, stellte er sie,- die Frage, die wohl in jedem Land auf der Welt die Gleiche war. Die Frage, deren Antwort Hitomi in den vergangenen Stunden schon so oft heimlich geübt hatte: "..Willst du, Hitomi Kisugi, diesen Mann Toshi Utzumi zu deinem rechtmäßig angetrauten Mann nehmen ?" Doch jetzt wo sie nur noch drei Worte von der Erfüllung ihres Traumes entfernt war, da zögerte sie. Sie spürte die erwartungsvollen Blicke der Besucher in ihrem Rücken,- sah in die fragenden Gesichter ihrer Schwestern. Ihr Mund war wirklich so trocken wie die Sahara und sie wünschte sich tatsächlich, dass sie dieser Entscheidung entfliehen könne. Verängstigt blickte sie ihren Verlobten an und da war es,- das Zeichen, auf das sie vielleicht die ganze Zeit über gewartet hatte.- Der zuversichtliche Blick auf Toshis Gesicht,- die Art wie er verstohlen ihre Hand ergriff und festhielt bestärkten sie in dem Gefühl, dass alles gut werden würde.- Sie war sicher, dass sie das Richtige tat. Und mit einem Mal waren alle Zweifel und Nervosität verschwunden und ihre Stimme klang klar und hell wie eine Glocke als sie antwortete.. "JA, ICH WILL." Hitomi war erleichtert und überglücklich. Sie hatte ihr Heiratsversprechen erfüllt und nun war es an ihrem Verlobten das Seinige einzulösen. Als Toshi schließlich die Frage gestellt bekam, die wohl sein ganzes Leben ändern würde, da war er gefasster denn je.. Er wollte, dass die ganze Welt erfahren möge, wie sehr er diese Frau liebte.. "JA, ICH WILL." An diesem Tag und an diesem Ort, so hatte er sich geschworen, würde für ihn ein neues Leben beginnen. Das frisch vermählte Paar tauschte die Ringe tauschte und der Pfarrer sprach die Worte, die die Liebenden für immer binden würden.- Die Worte, die selbst nach Jahren noch Bestand haben sollten.... "Und hiermit erkläre ich euch zu Frau und Mann. - Sie dürfen die Braut jetzt küssen." Die Gäste applaudierten und wünschten dem Paar von herzen Glück, doch Toshi hatte nur einen Gedanken. Er wollte Hitomi einen Kuss geben, von dem sie beide noch ihr Leben lang träumen würden. Vorsichtig lüftete er den Schleier seiner Frau und sie pressten zärtlich ihre Lippen aufeinander. Und mit einem Mal, da war es ihnen, als ob sie ganz allein wären.- Nur sie allein und die Welt lag ihnen zu Füssen. Nach dem Ende der Zeremonie fuhr die Hochzeitsgesellschaft mit Pferdeschlitten hinunter ins Dorf. Das Geläut der vielen Schlittenglocken, das sanfte Geräusch des Schnees unter den Kufen, das die Stille des Waldes durchschnitt und das Meer von leuchtenden Winterfackeln, die sie begleiteten, all das machte diese Fahrt zu einem einmaligen und unvergeßlichen Erlebnis. Im Bistro der Familie Robert hatten die Schwestern eine kleine Feier im engsten Kreise arrangiert. Doch wegen des nahen Weihnachtsfestes wollte keiner allzu lange bleiben. Herr Nageishi war bereits nach dem Empfang abgereist, um die Weihnachtstage in Japan bei seiner Familie zu verbringen,- das sagte er jedenfalls den Schwestern, als er sich verabschiedete. Und so kam es dann, dass die drei Schwestern und der Detektiv schon lange vor Mitternacht wieder zurück in ihrer Berghütte waren. Bei Kaffee und Punsch saßen sie zusammen vor dem Kamin und ließen den letzten Tag Revue passieren. Hitomi blickte immer wieder auf den Ehering an ihrem Finger um sich dann wortlos noch etwas enger an ihren Mann zu kuscheln. "Sag' mal, Hitomi, hast du etwas ? " fragte Nami ihre Schwester, nachdem sie sie eine Weile lang beobachtet hatte. "Äh, nein, nein, was soll ich denn haben ?" wich Hitomi verlegen aus. "Na ja, also du sitzt schon den ganzen Abend da und starrst auf deinen Ring.- Gefällt er dir nicht ?" "Nein, nein. Es ist nur - ich kann es noch gar nicht glauben, dass ich verheiratet bin." Love kicherte. "Warte 'mal bis Toshi dich seinen Verwandten mit 'Ach ja, und das ist meine Frau' vorstellt." "Ja, und spätestens wenn du die erste Windel wechselst, wirst du es begreifen." fügte Nami grinsend hinzu. Hitomi nickte. "Ja, das kann verdammt schnell gehen." "Es ist schon komisch." begann Toshi nach einer Weile nachdenklich. "Ich habe mich immer gefragt, was sich ändern würde, wenn ich einmal verheiratet bin." "Ich weiß es.. Jetzt darfst du Hitomi begrapschen, ohne daß sie dir eine klebt.- Das ist doch schon was." lästerte Love, doch Toshi schüttelte nur den Kopf. "Nein, das meine ich nicht." erwiderte er und nahm bedächtig einen Schluck aus seinem Becher Punsch. "Seit ich nach Tokio gekommen bin und Hitomi kennengelernt habe, habe ich fast jede Minute meiner Freizeit bei euch verbracht." Toshi stockte einen Augenblick und starrte in das Kaminfeuer. "Aber welche Wahl hat man schon, wenn man keine Familie hat." meinte er schliesslich und Hitomi spürte wie traurig er war. Vorsichtig und tröstend legte sie ihren Kopf auf seine Schulter. "Du Toshi," begann sie leise. "So lange ich dich kenne hast du noch nie richtig von deinen Eltern erzählt. Hast du sie eigentlich jemals kennen gelernt ?" Toshi küsste seine Frau zärtlich auf die Stirn. "Weisst du, was meine Eltern betrifft, da geht es mir genau so wie euch. Aber dass ist eine lange Geschichte." erwiderte er etwas ausweichend. "Ich möchte sie hören, Toshi." "Also gut." begann Toshi leise. "Wir wohnten in Tachikawa und ich war gerade zehn, als Vater Mutter und mich bei Nacht und Nebel verlassen hat. Mutter hat das nie verwunden und sie wurde schwer krank. Als sie gestorben ist, war ich gerade zwölf Jahre alt. Ich zog zu meinem Onkel. Er hatte nur eine kleine Wohnung. Platz war Mangelware, doch irgendwie haben wir es immer geschafft. Ich glaube, abgesehen von den beiden Jahren allein mit meiner Mutter, waren das wohl die glücklichsten Jahre meiner Kindheit. Aber dann wurde meine Nichte geboren und der Platz in der Wohnung langte vorne und hinten nicht mehr. Auch mit dem Geld wurde es knapp und so habe ich in einem kleinen Fotolabor gearbeitet. Der Job hat mir richtig Spass gemacht und da habe ich mich entschieden, Fotograf zu werden. Und da ich ohnehin irgendwann auf die Universität gehen wollte, bin ich im Sommer vor der Highschool nach Tokio zu meinen Großeltern gezogen. Na ja, den Rest kennt ihr ja." "Aber eines verstehe ich nicht, Schwager." meinte Nami. "Warum um alles in der Welt hast du dich dann entschieden zur Polizei zu gehen ?" "Der Grund war mein Vater. Er war auch Polizist, bis er wegen persönlichen Verfehlungen den Dienst quittieren mußte.- Kein leuchtendes Vorbild also." Toshi lachte verlegen . "Wie der Vater so der Sohn, denke ich." meinte er. "Aber, was ist eigentlich mit eurem Vater ?" "Na ja," sagte Nami leise. "Es gibt da viele Dinge, die wir nicht wissen. Wir haben zwar viele Informationen, aber auch viel Widersprüchliches." "Wann ist euer Vater eigentlich verschwunden ?" wollte Toshi wissen. "Na ja, so genau wissen wir das auch nicht. Im Frühsommer 1968 reiste Vater mit all seinen Kunstwerken im Gepäck in die USA. Seitdem ist er verschwunden. Achtzehn Jahre ist das jetzt her. Ich war zehn, Hitomi sieben und Mutter war im neunten Monat mit Love schwanger." "Kennt ihr die Hintergründe ? Habt ihr eine Ahnung was ihn dazu brachte ?" "Na ja, es ist bisher nur eine Vermutung." erklärte Nami. "Wie du weißt ist Vater deutscher Abstammung. Vor dem zweiten Weltkrieg lebte er als junger angesehener Künstler in Deutschland. Zu Beginn des Krieges floh er unter dem Druck des Nazi-Regimes hier nach Frankreich. Wir wissen, dass er zusammen mit Freunden eine Untergrundbewegung gründete, die es sich zum Ziel machte Kunstwerke vor den Nazi-Deutschen in Sicherheit zu bringen." Toshi nickte. Er hatte sich während seine Arbeit am Fall Katzenauge ein nicht unerhebliches Kunstwissen angeeignet. "Soweit ich weiß hatten die Deutschen bei Ende des Krieges Unmengen gestohlener Kunstwerke angehäuft. Vieles davon fiel in die Hände der Siegermächte und verschwand. Einige der geheimen Lagerorte wurden bis heute nicht entdeckt. Kunstexperten schätzen den Wert der verschwundenen Kunstwerke auf mehrere Billonen Yen." Nami nickte. "Du weißt sehr gut Bescheid, Toshi." lobte sie. "Es gibt Hinweise, daß Vaters Gruppe später sogar Beutekunst von den Nazis zurück gestohlen hat. Aber der wohl entscheidende Punkt ist, das Vater dem größten Kunstraub beigewohnt haben soll.- Dem Raub des Bernsteinzimmers." "Aber es ist doch während des Krieges bei einem Brand vernichtet worden." warf Toshi ein und wieder blickte Nami ihn lobend an. "Ja, so ist die offizielle Version. Aber es gibt keine Beweise, das es vernichtet wurde oder nicht. Bei unserem letzten Besuch in Frankreich haben wir jedoch mit einem Mann geredet, der bezeugen kann, daß Vater eine Untergrundgruppe angeführt hat, die den Güterzug mit dem gestohlenen Bernsteinzimmer auf dem Weg von Königsberg nach Berlin umgeleitet hat. Sollte dieses Zimmer wirklich noch existieren und irgendwo lagern, dann wäre Vater einer der wenigen, die wüßten wo." Toshi hatte verstanden. "Und damit würde das euren Vater zum meistgesuchten Mann machen. Kunstsammler, Neonazistische Organisationen." "Ja, genau. Nach dem Krieg mußte Vater ständig auf der Flucht gewesen sein - von Land zu Land. Frankreich, Schweiz, Österreich. Dann 1957, lernte er in Japan unsere Mutter kennen. Sie heirateten und ich wurde geboren. Lange Zeit lebten wir unerkannt zurückgezogen in einem kleinen Fischerdorf bei Itzu. Vielleicht wußte nicht einmal Mutter die Wahrheit über Vaters Vergangenheit. Ihr hatte er nämlich gesagt, er würde wegen einer Ausstellung in die USA reisen. Wir denken, daß er zu diesem Zeitpunkt aber schon wieder vor seinen Verfolgern floh. Jedenfalls lernte er Herrn Nageischi kennen, der zu dieser Zeit Botschafter in Chicago war. Um uns Kinder zu schützen wies Vater unsere Mutter an nach Tokio zu gehen und wieder ihren Mädchennamen Kisugi anzunehmen. Sie stellte keine Fragen." "Und ihr habt seit dem nichts mehr von ihm gehört ?" "Vaters Nachrichten, die er uns über Herr Nageishi übermittelte, wurden immer spärlicher. Ob es deshalb war, weil seine Feinde ihm immer näher auf den Fersen waren, wissen wir nicht. Doch dann plötzlich tauchten überall Kunstwerke von Vater auf. Wir nehmen an, man hat ihn gefunden, verschleppt und seiner Kunstwerke beraubt." "Habt ihr denn schon Hinweise wohin er entführt wurde ?" "Wir wissen, daß er nicht nach Japan zurückgekehrt ist, so wie man es uns glauben machen wollte. Aber wo genau er jetzt ist hoffen wir durch seine Gemälde zu erfahren." "Aber warum um alles in der Welt beginnt ihr in Frankreich mit der Suche ?" "Dies war das erste Land, das Vater Unterschlupf bot. Und wir glauben zu wissen, das der grösste Teil der gestohlenen Sammlung von Frankreich aus nach Japan verschachert wurde. Warum fast ausschließlich nach Japan ist wiederum ein großes Rätsel." antwortete Nami. "Glaubt ihr, dass euer Vater in Frankreich ist ?" "Nein, das wäre zu leicht nachzuverfolgen." erwiderte Nami. "Aber wenn wir erst einmal eine Spur haben oder die Hehler ausfindig machen, dann werden wir weitersehen. Nötigenfalls reisen wir in all die Länder, in die er geflohen ist." "Und wie weit seid ihr mit der Spurensuche ?" "Nicht sehr weit. Alle Spuren, die wir bisher verfolgt haben endeten im Nichts." gab Nami ernüchtert zu. "Aber Herr Nageishi hat einige Freunde in Botschafterkreisen und er will sehen, ob sie etwas für uns tun können." "Das klingt aber nicht gerade sehr vielversprechend." meinte Toshi. Love, die bisher geschwiegen hatte seufzte. Tränen standen in ihren Augen. "Ja, ich glaube schon nicht mehr daran, dass wir Vater finden weren." Nami, die neben ihr saß, nahm sie zärtlich in den Arm. "Komm schon Kleines, so schlimm sieht es nicht aus." flüsterte sie und Hitomi sah ihren Mann mit einem etwas bösen Blick an. Warum hatte er das nur gesagt. Natürlich waren die Hinweise, die sie hatten dürftig. Aber es in Loves Gegenwart so offen zu sagen, wo er doch wußte wie sehr sie ihren Vater vermißte - das war taktlos. Wortlos schrieb sie einige Japanische Kanjii-Schriftzeichen in Toshis offene Handfläche. Ihr Mann nickte verständig und verschwand aus dem Zimmer. Nach einer Weile kehrte er mit einer Schallplatte und einem kleinen tragbaren Plattenspieler zurück. Die jüngste der drei Schwestern wischte sich die Tränen aus den Augen und strahlte als sie sah, was ihr Schwager einer Aufforderung gleich vor sie hingelegt hatte. "Weihnachtsgrüße von Vater. Danke Toshi" sagte sie leise und als sie die Vinylscheibe schließlich auspackte, da tat sie das betont vorsichtig, zärtlich beinahe, so als wäre es eine Kostbarkeit, was es ja für sie auch war. Die drei Schwestern waren glücklich die Stimme ihres Vaters zu hören. Es war eine sonore und ausgesprochen männliche Stimme, deren Klang auf einen besonnenen und gütigen aber dennoch entschlossen Charakter schließen ließ. Selbst Toshi, der den Vater der drei Töchter noch nie gesehen hatte, machte sich plötzlich ein Bild von ihm und es schien ihm, als ob er diesen Mann schon seit Ewigkeiten kannte. Etwas jedoch machte ihn stutzig. Zuerst hatte er gedacht, es läge daran, daß die Platte so oft abgespielt worden war, doch je länger er es hörte, desto mehr hatte er das Gefühl das dieses Knacken, Rauschen und Rumpeln, das er hörte, nicht daher kam. Aber an diesem Abend wollte er sich nicht weiter damit beschäftigen. 4. Eine merkwürdige Weihnachtstradition Der neue Morgen dämmerte und die kleine Familie saß gerade beim Frühstück, als mit einem Mal das Telefon klingelte. "Ich geh' schon." rief Love und hastete in das Wohnzimmer der Hütte. Neugierig nahm sie den Hörer ab. "Hier bei Utzumi." meldete sie sich. "Ach, sie sind's Herr Nageischi... Ja, danke. Frohe Weihnachten auch für sie... Ja, die ist hier. Moment bitte.." Love nahm den Hörer vom Ohr und deckte die Sprechmuschel mit der Hand ab. "Nami, Herr Nageischi möchte dich sprechen." rief sie und Nami eilte herbei. Love zuckte unwissend mit den Schultern, als sie ihrer großen Schwester das Telefon übergab. "Ja, Nami Kisugi hier... Ja, Herr Nageischi.. Ja, ich verstehe.. Ja, wir machen uns sofort auf den Weg.. Ja, wir treffen sie beide dann im Hotel.. Ja, bis dann." Die älteste der drei Schwestern legte auf und sie machte ein nachdenkliches und ernstes Gesicht als sie wieder zu den Anderen an den Tisch zurückkehrte. "Es tut mir leid, Hitomi. Aber wir können nicht länger bleiben. Herr Nageishi hat Hinweise gefunden. Und er möchte, daß wir sofort wieder nach Paris zurückkehren." "Gut, wann fahren wir ?" fragte Hitomi, doch Nami winkte sofort ab. "Nein, nein. Love und ich, wir fahren allein zurück. Ihr bleibt schön hier." entgegnete sie bestimmt. "Geniesst die paar Tage, die ihr noch hier seid. Immerhin sind das so etwas wie eure Flitterwochen und wer weiß, wieviel Zeit ihr noch für einander habt, wenn die Jagd nach Vater mal richtig beginnt." "Wenn du meinst..." Hitomis Gesicht verriet Enttäuschung, doch innerlich war sie glücklich. Zum ersten Mal hatte sie keine Bedenken ihre Schwestern alleine ziehen zu lassen. Schließlich mußte sie sich ja auch noch um Toshi kümmern und da gab es, wie sie fand, noch einige Kußtechniken, die er zu lernen hatte. Sie war einfach verrückt nach diesem Mann. Ein Blick von ihm und sie warf alle Vorsätze über Bord. "Mach dir keine Sorgen um uns." beruhigte Nami. "Wir kommen schon klar. Die Zeitung des gestrigen Abends war für Toshi mehr ein Bilderbuch. Er fragte sich, wie jemand um alles in der Welt nur solche eine Sprache verstehen konnte? "Kommst du?" Toshi blickte auf. Hitomi hatte ihren Wintermantel angezogen und stand ungedulig vor dem Tisch. Nami und Love waren sofort nach dem Frühstück losgefahren. Er hatte noch einmal etwas Holz geschlagen und nun erholte er sich gerade ein wenig von der Kälte. "Jetzt schon?" "Weißt du nicht mehr, was du mir versprochen hast?" Toshi seufzte. "JA, ja, das Hundeschlittenrennen.- Was hälst du davon wenn wir statt dessen hier in der warmen ...." "Toshi!" unterbrach Hitomi ihre Augen wurden noch schmaler und grimmiger. "Ich habe solch ein Rennen noch nie gesehen, und wenn du nicht mitkommst, dann gehe ich alleine." Er nickte niedergeschlagen. "Ja, ja, ich komme ja mit." Seine Frau war ein Tiernarr. Tierlieb konnte man das nicht mehr nennen und hätten sie den Platz gehabt, dann wäre das Café Katzenauge wohl das erste Café mit eigenem Zoo geworden. Es war also völlig aussichtslos sie von ihrem Vorhaben abzubringen.- Er mußte hinaus in die Kälte, wollte er sie nicht alleine gehen lassen und so seine Flitterwochen ruinieren. Die Morgenluft war kühl und die Sonne kroch erst hinter den Berggipfeln hervor. Er fröstelte, doch er versuchte nicht daran zu denken. So würde es vielleicht etwas erträglicher werden. Er dachte an die merkwürdigen Geräusche auf der Schallplatte mit den Weihnachtsgrüßen, die er am Abend zuvor gehört hatte.- Er hatte da diese Ahnung... Hundegebell schallte aus dem Dorf hinauf. Warum ausgerechnet ein Hundeschlittenrennen ? - Meerschweinchenweitwurf, Flohdressur, egal,- aber Hundeschlitten..- Er haßte diesen Sport. Toshi merkte auf. Ein großer dunkler und nobler Wagen mit fremdem Kennzeichen kam ihnen auf der engen unbefestigten Straße entgegen. Zwei Männer in dunklen Trenchcoats saßen darin und Toshi konnte genau ihre asiatisch angehauchten Gesichter sehen, als er auf dem unbefestigten Straßenrand stehen blieb, um den Wagen passieren zu lassen. Er blickte dem Wagen hinterher und fragte sich wo die Männer hinwollten. Dort wo diese Straße hinauf führte gab es außer solch kleinen Berghütten, wie sie eine bewohnten, keinerlei andere Gebäude. Und wie Urlauber hatten die Männer nicht gerade ausgesehen. Das Rennen, das ein jedes Jahr am Morgen des ersten Weihnachtstages vom Marktplatz des Dorfes aus gestartet wurde, war eine Tradition. Aus der ganzen Umgebung kamen die Einwohner und Urlauber herbei um die Starter und ihre Gespanne zu bewundern. Am Startplatz herrschte reges Treiben und wie bei einem Volksfest üblich gab es natürlich auch Marktstände, wo Kaffee und heiße Getränke verkauft wurden. Der Duft von heißem Punsch lag in der Luft und sofort bekam Toshi Durst. "Ich hätte Lust auf einen Becher heißen Punsch, möchtest du auch etwas?" Hitomi schüttelte angewidert den Kopf. "IGITT.- Nein Danke. Du weißt doch, daß ich Punsch hasse." antwortete sie. "Du kannst dir aber gerne etwas holen. Ich werde mich in der Zwischenzeit etwas umsehen. Wir treffen uns dann nachher wieder hier." Toshi stimmte zu und nach einem liebevollen Kuß trennten sich ihre Wege. Hitomi verschwand in der Menge und ihr Mann suchte sich einen Getränkestand abseits des Trubels. Zufrieden lehnte er sich mit einem Becher seines liebsten Wintergetränkes an den Tresen. Er haßte Menschenmassen. Das Gedränge. Das Gefühl erdrückt zu werden. Früher war es ganz schlimm für ihn gewesen, doch mittlerweile hatte er sich etwas daran gewöhnt. Das war wohl auch nötig wenn man in einer Großstadt wie Tokio wohnte. Ruhig ging sein Blick über die Besucher. Es waren vielleicht 300 Personen, die in Trauben um die wenigen weiträumig verteilten Teilnehmer des Rennens standen. Toshis Augen suchten seine Frau zu finden. Sie stand abseits des Trubels bei einem Teilnehmer, dem die übrigen Besucher kaum Beachtung schenkten. - Er lachte in sich hinein: Sie hatte wohl ein Faible für Verlierer und Außenseiter.- Darum hatte sie sich wohl auch in ihn verliebt. - Ihre Blicke trafen sich und sie lächelte ihm zu. Toshi erwiderte den Blick und ließ seine Augen weiter umherschweifen. Er fühlte die Aufregung der Tiere, wußte die Anspannung in den Gesichtern der Hundeführer zu deuten. Monatelanges Training, egal ob Sommer oder Winter, ja auch er hatte es einmal... "Toshi !" Er fuhr herum. Funkelnde Augen umrandet von tiefen Krähenfüßen sahen ihn aus einem gegerbten Gesicht an. Ein schwarzer Bart verdeckte den Rest und machte es schwer, das Alter dieser Person zu schätzen. Aber an die 70 mußte er schon sein. "Kennen wir uns?" Der kleine Mann hob seine Brauen und legte den Kopf zur Seite. Verachtend sah er sein viel größeres Gegenüber aus den Augenwinkeln an. Toshi merkte auf: Er kannte diesen Blick. Es war der Blick einer Person, die ihm einst sehr viel bedeutet hatte. "Mitamura? - Was machst du denn hier?" Das Gesicht des Alten verzog sich zu einem Grinsen. "Ah, hat dir der Großstadttrubel doch nicht das Gehirn vernebelt." Toshi lachte herzlich. Der Mann vor ihm war etwas ganz besonderes, auch wenn er nur der Freund seines Onkels war. "Hey, es kann ja nicht jeder wie ein Einsiedler leben!" "Das hat dich aber früher nicht gestört, Junge.- Jede freie Minute hast du bei uns verbracht, jedes Wochenende, die Ferien.- Wir haben dich wirklich gerne bei uns gehabt." Toshi nickte. "Ja, aber ich bereue nicht, nach Tokio gegangen zu sein." "Das wundert mich nicht, bei dem süßen Käfer, den du dir geangelt hast." Toshi sah den alten Mann verwundert an, doch der antwortete nicht und zog seine Mundwinkel noch höher. "Sag mal steht steht mir das ins Gesicht geschrieben, das ich geheiratet habe, oder was, du alter Bär du?" "Alter Bär, wie lange hat das schon keiner mehr zu mir gesagt." seufzte der Alte und zeigte in die Richtung in der Hitomi stand. "Der Junge da hinten bei deiner Frau ist mein neuer Schüler. Nicht so ein Talent, wie mein Letzter, aber der hat mich ja verlassen, um in die Großstadt zu gehen." "Fang bitte nicht wieder damit an." sagte Toshi. "Ich habe dir doch oft genug erklärt warum ich gegangen bin." "Aber ich verstehe es nicht. Du warst gut, verdammt gut." "Es gab keinen Weg, alles unter einen Hut zu bringen.- Ich habe es doch versucht." Der alte Mann nickte wortlos. "Er hat lange gebraucht, dich zu vergessen." sagte er und sah zu dem Rudel Huskies, die angespannt waren. "Du hast ihn noch? - Ich dachte du hättest ihn schon längst verkauft." "Ja, nach deinem Sieg im Neujahrsrennen 1982 gab es Angebote zu Hauf.- Aber so lange ich noch die Hoffung hege, das mein Champion eines Tages zurückkehrt, werde ich deinen Joe doch nicht verkaufen." Toshi strafte den Alten mit bösen Blicken. "Sag mal, was machst du eigentlich hier? - Du bist doch noch nie außerhalb von Japan gestartet." Der Alte sah seinen Schüler mit funkelnden Augen an. "Es ist viel passiert, seit dem du gegangen bist.- Ich habe mittlerweile einen Ruf als Züchter und da kann ich es mir nicht leisten bei so einem Rennen zu fehlen." "Auch den Yukon-Quest?" fragte Toshi. Der alte Mann nickte. "Ja, das Rennen der Rennen werden wir auch bestreiten. Obwohl ich glaube, das wir noch keine Chance haben. Dem Jungen fehlt einfach die Erfahrung, die ein gewisser Detektiv hätte." Toshi lachte. "Du gibst es auch nicht auf, oder ? Aber du kannst mich schlagen, treten, an den Ohren ziehen oder sonstwas, ich werde nicht mehr fahren." "Ach, Toshi. Laß doch einem alten Mann seine Träume." "Träume sind ..." Toshi stockte. Zwei Männer hatten begonnen systematisch den Marktplatz zu durchkämmen. Sie waren ihm aufgefallen, weil sie den gleichen weißen Schneeanzug und die gleiche dunkle Sonnenbrille trugen. Sofort rief sich Toshi die Bilder vom Morgen wieder ins Gedächtnis.- Ja, er war sicher.- Das waren die selben Männer, die ihnen am Morgen mit dem Wagen auf der Bergstraße entgegen gekommen waren. - Und irgendwie glaubte er zu ahnen, wen sie suchten... "Was ist Champ?" fragte der Alte. "Bleib hier. " gab der Detektiv einem Befehl gleich zurück und nahm den frisch eingegossenen Becher Punsch, den er sich sein Freund gerade bestellt hatte. Hitomi war verwirrt. Der alte Kauz, dem dieser Schlitten hier scheinbar gehörte, hatte sie mit weit aufgerissenen Augen angestarrt, als sie sich vorgestellt hatte. Sein Blick war hektisch umhergegangen und sein alter ausgemergelter Körper war zu neuem Leben erwacht, als er Toshi schließlich erblickt hatte. Nun standen die beiden dort schon eine ganze Weile an diesem Stand und redeten, als ob sie sich schon seit Jahren kannten. Der junge Schlittenführer neben ihr begann nun sein Gefährt für den Start vorzubereiten und sie verabschiedete sich von ihm um langsam zu ihrem Mann hinüber zu gehen. Sie machte einige Schritte, doch dann blieb sie stehen. Sie spürte den Lauf einer Pistole in ihrem Rücken und ahnte, daß sie in großen Schwierigkeiten war. "Ganz ruhig, Fräulein Hitomi. Oder sollte ich Katzenauge sagen." flüsterte ihr eine rauhe Männerstimme ins Ohr. "Es gibt da einige Leute, die sie gerne sprechen würden. Folgen sie mir jetzt bitte." Hitomi zögerte der unmißverständlichen Aufforderung nachzukommen. "Machen sie keine Schwierigkeiten." drohte der Mann. "Kommen sie einfach mit." fügte er hinzu und um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, bohrte er seine Pistole noch fester in ihren Rücken. Hitomi schätzte ihre Lage hoffnungslos ein und sie wollte sich schon geschlagen geben, als ihr Mann plötzlich vor ihr stand. Wie ein Geist war er aus der Menge aufgetaucht und hielt einen Becher in der Hand. "Hier ist dein heißer Punsch." Ein Gedanke durchzuckte Hitomi- hoffentlich war es der Richtige. Blitzschnell nahm sie den Kopf zur Seite und der heiße Inhalt des Bechers landete im Gesicht des Fremden. Der Angreifer schlug die Hände vor das Gesicht und schrie kurz auf, doch noch bevor er sich erholt hatte, schickte Hitomi ihn mit einem kurzen Schlag in den Magen und einer gekonnten Handkante in den Schnee. Die junge Frau pustete erleichtert. 'So weit- so gut' dachte sie. Dennoch hatte das Ganze auch einen Haken. Der Trubel und das Raunen der umhersteheden Passanten hatte natürlich auch die Aufmerksamkeit des anderen Verfolgers geweckt. Und der bahnte sich nun unaufhaltsam seinen Weg durch die gaffende Menge. Noch einmal würde solch ein plumper Trick nicht funktionieren. Das wußte auch Toshi und so entschied er sich für die Flucht nach vorn. Der Hundeschlitten um den herum sie standen schien der einzige Weg... Toshi stieß einen merkwürdigen Pfiff aus und ein Paar verschiedenfarbiger Hundeaugen sah ihn fragend an. Das grau-weiß gescheckte Tier am Kopf des Gespannes zögerte und grummelte leise, doch dann schien es sich irgendwie zu erinnern. Hitomi sah ihren Mann an. Ihr Ausdruck war eine Mischung aus Liebe, Unverständnis und Furcht.- 'Mein Gott, sie sieht so süß aus.- Entschuldigung.' dachte Toshi und stieß seine Frau rüde in den Schlitten. "Festhalten" herrschte er und schob das Gespann an. Ein Blick über seine Schulter ließ ihn das breite Lachen auf dem Gesicht seines alten Lehrers sehen. "Zeig's ihnen Champ!" rief er ihnen laut hinterher und hob siegessicher die Faust. Toshi nickte. Immer schneller liefen die Hunde durch den Ort und Besucher sprangen kreischend bei Seite. Es brauchte nicht viele Worte um ein Gespann zu lenken, besonders dann nicht wenn es sein Hund war, der führte.- Der Hund, den er schon als Welpen kannte. Es war, als wäre ein Teil von ihm gestorben, als er dieses Tier zurücklassen mußte. Aber er war sicher, das die Großstadt nicht der richtige Ort für solch einen Hund war. "Ich nehme an, du kannst mit diesem Teil hier umgehen ?" fragte Hitomi und schmiegte sich ein wenig ängstlich in den Sitz. Toshi lächelte. "Bist du als Kind früher nie Schlitten gefahren?" "Toll, dann bist du ja ein Profi.- Das ist eine dämliche Idee, weißt du das!" schimpfte Hitomi. "Das stört mich nicht." meinte Toshi gelassen und das Grinsen auf seinem Gesicht wurde noch etwas breiter.- Er war nicht solch ein Multitalent wie seine Frau, doch wenn es etwas gab, wo er ganz gut war, dann dies hier. Es war wie Fahrrad fahren.- Man verlernte es nicht,- zumindest so lange das Fahhrad einen noch erkannte.. Inzwischen hatten sie das Dorf hinter sich gelassen und sie fuhren entlang des Parcours, der für das Rennen ausgeschildert war. Toshi blickte sich um. Zunächst schien ihnen noch keiner zu folgen. Dennoch nahm er die Hunde nicht zurück. Immer tiefer führte der Weg in den Wald und immer steiler ging es hinauf. Die Tiere mühten sich und immer wieder stieg Toshi ab und schob mit an. "Die geben bestimmt nicht so leicht auf !" prophezeite er gerade noch, da waren bereits Motorengeräusche zu hören. Hitomi lehnte sich aus dem Sitz und sah zurück. Ein bewaffneter Mann auf einem Schneemobil verfolgte sie und es war nur noch eine Frage von Minuten, bis er soweit herangekommen wäre, daß er das Feuer eröffnen würde. "Und was nun, Superdetektiv ? Der ist bewaffnet und wir haben noch nicht mal eine Steinschleuder." meckerte Hitomi. "Willst du ihn mit Schneebällen bewerfen?" "Weisst du, Hitomi." entgegnete Toshi gelassen. "Wenn du dich mit jemandem anlegst, dann sorge dafür, daß du einen entscheidenden Vorteil hast. Er hat vielleicht ein Gewehr und seine Maschine mag etwas schneller sein, als unser Schlitten, aber wir sind wendiger und wir haben die Hunde." "Schön. Laß es dir von den Hunden auf unseren Grabstein ritzen. 'Sie wurden erschoßen, aber sie waren wendiger. WUFF'" "Sieh mal nicht so schwarz, Schatz." Immer wieder blickte Hitomi ängstlich zurück. Toshi war inzwischen in zerklüftetes Gelände vorgestoßen. Felsbrocken, unbedeckt von Schnee, lagen verstreut umher und sie bewunderte ihren Mann, wie er gekonnt zwischen ihnen hindurch manövrierte. Sie waren weit abseits der Pisten und überall lauerten Klippen und Abbruchkanten, wo es Meter tief hinunter ging. Hitomi erschrak. Der Klang von Gewehrschüssen gesellte sich zu dem vertraut gewordenen Grollen des Schneemobils. Toshi duckte sich instinktiv und sah nach hinten. "Er kommt schnell näher." meinte er und als ob die Hunde ihn verstanden hätten gaben sie ihr Äußertes im hohen Pulverschnee noch schneller voran zu kommen. Immer teifer sanken ihre Pfoten und die Kufen des Schlittens ein. "Zeit für die Jagd am Abgrund." murmelte Toshi und seine Frau sah ihn überrascht an. "Du willst doch nicht...." fragte sie, doch der Ausdruck auf dem Gesicht ihres Mannes war Antwort genug. Die Art, wie seine Augen starr den Weg vor ihnen fixierten,- Das konnte nur Eines bedeuten.- Und tatsächlich... Links und rechts begrenzt von Geröll riß weniger als 500m vor ihnen die Schneedecke des Weges auf. Es war eine Klippe. Ein Abhang, der vielleicht hunderte Meter steil in die Tiefe führte. Und sie fuhren genau darauf zu. "TOSHI, TOSHI ! PASS AUF ! DA IST EINE KLIPPE ! TOOSHIII !" schrie Hitomi hysterisch, doch in diesem Moment war ihr Mann die Ruhe in Person. "Ich weiß." antwortete er gelassen. "Was hast du vor ?" "Siehst du den Felsbrocken vor uns ? Dahinter springst du ab. Den Rest mache ich." Hitomi nickte und Toshi lenkte das Gefährt nahe an das Hindernis heran. "Jetzt !" rief er und seine Frau rollte sich aus dem Sitz. Sie hob den Kopf und sah die Scheinwerfer des Schneemobils genau auf sich zu rasen. Ein gewagter Hechtsprung brachte sie gerade noch rechtzeitig in Sicherheit. Der Angreifer blickte ihr nach. Vielleicht bewunderte er ihren Mut. Wie auch immer es war ein Fehler gewesen. Denn im knietiefen Schnee hatte Toshi den Schlitten quer zum Hang umkippen lassen. Und auf das, was nun wie eine Sprungschanze vor ihm lag, raste der Verfolger ungebremst zu. In hohem Bogen schoß der Fremde samt Fahrzeug über den Rand der Klippe hinaus um schließlich schreiend in den Abgrund zu stürzen, wo er beim Aufprall zusammen mit seinem Motorschlitten in einem Feuerball unterging. Noch ein wenig benommen rappelte Hitomi sich hoch und trat vorsichtig zu ihrem Mann an die Abbruchkante. "Mal was anderes: Schneemobilspringen... " meinte Toshi leise zu seiner Frau und Erleichterung machte sich auf seinem Gesicht breit, als er beobachtete wie dutzende Meter tiefer das Wrack des Schneemobils langsam ausbrannte. Hitomi jedoch wandte erschrocken den Kopf ab. "Es tut mir leid, Hitomi. Ich hatte keine Wahl." sagte Toshi leise und herzte seine Frau, die auch sofort ihr trauriges Gesicht in seinem dicken Mantel vergrub. "Ich weiß. Es ist nicht deine Schuld. Wenn er uns erwischt hätte, dann hätte er uns auch getötet. Es ist nur... Es ist Weihnachten." Toshi fuhr ihr zärtlich durchs Haar. "Wenn ich Eines gelernt habe dann, das Verbrechen davor auch nicht Halt macht." sagte er weise. "Komm jetzt, Kätzchen. Wir müssen weg hier. Der Andere der Beiden sucht bestimmt schon nach uns. " "Ich wußte gar nicht, daß du dich mit Hundeschlitten auskennst!" "Du mußt ja auch nicht alles wissen." "Du warst nicht schlecht! Danke, Detektiv." lobte Hitomi und küßte ihrem Mann auf die Wange. "Ex - Detektiv, bitte." grinste er verlegen und stapfte hinüber zu den Schlittenhunden, die sich inzwischen in den Schnee gelegt hatten. Auf dem Weg zurück ins Dorf waren beide glücklich, daß dieses Abenteuer so gut zu Ende gegangen war. Dennoch ging ihnen das Geschehene nicht aus dem Kopf. "Du, sag' mal Toshi. Woher wußtest du eigentlich, daß dieser Mann auf dem Marktplatz mich bedrohte ?" "Ich habe die beiden wiedererkannt. Es waren die gleichen Männer, die uns heute morgen entgegen kamen, als wir hinunter ins Dorf gingen." Er machte eine gedankenschwere Pause.- "Aber ich frage mich, warum sie uns nicht schon heute morgen kassiert haben. Einsame Bergstraße, keine Zeugen,- das wäre der perfekte Zeitpunkt gewesen." "Ich denke, ich weiß, warum: Er kannte mein Geheimnis." Toshi blickte fragend. "Ja, als der Typ mich bedrohte, da nannte er mich Fräulein Hitomi und Katzenauge. Ich bin sicher, daß es ihnen nicht um unsere Entführung ging. Sie suchten etwas, das mit Vaters Sammlung zu tun hat und erst als sie es nicht gefunden haben, da wollten sie uns." "Wenn das stimmt, und sie tatsächlich nach dem Suchen, wovon ich denke, daß sie danach suchen, dann ..." "Ja, du hast recht, Toshi. Wir müssen die Weihnachtsplatte unbedingt in Sicherheit bringen und ihr Geheimnis lüften." "Also dann, auf zur Hütte !" ..... 5. Eine schöne Bescherung Der Rückweg zur Hütte dauerte etwas länger, denn Toshi nahm bewußt Umwege in Kauf, die durch Wälder führten und abseits großer Pisten verliefen. Er war sich nämlich nicht sicher, ob man nicht vielleicht noch immer nach ihnen suchte. Und das war auch der Grund, warum sie den Hundeschlitten im Schutz des kleinen Tannenwäldchens anhielten, das ungefähr hundert Meter von ihrer Berghütte entfernt war. Von dort aus beobachteten sie zunächst eine ganze Zeit lang ihre Hütte. Es schien, als ob in allen Zimmern das Licht brannte, aber sie waren sicher, daß sie am Morgen alle Lampen gelöscht hatten, bevor sie hinunter ins Dorf gegangen waren. Nach einer Weile schlichen sie schließlich vorsichtig im Schutze der einbrechenden Dunkelheit näher heran. "Das ist bestimmt keine Einladung zur Weihnachtsfeier." murmelte Hitomi und zeigte auf offene Eingangstüre. Toshi nickte zustimmend und sah durch eines der Fenster hinein. Doch das, was er da sah machte ihm klar, das sie keine Angst zu haben brauchten den Tätern in die Finger zu laufen. Sie waren zu spät. Es war bereits alles geschehen. Als sie die Hütte betraten bot sich ihnen ein Bild der Verwüstung. Schränke, Schubladen, Geschenkpakete, Koffer, einfach alles war durchwühlt worden und der Inhalt lag verstreut auf dem Boden. Sogar den Weihnachtsbaum hatte man zerstückelt. Es dauerte eine ganze Weile, bis die Beiden ein wenig Ordnung in das Chaos gebracht hatten, doch zu guter letzt fand Hitomi sie: Die Platte mit den Weihnachtsgrüssen ihres Vaters. "Toshi, hier ist sie! Sie haben sie übersehen!" rief sie ihrem Mann zu, der auch sofort zu ihr in das Wohnzimmer stürzte. Doch da klingelte das Telefon. Hitomi hob den Hörer ab. "Utzumi hier." "Guten Tag Frau Hitomi." antwortete eine distinguierte tiefe Männerstimme am anderen Ende der Leitung. "Hier ist Herr Nageischi, könnte ich bitte Fräulein Nami sprechen." Hitomi stutzte. "Aber Herr Nageischi,- Nami und Love sind doch auf dem Weg zu ihnen nach Paris. Sie haben doch heute morgen angerufen und um ein Treffen mit meinen Schwestern gebeten." Der Anrufer schien verwirrt, denn einen Augenblick lang war kein Wort zu hören. "Dann ist es schlimmer als ich dachte." antwortete er schließlich und seine Stimme klang sehr beunruhigt. "Es ist etwas Schreckliches passiert. Die Sammlung ihres Vaters ist aus dem Lagerhaus gestohlen worden und ihre Doppelgänger, die das Lokal in ihrer Abwesenheit führen sollten sind auch verschwunden." "Wir haben auch Besuch bekommen." antwortete Hitomi mit Sorgenfalten auf dem Gesicht.- "Sie haben die Hütte durchsucht und heute nachmittag hat man versucht mich zu entführen. " "Bitte passen sie auf sich auf. Ich bin zur Zeit noch in Japan, aber ich werde sofort zu ihnen kommen. Wir treffen uns in Paris, aber bis dahin vermeiden sie möglichst jeglichen Kontakt mit Menschen. Wir können keinem mehr trauen." "Ja, vielen Dank. Und bitte passen sie auch auf sich auf." Mit einem verstörten Blick legte die junge Frau den Hörer auf. Toshi sah sie aus großen Augen an. "Was war denn ?" fragte er neugierig. "Die Sammlung unseres Vaters ist aus dem Lagerhaus gestohlen worden und unsere Doppelgänger aus dem Café haben sich aus dem Staub gemacht." berichtete Hitomi. "Aber das Merkwürdigste ist, Herr Nageischi wußte scheinbar nichts davon, daß er heute morgen hier angerufen und um ein Treffen gebeten hat. Er erwartet uns in Paris." "Aber wenn er es nicht war, dann..." doch Toshi wollte diesen Gedanken gar nicht zu Ende denken. "Eines steht fest." meinte er schließlich. "Deine Schwestern sind in Gefahr." Hitomi stimmte zu und starrte traurig hinaus in die hereinbrechende Dunkelheit. "Hoffentlich geht es ihnen gut..." seufzte sie sorgenvoll. "Sie sind kluge Frauen. Sie schaffen das schon." beruhigte Toshi seine Frau und er wollte sie gerade in den Arm nehmen und kuscheln, als es plötzlich heftig an der Haustüre klopfte. Eine Frauenstimme drang an ihre Ohren. "Madame Hitomi, Madame Hitomi. Machen Sie bitte auf! Es ist dringend ! Es geht um ihre Schwestern ! Es ist etwas Schreckliches passiert !" Hitomi erschrak - Schwestern ? Etwas Schreckliches passiert? Gedankenlos wollte sie sofort zur Türe eilen, doch Toshi hielt sie zurück. "Falle." sagte er und bedeutete er seiner Frau zurück zu bleiben. Er öffnete die Türe zuerst nur einen Spalt weit. Doch dann, als er zu guter Letzt im Dämmerlicht die Silhouette einer rundlichen alten Dame sah, da bat er sie hinein. "Ah, Madame Robert. So spät noch hierher unterwegs?" "Ich habe ihnen etwas Wichtiges zu zeigen." antwortete die Frau des Bistrobesitzers und reichte Hitomi die Seite einer Zeitung. "Das ist die heutige Abendzeitung. Da steht etwas von ihren Schwestern." Hitomis Augen flogen über das graue Papier und mit einem Mal schrie sie auf. Starr vor Entsetzen sah sie ihren Mann mir leeren Augen an. Das Papier in ihren Händen fiel wie ein Blatt im Herbst zu Boden. "Sie sind tot.".... Als sie die Augen aufschlug blickte sie in eine Hundefratze. Doch auch das Tier schien so erschrocken, das es sofort von der Sitzcouch heruntersprang und in die Küche lief. "Was ist los Junge? Ist Frauchen wach?" hörte sie Toshis Stimme und sie rang sich ein Lächeln ab. 'Ach, Toshi, als könne der Hund antworten.' dachte sie noch, doch als sie das Zeitungsblatt auf dem Tisch sah, stiegen ihr sofort wieder Tränen in die Augen. "Warum nur, Schwestern!" rief sie mit tränenerstickter Stimme. Toshi kam herein und setzte sich zu ihr. Wortlos strich er ihr eine verirrte Strähne uas dem Gesicht. "Was ist passiert? Warum liege ich hier?" Toshi blickte tief in die verweinten Augen seiner Frau. "Du bist ohnmächtig geworden." sagte er und griff ihre Hand. "Ich weiß, daß es schrecklich für dich sein muß. Aber ich denke, das Nami und Love noch leben. Ich werde mit dem Hundeschlitten hinfahren und mir die Toten ansehen." Hitomi blickte ihn aus leeren Augen an. "Ich komme mit." "Du mußt nicht mitkommen, wenn du nicht willst. Ich verstehe das." Hitomi winkte ab. "Ich will mit dabei sein. Und außerdem, wenn deine Vermutung stimmt, dann ist es eine Falle und du wirst du mich brauchen. Ich komme mit." sagte sie bestimmt. Toshi küßte sie auf die Stirn. "Danke, Schatz." Es schneite, doch die Hunde waren nicht vom Weg abzubringen. Die ganze Zeit über war Hitomi schrecklich bedrückt. Die Fotos in der Zeitung und der Bericht, den sie inzwischen schon hunderte Male gelesen hatte, waren so endgültig aber dennoch hoffte sie immer wieder, daß ihr Toshi recht hatte. Vielleicht waren das wirklich nicht ihre Schwestern. Warum hätte Nami eine solche vereiste Nebenstrasse nehmen sollen, wenn der schneefreie Bergpaß nur wenige Kilometer entfernt verlief. Bereits eine Stunde waren sie unterwegs, als die Lichter einer Stadt vor ihnen auftauchten. Das Kreiskrankenhaus war ein riesiger Betonklotz etwas abgelegen von der Stadt und schon von Weitem sichtbar. Direkt vor dem Krankenhaus war ein großer Parkplatz, an dessen eine Seite ein Nadelwald grenzte. Toshi fand, daß der Wald genau der richtige Ort war, um den Schlitten zu parken und sich ungesehen dem Krankenhaus zu nähern. Die Nacht war kalt und dunkel. Hitomi hörte eine Turmuhr Acht schlagen und die Gegend schien wie ausgestorben. Unauffällig traten die Beiden aus dem Schutze der Bäume hinaus auf den Parkplatz und langsam aber dennoch entschlossenen Schrittes gingen sie auf das Hauptportal zu.- Ja, sie waren hier - die Männer, denen sie noch vor Stunden nur mit äußerster Not entkommen waren - denn dort stand ihr Wagen. Der Wagen, in dem Toshi sie am Morgen zum ersten Mal gesehen hatte. Dennoch blieb immer noch die Ungewißheit, ob die beiden toten Frauen nicht vielleicht doch ihre Schwestern waren. Ein Gang, lang und breit, erstreckte sich vor ihnen. Der Arzt, dem sie folgten, hatte sie in der Eingangshalle abgeholt, nachdem sie den Grund ihres Kommens erklärt hatten. Toshi hatte kein Wort von der Unterhaltung zwischen seiner Frau und dem Mediziner verstanden. Aber Hitomi hatte mehrmals die Stirn kraus gezogen und das allein reichte, ihn stutzig zu machen. Sie mußten immer noch im Erdgeschoß sein. Toshi überlegte. Er stellte sich den Weg, den sie eingeschlagen hatten bildlich vor. Hitomi war in solchen Dingen sehr viel besser als er, doch auf sie konnte er sich in ihrer jetzigen Verfassung nicht verlassen. Am Ende des Ganges war eine Türe. Die Schrift auf dem Schild darüber konnte Toshi nicht lesen, doch das Piktogramm bedeutete Fluchtweg. Dort mußte es hinaus auf den Parkplatz gehen. - Vielleicht der einzige Weg zu entkommen. Sie verließen den Flur und betraten die Leichenalle. Es war kühl und Totenbahren standen aufgereiht herum, die meisten davon leer. Nur auf Zweien befanden sich Körper, die mit einem Laken abgedeckt waren. Mit unbewegter Miene deckte der Arzt die beiden Leichen auf. Hitomi blickte in die Gesichter der Toten und brach ohnmächtig zusammen. Toshi konnte sie gerade noch auffangen und legte sie nun vorsichtig auf den Boden. Er wollte den Arzt noch bitten ihm zu helfen, doch der war bereits klammheimlich aus dem Raum verschwunden. "Hitomi, Hitomi. Aufwachen !" Die junge Frau setzte sich auf und schüttelte benommen den Kopf. "Der Arzt ist weg. Das ist eine Falle." rief Toshi und rannte zur Türe. Ein kurzer Blick durch die kleine eingelassene Scheibe zeigte ihm, daß mittlerweile ein Mann im Gang Stellung bezogen hatte. Die unauffällige Ausbuchtung seines noch unauffälligeren beigen Trenchcoats konnte nur Eines bedeuten. "Grossartig, hier kommen wir nicht raus." Aufgeregt begann er nach Fluchtwegen zu suchen. Auch Hitomi sah sich um. "Laß uns Doktor spielen." sagte sie kühl und begann die Säcke mit benutzter Wäsche zu durchsuchen, die überall herumstanden.... Sie schob noch ihren Mundschutz zurecht, als ein Geräusch die Person im blauen OP-Kittel aufmerken ließ. Von wo sie stand konnte sie durch die kleine Glasscheibe in der Türe genau in die angrenzende Leichenhalle sehen. Dort drüben waren drei Männer mit automatischen Gewehren hereingestürmt. Hektisch schauten sie umher, um schließlich wütend den Arzt anzuschreien, der ihnen in das Zimmer folgte. Einer der bewaffneten Männer blickte herüber. Ihre Blicke trafen sich, doch sofort wandte sie sich wieder ihrer Arbeit zu. Aus den Augenwinkeln konnte sie erkennen, wie er näher an die Türe herantrat und mißtrauisch durch das eingelassene Fenster hereinblickte. Sie blickte auf die blutverschmierte Männerleiche vor sich. "Das wäre die Gelegenheit.- Wie wär's ? Einmal kastrieren?" flüsterte sie unter ihrer Maske und die Leiche auf dem Tisch mußte sich gewaltig zusammenreißen nicht zu lachen. "Bring' dich nicht um deine Freude." zischte der Tote schließlich durch die zusammengebissen Zähne ohne merklich auch nur einen Muskel zu bewegen. Das Gesicht des Pathologen erhellte sich. "Keine Angst. In unserer Familie durfte ich auch immer den Truthahn tranchieren." sagte er und griff zum Skalpell. Er deutete den Schnitt nur an und drückte zugleich mit der anderen Hand eine blutgetränkte Kompresse aus, so daß es aussah als hätte er gerade das empfindlichste Köperteil dieser Leiche entfernt. Mit spitzbübischem Lächeln auf dem Gesicht sah er, wie sich der bewaffnete Zuschauer vor der Türe entsetzt abwendete. "Gut so ?" Die Leiche auf dem Tisch hob erleichtert die Mundwinkel. "Hunh.." brachte sie hervor. Hitomi atmete auf und nahm die Maske vom Gesicht. Die Fremden waren aus der Leichenhalle verschwunden. Zunächst waren sie in Sicherheit. "Na habe ich dich enttäuscht?" fragte sie ihren Mann, der etwas unbeholfen vom Siziertisch herunter kletterte. "Niemals." lachte er und begann sich anzuziehen. Die beiden beeilten sich gehörig, wieder ihre Straßenkleidung anzulegen. Sie wußten, daß ihr Schauspiel irgendwann auffliegen würde und es wäre sicherlich besser, wenn sie dann bereits das Krankenhaus verlassen hätten. Dennoch gab es vorher noch eine Sache zu klären. Hitomi wollte nicht gehen, ohne noch einmal ihre toten Schwestern anzusehen. Gefaßter als zuvor trat sie wieder an die Bahren mit den leblosen Körpern ihrer Schwestern darauf. Doch plötzlich weckte eine Kleinigkeit ihre Aufmerksamkeit. "Komm laß uns gehen, Toshi. Das sind nicht meine Schwestern. Das sind die Doppelgänger." sagte sie und ging zur Türe. Toshi nickte einverständig. "Dann hast du es also auch bemerkt." Die Beiden traten auf den Gang hinaus. Sofort hörten sie auch schon Rufe, die sie zum Stehenbleiben aufforderten. Ungeachtet dessen rannten sie zum Ende des Ganges. Durch den Notausgang gelangten sie auf den Parkplatz, doch sicher waren sie noch lange nicht. Von allen Seiten näherten sich bereits bewaffnete Männer. Sie hatten wohl den Befehl sie lebend zu fassen, doch darauf wollte Toshi sich jetzt nicht verlassen. Immer wieder pfiff er laut und schrill durch seine zusammengepreßten Lippen, während er mit seiner Frau an der Hand auf das Tannenwäldchen neben dem Parkplatz zu rannte. Hundegebell erschallte und ihr Hundegespann samt Schlitten erschien am Waldrand. Mit letzter Kraft erreichte Hitomi den Schlitten und warf sich hinein. Toshi sprang auf und schob mit an.- Zurück in den Schutz der Bäume. Schüsse hallten durch die Nacht, doch sie hatten die Verfolger bereits zu weit hinter sich gelassen, als daß Kugeln ihnen hätten etwas antun können. Sie fuhren nun schon ein ganze Weile und langsam wurde es unwahrscheinlich, daß man ihnen in dieser Dunkelheit folgen würde. "Sag' mal, woran hast du es bemerkt, Hitomi ?" "Das es nicht meine Schwestern sind?- Namis Fingernägel. Sie waren angeklebt und viel zu lang. Und was Love betrifft, so trug diese dort gefärbte Kontaktlinsen um ihre wahre Augenfarbe zu verdecken." erklärte Hitomi und man hörte an ihrer Stimme wie überglücklich sie war. "Woran hast du es denn bemerkt, Toshilein ?" Toshi grinste verlegen. "Bei Nami war ich mir nicht ganz sicher. Immerhin kenne ich deine ältere Schwester nicht so gut. Aber was Love betrifft, da war ich schon stutzig, als ich das Foto in der Zeitung sah.- Als ich dich kennenlernte trug Love ein Zahnspange." Hitomi nickte. "Daran erinnerst du dich ?" "Ja.- Aber die Love auf dem Foto hatte krumme Zähne. Und als ich die Leiche sah, fiel mir sofort der fehlende Bluterguss unter dem Fingernagel des Ringfingers ihrer linken Hand auf. Ich war selbst dabei, als sie sich bei unserem letzten Einkaufsbummel durch Tokio den Finger in der Türe eures Wagens geklemmt hat." "Du erstaunst mich immer wieder, Toshi." lobte Hitomi. "Das war mir gar nicht aufgefallen. Ich glaube, aus dir wird wirklich noch 'mal ein guter Detektiv." Toshi lachte.- "Ja ein arbeitsloser Detektiv, der Diebinnen im Hundeschlitten umher kutschiert." meinte er und klopfte Hitomi vorsichtig und unwahrscheinlich liebevoll mit der Faust auf den Kopf, worauf sie ihm neckisch ihre Zunge herausstreckte. Die Angespanntheit auf ihren Gesichtern war einem zuversichtlichen, glücklichen Lächeln gewichen. Sie wußten, daß Nami und Love noch lebten. Aber die Sorge um den Verbleib und das Wohlergehen der Beiden blieb bestehen und irgendwie war die Ungewißheit jetzt stärker als zuvor. "Jetzt, wo sicher ist, daß unsere Doppelgänger ihre Finger im Spiel haben, ist auch Herr Nageischi in Gefahr." meinte Hitomi schließlich sorgenvoll. "Ja, ich fürchte wir können und nur noch auf uns selbst verlassen." pflichtete Toshi bei. "Und was willst du jetzt tun, Toshi." "Wir müssen sofort zurück ins Bistro und die Platte entschlüsseln. Und dann sollten wir versuchen Herrn Nageischi zu warnen." "Dann brauchen wir aber auch ein Auto. Mit dem Hundeschlitten werden wir wohl kaum bis nach Paris kommen." "Ja, vielleicht können wir uns im Dorf Eines leihen. Aber wir müssen äußerst vorsichtig sein. Diese Typen sind scheinbar mit allen Wassern gewaschen und schrecken sogar vor Mord nicht zurück." 6. Die zwei Seiten der Wahrheit Als Toshi den Schlitten über die Hänge und durch die Wäldchen lenkte, die zwischen der Kreisstadt und ihrer beschaulichen Berghütte lagen, da fragte sich Hitomi immer wieder, wer diese Männer waren, die ihnen hinterher jagten. Es mußte eine große Organisation sein. Es war kurz vor Zehn Uhr als der Hundeschlitten an der Berghütte hielt. Hitomi war klar, daß sie sich nun von ihrer Winteridylle verabschieden mußte. Sie konnten nicht mehr in der Hütte bleiben, denn dort würde man als Erstes nach ihnen suchen. In aller Eile packten sie die wichtigsten Sachen und fuhren hinunter ins Dorf. Ihnen beiden war klar, daß wohl nun der wichtigste Teil ihrer Reise begann. Sie waren ganz allein gegen den Rest der Welt unterwegs in Ländern die ihnen fremd und feindselig anmuteten. Lautlos zogen die Hunde den Schlitten durch den malerischen Ort am Fuße des Berges. Alles war wie ausgestorben. Die Straßen waren von neuem Schnee bedeckt und alles schien so friedlich. Kaum zu glauben, daß hier vor wenigen Stunden eine Jagd begonnen hatte, die etwas in Gang gebracht hatte, das im Begriff war ihr ganzes Leben zu verändern. Toshi stoppte den Hundeschliten hinter dem Bistro der Familie Robert. Das Lokal war Dunkel und nur im Wohnbereich auf der ersten Etage waren noch Zimmer erleuchtet. Ein Geräusch ließ ihn aufschrecken. Ein Garagentor einige Meter weiter öffnete sich wie von Geisterhand und heraus trat Madame Yakko Robert. Aufgeregt winkte sie ihnen zu. "Schnell, hier rein." rief sie mit gedämpfter Stimme und ohne Zögern lenkte Toshi den Schlitten mitsamt Hunden in die geräumige und leere Garage. Mit leisem Surren eines Elektromotors schloß sich das Tor langsam hinter ihnen und bot Schutz vor neugierigen Blicken. "Gott sei Dank. Sie leben noch." sagte die alte Dame erleichtert. "Wir haben sie schon erwartet. Fremde suchen immer noch die ganze Gegend nach ihnen ab." Toshi grinste wissend. "Das haben wir bemerkt---" Hitomi genoß die Nähe ihres Mannes. Die ganze Zeit über hatte sie die Kälte nicht bemerkt. Wahrscheinlich weil sie so damit beschäftigt gewesen war ihre Haut zu retten. Doch jetzt, wo sie zusammen im warmen Wohnzimmer der Familie Robert saßen, begannen die Strapazen ihren Tribut zu fordern. Immer wieder war sie für einige Sekunden eingenickt, während Toshi ihren Freunden von den Erlebnissen der letzten Stunden erzählte. "Und der Unfall war gestellt?" Toshi nickte und schlürfte genüßlich seinen heißen Kaffee "Ja, so war es, Monsieur Robert.- Sie haben uns im Krankenhaus aufgelauert." erklärte er. "Und das auf den Fotos waren Doppelgänger" Das Ehepaar Robert sah sich verwundert an. "Warum ?" "Die Schwestern haben eine Schallplatte ihres Vaters. Wir nehmen an, das dort geheime Botschaften aufgezeichnet sind." "Was für Botschaften ?" Toshi senkte bedächtig den Kopf. "Das wissen wir leider noch nicht.- Wir dachten sie würden uns helfen." "Aber sicher doch." erwiderte Monsieur Robert. "Sagen sie mir nur womit ich ihnen helfen kann." Toshi grinste und hielt auffordernd die Kaffeetasse hin. "Ein weiterer Kaffee würde schon helfen. Ich denke es wird eine lange Nacht." Eine sanfte Stimme weckte Hitomi. "Kätzchen, aufstehen." wiederholte die Stimme immer wieder, so lange bis sie ihre Augen öffnete. Es war Toshi und er sah sehr müde aus. "Wir haben etwas." sagte er. "Wir haben etwas gefunden. Aber wir machen keinen Sinn daraus." Eben noch ein wenig verschlafen, war Hitomi sofort hellwach. "Zeig her!" befahl sie und setzte sich auf. Wie zufällig fiel ihr Blick auf die große Standuhr. Fast zwei Stunden hatte sie geschlafen. Zwei Stunden in denen ihr Angetrauter wohl unablässig an dem gearbeitet hatte, was er ihr nun auf ein Blatt Papier gekritzelt vorlegte. Es waren einige dutzend Zeichen in Kanji - der Japanischen Lautschrift. "Es ergibt keinen Sinn." erklärte Toshi geknickt. "Ich hatte das Gefühl es so klar zu hören, doch es kommt kein vernünftiges Wort heraus." Hitomi blickte über die Zeichen. Ihr Mann schien recht zu haben. Egal ob vorwärts oder rückwärts gelesen, es schien nur eine sinnlose Aneinanderreihung von Lauten zu sein. "Keine Ahnung." murmelte Hitomi leise und ließ sich enttäuscht in die Sitzcouch zurückfallen. "Trotzdem vielen Dank für deine Mühe, Schatz." "Keine Ursache." erwiderte Toshi und seufzte nachdenklich "Was wollen sie jetzt machen, Herr Utzumi." fragte Monsieur Robert. Toshi rieb sein Kinn. "Wir sollten mit Herrn Nageishi Kontakt aufnehmen." sagte er und seine Frau stimmte zu. "Ja, vielleicht hat er Neuigkeiten über Nami und Love in Erfahrung gebracht.- Bitte Toshi, laß uns heute noch nach Paris fahren." Toshi blickte seine Frau liebevoll und verständig an. Er verstand ihre Eile. Er verstand, daß sie bereit war die Gefahr einzugehen des Nachts über dunkle Paßstraßen zu fahren nur um Neuigkeiten über ihre verschwundenen Schwestern zu erfahren. "Ich bin einverstanden, Hitomi." meinte er schließlich. "Aber wir haben keinen Wagen. Wir müssen also den Bus nehmen und der geht nicht vor morgen früh." Madame Robert räusperte sich. "Entschuldigen Sie, aber ich hätte da eine Idee." sagte sie. "Nun ja, ein Bekannter von uns handelt mit Gebrauchtwagen. Bei ihm können wir sicher etwas finden." Toshi überlegte. Er hatte geplant einen Wagen zu mieten und wenn es ein merkwürdiger Zufall so wollte, daß die Roberts einen Gebrauchtwagenhändler im Bekanntenkreis hatten, dann wäre das nur zu ihrem Vorteil. Dankend nickte er: "Also dann, wollen wir keine Zeit verlieren." Die Lichter der entgegen kommenden Fahrzeuge blendeten ihn und es war ungewohnt auf der rechten Straßenseite fahren zu müssen. Abgesehen davon kam er jedoch mit den Witterungsverhältnissen gut zurecht und auf der geräumten Bergstrasse Richtung Lyon kamen sie zügig voran. "Es ist schon komisch wie selbstlos und hilfsbereit die Leute sind.- Muß wohl an Weihnachten liegen." murmelte er immer wieder vor sich hin. Der Gebrauchtwagenhändler, ein Bekannter der Familie Robert, war ausgesprochen hilfsbereit gewesen. Ohne Zögern hatte er ihnen einen bequemen Geländewagen geliehen, mit dem sie auch in unwegsamem und schneebedecktem Gelände gut voran kommen würden. Und genau das beunruhigte Toshi. Er wußte nicht warum er in letzter Zeit ständig mißtrauisch war. War es, weil er Hitomi als Katze enttarnt hatte ? War es, weil er sich eingestehen mußte, daß sein blindes Vertrauen Schuld war, daß es soweit gekommen war? Nicht erst seit der Hochzeit hatte er die Verantwortung für seine Frau übernommen und er würde sein Leben einsetzen um zu verhindern das ihr und ihren Schwestern etwas zustößt. Hitomi saß wortlos auf dem Beifahrersitz und sah aus dem Fenster. Auch sie machte sich so ihre Gedanken. Es freute sie ungemein das Toshi so aufblühte. Er war witzig, gerissen, einfallsreich - alle die Eigenschaften, die er als Detektiv so oft hatte vermissen lassen traten nun hervor. Sie selbst hingegen spürte wie ihr langsam alles entglitt. Sie, die immer alles unter Kontrolle hatte, war seit Tagen unaufmerksam und unvorsichtig. Die Katze mußte scheinbar einem erfolglosen Detektiv Lehrgeld zahlen. Doch egal wie hoch es wäre, er war es wert und sie hoffte, das Toshi immer da wäre sie zu beschützen, wenn sie wieder einmal in der Klemme steckte. Es war kurz nach Mitternacht als das Ehepaar Robert wieder zu ihrem Haus zurückkehrte. Sie hatten noch einige Zeit mit Monsieur Rembault, dem Gebrauchtwagenhändler geredet. Madame Robert trat in das abgedunkelte Wohnzimmer ihres Hauses. "Rembault hat sich seinen Freundschaftsdienst fürstlich entlohnen lassen" sagte sie halblaut, so als spräche sie zu sich selbst. "Das war zu erwarten, liebe Schwester." kam die Antwort aus dem Zimmer. Doch was anderen einen Schauer über den Rücken gejagt hätte, veranlaßte Madame Yakko Robert nur dazu, das Licht einzuschalten. Zwei Personen saßen dort. Eine junge Frau und ein älterer Mann. "Und wie ist es gelaufen ?" fragte die junge Dame. "Mein Mann erzählt dem alten Hundeschlitten-Opa gerade eine möglichst glaubwürdige Geschichte und die Beiden sind auf dem Weg nach Paris, über Lyon, so wie wir es vorgeschlagen haben." antwortete Madame Robert während sie sich einen der flauschigen Ohrensessel fallen ließ. Die junge Frau auf der Couch nickte zufrieden. Sie sah Hitomi nicht unähnlich. Nur waren ihre Haare nicht ganz so lang wie die der Kisugi-Schwester und sie trug eine große Brille, die ihr hübsches Gesicht ein wenig verzerrte und ihr ein ungemein gebildetes Aussehen verlieh. Der Mann neben ihr betrachtete die Papiere auf dem Tisch. Es war Schmierpapier, das Toshi zurück gelassen hatte. "Es scheint, daß sie eine Spur gefunden haben." Auch die Augen der jungen Frau überflogen die Kanji-Zeichen, die mit schlampiger Schrift aufgezeichnet waren. "Utzumi sollte lernen deutlicher zu schreiben." bemerkte sie lehrerhaft und um ihre Mundpartie herum blitzte ein kurzes Lächeln auf. "Aber man kann es lesen.- Es steht ja alles deutlich da." "Wenn man es zu deuten weiß." erwiderte der Herr. "Wenn man es zu deuten weiß, Fräulein Unterinspektor." Die junge Dame nickte zustimmend. "Ja, da haben sie Recht, Herr Botschafter. - Dennoch glaube ich, ist es für den Erfolg der Aktion unumgänglich, daß Katzenauge wieder komplettiert wird. Die Vorstellung die Detektiv Utzumi und seine Frau heute Nachmittag abgeliefert haben, hat mich sehr beeindruckt. Ich habe Utzumi immer unterschätzt, aber gegen die Elitetruppen der Roten Armee wären selbst er und die Katze ohne die Hilfe der beiden anderen Schwestern hilflos. Oder sehen sie das anders, Herr Nageishi ?" Der vornehm gekleidete Herr nickte. "Ja, sie haben recht, Fräulein Asaja. Die Kunstwerke aus der Sammlung konnten wir ja noch rechtzeitig durch Kopien ersetzten, aber es scheint, daß die Operation >Heimweh< durch das Auftauchen der anderen Agenten behindert wird." "Nun, dann werden wir vielleicht ein wenig nachhelfen müssen." bemerkte Mitzuku Asaja. "Wie ich sie einschätze, haben sie da bereits einen Plan. " Ein selbstgerechtes Lächeln flog über das Gesicht des fein gekleideten Herrn. "Selbstverständlich, Kollegin Unterinspektor." "Darf ich annehmen, daß sie dann auch alle Vorbereitungen für die Rückführung unserer Rettungstruppe treffen werden, sobald der Auftrag erfolgreich beendet wurde?" "Keine Sorge. Wir werden jeden Schritt verfolgen und sie werden uns direkt zu ihm führen. Und was Detektiv Utzumi und die Katzen betrifft, so wird uns sicher eine Lösung einfallen sie nach Japan zurück zu bringen. Es wird nicht mehr bleiben als ein weiterer ungelöster Fall, den man mit der Zeit vergißt." 7. Unerwartete Hilfe Seit sie das kleine französische Bergdorf verlassen hatten war Hitomi merkwürdig still. Toshi kannte dieses Schweigen nur zu genau. Irgendetwas nagte an seiner Frau, doch solange sie nicht von sich aus erzählte, was sie bedrückte, würde er auch nicht nachbohren. Ausserdem quälten ihn im Moment auch andere Gedanken. Er wurde das Gefühl einfach nicht los, daß der mittlerweile schon vergangene Tag zuviele Zufälle gesehen hatte. Nein,- es war sicher auch kein Zufall, daß sie in diesem Wagen zu dieser Zeit auf dieser Straße unterwegs waren. Und das sie gerade jetzt, wo das Benzin knapp wurde, an einer Tankstelle mit Motel vorbeikamen, war doch mehr als Glück..... Doch es sollte noch mysteriöser werden... "Ach schau da, als ob ich es nicht geahnt hätte." murmelte Toshi leise, als er an der Tankstelle vorfuhr. Hitomi blickte ihren Mann verwundert an. Doch der deutete nur auf das angrenzende Motel. Hitomis Blicke streiften über die eingeschossigen Gebäude. Nur in wenigen Zimmern brannte Licht. Der kleine Parkplatz vor dem Motel war hell erleuchtet und beinahe leer. Ein dor abgestellter Wagen fiel besonders ins Auge, denn er war groß, dunkel, mit fremdem Kennzeichen und genau unter einer Laterne geparkt. "Du meinst den Nobelschlitten dort, nicht wahr." fragte Hitomi und Toshi nickte beifällig. "Das ist doch der Wagen, den wir auch schon vor dem Krankenhaus gesehen haben, oder Toshi ?" "Ja genau." gab Toshi zurück und zog die Stirn kraus. Hitomi verstand genau, was dieser Ausdruck sagen wollte... "Der steht da, wie auf dem Präsentierteller.- Das meint du doch." "Genau das habe ich gerade gedacht." stimmte Toshi zu. "Was hältst du denn davon, wenn wir uns das einmal aus der Nähe ansehen?" ... Toshi tankte und setzte den Wagen ein Stück zurück, so daß er im Schatten der Tankstelle verschwand. Er und seine Frau stiegen aus und schlenderten wie zwei Spaziergänger, scheinbar gleichgültig und ziellos über das Gelände. Ein leichter Windzug ließ die Nacht kühler erscheinen, als sie eigentlich war und das kam den beiden gerade recht. Denn so war es nicht weiter bemerkenswert, daß sie ihre Mantelkrägen hochgeschlagen hatten und ihre Gesichter unter Mütze und Schal verbargen. Sie vermieden es dennoch in das helle Licht der Parkplatzbeleuchtung zu treten. Es fiel ihnen auf, das einige Stellplätze um den so auffällig geparkten Wagen herum nicht derart schneebedeckt waren, wie der Rest des Geländes und die unterschiedlich alten Reifenspuren im Schnee ließen vermuten, daß der fremde Wagen zu einem Zeitpunkt abgestellt worden war, wo der Parkplatz weitaus besser besucht gewesen war. Aber wo waren mit einem Mal all die Fahrzeuge hin, die, so schien es, dem fremden Wagen einst als Sichtschutz dienten? Ihr Spaziergang führte Toshi und Hitomi schließlich an den ebenerdig gelegenen Appartements vorbei, die das eigentlich Motel bildeten. In L-Form angeordnet lagen die Zimmer an zwei Seiten des Parkplatzes, verbunden durch einen offenen, überdachten Gang. Ein Jedes von ihnen hatte ein großes Fenster zum Parkplatz hin und die Eingangstür sprang etwas zurück, wodurch sich ein kleiner zusätzlicher Windfang bildete. Es war die Nacht zum zweiten Weihnachtstag, und daher war es wohl nicht ungewöhnlich, daß die Zimmer fast alle unbelegt waren. Nur aus einem Appartement, das etwas versteckt am Ende der Gebäudezeile lag, fiel Licht in den Korridor. Hitomi und Toshi waren nur noch wenige Meter von diesem Raum entfernt, als sich plötzlich dessen Eingangstüre öffnete. Eine Dame trat auf den Gang. Im spärlichen Licht, das aus dem erleuchteten Zimmer auf den Gang hinaus fiel sah man zunächst nur ihre Umrisse. Erst als sie sich wieder ihrem Zimmer zuwand vermochte Hitomi einen kurzen Blick auf das Gesicht der Frau zu erhaschen. Sie erschrak für einen Moment, doch dann faßte sie Toshis Arm und suchte mit ihm den Schutz eines dunklen Zimmereinganges. Neugierig beobachteten sie die fremde Dame. Sie schien aufgeregt zu sein, denn sie sprach sehr laut mit einem Mann, der ebenfalls aus dem Zimmer auf den Gang hinaus kam: "Seid ihr eigentlich zu blöd, den Wagen so zu parken, daß ihn keiner sieht. Dann können wir ja sofort ein Schild an der Straße aufstellen." Der Mann antwortete mit entschuldigenden und unterwürfigen Handbewegungen, jedoch sprach er zu leise, als daß man seine Worte verstehen konnte. "Ach halt den Rand. Gib' den Schlüssel, du Idiot. Ich mach das lieber selbst." hörten sie schließlich die Frau sagen und sie sahen, wie sie in Richtung des Parkplatzes ging. "Hast du ihr Gesicht sehen können ?" wisperte Toshi zu seiner Frau. "Ja. Es war meine Doppelgängerin." erklärte Hitomi leise während sie beobachteten, wie die fremde Frau in den auffällig geparkten Wagen einstieg. Nachdenklich ging Hitomis Blick zurück zu dem Zimmer. Der Mann, den die Frau so rüde angefahren hatte, stand mit einer Zigarette in der Hand in der Eingangstüre. "Was meinst du, sind Nami und Love da drin ?" Toshi hob nachdenklich die Augenbrauen. Er wollte gerade antworten, da erschütterte eine gewaltige Explosion die Gebäude und liess den Boden erzittern. Auf dem Parkplatz, dort wo eben noch der Wagen gestanden hatte, erhob sich nun ein Feuerball in den Himmel und zurück blieb nur ein brennendes Autowrack. Erschrocken drehte Hitomi ihren Kopf ab und suchte den Schutz ihres Mannes. Von überall eilten Leute herbei und gafften. Toshi sah, daß sogar aus dem erleuchteten Zimmer zwei Männer zu dem brennenden Wagen hinüber rannten. Und er war sicher, daß der Moment nicht besser sein konnte. "Komm jetzt, Hitomi. Keine Zeit für Tränen." rief er und rannte bereits den Gang hinunter. Hitomi folgte ihm zu dem erleuchteten Zimmer. Der Raum war tatsächlich verlassen, bis auf Nami und Love, die gefesselt und mit verbundenen Augen Rücken an Rücken auf dem Boden saßen. Hitomi machte sich daran ihre Schwestern zu befreien und Toshi rannte so schnell er konnte zum Wagen. Es vergingen nur wenige Sekunden, bis er mit quietschenden Reifen und weit aufgerissenen Türen vor dem beleuchteten Appartement stoppte und noch bevor die beiden Gangster erkannt hatten, was geschah, waren die drei Schwestern auch schon eingestiegen. Schüsse hallten durch die Nacht als Toshi mit hoher Geschwindigkeit den Parkplatz verließ und schleudernd auf die Landstraße einbog. Eine ganze Weile lang sagte keiner ein Wort. Zu tief saß der Schock der Explosion und die Überraschung über die geglückte Befreiung. Die beiden strahlenden Gesichter, die Toshi im Innenspiegel sah, waren jedoch viel wertvoller als alle Worte der Welt. "Vielen Dank, ihr Zwei." sagte Nami schließlich leise. "Ja, danke Schwesterlein." pflichtete Love bei und plötzlich war wieder dieses hinterhältige Lächeln auf ihrem Gesicht. Unverhofft lehnte sie sich nach vorn und gab Toshi einen dicken Kuß auf die Wange. "Auch dir Dank, oh bester aller Schwager." meinte sie mehr ironisch als charmant, aber dennoch wurde Toshi ein wenig rot vor Verlegenheit. Zuerst grinste er nur zufrieden und geschmeichelt und sagte kein Wort. Doch dann, als er bemerkte wie seine Frau ihm bitterböse und eifersüchtige Blicke zuwarf, da sagte er nur "Ach, kein Problem." Der ganze Wagen lachte und auch Hitomi konnte nicht böse sein. - Sie war mit ihm verheiratet - warum sollte sie jetzt noch eifersüchtig sein. Toshi hingegen war mit seinen Gedanken schon woanders "Sagt mal ihr Zwei, was ist euch eigentlich passiert ?" Nami senkte bedächtig den Kopf. "Wisst ihr, um ehrlich zu sein, hatte ich schon eine böse Vorahnung als der Anruf von Herr Nageischi kam. Aber dann, als wir unterwegs waren und uns plötzlich ein großer Wagen verfolgte, da wußte ich was auf uns zukam." "Die Affen haben uns einfach von der Straße gedrängelt." warf Love erbost ein. "Habt ihr ihre Gesichter gesehen ?" wollte Hitomi wissen. "Ja, es waren drei Männer und eine Frau, die genau so aussah wie du, Hitomi." antwortete die Jüngste der Schwestern. "Ja so war es. " stimmte Nami zu. "Dann haben sie uns die Augen verbunden. Die ganze Zeit über. Und sie haben uns immer gefragt, wo sich Vater aufhält und wo wir die geheime Nachricht versteckt haben." Nami hielt inne. Sorgenvoll musterte sie ihre jüngere Schwester, die traurig den Kopf gesenkt hatte. "Was hast du Hitomi." "Sie sind zwar Mörder, aber trotzdem haben sie ein solches Ende nicht verdient." sagte sie mehrdeutig und Love stutze. "Könntest du das einmal übersetzten ?" meinte sie, doch Hitomi antwortete nicht. "Das ist eine lange Geschichte." erwiderte Toshi. Und er begann zu berichten, was sich zugetragen hatte... Als er fertig war machte Nami ein nachdenkliches Gesicht. "Aber wenn alle unsere Doppelgänger hier sind, wer ist denn dann im Café in Tokio." "Keiner." antwortete Toshi. "Herr Nageischi hat uns mitgeteilt, daß sie euer Lagerhaus leer geräumt haben und dann mitsamt der Sammlung spurlos aus Tokio verschwunden sind." Love seufzte traurig. "Dann werden wir Vater wohl nie finden." sagte sie. "Ja leider, nocheinmal werden wir die Sammlung nicht zusammenbringen." pflichtete Nami bei. "Zu Schade, das wir noch keine konkreten Hinweise haben." Wortlos reichte Hitomi ein Blatt an ihre ältere Schwester. "Was ist das denn?" "Wir haben eine Botschaft auf Vaters Schallplatte gefunden.- Leider macht es keinen Sinn." Nami überfolg die Zeichen und kicherte laut los. Ihre traurige Stimmung schien mit einem Mal verflogen. "Das hat Toshi entschlüsselt, nicht?" Hitomi blickte ihre Schwester verblüfft an. "Wieso?" "Weil er es nicht wissen konnte." "Was konnte ich nicht wissen?" warf Toshi ein und blickte böse in den Rückspiegel. Nami erschrak ein wenig, als sie Toshis stechende Augen bemerkte. "So war das nicht gemeint. Du hast sehr gute Arbeit geleistet, Toshi. Nur wäre es einfacher gewesen wäre, deutsche Worte auch in romanischer Schrift zu schreiben, nicht in japanischer Lautschrift." "Danke, Professor Nami." meinte Toshi etwas beleidigt. "Wenn du so schlau bist, dann übersetze doch einmal." Die älteste der drei Schwestern überlegte. Es war nicht leicht dieses Chaos japanischer Lautschrift zu Worten einer Sprache zusammen zu setzten, die sie selbst nicht perfekt beherrschte. Toshi hörte, wie die drei Schwestern immer wieder Worte in einer Sprache wechselten, die er nicht verstand. "Und ?" "Es ist ein Reisebericht." antwortete Hitomi und begann vorzulesen. "Vom Land unter Hammer und Zirkel in das Land des schlafenden Bären, durch das Gebirge, welches Kontinente teilt, ins Land des ewigen Frostes, wo vom reichen See her, die fliessenden Schönheit dem Angelpunkt der Welt entgegenstrebt." "Wir denken es muß ein Fluß in Rußland sein.- Die Lena vielleicht" fügte Nami hinzu. Toshis Blick verfinsterte sich. "Mein Gott, Sibirien." murmelte er. Er spürte die fragenden Blicke der Schwestern, die ihn förmlich zu einer Antwort zwangen. "Die Lena fließt vom Baikal-See hinauf in das Eismeer.- Quer durch Sibirien,- das Land der geheimen Straflager und der verschollenen Menschen. Ein Land in dem ganze Völker verschwunden sind." erklärte er und sah seine Frau an. "Mitamura, der alte Mann, dem der Hundeschlitten gehört - erinnerst du dich? - Er war dort in Kriegsgefangenschaft. Zu Viele hat er dort sterben sehen. Das hat ihn zu dem Einsiedler gemacht, der er heute ist." Hitomi nickte verständig. "Es tut mir leid." "Schon gut.- Das ist ja auch nicht wichtig." sagte er und wandte den Kopf ab. Keiner sollte sehen, wie er gegen die Tränen ankämpfte. "Das heißt, wir werden also nach Sibirien reisen." Nami nickte. "Ja, denn eines steht ja nun fest. Vater war schon verschleppt worden, als er uns diese Platte zugeschickt hat." "Das stellt so ziemlich alles auf den Kopf, was wir bisher herausgefunden haben." warf Hitomi ein und legte ihre hübsche Stirn in unansehnlich Falten." Das ist alles so mysteriös. So mysteriös, wie die Explosion auf dem Parkplatz vorhin." Nami stutzte sichtlich. "Wie? Ihr habt den Wagen nicht gesprengt?" Hitomi schüttelte den Kopf. "Nein wirklich, wir waren es nicht.- Wir waren - na ja - ZUFÄLLIG da." sagte sie und die Art wie sie das Wort 'zufällig' betonte ermunterte auch Toshi zu einem Kommentar: "Vielleicht wollten sie ja auch, dass ihr ZUFÄLLIG entkommt." "Nein, das glaube ich nicht." sagte Nami überzeugt. "Wer immer es war, der uns entführt hat, sie waren nur Kunstdiebe. Ich habe ein Paar Worte mitgehört, als Hitomis Doppelgängerin telefonierte. Sie waren hinter Vaters Sammlung her und hinter dem Bernsteinzimmer.- Daher wollten sie von uns wissen, wo er ist." Nachdenklich blickte sie auf die dunkle, nur vom Mondlicht erleuchtete Landschaft, die vor dem Autofenster vorbeiflog. "Ich frage mich, wer uns helfen will. Warum zeigt er sich uns nicht ? Welche Ziele verfolgt er ?" Als die vier Freunde nach langer Fahrt eine Pause einlegten und in einem Autobahnrestaurant bei Kaffee und Automatensandwiches bei einander saßen, da hatten sie fast schon vergessen das Weihnachten war. Jetzt, während überall um sie herum die Leute dieses größte aller Feste in Ruhe und Frieden begingen, da waren sie inmitten ihres wohl größten Kampfes. Doch das machte nichts aus, solange sie endlich den Maler Heintz wiederfinden würden. Die Schwestern waren wie besessen von dem Gedanken nun endlich den Aufenthaltsort ihres Vaters zu kennen und selbst Toshi war so sehr damit beschäftigt Pläne für das weitere Vorgehen zu machen, daß keiner von ihnen bemerkte, wie sich eine gut aussehende junge Dame auf Hörweite näherte, um dann am Nebentisch Platz zu nehmen. Sie saß Toshi direkt gegenüber und er konnte die ganze Zeit über geradewegs in ihr Gesicht blicken, doch so oft er auch verstohlen hinsah, er bemerkte bei bestem Willen nichts Außergewöhnliches. Und als sich ihre Augen einmal wie zufällig trafen, lächelte er charmant und ein wenig verlegen, Nach einigen Minuten verließen die Schwestern und der Detektiv das Lokal und stiegen in ihren Wagen. Die junge Dame die am Nebentisch gesessen hatte stand auf, kaum, daß der Geländewagen den Parkplatz verlassen hatte. Zielstrebig ging sie zu einem der Münztelefone an der Wand. Sie hob den Hörer ab und wählte eine lange Nummer. Eine Stimme ertönte aus dem Hörer und sie warf Münzen nach. Dann, als sich nach einer Weile des Wartens der andere Teilnehmer meldete, da sagte sie lapidar "Operation Heimweh hat begonnen." und legte auf. "Ihr könnt froh sein, daß ich Herrn Nageischi gebeten habe, zumindest einen Teil unserer Ausrüstung herschicken zu lassen." bemerkte Love stolz wie Oskar als sie die grossen Pakete bei Seite schob, die sich in ihrer Hotelsuite stapelten. "Ja, ich glaube, die werden wir gut gebrauchen können." stimmte Hitomi zu und etwas mühsam stieg sie über die Kisten und Schachteln hinweg, die den Weg zum Fenster versperrten. Als sie die Vorhänge zurückzog durchflutete die helle Mittagssonne den Vorraum. Dahinter lag ein geräumiges Zimmer mit offenem Kamin und vornehmer Einrichtung. Eine große Glastüre führte auf einen Balkon, von dem aus man direkt auf den Eiffelturm blickte. Neugierig begann Toshi durch die anderen Zimmer der Suite zu streifen. Es gab zwei riesige Schlafzimmer. Beide mit der gleichen, stilvollen Einrichtung und zwei Betten, die allein für sich genommen schon beinahe ein Doppelbett waren. Doch als der Detektiv schließlich das Badezimmer sah, da gingen ihm die Augen über. Am liebsten wäre er sofort darin verschwunden. Es war mehr Saal als Raum mit Luxus-Dusche und einer Badewanne in der eine ganze Fußballmannschaft Platz gehabt hätte. So etwas Komfortables hatte er zuletzt in einem Badehaus gesehen und eines war klar: Billig war die Miete für dieses Hotelzimmer nicht. Von seinem Monatsgehalt hätte er sich wohl noch nicht einmal eine Übernachtung in diesem Nobelhotel leisten können, aber für die Schwestern hatte Geld ja noch nie eine große Rolle gespielt. Nami fuhr einen Porsche, Hitomi hatte einen nagelneuen Kleinwagen und Love gleich mehrere Motorräder. Die Schwestern waren angagiert in allen möglichen exklusiven Klubs. Und Toshi fand, daß besonders Nami oftmals einen kostspieligen Lebensstil zu führen pflegte. Und allein wenn er an den technischen Schnick-Schnak dachte, den die Schwestern bei ihren Beutezügen benutzt hatten, dann wurde ihm bei seinem kleinen Gehalt als Detektiv ganz anders. Irgendwie fragte er sich, wie ein kleines Café so viel Geld abwerfen konnte. Aber vielleicht waren da ja auch noch andere Geldquellen... "Menschenskinder, da habt ihr euch aber tierisch ins Zeug gelegt." bemerkte Toshi bewundernd, als er zu seinen Schwestern in das große Wohnzimmer zurückkehrte. "Man gönnt sich ja sonst nichts." grinste Nami und Toshi erwiderte das Lächeln, dennoch machte er sich so seine Gedanken... "Kommt jetzt, laßt uns die Ausrüstung prüfen und dann packen wir. Wir sollten sehen, daß wir so schnell wie möglich aufbrechen." drängelte Love aufgeregt. "Nur nichts überstürzen, Schwesterchen." bremste Nami die Ungeduld des Wildfangs. "Ich habe eine Mitteilung für Herrn Nageischi hinterlassen. Bei seinem Eintreffen wird uns der Portier benachrichtigen. Bei seinen Beziehungen zu den Botschaftern in aller Welt wird er uns sicher helfen können. Ihr wißt schon.. Wir brauchen Einreisevisa, Fahrkarten und so.." "Ja, Geld, Agenten, Geheimdienst... ich weiß." murmelte Toshi leise in sich hinein. "Hast du was gesagt, Toshi?" fragte Nami, doch Toshi schüttelte sofort den Kopf. "War nicht wichtig, Nami." beschwichtigte er, doch er traute diesem Herrn Nageishi nicht. Zumindest war er, was dessen Rolle betraf immer unsicherer. Warum sollte ein Ex-Botschafter solche Mühen und Kosten auf sich nehmen? Einfach nur um den Schwestern zu helfen oder einen Freund wiederzusehen? Sicher nicht... Die drei Schwestern hingegen schienen ihrem väterlichen Freund immer noch bedingungslos zu vertrauen. Ein Vertrauen, daß bald auf eine große Probe gestellt werden sollte.... 8. Geänderte Pläne Während Toshi und die Schwestern in ihrem Hotelzimmer die Vorbereitungen zur Abreise nach Sibirien trafen, saß zur gleichen Zeit in einem nahe gelegenen Pariser Nobelrestaurant ein gutsituierter Mann in weißem Anzug mit einer jungen Dame bei einem typisch französischen Frühstück. Ein angemessen gekleideter Ober trat an den Tisch und reichte dem Herrn ein tragbares Telefon auf einem silbernen Tablett. Emotionslos nahm der Gast den Hörer entgegen. "JA.?.. - Guten Morgen Leonin. - Ja, dir auch mein Freund. - Und du bist sicher das Heintz nicht mehr da ist? - Na ja, die sollten es ja wissen. - Ja, ich verstehe. - Ja, das werde ich. Vielen Dank Botschafter. Und wenn du mal wieder nach Tokio kommst, dann besuch' mich doch. - Du weißt doch, für dich halte ich immer ein gutes Tröpfchen aus der Heimat bereit." Bedachtsam legte er den Hörer zurück auf das Tablett und bedankte sich mit einem Kopfnicken bei dem Ober. Mit nachdenklicher Miene blickte er seine Begleitung an. "Schlechte Nachrichten, Herr Nageischi ?" fragte die Dame. "Ja. Das war mein Freund, der sowjetische Botschafter Leonin Antonowitsch. Er sagt, daß Michael Heintz nicht mehr in der Sowjetunion ist. Er ist letztes Jahr an Ostdeutschland ausgeliefert worden." "Ist dieser Mann vertrauenswürdig ?" fragte die Dame woraufhin der Herr herablassend lächelte. "Liebes Fräulein Asaja. Sie müssen noch Vieles lernen. Dieser Mann ist vertrauenswürdiger als jedes Staatsoberhaupt. Wir beide haben mehr Informationen zum Wohle unser beider Länder ausgetauscht, als alle Minister oder Staatsdiener zusammen." "Seine Quellen ?" fragte Asaja zweifelnd, doch wieder lachte Nageishi überlegen. "Geheimdienst. Top Secret. Er sagt auch, daß der KGB in seinen Akten vermerkt hat, daß Heintz zur Zeit in einem Militärgefängnis in Ost- Berlin einsitzt. Wie es scheint soll ihm dort der Prozeß gemacht werden." "Dann müssen wir wohl darauf drängen, daß unsere Truppe ihre Pläne ändert." "Ja, aber ich denke, für eine subtile Nachricht ist es bereits zu spät." warf der Botschafter ein. "Sie wissen, was zu tun ist, Fräulein Asaja?" Die Dame nickte. Einige hundert Meter entfernt, in der Hotelsuite der Schwestern, hatte es sich Toshi inzwischen im Bad bequem gemacht. Er empfand es ungemein entspannend, faul im warmen Wasser liegen zu dürfen. Etwas, daß er schon seit Tagen vermißt hatte. Aber selbst jetzt ließen ihn die Gedanken an die vergangenen Tage nicht ruhen. Es war alles so schnell gegangen. Innerhalb von noch nicht einmal einer Woche hatte sich sein Leben total verändert. In den letzten Tagen hatte er mehr erreicht als in Jahren zuvor. Erst hatte er Katzenauge gefaßt und enttarnt,- dann aus Liebe seinen Job aufgegeben und seine Heimat verlassen - und schließlich seine Verlobte geheiratet. Und gerade war er in Mitten der Jagd nach einem mysteriösen Maler unterwegs in Ländern, die viele seiner Landsleute nur aus Büchern kannten. Das alles war wie ein Traum. Schön aber gefährlich zugleich. Dennoch wollte er nicht, das der Traum endet. Er würde die Schwestern begleiten, was auch immer die Zukunft bringen mochte. Und das nicht nur weil er Hitomi geheiratet hatte,- nein, diese drei Damen waren mehr für ihn. Sie waren die Familie, die er nie hatte... Doch da riß ihn plötzlich ein zaghaftes Klopfen aus seinen melancholischen Gedanken... "JA, JA, JA ! Ich bin ja gleich fertig ! Nur noch eine Minute !" rief er, denn er nahm an, daß eine der Schwestern ungeduldig darauf wartete, daß er das Bad frei machen würde. Doch gerade als er sich aus dem Wasser erhoben hatte, da öffnete sich die Türe einen Spalt weit... Sofort ließ sich der Detektiv panisch wieder in die Wanne fallen.. "Verdammt nochmal ! Ich hab' doch gesagt, daß ich gleich fertig bin !" schrie er böse, doch dann, als er sah, wer der Störenfried war, da errötete er. "H-H-Hitomi, du bist es !" stammelte er verlegen. Hitomi lachte kokett als sie die Türe zum Bad von Innen abschloß. "Wen hast du denn erwartet ?" fragte sie listig grinsend, doch ihr Mann antwortete nicht. Er war zu sehr damit beschäftigt seine Augen unter Kontrolle zu halten. Doch da Hitomi nichts außer einem umgebundenen Badetuch trug, hatte er kaum eine Chance zu verhindern, daß er sie wollüstig anstarrte. Und nun, wo sie auch noch begann selbst diese letzte dürftige Bedeckung abzulegen, da konnte er seine Gefühle endgültig nicht mehr zügeln. Seine Augen betrachteten begehrlich Hitomis makellosen Körper während sie verführerisch langsam zu ihm in die Wanne stieg. "Ich dachte, wir könnten da weitermachen, wo wir gestern Abend aufgehört haben." flüsterte sie sinnlich in Toshis Ohr während sie sich lustvoll an seinen feuchten, warmen Körper schmiegte und begann ihn zu liebkosen... Im Nebenzimmer saß Love auf heißen Kohlen. Ungeduldig wartete sie, daß Toshi endlich das Bad verließ. Sie freute sich bereits auf ihr Wannenbad. Immerhin hatte Toshi ihr versprochen, daß sie die Nächste wäre, die in den Genuß des warmen Wasser käme. Aber mittlerweile war ihr Schwager schon eine geschlagene halbe Stunde im Bad. Ungehalten pendelte sie immer wieder zwischen Badezimmertür, schwesterlichem Schlafzimmer und Wohnzimmer hin und her. "Jetzt reicht es ! Ich hol' ihn da raus !" meinte sie schließlich wütend zu ihrer Schwester, die am Tisch saß und bei einer Tasse Kaffee in der Tageszeitung blätterte. "Das lässt du schön bleiben !" befahl Nami mit absoluter Bestimmtheit in der Stimme während sie gelassen eine Zeitungsseite umschlug. "Aber Hitomi möchte auch noch baden." Nami lächelte als sie von ihrer Lektüre aufblickte. "Sie nimmt bereits ein Bad." antwortete sie und sofort begann Love zu kichern. "Ach so ist das. Die machen aus unserem Badezimmer eine Lasterhöhle." meinte sie vorlaut und die beiden Schwester lachten. "Weisst du, große Schwester." meinte Love nach einer Weile, "Ich kann gar nicht verstehen, was die Zwei aneinander finden. Ich meine, die beiden fahren ja richtig auf Familienglück ab. Hitomi ist wie ausgewechselt." Sie stockte und schüttelte den Kopf. "Ich werde bestimmt nicht heiraten." Nami grinste weise. "Warte einmal ab, bis du den Richtigen gefunden hast." "Niemals !!" fauchte Love trotzig, "Männer sind doch absolut blöd !" "Ach, Kleines. - Du bist noch zu jung um das zu verstehen. Irgendwann kommt auch für dich der Tag, an dem du einen netten Mann kennenlernst. Und dann mit einem Mal, bevor du dich versiehst, da träumst du jede Nacht von ihm. Jede Minute des Tages möchtest du mit ihm verbringen und des Abends liegst du wach und wünschst dir nichts sehnlicher, als am nächsten Morgen in seinen Armen aufzuwachen.- Dieser Tag wird auch für dich kommen.- Bestimmt.- Glaube mir." Love zog eine Schnute und wiegte genervt den Kopf. "Ach ja, und was ist mit dir ?" erwiderte sie mit dem ihr eigenen frechen Lächeln, "Ich meine, du bist doch älter als Hitomi. Warst du krank, als dein Tag kam oder hast du ihn verschlafen ? - Warum bist du nicht schon verheiratet ?" Nami legte nachdenklich die Zeitung zusammen und blickte aus dem Fenster. "Weißt du, Love," begann sie leise und schwermütig, "ich habe noch keinen Schatz wie Toshi gefunden. Jemanden der so ehrlich und offen ist." "Und das soll ich glauben, bei all den Männern, die dich begehren. Es gibt bestimmt hunderte Männer, die sich um jemanden wie dich reißen würden. Und da soll der Richtige nicht dabei sein ? Das glaub' ich nicht." "Doch, es ist so. Sieh' mal, ich bin nicht wie Hitomi. Sie hat die Gabe sich so zu zeigen, wie sie ist. Sie trägt Jeans und schlabberige Pullis. Sie haßt teure Designer-Kleider. Sie haßt es, sich zu schminken und sich zurecht zu machen. Ihr macht es nichts aus mit Toshi durch Kneipen, Bars, Tanzschuppen und Bowlinghallen zu ziehen. - Aber jetzt schau mich an.- Was du siehst ist eine immer korrekt geschminkte und zu recht gemachte Frau die teure Kleider trägt und auf fast jeder erlesenen Party zu finden ist. Ja, in all dem Glitzer und Glamour umschwärmen mich die Männer vielleicht.- Aber das sind die falschen Männer.- Was sie begehren ist die sexy Nami, die keine Hemmungen hat sich freizügig zur Schau zu stellen. Aber das bin nicht wirklich ich. -" Nami hielt inne und seufzte traurig. Sie sah wie ihre kleine Schwester sie verwundert ansah. "Glaub' mir Love. Was meinst du, wie gerne ich auch einmal im Arm gehalten werden würde, wenn meine Haare zerzaust, das Make-Up verschmiert und meine Kleider zerlumpt sind. Aber so eine Nami wollen die Schicki-Micki-Typen nicht. Wann immer hinter dieser Maske die einsame Frau von 29 hervorkommt - die wirkliche Nami, die Hummer und Kaviar haßt,- die Frau, die es haßt immer im Mittelpunkt zu stehen und die alles andere als eine Sexbombe ist,- ja wenn diese Frau hervorkommt, dann ist man für diese Typen nur noch eine von Vielen." "Aber du bist doch alles andere als eine graue Maus. Und außerdem, wenn dir dein angeblich so verruchtes Leben nicht gefällt, warum änderst du es dann nicht ?" "Ach Love, liebe kleine unschuldige Love." seufzte Nami mitleidsvoll. "Auch du wirst eines Tages erfahren, daß auch wir Frauen Bedürfnisse haben. Der Wunsch nach erfüllter Liebe ist nicht nur den Männern vorbehalten." erklärte sie ein wenig geheimnisvoll. "Aber Schwester. Wenn es einem all zu sehr pressiert kann man doch sowas wie Liebe auch .. na, ja du weißt schon..." druckste Love. "Kaufen, meinst du ?" ergänzte Nami grinsend über die Scheu ihrer kleinen Schwester. "Ja, Love, körperliche Liebe kann man kaufen. Aber Gefühle, die kann man nicht kaufen. Gekaufte Liebe ist wie ein schlechter Wein. Es bereitet dir zwar Freude und es macht dich glücklich, aber nur für ein paar Stunden. Und am Morgen, wenn du aufwachst, dann hast du einen Kater, der dich wünschen läßt, daß du es nie getan hättest. Aber genau dann, wenn du die Liebe und die Wärme eines Menschen besonders brauchst, dann ist keiner da und du bist wieder allein. Nein - tief drinnen, da fühlst du dich sogar einsamer als je zu vor.- Was glaubst du wohl, was für ein mieses Gefühl es ist, wenn du dich von einem Mann verabschiedest und weißt, daß dem gelungenen und unbeschwerten Abend keine unvergeßliche Nacht folgen wird.- Wie würdest du dich fühlen, wenn du dich einem Mann ganz und gar hingibst, ihm all deine Liebe und Zuneigung schenkst und er dich im Moment der höchsten Ekstase um seinen Lohn bittet um sich danach angewidert abzudrehen???? - Nein Love. Das ist keine Liebe.- Das ist Gier.- Und das ist abartig." "Es scheint, als ob du aus Erfahrung sprichst." lästerte Love ohne nachzudenken, halt so wie sie es immer tat. Nami senkte bedächtig den Kopf. "Nein, ich habe es nur zu oft gesehen, in dem Lokal, wo Mutter gearbeitet hat." sagte sie verschämt. Doch Love kannte ihre ältere Schwester zu gut um zu wissen, daß dies nicht die ganze Wahrheit war. Und sie schämte sich für ihre taktlose Bemerkung. "Es tut mir leid. Es geht mich ja auch nichts an." erwiderte Love, doch ihre Schwester war nicht böse mit ihr. "Ach, ist schon gut." meinte sie und wandte ihren Kopf ab, damit Love nicht sehen sollte, wie sie verstohlen die Tränen aus ihren Augen wischte. "Die Liebe die Toshi und Hitomi für einander empfinden ist etwas Besonderes." sagte sie nach einer Weile und blickte etwas neidisch zum Bad. "Es ist nicht nur Sex, es ist Zuhören, für einander da sein, selbst wenn es um Leben und Tod geht." Love nickte bedächtig, doch im nächsten Moment hatte sie auch schon wieder ihr freches Grinsen aufgesetzt. "Ich glaube, sie sollten jetzt fertig sein." meinte sie und noch bevor Nami etwas sagen konnte, rannte sie zur Badezimmertüre. "LOS ! RAUS DA IHR ZWEI, SONST HOLE ICH DEN WASSERSCHLAUCH !" rief sie laut und klopfte wie wild an die Türe. "Love du Biest !" schallte Hitomis wütende Stimme durch die Tür und das Küken grinste hämisch. Aber auch Nami war sehr belustigt. "Ist das die neue Methode zur Verhütung? - Mal' ganz was anderes." "Ja, man nennt mich auch das Love-Kondom." erwiderte Love frech und kehrte zu ihrer Schwester ins Wohnzimmer zurück. "Wohl eher eine Love-Pille. Und eine Bittere dazu." antwortete Nami schlagfertig und beide kicherten um die Wette, doch dann verstummte Loves kindliches Lachen mit einem Mal. "Sag' mal, Nami. Hast du eigentlich noch nie einen festen Freund gehabt ?" fragte sie nach einer Weile. Ihre grosse Schwester nickte ein wenig traurig. "Doch, das habe ich." antwortete sie kaum hörbar. "Es ist schon lange her. Ich war gerade 14 und du Küken lagst noch in den Windeln, da habe ich in den Sommerferien einen Jungen kennengelernt. Er kam aus Frankreich und war gerade nach Tokio gezogen. Er verstand kaum ein Wort japanisch, aber ich hatte mich sofort in ihn verliebt." "Warum habt ihr euch getrennt?" "Es gab damals keine Zukunft für uns." antwortete Nami traurig. "Vaters Verschwinden war immer noch gegenwärtig. Es gab keinen Moment, wo ich nicht an ihn dachte. Aber immer wenn Robert mich fragte, warum ich traurig war, durfte ich die Wahrheit nicht sagen. Mutter hat zwar nie etwas gesagt, doch ich spürte die Angst in ihren Blicken, wenn ich Robert mit in unser Haus brachte. Ich verstand, daß Mutter fürchtete, daß durch ihn die Leute, die Vater entführt hatten, auch uns finden würden.- Daher habe ich mich von Robert getrennt. - Um unser Geheimnis zu wahren. Monatelang habe ich mich abends in den Schlaf geweint. Und selbst heute, nach fast 15 Jahren, träume ich noch regelmäßig von ihm." "Du warst wirklich bereit ein solches Opfer zu bringen, nur um Vater zu finden ?" "Ich war damals jung und mir ging es nicht anders als dir.- Ich hätte alles gegeben um Vater wiederzusehen. Die Suche und die Sorge um Vater war mein einziger Lebensinhalt, hinter dem alles zurückstehen mußte. Ich wußte es nicht besser. Aber dann, als ich bemerkte wie sich Hitomi in Toshi verliebte, da habe ich mir geschworen, daß ich sie nicht zwingen würde sich zu trennen. Egal welche Probleme es mit sich bringen würde, es sollten nicht noch zwei Menschen wegen unserem Vater einen Entschluß treffen, den sie ihr ganzes Leben lang bedauern würden." "Und was ist aus deinem Freund geworden, Nami ?" "Wir haben uns aus den Augen verloren. In unserem letzten Junior-High- School-Jahr hat er nicht einmal mehr mit mir gesprochen.- Und ich kann es ihm nicht einmal verdenken." sagte Nami und seufzte traurig. "Das letzte, was ich weiß, ist, daß er Japan verlassen hat." Nami hielt inne. "Es ist schon komisch wie solche Gedanken immer wieder zu Weihnachten hoch kommen." meinte sie nach einem Augenblick der Stille. "Selbst hier - tausend Kilometer von zu Hause entfernt - gejagt von irgendwelchen Dieben - denke ich an sowas Banales." Doch noch bevor Nami ihren Gedanken weiterführen konnte wurde sie von dem lauten Zuschlagen der Badezimmertüre und Hitomis wütendem Geschrei unterbrochen. "LOVE ! DU BIST EKELHAFT ! WENN DU SOWAS NOCH EINMAL MACHST, DANN REISSE ICH DIR JEDES DEINER HAARE EINZELN AUS ! AUCH DIE, DIE DU NICHT AUF DEM KOPF HAST !" schrie sie ihre jüngere Schwester an, während sie dürftig bekleidet hereinstürmte. Toshi folgte ihr auf dem Fuß, doch im Gegensatz zu seiner Frau grinste er nur verlegen und amüsierte sich insgeheim über den Scherz, den sich Love erlaubt hatte. "Hab' ich euch etwa bei irgendwas gestört ?" fragte das Küken der Familie scheinheilig grinsend und Hitomi schnaubte vor Wut. Toshi beschwichtige sie mit einem Kuß auf die Wange. "Beruhige dich Hitomi. Das war wieder einer von Loves blöden Streichen." meinte er mit sanfter Stimme. "Aber lass dir eines gesagt sein, Schwägerin." sagte er anschließend mit böser Miene zu Love. "Wenn du sowas nochmal abziehst, dann wirst du eines morgens nackt in eurem Café aufwachen." Love nickte erheitert. Auch Nami war belustigt aber auch etwas verwundert. Früher wäre es Toshi gewesen, der ausgerastet wäre und Hitomi hätte nur gelacht. Aber heute war es genau umgekehrt.- Vielleicht würde zu guter Letzt Toshi auch noch zum Dieb und Hitomi zur Polizistin werden... Namis Überlegungen wurden jäh unterbrochen, als Toshi wohl zufällig das weiße Blatt Papier sah, das unter der Zimmertüre hervor lugte. "Seht mal da." platzte er heraus und hob das gefaltete Papier auf. Er öffnete die Türe und blickte in den Korridor, doch vom Überbringer der Nachricht war keine Spur mehr zu sehen. Kopfschüttelnd verriegelte er die Zimmertüre wieder und begann die Nachricht zu lesen. "'Ich erwarte sie vier im Restaurant Chez Septime.' steht hier und unterzeichnet ist sie mit einem Grossen N." stellte er fest, als er die Nachricht weitergab. "Das ist von Herrn Nageischi, Kinder." sagte Nami als sie die Handschrift erkannte. Die Damen genossen die Fahrt im Taxi, doch Toshi war ein wenig verwundert. Es schien, daß sich der Fahrer immer weiter vom Eiffelturm und all den Nobelrestaurants entfernte. Und je länger die Fahrt dauerte, desto unfreundlicher und bedrohlicher schien ihm die Gegend, so untypisch für einen feinen Herrn wie Nageischi hier ein Treffen anzuberaumen. Auch Hitomi schien etwas stutzig zu sein, denn immerzu blickte sie ihren Mann verwundert und fragend an. Aber erst als der Fahrer in einer kleinen Seitenstraße stoppte wurden auch Nami und Love aufmerksam. "Bitte sie bleiben ganz ruhig." sagte der Fahrer in schlechtem Japanisch. "Wir Freund seien." "Was haben sie mit uns vor ?" fragte Nami ein wenig besorgt, doch der Mann antwortete nicht. Statt dessen traten zwei große und stattliche Herren an den Wagen und öffneten die Türen. "Bitte stiegen sie aus." sagten sie fast akzentfrei und verliehen ihrer Forderung mit vorgehaltener Waffe Nachdruck. Um Unauffälligkeit bemüht trieben die beiden Männer das Quartett in den Eingang eines schäbigen Hauses hinein. Sie stiegen einige Treppen hoch und wurden in ein abgedunkeltes Zimmer geführt. Vier einfache Stühle standen in der Mitte des Raumes und die bewaffneten Männer signalisierten den Vieren wortlos darauf Platz zu nehmen. Toshi war der erste, der gehorchte und sich setzte. Hitomi, Love und zuletzt Nami taten es ihm gleich. Hitomis Augen bemühten sich etwas zu erkennen. Ihnen gegenüber schien eine Art Schreibtisch zu sein, an dem zwei Personen saßen. Im spärlichen Licht, daß durch die geschlossenen aber scheinbar teilweise zerbrochenen Fensterläden eindrang, konnte Hitomi ihre Umrisse erkennen. Die eine Person schien gross und breitschultrig zu sein. Die zweite Person war eher schmächtiger Statur und ihren Umrissen nach zu Urteilen mußte sie langes Haar haben. Sicherlich hätte Hitomi noch mehr Details erkannt, doch mit einem Mal wurden sie alle von hellen Scheinwerfern geblendet, die so hell waren, daß sie ihre Augen abwenden mußten. "Es tut uns leid, daß wir zu diesen Mitteln greifen mußten." sagte eine roboterähnliche verzerrte Stimme. "Wer sind sie ? Und was wollen sie von uns ?" fragte Love empört. "Bitte beruhigen sie sich, Fräulein Love Kisugi." antwortete die Stimme. "Wir wären liebend gerne im Hintergrund geblieben, aber wir haben wichtige Informationen, von denen ihr Leben abhängen könnte." "Welche Informationen ?" fragte Nami. "Wir wissen, daß sie und ihre Schwestern Katzenauge sind, Fräulein Nami. Und als Katzen haben sie die Heintz-Sammlung wieder zusammengebracht. Nun sind sie auf der Suche nach Michael Heintz, ihrem Vater, den sie in Sibirien vermuten." "Sie sind sehr gut informiert." erwiderte Hitomi. "Aber welches Interesse verfolgen sie ?" "Nun, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu ihrer Hochzeit, Frau Hitomi Utzumi. Aber um ihre Frage zu beantworten, auch wir sind an der Rückführung von Heintz nach Japan interessiert. Wir wären gerne weiterhin dezent im Hintergrund geblieben, da sie bisher wirklich großartige Arbeit geleistet haben. Aber es haben sich neue Fakten ergeben, die es um ihres Vaters Willen, notwendig machten dieses Treffen zu arrangieren." "Dann waren sie es, die uns geholfen haben, Nami und Love zu befreien ?" wollte Toshi wissen. "Ja, Utzumi, das stimmt. Wir waren jederzeit über jeden ihrer Schritte informiert." "Aber als die beiden Schwestern gekidnappt wurden und als man uns nach dem Leben trachtete, da haben sie wohl geschlafen oder ?" erwiderte Toshi erbost angesichts solcher Überheblichkeit. "Ja, sie haben recht Utzumi. Wir waren etwas unvorsichtig, die Gegner zu unterschätzen. Aber nun sind wir gewarnt." "Welches Interesse verfolgen die denn ?" "Kunstraub. Genau die gleichen Interessen wie die Ost-Deutschen." "Was hat denn Ostdeutschland damit zu tun ?" fragte Love verwundert. "Wir wissen aus absolut sicherer Quelle, daß sich ihr Vater in der DDR befindet, Fräulein Love. Das ist das kommunistisch geführte Ost- Deutschland. Er wurde aus Sibirien herausgeschafft und soll offiziell dort wegen seiner Vergangenheit verurteilt werden." Die vier Freunde staunten und brachten kein Wort heraus. "Wir danken für ihre Hilfe." antwortete Nami nach einer Weile. "Werden wir auf ihre Hilfe zählen können ?" "Wir haben keinerlei Befugnis in dem Land, wo sich ihr Vater aufhält und es wäre verhängnisvoll für alle, wenn wir enttarnt würden. Aber sobald sie in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehren, können sie sich unserer Hilfe sicher sein." "Das ist nicht sehr viel." erwiderte Nami ein wenig enttäuscht. "Aber vielleicht haben wir sie schon zu sehr in Gefahr gebracht." "Danke für ihr Verständnis. An einem anderen Ort zu einer anderen Zeit werden wir hoffentlich einen Weg finden unser Geheimnis zu lüften. Aber bis dahin wird sie ihr Taxi wieder zurück ins Hotel bringen. Dort werden sie ein Dossier finden, in dem alle unsere Informationen aufgeschrieben sind.- Viel Erfolg." Toshi wollte noch etwas sagen, doch da verlosch das blendende Licht plötzlich und Schritte hallten durch den Raum. Immer noch geblendet von den gleissenden Scheinwerfern konnte keiner der vier Freunde etwas erkennen. Erst nach einer Weile hatten sich ihre Augen wieder an die Dunkelheit gewöhnt. Die Zimmertüre stand einen Spalt weit offen und das hereinfallende Licht ermöglichte es Hitomi den Lichtschalter zu finden. Als sie die Zimmerbeleuchtung einschaltete war der Raum wie erwartet leer. Dort wo sie die schemenhaften Gestalten gesehen hatte, waren nun nur noch zwei leere Stühle. Ein kaum wahrnehmbarer süßlicher Geruch lag im Raum, und als die Schwestern schließlich an den verlassenen Tisch herantraten, da war Hitomi sicher diesen Geruch zu kennen. Toshi hingegen interessierten mehr die Reste im Aschenbecher. Es lag ein Papierfetzen darin, in dem ein Kaugummi eingewickelt war. Vorsichtig öffnete er das Knäuel und roch daran. Mit einem kaum sichtbaren Grinsen wandte er sich zu den Schwestern. "Kommt, laßt uns gehen. Wir wollen unser Taxi nicht warten lassen." sagte der schließlich und führte die Gruppe hinaus. Bei ihrer Rückkehr fanden sie auf dem Wohnzimmertisch ihrer Hotelsuite einen großen braunen Umschlag. Es war das Dossier, von dem die Fremden gesprochen hatten. Es dauerte eine Weile bis sie den Umschlag ausgeräumt hatten und der Inhalt auf dem Tisch ausgebreitet lag. Alle waren zur Lagebesprechung zusammen gekommen. "Also, rekapitulieren wir, was wir haben..." begann Nami schließlich. "Wir haben vier Tickets für den Abendzug Paris - Berlin. Unsere Ausrüstung werden wir heute nachmittag aufgeben,- sie wird als Lehrmaterial für die Berliner Universität deklariert mit dem Frachtzug vorausgeschickt." "Können wir sie nicht ins Abteil mitnehmen ?" warf Love ein. "Das geht nicht." erwiderte Hitomi. "Die Ostdeutschen Grenzbeamten werden uns beim Transit nach West-Berlin durchsuchen. Wir müssen da vorsichtig sein.". "Ja, sie hat recht." stimmte Nami zu als sie das traurige Gesicht ihrer jüngeren Schwester sah. "Ich weiß, wie viel dir deine Geräte bedeuten und wir werden sie sicher auch gut gebrauchen können, doch wenn man sie bei uns findet, dann sind wir nicht nur die Sachen los, man wird uns obendrein auch noch die Einreise verweigern." Love nickte gehorsam aber dennoch schmollte sie ein wenig. Hatten andere Mädchen mit Puppen gespielt, so hatte Love mit Lötkolben und Schraubendreher gebastelt. Toshi dachte angestrengt nach. "Es scheint, als ob wir keine andere Wahl haben, als eure Ausrüstung in die Hände der französischen Post zu legen." sagte er letztlich und legte tröstend seine Hand auf Loves Schulter. "Komm' wir wollen die Sachen wenigstens gut verpacken." schlug er vor und zwinkerte der jüngsten der drei Schwestern listig grinsend zu. Love verstand den Wink und ohne Widerspruch half sie Toshi ihre Geräte wieder in den großen Versandkarton zu packen, in dem sie auch aus Japan angekommen waren. Nami und Hitomi waren vollauf damit beschäftigt nochmals die Dokumente durchzusehen und alles so weit möglich durchzuplanen. Sie bemrkten nicht, wie Toshi die jüngste der drei Schwestern plötzlich bei Seite nahm. "Du, Love." sagte er leise. "Kannst du ein kleines Geheimnis wahren ?" "Aber klar doch." antwortete sie etwas laut. "Psst. Leise. Deine beiden Schwestern müssen nichts davon wissen." flüsterte Toshi geheimnisvoll. "Was zum Teufel hast du vor, Toshi ?" gab Love ebenso leise zurück. "Weißt du, nichts gegen deine Schwestern und ihre Planungswut. Aber ich traue dem Ganzen nicht. Wieso nehmen wir also nicht ein paar kleine Dinge aus deiner Sammlung und verstauen sie anderswo." "Und an was hast du da gedacht ?" "Nichts besonderes. Nur simple Dinge. Falls etwas schiefgeht müssen wir improvisieren können." "Ich sehe, du denkst mit, Toshi." erwiderte Love grinsend. "Aber da bin ich dir schon etwas voraus. Meinen Notfallkoffer habe ich immer dabei." sagte sie leise und legte die Hand auf ihren Busen. Toshi grinste. "Ach so ist das. Mann bin ich froh, das die Dinger von Hitomi echt sind. Aber wie steht das eigentlich bei Nami ?" "Na hör' mal, du bist verheiratet." lachte Love und Toshi kicherte verlegen. "Ach noch Eines, Love. - Würde es dir etwas ausmachen, wenn Hitomi und ich die Sachen zum Frachtbahnhof bringen ? - Alleine ?" "Nein, aber was hast du denn gegen meine Begleitung ?" "Weißt du, Hitomi und ich, wir wollen einmal ein wenig allein sein." "Ach, ich verstehe. Ihr wollt da weitermachen, wo ich euch gestört habe." "Quatsch. Sagen wir mal, ich habe etwas gegen Zufälle. Und in letzter Zeit scheint es, daß alles, was Herrn Nageischi angeht irgendwie schief geht." "Du hast einen Plan, oder ?" "Nein, sagen wir eine Art Vermutung, was unsere neuen Freunde betrifft. Und Hitomi kann mir vielleicht helfen." "Na gut, Ex-Detektiv. Hoffentlich klappt dein Plan. Ich belüge Nami nicht gerne." "Wenn du wissen willst, ob Nami Opfer oder Täter ist, dann mußt du mir vertrauen." "Wie meinst du das ? Nami ein Opfer oder Täter ?" fragte Love erbost. "LEISE !" zischte Toshi. "Ich kann dir noch nichts genaues sagen.- Vertrau' mir bitte." "Gut, aber wenn Hitomi etwas geschieht, dann mach' ich dich einen Kopf kürzer." "Das brauchst du nicht. Wenn ihr etwas passiert, dann nehm ich dir diese Arbeit ab." Eine halbe Stunde war vergangen und das Ehepaar Utzumi war wie geplant mit Loves technischer Ausrüstung zum Güterbahnhof unterwegs. Sie benutzten den Geländewagen, so wie die geheimnisvollen Freunde es in ihrem Dokument gefordert hatten. Ohne ein Wort zu sagen verließ Hitomi plötzlich die Hauptstraße und parkte den Wagen in einer Gasse. Mahnend blickte ihr Mann sie an. "Erinnerst du dich noch an dein Versprechen ?" fragte sie. "Welches Versprechen ?" "Das Versprechen, das wir uns am Abend vor der Hochzeit gegeben haben.- Erinnerst du dich schon nicht mehr ? - Wir haben uns Treue geschworen und das wir uns nie belügen würden." "Doch, daran erinnere ich mich." "Gut, dann wirst du mir wohl auch erzählen, was dir heute morgen aufgefallen ist, als du an dem Kaugummi gerochen hast." Toshi stutze. Er hatte gedacht es wäre verborgen geblieben, wie er still in sich hinein gelächelt hatte. Aber so war Hitomi halt.- Immer wieder verblüffend. "Ich werde es dir sagen. Aber bitte verstehe das jetzt nicht falsch. Es ist nur eine Vermutung, weiter nichts." "Los, sag schon !" drängte Hitomi. "Also gut. Weißt du noch wie ich damals aufgehört habe zu rauchen ? Ich habe eine ganze Zeit lang nikotinhaltige Kaugummis gekaut." "Ja und ?" "Herr Nageischi hat bei unserer Hochzeitsfeier im Bistro der Roberts genau die gleiche Marke gekaut, wie ich damals. Und heute in dem Zimmer, da lag wieder die gleiche Kaugummimarke im Aschenbecher." "Aber wie kannst du dir da sicher sein ?" "Diesen Kaugummi gibt es nur in Japan, und die zugesetzte Baldrianmixtur verleiht ihm einen komischen Geruch." Hitomi machte ein nachdenkliches Gesicht. "Hast du noch etwas anderes gerochen ?" fragte sie nach einer Weile. "Ja, es roch etwas nach deinem Parfüm." "Genau. - Nur habe ich seit der Hochzeit kein Parfüm mehr benutzt. - Aber weißt du, wer die gleiche Marke trägt ?" "Bin ich Jesus ?" "Deine Kollegin Mitzuku Asaja." "Asaja.." murmelte Toshi. "Und wieder ein Puzzlestein, der sich hinein fügt." "Was meinst du damit, Toshi?" Toshi grinste verlegen. "Als mein Chef mir Asaja vor die Nase gesetzt hat und sie gegen meinen Willen mit der Planung einer Anti-Katzen-Aktion betraut hat, da war ich richtig sauer auf sie. Ich wollte wissen, was sie so besonders machte, das er sie mir vorzog. Und da habe ich ihren Namen durch den Computer geschickt, und siehe da, sie hat absolut keine Vergangenheit." Hitomi sah ihren Mann verwirrt an. "Keine Vergangenheit? - Das kann nicht sein. Wir haben doch ihre Akte eingesehen." Toshi lachte. "Woher hattet ihr sie denn.. - Laß mich raten - Herr Nageishi. - Erinnerst du dich an den Schönheitswettbewerb Miss Leotard '85 wo sie gegen euch drei antrat und gewann? Sie hatte damals ihre Brille abgesetzt und konnte absolut nichts mehr sehen ! Ohne Brille ist sie blind wie ein Maulwurf." Hitomi nickte nachdenklich. "Ja, ich verstehe was du meinst. Wenn sie eine Feld- Wald- und Wiesenpolizistin wie du wäre, dann.." "Richtig." warf Toshi ein. "Dann hätte sie noch nicht einmal die Aufnahmeprüfung bestanden. Und das Beste ist, die offensichtliche Schwere ihrer Sehschwäche steht noch nicht einmal in ihren Akten. - Wie gesagt, sie hat keine Vergangenheit." Hitomi grübelte. "Utzumi!" meinte sie plötzlich. "Ist dir das also auch aufgefallen.." stellte Toshi lächelnd fest. "Die Stimme hat euch mit Frau und Fräulein angeredet. Mich hat sie einfach Utzumi genannt, genau so, wie Asaja es immer machte." "Wenn das stimmt, dann ist sie vielleicht eine Spionin." "Von einem anderen Land ? Asaja ? Niemals. Die hat doch die japanische Flagge auf ihren Schlüpfer gestickt." erklärte Toshi und grinste. "Nein, wenn, dann ist sie vom japanischen Geheimdienst." Hitomi legte nachdenklich den Kopf zur Seite. "Nun gut, Asaja mag ein doppeltes Spiel spielen. Aber Herr Nageischi ? - Nein, das glaube ich nicht, Er war immer wie ein Vater zu uns. Wir konnten uns immer auf ihn verlassen." "Eben." erwiderte Toshi. "Genau das ist es doch. Warum würde ein Fremder euch derart unterstützen, aber dennoch immer dezent im Hintergrund bleiben. Meiner Meinung nach steckt er da genau so drin wie Asaja. Und ich will nicht wissen, wer noch dazugehört.- Jemand vielleicht, von dem du es am aller wenigsten erwartest." "Jetzt übertreibst du aber, Toshi." entfuhr es Hitomi. Sie hatte die Bemerkung ihres Mannes nur zu gut verstanden. Doch Toshi ließ nicht locker. Immerhin hatte seine Frau ihn ja gefragt, und da war es nur richtig, wenn er seine Vermutungen äußerte. "Gut, es ist vielleicht weit hergeholt. Aber hat es dich nie gewundert, wo all das Geld herkommt, das ihr für eure Einsätze gebraucht habt ?" "Wir hatten ein eigenes Konto für diese Ausgaben bei einer Schweizer Bank. Nami sagte, es wäre Geld, das Mutter gespart hätte. Und wir haben auch einen Teil des Geldes aus dem Café eingebracht und Herr Nageischi hat uns auch hin und wieder geholfen..." Hitomi stockte ein wenig. "Na dämmert's ?" fragte Toshi zufrieden. "Nami hat gesagt, Herr Nageischi hat gesagt... Was ist mit dir und Love. Habt ihr jemals einen Kontoauszug gesehen ? Habt ihr jemals auch nur einen Yen von dem ominösen Konto abgehoben oder darauf eingezahlt ?" "Nein, nein. Es stimmt schon. Du hast recht. Was die Finanzen unserer Aktionen angeht haben Nami und Herr Nageischi alle Fäden in der Hand gehabt. Wenn du das so siehst", Hitomi dachte nach "Tja, wenn du das so siehst, dann müßte sie ja auch mit drin stecken." Toshi zögerte und rieb sein Kinn. "Es ist nur eine Vermutung." sagte er. "Ich habe keine Beweise. Nicht einmal Indizien. Und selbst wenn es wahr wäre, dann würde sie ja für die richtige Seite arbeiten." Hitomi stimmte zu und legte ihre wunderhübsche Stirn in Falten. "Das ist zwar richtig, Toshi, aber weißt du, was du da sagst ?" Sie hielt kurz inne und seuftze, "Das würde ja bedeuten, daß Katzenauge im Dienste des Japanischen Geheimdienstes gearbeitet hätte. Marionetten der Regierung." Toshi nahm seine Frau zärtlich in den Arm. "Weißt du woran ich glaube ?" fragte er. "Ich glaube, daß Nami weiß, was sie tut. Und sie ist immer um euch besorgt." Hitomi verstand und gab ihrem Mann einen langen zärtlichen Kuß. "Danke für deine Ansprache." sagte sie und Toshi nickte zufrieden. Das Gelände des Güterbahnhofes war ein schier unendliches Gewirr von Schienen, Güterwagen und Lagerhäusern. Und selbst an diesem zweiten Weihnachtsfeiertag herrschte, was ein- und auslaufende Güterzüge betraf ein reger Verkehr. Es dauerte eine ganze Weile, bis die Beiden das in den Dokumenten vorbezeichnete Lagerhaus fanden. Hitomi setzte den Wagen rückwärts an die Laderampe heran und Toshi wuchtete das schwere Paket auf den bereitstehenden Handkarren. Langsam schoben sie den Karren die Laderampe entlang ins Gebäude hinein. Sie waren am Anfang eines langen Ganges, der durch Reihen von Stellagen und aufgetürmten Kisten hindurch führte. Vorsichtig drangen sie tiefer in die Halle vor, bis mit einem Mal wieder diese künstlich verfremdete Stimme erschallte. "Stehenbleiben." herrschte sie die Beiden an. "Wir übernehmen die Ware jetzt. Sie können gehen. Viel Glück." Hitomi blickte umher. An der Wand erkannte sie den mehrere Meter großen Schatten einer Frauengestalt. Wortlos zeigte sie darauf und Toshi verstand. Sofort begann er nach der Quelle dieser Erscheinung zu suchen. "Bitte bleiben sie stehen, Utzumi." forderte ihn die Stimme mit einem Mal auf und der Detektiv tat wie befohlen. "Schon gut." rief er und blickte hinüber zu seiner Frau. Sie ahnte seinen Plan und stimmte mit einem Kopfnicken zu. Er erwiderte diese Geste und holte tief Luft. "Ich weiß ja, wie lichtscheu sie sind. Aber beim nächsten Mal reden sie mich bitte mit Herr Utzumi an, Asaja." sagte er kühl. "Sie sollten ihr Versteckspiel jetzt aber beenden." Zunächst kam keine Antwort. Keine Reaktion seitens der geheimnisvollen Person. Doch dann, als der Schatten auf der Wand begann kleiner zu werden und zur gleichen Zeit auch Schritte zu hören waren, da wurde Toshi klar, das er mit seinen Vermutungen recht gehabt hatte. Aber dennoch staunten Hitomi und ihr Mann nicht schlecht, als einige Augenblicke später tatsächlich das junge Fräulein Unterinspektor vor sie trat. "Anerkennung." meinte Unterinspektor Asaja gefaßt. "Aber wie haben sie es erkannt ?" "Sie sollten ein weniger auffälliges Parfüm tragen, Asaja." erklärte Toshi ein wenig hämisch. Asajas strenger Blick formte sich zu einem flüchtigen Grinsen. "Ach, ich verstehe, sie profitieren von der vorzüglichen Nase ihrer Frau." "Das mag sein." gab Toshi zu. "Aber nun zum Kernpunkt. Gehe ich recht in der Annahme, daß sie für den Geheimdienst arbeiten, genau so wie dieser Herr Nageischi ?" fragte er, entschlossen die Wahrheit ans Licht zu zerren. Asaja jedoch senkte bedächtig den Kopf. "Leider kann ich ihnen zu Zeit nichts weiter dazu sagen, als daß wir auf ihrer Seite stehen." antwortete sie scheinbar unbewegt, doch Toshi entging nicht ihr leichtes, fast unmerkliches Kopfnicken und auch das kurze Zwinkern mit beiden Augen sprach Bände. Ohne ein Wort zu sagen, hatte sie gerade, wohl entgegen allen Befehlen, seine Frage beantwortet. Und es genügte dieser verwegenen Tat um das Eis zu brechen, das sich seit Jahren zwischen ihnen aufgetürmt hatte. Toshi nickte dankbar. "Nun gut, Asaja. Ich sehe, sie wollen mir nicht antworten." meinte Toshi nach einer Weile. "Aber lassen sie sich gesagt sein, daß wir Vorbereitungen getroffen haben, für den Fall, daß uns oder Heintz etwas passiert. Sie sollten uns also pfleglich behandeln, wenn sie nicht eine Lawine lostreten wollen, die selbst den Fujiyama begräbt." "Wir werden sie nach Kräften unterstützen. Ich bürge dafür." erwiderte Asaja vertrauensvoll. "Gut.- Das wollte ich hören." meinte Toshi zufrieden und wandte sich zum Gehen. Hitomi jedoch musterte Fräulein Asaja noch einmal mit eindrücklichen Blicken bevor sie ihrem Mann folgte. Auf halbem Weg hinaus drehte sich der Detektiv plötzlich noch einmal um und warf Unterinspektor Asaja einen bedeutungsvollen und mahnenden Blick zu. "Wissen sie Mitzuku, ich habe sie trotz all unserer Differenzen immer als aufrichtige und korrekte Polizistin geschätzt.- Bitte enttäuschen sie mich nicht." Asaja blickte verlegen zu Boden. "Sie haben mein Wort, Toshi." sagte sie leise und ein wenig Schamesröte stieg in ihr Gesicht. Selbst als Hitomi und Toshi schon eine Weile verschwunden waren, stand Unterinspektor Asaja immer noch in der Halle und sah ihnen nach. "Das war sehr unklug." hallte plötzlich eine sonore Männerstimme durch den Raum und ein etwas untersetzter, gut gekleideter Herr trat mit majestätisch anmutenden Schritten aus dem Schatten der vielen Regale heraus. "Herr Nageischi, sie hier ?" "Ja, entschuldigen sie, aber ich ahnte, daß so etwas passieren würde. Sie sind eben nicht für diesen Job geschaffen, Fräulein Unterinspektor." "Natürlich nicht. Ich bin Polizistin." antwortete Asaja zornig. "Und ich hasse es Kollegen hinters Licht zu führen." "Dieser Utzumi wird langsam zur Plage." murmelte der Herr sorgenvoll. "Mit dieser abgetakelten Fregatte und ihren blöden Schwestern wären wir ohne Probleme klar gekommen. Aber dieser dämliche Detektiv mußte ja seine Nase überall hineinstecken." "Ja, wie es aussieht haben wir ihn unterschätzt." "UND DAS IST GÄNZLICH IHR FEHLER." erwiderte Nageischi böse. "Sie haben behauptet, daß er absolut unfähig ist, aber ich muß feststellen, daß er SIE jedenfalls spielend übertölpelt hat. Ich hoffe, sie wissen, daß wir durch diesen Zwischenfall hier unsere Pläne gänzlich ändern müssen." Die Dame nickte verständnisvoll und senkte den Kopf. "Ist es das wirklich wert ?" murmelte sie leise in sich hinein. Auf der Rückfahrt zum Hotel quälten Hitomi tausend Gedanken. Das Vertrauen, das sie bisher immer in ihre große Schwester und den väterlichen Freund gehabt hatte, war erschüttert worden. Und was die Vermutung einer Verbindung von Herrn Nageischi zum Geheimdienst betraf, da schienen ihr mit einem Mal Toshis pessimistische Phantasien garnicht mehr so unwirklich zu sein. "Toshi, es tut mir leid." flüsterte sie leise und legte ihren Kopf auf Toshis Schulter. Er küßte flüchtig ihr Haar und konzentrierte sich dann wieder auf das Steuern des Fahrzeuges. "Ich glaube, wir müssen sehr vorsichtig sein." meinte er schließlich. "Nami können wir trauen, aber was unsere angeblichen Freunde betrifft, da ist sicher Vorsicht geboten." "Ja, du hast recht Schatz. Wir werden das schon schaffen." säuselte Hitomi und begann an ihren Mann gelehnt einzuschlafen. 9. Reise ins Ungewisse Als die vierköpfige Reisegruppe den Abendzug bestieg, der den Pariser Zentralbahnhof in Richtung Westdeutschland verließ, da war die Stimmung alles andere als gelöst. Toshi und Hitomi grübelten immer noch über die Ereignisse des Nachmittages nach, während Nami nachdenklich und abwesend aus dem Fenster starrte. Nur Love war froh gelaunt, in der Erwartung bald ihren Vater kennenzulernen. "Na hört mal, was macht ihr denn für ein Gesicht ? Freut euch, es ist doch Weihnachten !" sagte sie und lachte über das ganze Gesicht, als sie begann in ihrer Reisetasche zu kramen. Sie zog ein Transistorradio heraus und schaltete es ein. Eine wundervolle Rockballade ertönte und alle lauschten verzaubert von der wunderschönen Melodie. Nur Nami stand mit einem Mal auf und streifte ihr aufreizendes Kleid zurecht. "Wo gehst du hin, Nami ?" fragte Hitomi ihre ältere Schwester. "Ach, ich weiß nicht. Mal sehen, was der Speisewagen zu bieten hat." erwiderte Nami unschlüssig. "Speisewagen ?" rief Love erfreut. "Gute Idee ! Warte, ich komme mit !" Love war, wenn es ums Essen ging, genau so wie Toshi, immer in vorderster Front. Dieses Mal jedoch wartete sie vergeblich auf Namis Einladung. Fragend blickte sie zu Hitomi und die antwortete mit einem leichten Kopfschütteln und gesenktem Blick.- Love verstand. "Na ja. Andererseits kann es auch nicht schlimm sein, wenn ich einmal eine Mahlzeit auslasse. Nachher werde ich noch zu fett." Ein flüchtiges Lächeln zog über Namis Gesicht.- Es verriet Dankbarkeit für das Verständnis, das die Freunde ihr entgegen brachten. - Sie wollte allein sein und sich in ihre Gedanken flüchten. Wortlos und bedächtig verließ sie das Abteil und die Zurückgebliebenen blickten ihr noch einen Moment lang nach. "Was hat sie denn ?" fragte Toshi verwundert. "Keine Ahnung." erwiderte Love. "Sie ist schon den ganzen Nachmittag so komisch." "Was hast du denn schon wieder angestellt ?" fragte Hitomi vorwurfsvoll. "Nichts. Absolut gar nichts. Außerdem stelle ich doch nie etwas an." verteidigte sich die jüngste Schwester. "Na, da kenn' ich dich aber anders." gab Hitomi ironisch grinsend zurück. "Aber wenn du es nicht warst, warum ist sie dann so komisch?" "Ich weiß es beim besten Willen nicht. Als wir heute Nachmittag im Kaufhaus waren und ein paar Klamotten anprobiert haben, da war sie noch bester Laune. Sie hat so einen hautengen Fummel anprobiert,- du weißt schon, sowas mit supertiefem Ausschnitt und hochgeschlitzem Rock. Und sie hat sich tierisch amüsiert als die Kerle reihenweise in Ohnmacht gefallen sind." "Ja, das ist unsere Nami. " stimmte Hitomi zu. "Und was ist dann passiert?" "Nichts ! Wir haben einen Kaffee getrunken und sind dann noch kurz in den Musikladen gegangen, weil Nami nach einer Schallplatte für das Café suchen wollte. Doch dann, mit einem Mal, ist sie einfach aus dem Laden gestürmt und hat mich ohne Geld stehen lassen." "Hoffentlich hat das nichts mit unseren Plänen zu tun." meinte Toshi schließlich nach einem Moment des Grübelns. "Aber wenn es Probleme gäbe, dann hätte sie es uns bestimmt gesagt." "Welche Probleme erwartest du denn, Schwager ?" wollte Love wissen, doch Toshi antwortete nicht und blickte nur stumm aus dem Fenster. "Hitomi, was ist da heute nachmittag passiert ?" Hitomi blickte ihren Mann fragend an. Sie wollte wissen, ob er einverstanden war, wenn sie es dem Küken der Familie sagen würde. Toshi nickte zustimmend und seine Frau begann zu erzählen. "Wir haben heute nachmittag erfahren, daß unsere geheimnisvollen Verbündeten Herr Nageischi und Fräulein Asaja sind." erklärte sie und sie war sicher das ihre kleine Schwester sehr überrascht auf diese Neuigkeit reagieren würde. - Doch Love kicherte nur. "Ach so. Wenn es nur das ist ." meinte sie weise grinsend. "Sag' bloß, du hast davon gewußt ?" warf Toshi verwundert ein. "Klar doch. Und ich weiß noch mehr." bemerkte Love ein wenig stolz. "Herr Nageischi arbeitet für die Regierung und er und Nami haben eine Art Vertrag geschlossen, nach dem die japanische Regierung uns bei der Suche nach Vater hilft, wenn wir seine Sammlung dem Nationalmuseum stiften." "Seit wann weißt du das denn schon ?" wollte Hitomi wissen. "Seit ich den Computer repariert habe und dabei auf einige von Nami geschützte Dokumente gestoßen bin. Um sie zu retten mußte ich Nami bitten mir zu helfen, und da hat sie es mir erzählt." Hitomi stutzte und macht ein bitterböses Gesicht. "Und warum habe ich nichts davon erfahren ?" fragte sie wütend. "Sie wollte dich und Toshi nicht da mit hineinziehen." erklärte Love entschuldigend. "Nach allem, was ich weiß ist die ganze Sache Top Secret.- Obwohl ich zugeben muß, daß die Tatsache, daß diese Asaja auch zu dem Haufen gehört mich schon ein wenig überrascht." "Asaja ist das kleinere Problem." warf Toshi ein. "Aber sag 'mal Love, hast du eine Ahnung, warum die Regierung so scharf darauf ist euren Vater zurück nach Japan zu schaffen ?" Love schüttelte ihren Wuschelkopf. "Nein, das ist eines der großen Geheimnisse. Herr Nageischi hat sich nie dazu geäußert. So oft wie wir auch nachgefragt haben, er ist immer ausgewichen und hat etwas von Freundschaft und Respekt erzählt." Sie hielt einen Moment inne. "Eigentlich wollte Nami es ja keinem von uns sagen, aber sie vermutet, daß Vater mehr als nur ein verfolgter Maler ist." Toshi merkte auf. "Das würde Einiges erklären." murmelte er. Die beiden Schwestern sahen sich fragend an und Love war es letztlich, die aussprach, was sie beide dachten: "Können wir an deinen Ideen teilhaben ?" Toshi zögerte. Er überlegte, ob es der richtige Zeitpunkt war um seine Theorien zu äußern. Er wußte nicht genau wann es gewesen war, als er plötzlich den roten Faden gefunden hatte, der alles zusammen hielt. Einmal ziehen und alle Teile des Puzzles waren von selbst an ihren Platz gerutscht.- Doch, die Schwestern mußten es wissen. Es konnte nicht falsch sein, wenn sie ihren Freunden etwas kritischer gegenüber ständen. Toshi räusperte sich. "Stellt euch Folgendes vor." begann er. "Euer Vater, deutscher Staatsbürger, flieht vor dem 2. Weltkrieg aus Deutschland ins benachbarte Frankreich und wird dort später Mitglied der Untergrundorganisation, der Resistance.- Das stimmt soweit, ihr habt es ja selbst herausgefunden.- Nehmen wir an, die Deutschen finden etwas oder jemanden um euren Vater zu erpressen. Denn selbst wenn ER geflohen war, seine Wurzeln liegen in Deutschland und es mußte dort noch jemanden geben, dessen Leben ihm wichtig war. Wichtig genug, um ihn damit zu erpressen. - Jedenfalls, die Nazi-Deutschen drohen ihm.- Stellen ihn vor die Wahl: Tod oder Mitarbeit.- Er entscheidet sich für die Deutschen zu arbeiten, was verständlich ist, niemand ist gerne tot." Toshi hielt inne. Die beiden Schwestern, die seinen Ausführungen bisher aufmerksam gefolgt waren, nickten verstehend. "So weit, so gut.- Mittlerweile ist der Krieg in vollem Gange und es läuft für die Deutschen nicht gut. Der französische Untergrund ist ein nicht zu unterschätzender Feind geworden.- Das ist geschichtlich belegt und in Büchern nachzulesen.- Euer Vater beginnt ein riskantes Spiel. Auf der einen Seite versorgt er Deutschland mit Informationen über den Untergrund um sein Leben und das seiner Lieben zu retten. Er gibt aber nur soviel preis, daß er ungehindert sein eigentliches Ziel weiter verfolgen kann: Die Vereitlung der Kunstdiebstähle der Deutschen.- Die Lage spitzt sich zu.- Das Bernsteinzimmer, der größte Coup.- Das es existierte ist Fakt.- Ob es rechtzeitig bei Seite geschafft wurde oder nicht, lassen wir dahin gestellt.- Jedenfalls weiß Heintz etwas darüber. - Der Krieg ist aus.- Das Ende seiner Arbeit für die Nazis.- Die Siegermächte plündern das besetzte Deutschland.- Geschichtlicher Fakt.- Auch das Interesse an der verschollenen Beutekunst erwacht. Der Eine erzählt dies, der andere das. Lügen und Legenden werden geboren. Vieles ist in geheimen Lagerstätten für immer verschollen.- Euer Vater wird zum gesuchten Mann.- Er flieht von Land zu Land.- Das wißt ihr. Also Fakt.- Das eine oder andere Land verspricht ihm wahrscheinlich Schutz vor seinen Verfolgern, aber nur im Austausch gegen Informationen.- Nun hat er aber vielleicht gar keine wertvollen Informationen, oder will sie nicht preisgeben.- Also gibt es keinen Deal.- Dann kommt er in unser Heimatland- oh wunderbares selbstloses Japan.- Wir nehmen ihn auf ohne Bedingungen zu stellen.- Jedenfalls nicht ausdrücklich.- Aber vielleicht würde er ja irgendwann von selbst sagen, was er wußte.- Der Plan gelingt.- Nahezu unerkannt läßt er sich nieder, gründet eine Familie.- Schaut euch an: FAKT.- Doch etwas geht schief. Irgendwo gab es eine undichte Stelle und sie sind ihm auf den Fersen.- Schnell muß er aus Japan heraus.- Fakt.- Aber wie? - Als Tourist wäre zu gefährlich.- Mit Botschafterpapieren - na, ja, jedenfalls durch irgendwelche Regierungspapiere geschützt und beschleunigt - reist euer Vater 68 unbehelligt mit seiner Sammlung nach Amerika.- Die Reise: FAKT.- Nun kommt Nageishi ins Spiel. Er sollte ihn wahrscheinlich überwachen. Sicherstellen, daß - wenn er redete - die richtigen Ohren zuhörten.- Warum und wie weiß ich nicht, aber man könnte Einiges vermuten.- Jedenfalls gerät er in die Hände der Russen.- Sie kerkern ihn ein, quetschen ihn aus, doch bekommen nichts heraus.- Nutzlos wird er an Ostdeutschland ausgeliefert.- Zunächst Ende." Love staunte Bauklötze. Das mußte es sein. Es klang alles so logisch, fand sie. Hitomi hingegen zweifelte. "Das ist war zwar eine tolle Geschichte, aber wo kommt die Platte mit den Weihnachtsgrüßen ins Spiel. Und der Trubel um Vaters Bilder. Wenn es doch nur Bilder waren, dann verstehe ich nicht, warum unsere Regierung uns unterstützt hat bei dem Versuch sie wieder zu beschaffen." Toshi legte die Stirn in Falten. "Ich hätte da schon eine Erklärung nur leider paßt sie nicht zu den Tatsachen." "Laß trotzdem hören." meinte Hitomi. "Nun gut. Nehmen wir an, euer Vater kannte geheime Lagerorte deutscher Beutekunst. Sei es durch den Untergrund oder durch Arbeit für die Deutschen. Offiziell hat es wohl kaum detaillierte Aufzeichnungen über die genauen Lagerorte gegeben.- Wenn ja, haben die meisten die Kriegswirren nicht überstanden.- Euer Vater glaubte wohl, das die von den Nazis entwendeten Kunstwerke unbedingt wieder in die Hände derer zurück gelangen mußten, denen sie gestohlen worden waren. Er wollte um jeden Preis verhindern, daß sich die Siegermächte den Inhalt der unentdeckt gebliebenen Lagerstätten auch noch einverleibten. Da er verfolgt wurde, konnte er natürlich nicht sicher sein, daß er noch leben würde, wenn es dann dereinst an der Zeit wäre sein Wissen Preis zu geben. Wie auch immer findet er einen Weg die Lagerplätze der ihm bekannten Beutekunst in seinen Bildern zu verschlüsseln.- Als Gedächtnisstütze, als Hinweis für seine Freunde aus der Resistance, Vermächtnis an euch.- Vieles ist denkbar.- Logisch, das auch Japan da mitmischen wollte.- Was die Platte betrifft, so bin ich mir nicht sicher. Entweder war sie einfach nur ein Hilferuf, weniger an euch als an die Regierung. Oder sie war ein Trick um euch in die Finger zu bekommen, als Druckmittel." Hitomi lachte. "Ein wahnwitzige Agentengeschichte James Utzumi 000. Ein Haken - leider war nichts in den Bildern verschlüsselt." Toshi nickte. "Womit meine Theorie wie ein Kartenhaus zusammenfällt." ergänzte er betrübt. "Du hast doch nichts gefunden, oder Love ?" "Wenn du damit versteckte Botschaften meinst, Agent Toshi, dann muss ich dich enttäuschen." antwortete Love mit einem Kopfschütteln. "Nichts, Nada, Niente, Nothing - Ich habe alles versucht, aber ausser ein paar Gitterlinien die machen Bildern unterlegt sind war nichts zu finden. Aber das ist ja nichts ungewöhnliches. Viele Künstler arbeiten mit Rastergittern, wenn sie von Vorlagen abmalen." Toshi hob nachdenklich die Augenbrauen. "Ich würde das doch gerne einmal sehen. Hast du die Unterlagen da ?" erwiderte er neugierig. "Nein, leider nicht. Die ganzen Unterlagen sind in dem Paket mit unserer Ausrüstung." gab Love zurück. Und mit einem Mal machte Toshi ein ausgesprochen sorgenvolles Gesicht. "Dann sind die Aufzeichnungen also in ihren Händen." bemerkte er und seine innere Unruhe war deutlich in seiner Stimme zu spüren. Love hingegen verstand die ganze Aufregung nicht. "Ja und ? Was solls ! Da ist doch nichts dabei." meinte sie. "Es ist doch nichts brauchbares herausgekommen, ausser ein paar Gittern mit Tintenflecken darin. Und die neusten Tic-Tac-Toe-Regeln sind sicher kein Agentengeheimnis mehr." frotzelte sie noch, doch da merkte auch Hitomi plötzlich auf. "Tintenkleckse ? " warf sie verwirrt ein. "Du hast Gitterlinien mit Tintenklecksen gesehen ?" "Ja, aber vielleicht waren es auch nur Einschlüsse in der Leinwand. Sowas kommt häufig vor." erklärte Love gelassen, hatte sie die Wichtigkeit ihrer Entdeckung noch immer nicht erkannt. Hitomi jedoch stockte der Atem. "Koordinatengitter mit Punkten. " murmelte sie und blickte ratsuchend zu ihrem Mann. "Ich habe da einen bösen Verdacht." Toshi grübelte noch verzweifelt. Diesmal fehlte ihm der Impuls,- der zündende Gedanke um alles in eine Reihe zu bringen. Seine Frau hingegen hatte den neuen Stein schon in das Puzzle eingebaut. Und so sehr sie sich auch sträubte es zuzugeben, es paßte in das Bild, das ihr Mann vorhin gerade gezeichnet hatte. "Denk nach, Toshilein." meinte sie liebevoll. "Militärkarten sind in Quadrate aufgeteilt und soweit ich weiß, gibt es meist keinerlei Beschriftung. Ausgewählte Städte dienen als Orientierungspunkte, damit der Feind sie nicht so leicht entschlüsseln kann." Love schreckte auf. "Wenn das so ist, dann braucht man sie ja nur auf eine komplette Karte zu projezieren um sie zu entschlüsseln." schlußfolgerte sie kühn und Hitomi nickte. "Ja, genau das habe ich befürchtet." gab sie nachdenklich zu. "Aber auf diese Weise kann man nicht nur Karten übermitteln. Mit den richtigen Originalen kann man auch Botschaften und anderes geheimes Material verschlüsseln." "Das bedeutet also, daß unsere ach so hilfsbereiten und loyalen Freunde dank uns alles zusammen haben, um die Botschaften eures Vaters zu entziffern." stellte Toshi fest und blickte in die Runde. Die beiden Damen machten betroffene Gesichter. Und der Detektiv wußte auch, daß das, was er jetzt prophezeien würde, nicht gerade die Stimmung heben würde. "So ungern ich es auch sage,- " begann er schließlich leise. "Aber wenn die Regierung jetzt alles hat, was sie suchte, dann..." "Bitte sag's nicht, Toshi." unterbrach ihn Hitomi und legte zärtlich ihre Finger auf seinen Mund. Zwar war es so offensichtlich, was ihr Mann sagen wollte, doch sie wollte es in diesem Moment einfach nicht akzeptieren. Nicht nur um ihrer Willen,- sie wollte auch ihrer Schwester Love nicht die Hoffnung nehmen, jemals ihren Vater wiederzusehen. Doch die jüngste der drei Schwestern hatte die bittere Wahrheit längst erkannt, die hinter Toshis Worten steckte. "Lass nur, Hitomi." sagte sie schließlich leise und senkte traurig den Kopf. "Toshi hat recht. Wenn sie jetzt bereits ihr Ziel erreicht haben, dann sind wir für den Geheimdienst nur noch ein Klotz am Bein.- Und ich habe genügend kitschige Agentenfilme gesehen, um zu wissen, wie die mit Leuten umgehen, die zu viel wissen." Eine bedrückende Stille machte sich unter den Freunden breit. Jeder der Drei hatte genau gewußt, daß ihr Leben auf dem Spiel stand. Aber erst jetzt, wo Love es offen ausgesprochen hatte, da wurde ihnen die volle Tragweite ihrer Lage bewußt. Minutenlang sagte keiner ein Wort. Love begann in einem Buch zu lesen, Hitomi kuschelte sich an ihren Mann und blickte gedankenversunken im Zugabteil umher während Toshi aus dem Fenster starrte. Die Sonne war schon lange untergegangen und die ganze Welt, die vor dem Zugfenster vorbei flog, war reduziert auf wenige leuchtende Flecken am Horizont. Doch in diese bedächtige Stille mischte sich plötzlich ein leises Klopfen. Erschrocken blickten die drei Freunde zur Türe, die ihr Zugabteil vom Gang trennte. Durch die Glasscheibe erblickten sie ein freundliches Männergesicht, das scheinbar auf eine Reaktion von ihnen wartete. Nach einem kurzen Zögern und auf eine einladende Handbewegung von Love hin öffnete sich dann jedoch die Türe und ein großer schlanker Mann, gut gekleidet und mit blonden Haaren trat ein. Sein Gesicht war nicht untypisch für einen Europäer, aber dennoch hatte Hitomi das fast unmerkliche Gefühl, daß sie dieses Gesicht schon einmal gesehen hatte. "Excusez moi, mademoiselles, monsieur. Cette place est occupee ?" fragte der Herr in perfektem Französisch und Hitomis Augen blieben förmlich an den Lippen des Fremden kleben. Er hatte mit solch einer unbeschreiblich sanften und wohlklingenden Stimme gesprochen. Toshis Räuspern unterbrach ihre Gedanken und sie sah die vorwurfsvollen Blicke ihres Mannes. "Äh, ja," stotterte sie. "Er hat gefragt, ob er sich zu uns setzen kann." übersetzte sie. Toshi und Love blickten einander stumm an und nickten einhellig. Hitomi wollte dem Herren noch angemessen antworten, doch da war der schon mit seinem Gepäck eingetreten und hatte die Tür des Abteils hinter sich geschlossen. "Vielen Dank, meine Damen, mein Herr." sagte der Fremde in fast akzentfreiem Japanisch und Hitomi sah ihn verblüfft an: "Sie sprechen unsere Sprache?" "Ja, ein wenig." gab der Herr verlegen zurück. "Aber ich hoffe, daß sie mir die Möglichkeit geben werden, meine Kenntnisse etwas aufzufrischen." "Es wäre uns eine Ehre." bemerkte Love gestelzt und sichtlich beeindruckt. "Vielen Dank." sagte der Herr und verbeugte sich höflich. Neugierige Blicke lasteten auf dem Fremden während er seine Reisetasche ins Gepäcknetz legte und neben Love Platz nahm. "Erlauben sie, daß ich mich vorstelle? Mein Name ist Robert Rossinier." Hitomi brach in schallendes Gelächter aus. "Es gibt doch noch Wunder." "Entschuldigung, aber das verstehe ich nicht !" entgegnete der Fremde. "Meine Schwester heißt Nami Kisugi" erklärte Hitomi. "Ich habe zwar Toshi hier geheiratet und heiße jetzt Utzumi, doch mein Mädchenname ist auch Kisugi,- Hitomi Kisugi und die junge Frau neben Ihnen ist Love, sie war damals noch ein Baby." "Sie sind Hitomi ?" Hitomi antwortete mit einem Kopfnicken und ein ungläubiges Lächeln huschte über das Gesicht des Fremden "Entschuldigen Sie, daß ich Sie nicht sofort erkannt habe, aber als Nami und ich uns getrennt haben, da waren Sie noch ein kleines Mädchen.- Sagen Sie, geht es Nami gut ?" "Fragen Sie sie doch selbst..." lachte Hitomi... Der Speisewagen war beinahe leer. Nami saß allein und gedankenverloren an einem Tisch und blickte in das halb leere Whiskyglas, das vor ihr stand. Es schien sie nicht zu interessieren, daß alle im Raum sie wegen ihres freizügigen Kleides gierig anstarrten. Sie beobachtete einen großen blonden Mann an der Bar. Er hatte zwei Tassen Kaffee bestellt und nun lächelte er ihr zu. Sie schenkte ihm einen abschätzigen Blick und sah mit Gleichgültigkeit wie er herüberkam. "Hier, trink das." sagte der Fremde vertraut und leise zu Nami, als er ihr unaufgefordert Kaffee servierte. Die älteste der drei Schwestern schreckte auf. "Kennen wir uns ?" fragte sie verwundert und sah ihn verwirrt aus glasigen Augen an. "Ja, wir kennen uns, Nami." erwiderte der Mann grinsend. "Es ist zwar schon lange her, aber wir kennen uns. Sehr gut sogar. Und damals hast du noch keinen Alkohol getrunken." Nami schob empört die Tasse bei Seite. "Was erlauben sie sich eigentlich ?" gab sie erbost zurück, während sich der Mann grinsend auf den freien Stuhl neben ihr setzte. "Was zum Teufel geht es sie an, was und wieviel ich trinke. Sie sind nicht mein Mann." fügte sie wütend hinzu. Doch irgendwie war ihr Zorn gespielt, denn obwohl sie es als eine Frechheit empfand, gefiel ihr die Art, wie dieser Mann sich an sie heranmachte. Und nicht nur die Art, die Person gefiel ihr auch. Ein süffisantes Lächeln huschte über das Gesicht von Robert Rossinier. "Na, na, na. Darf eine so schöne Dame derart fluchen ?" spottete er. "Aber du bist schon immer ein Dickkopf gewesen." sagte er zu Nami und musterte sie liebevoll. "Aber was dein Haar angeht.- Ich hab dir ja schon damals gesagt, daß du damit aussiehst wie ein Staubwedel." "Staubwedel ?" wiederholte Nami ein wenig beleidigt, doch dann blickte sie den Fremden traurig an. "So hat mich nur einer genannt." meinte sie nach einer Weile. "Staubwedel hat mein Freund mich immer genannt." "So - Und was ist aus ihnen geworden ?" wollte der Mann wissen, doch als er Namis empörte Blicke bemerkte, meinte er nur verlegen "War ja auch nur so'ne Frage." und er tat so, als ob er sich insgeheim für seine Neugier und Taktlosigkeit schämte. Nami zögerte. Was war es, das diesen Mann so attraktiv machte? Seit Jahren fühlte sie sich wieder in der Gegenwart eines Mannes geborgen. Die Art, wie er in ihre Augen sah und keinen einzigen Blick an ihr gewagtes Abendkleid verschenkte. Vielleicht war er die Art Mann, auf die sie immer gewartet hatte.. "Ich habe Schluß gemacht. Ich war so dumm zu denken das es etwas noch Wichtigeres gäbe." sagte sie leise und sie verstand selbst nicht, warum sie davon begann. "Es war falsch, aber ich habe wohl keine Möglichkeit ihm zu sagen, wieviel er mir noch immer bedeutet. An Tagen wie heute frage ich mich immer wieder, wo er ist, was er macht." Nami seufzte und schwenkte betrübt ihr Whiskyglas. Die Eiswürfel im Glas begannen mit klingenden Geräuschen der Flüssigkeit zu folgen und erst als die Bewegung zum Erliegen gekommen war, fuhr sie fort. "Ich hoffe inständigst, das er ein glückliches Leben führt." Der Fremde blickte mitleidsvoll, doch dann begann er herzlich zu lachen. "Weißt du, Nami, es ist nie zu spät. Aus zuverlässiger Quelle weiß ich, daß dein Freund gerade in diesem Moment in einem Zug an einem Tisch sitzt und in Begleitung einer wunderhübschen Frau seinen Kaffee trinkt." "Sie scherzen, oder ?" fragte Nami verwirrt. "Aber dann sind sie ja ..." "Robert Rossinier." erwiderte der Mann. "Der Robert ?" meinte Nami verwundert. Der Fremde nickte. "Ja, der." "Sag, was machst du hier?" "Ich bin bei der Kriminalpolizei von Berlin beschäftigt." erklärte Robert und er sah mit Freude, wie Nami das Whiskyglas zur Seite schob und statt dessen einen Schluck Kaffee nahm. Die Augen dieser jungen Frau, die eben so müde und hoffnungslos ausgesehen hatten begann wie Sterne zu funkeln als sie den verlorenen Freund musterte. "Du erinnerst mich irgendwie an den Mann meiner Schwester Hitomi." "Detektiv Toshi Utzumi" "Dann hast du sie also schon getroffen." "Ja, sie haben mich in ihr Abteil gebeten." erklärte der Mann. "Hitomi ist eine wunderhübsche Frau geworden. Sie beide geben ein schönes Paar ab." Nami nickte. "Ja, es war ihr Traum, Toshi zu heiraten." "Dann haben sie das geschafft, was uns verwehrt war." stellte der Mann bedrückt fest. "Ja, sie erinnern mich sehr an uns beide." ergänzte Nami. "Hast du auch Love kennengelernt." fragte sie. Der Mann lachte. "Frech wie Oskar, aber ein liebes Mädchen. - Sie erinnert mich sehr an dich, wie du früher warst. - Sie hat mir erzählt, das du den Traum von einem eigenen Geschäft verwirklicht hast?" Nami nickte und senkte bedächtig den Kopf. "Ja. Nachdem Mutter gestorben ist, haben Hitomi und ich uns ein kleines Café mit einem Wohnhaus dabei gekauft." "Und jetzt arbeitet ihr alle im Café und seid euer eigener Boß? " "Na ja, was Love betrifft, du weißt ja wie das ist, wenn man jung ist." "Jetzt tu aber nicht so, als ob du steinalt wärst." warf Robert ein. "Wenn ich dich so ansehe, dann gehst du immer noch glatt für 20 durch." Nami lachte verlegen. "Danke. Aber selbst wenn wir uns äußerlich nicht sehr verändert haben, innerlich sind wir erwachsen geworden." meinte sie nach einer Weile und der Mann nickte zustimmend. "Ja, da hast du recht." meinte er nachdenklich und blickte tief in seine Kaffeetasse. Nami lachte. "Sag' mal, ist das typisch für euch Polizisten, daß ihr euren Kaffee immer erst hypnotisiert, bevor ihr ihn trinkt." spottete sie und zu guter Letzt begann auch ihr Freund erheitert zu grinsen. "Weißt du, Nami. Ich denke oft an uns zurück." meinte er nach einer Weile und senkte verschämt den Kopf. "Wie steht's mit dir ? Bist du denn schon in festen Händen?" "Nein, ich warte immer noch auf den Richtigen." erwiderte Nami kopfschüttelnd. "Meinst du, daß wir noch einmal von vorne beginnen könnten ?" fragte Robert zögerlich nach Momenten des Nachdenkens. "Ich weiß nicht." gab Nami zurück. "Ich denke ich würde gerne zu der Art und Weise zurückkehren, wie wir damals zueinander standen. Vielleicht können wir ja auch da beginnen, wo alles aufgehört hat.." meinte sie geheimnisvoll, dennoch wollte sie nicht die Hoffnungen wecken, die sie auf Roberts Gesicht zu sehen glaubte. "Ich weiß, was du denkst.- Bitte erwarte jetzt keine Entscheidung von mir. Jetzt noch nicht. Laß mir noch ein wenig Zeit. Es gibt da einige Dinge, die ich noch ins Reine bringen muß." "Als da wären ?" fragte der Robert und griff Namis Hand. Sie erwiderte die Geste doch schüttelte den Kopf. "Das kann ich dir leider nicht sagen. Ich kann und darf dich da nicht mit hineinziehen. Bitte versteh' mich." bat sie. "Ich empfinde immer noch etwas für dich. Ich habe dich immer geliebt. Und eines verspreche ich dir, wenn ich mit mir selbst im Reinen bin, dann werde ich dir alles erklären." "Ich denke, es ist es wert, so lange zu warten." gab der Mann zurück und Nami küßte ihn zärtlich auf die Wange. "Ich wußte, du würdest mich verstehen." flüsterte sie leise. In einer Nobelsuite des Pariser Hotels, welches die Schwestern vor Stunden verlassen hatten klingelte das Telefon. Ein Mann im weißen Anzug hob den Hörer ab. "Ja ? Ja... Ich verstehe... Wertlose Informationen also. Und sie sind sich ganz sicher... Ja... Und die Hinweise auf das Bernsteinzimmer ?... Gut, dem sollten wir nachgehen. Vernichten sie die Dokumente, sobald sie sie verschlüsselt haben... Ja, ich werde sie persönlich abliefern... Ja, ihnen auch Genosse." Der Mann legte den Hörer auf und dachte einen Moment lang nach. "Es tut mir leid, Katzenauge, aber ich habe keine andere Wahl." sagte er leise und verließ den Raum. 10. Fehltritte In der Morgendämmerung des 27. Dezember rollte der Zug, der Paris am Abend des vergangenen Tages verlassen hatte langsam in den Bahnhof von West Berlin ein. Robert beschloß seine Jugendliebe und ihre Familie noch bis zu ihrem Hotel zu begleiten. Es wunderte ihn warum Nami und ihre Schwestern in den vergangenen Stunden immer ausgewichen waren, wenn das Gespräch auf ihre Familie kam. Irgend etwas Geheimnisvolles umgab dieses Quartett. Er konnte nicht wissen, daß sich jedoch schon in diesem Moment in einem Hotel in West-Berlin das Schicksal seiner neu gefundenen Freunde entschied... "Die Unterlagen für die Operation Heimweh habe ich an der Rezeption des Hotels hinterlegt." berichtete Asaja. "Gute Arbeit. Kollegin. Aber es gibt leider eine Änderung." wandte Herr Nageischi ein und überreichte dem Unterinspektor einen Umschlag. "Das sind die neuen Befehle. Lesen sie." Asaja öffnete den Umschlag und nahm das Blatt heraus. Hastig flogen ihre Augen über die japanischen Schriftzeichen. "Nein, das ist doch nicht möglich." sagte sie fassungslos, als sie am Ende der Mitteilung angelangt war. "Das können die doch nicht machen. Es sind doch Menschen." "Es tut mir leid, aber diese Befehle zu ändern liegt nicht in meiner Macht." entgegnete Herr Nageischi. "Manchmal müssen eben Opfer gebracht werden, auch wenn wir es jetzt nicht verstehen." "Ich weigere mich diesen Befehlen zu gehorchen." antwortete Asaja entschlossen. "Sie werden gehorchen müssen." befahl der Botschafter. "Sie haben sich für diese Aufgabe gemeldet und sie wissen wie Befehlsverweigerung bestraft wird." Asaja nickte gehorsam. "Dann habe ich wohl keine andere Wahl." meinte sie schließlich resigniert. "Gut. Ich habe auch nichts anderes von Ihnen erwartet und ich war so frei und habe ihre Männer bereits instruiert." sagte Herr Nageischi im Gehen begriffen. "Leider muß ich jetzt nach Ost-Berlin abreisen, um die dortige Aktion zu überwachen. Ich verlasse mich auf sie, Asaja." fügte er hinzu und sah Asaja noch einmal mahnend an. "Und denken sie daran, auf Befehlsverweigerung steht die Todesstrafe." Das Hotel Nippon, in dem sie residierten war ein Nobelhotel, welches von Asiatischen Reisenden rege besucht wurde. Schon als die kleine Reisegruppe die riesige Eingangshalle betreten hatte, spürten sie die vertraute Atmosphäre und es kam ihnen vor, als ob sie wieder zu Hause wären. Toshi ließ sich mitreißen und neugierig wanderten seine Augen umher. Überall fielen ihm Schilder und Beschriftungen ins Auge, die neben den in Europa üblichen Zeichen auch die asiatischen Schriften zeigten. Sauna, Karaoke-Bar, Bad, Whirlpool... Es schien, daß dieses Hotel all den Komfort zu bieten hatte, den ein Besucher aus dem Land der aufgehenden Sonne ansonsten in Europa vermissen würde. Man hatte sie in ihrer Muttersprache und mit typisch japanischer Herzlichkeit empfangen. Und nun saßen sie auf Kosten des Hauses im Hotelrestaurant und warteten darauf ihre Zimmer zu beziehen. Toshi ließ den Schlüssel mit dem goldfarbenen Anhänger durch die Finger gleiten. 'Suite' - hatte der Empfangschef gesagt und er war neugierig zu erfahren, ob es noch eine Steigerung zu dem Hotelzimmer gab, das sie in Paris bewohnt hatten. Sein Blick fiel auf Robert, der immer noch an Namis Seite klebte.- War es zwischen ihm und Hitomi genau so gewesen ? - Er konnte sich nicht mehr erinnern.- Eines jedoch war ihm vertraut. Die Art und Weise wie die Schwestern immer sorgfältig ihr Geheimnis zu verschleiern suchten. In jahrelanger Übung hatten Nami und Hitomi dieses Spiel zur Perfektion getrieben. Love hingegen stolperte hin und wieder über die kleinen versteckten Fragen, die Robert wie zufällig einstreute. Doch ihr jugendlich-frecher Charme ließ sie immer schnell genug ihre Unsicherheit kaschieren. Er selbst hingegen hatte in den letzten Stunden kaum geredet und sich darin geübt das Treiben um ihn herum mit analytischem Verstand zu beobachten. Auf Roberts Fragen hin hatte er mit seinen Worten von sich das Bild eines mittelmäßigen gelangweilten Polizisten gezeichnet. Kein Wort von der Jagd nach den Katzen oder seinem Ausscheiden aus dem Polizeidienst. Toshi merkte auf. Ein Kellner kam und nahm ihre Bestellung auf. Dieses Restaurant brauchte wahrlich nicht den Vergleich mit einem Nobelrestaurant im vornehmen Tokioter Bezirk Shinagawa zu scheuen. Dank der Großzügigkeit der Schwestern und mit eisernem Sparen hatte er schon in den vornehmsten Restaurants Tokios speisen können. Dennoch würde er sich an die erlesenen Speisen und die piekfeinen Umgangsformen nie gewöhnen können. Er nahm die Speisekarte vom Tisch und blätterte darin. Es war eine in Leder gebundene Kladde mit edlem dicken handgeferigtem Papier darin. Mehrsprachig listete sie die edelsten Speisen und Getränke auf.- Er suchte nach etwas Banalem.- Etwas, dessen Preis er vergleichen konnte.- Er schluckte.- Nein, ein Essen hier hätte beinahe sein Jahresgehalt verschlungen. Der Kaffee wurde serviert und er hoffte inständig ihn nicht bezahlen zu müssen.- Er nahm einen Schluck.- Kein Vergleich zu dem was die Schwestern zauberten.- Seine Augen suchten Nami und er mußte schelmisch grinsen.- Sie war gut, sehr gut.- Wie ein Illusionist hatte sie gerade Roberts Blicke mit ihrem Minenspiel gebannt, während ihre Hände schnell und beinahe unmerklich das Päckchen Streuzucker von ihrer Untertasse verschwinden ließen.- Sicherlich war ihr etwas aufgefallen, etwas, das diese Beilage als Nachricht auswies. Der Empfangschef trat an den Tisch und berichtete, das die Zimmer nun bereit stünden. Nami bedankte sich höflich und sagte, sie wolle zuerst noch den Kaffee genießen. Ihr Gespräch mit Robert wurde zunehmend belangloser. Schließlich gähnte sie dezent hinter vorgehaltener Hand.- Wieder ging ein flüchtiges verhaltenes Grinsen über Toshis Gesicht.- Das Gähnen war ein Zeichen gewesen . - Ein Zeichen, das seine Frau Hitomi zu deuten verstand. Sie sah auf ihre Armbanduhr und stand auf. "Entschuldigt mich. Aber ich muß eben mal telefonieren.- Mal sehen ob unser Café noch steht." sagte sie und sah ihren Mann an. "Wolltest du nicht auch noch im Revier anrufen, Toshi?" Der Ex-Detektiv nickte nach kurzem Zögern. "Ja, du hast recht. Vielleicht hat man mich ja schon entlassen." Auf den Weg hinaus in die Empfangshalle stieß Toshi seine Frau unbemerkt an. "Was sollte das?" flüsterte er. "Sie hat eine Nachricht erhalten." "Der Zucker?" "Ja!- Und jetzt müssen wir Robert loswerden." "Stimmt, der hängt an ihr wie eine Klette!" Nami beobachtete erwartungsvoll, wie Hitomi an die Rezeption trat und sich ein Telefon reichen ließ. "Also wenn ihr auf eigen Faust durch die Stadt ziehen wollt, dann würde ich mich gerne als Reiseführer anbieten." Namis Aufmerksamkeit wanderte wieder zu ihrem Freund, dessen Stimme sie unterbewußt wahrgenommen hatte. Sie hob ihre Augenbrauen und rang sich ein Lächeln ab. 'Warum muß es nur so kompliziert sein! Und warum ist er nur so verdammt nett und liebenswürdig!' fluchte sie innerlich. Sie war mehr als glücklich Robert getroffen zu haben und zu jeder anderen Zeit hätte sie alles getan ihn nicht von ihrer Seite zu lassen, doch in diesem Augenblick hatten sie nur ein Ziel.- Das Ziel, dem sie einen Großteil ihres Lebens geopfert hatten. "Das wäre sehr nett." sagte sie schließlich. "Ich denke wenn wir uns erst mal von den Strapazen der Reise erholt haben werden wir sicher darauf zurückkommen." - 'Diese ewige Lügerei!' - Wie sollte eine Beziehung bestand haben, die auf Lügen aufbaute? Wie hatte Hitomi das nur geschafft? Wie dumm mußte ein Mensch sein, das Alles nicht zu durchschauen? Machte Liebe vielleicht dumm? Ein durchdringender Piepston riß sie aus ihren Gedanken. Sie mußte sich das zufriedene Lächeln verkneifen, als sie Robert nach seinem Pieper suchen sah. Ein Blick auf das kleine Kästchen ließ das zufriedene und verliebte Lächeln in Roberts Gesicht verschwinden. "Verdammt, ich muß gehen." Hitomi beobachtete mit ausdruckslosen Augen wie sich der groß gewachsene blonde Polizist von ihren Schwestern verabschiedete. "Er tut mir leid!" meinte sie zu ihrem Mann. Er nickte. "Ja, ich denke er hätte etwas Subtileres verdient gehabt." kritisierte er. Robert verließ das Restaurant und kam schweren Schrittes herüber zur Rezeption. Seine eben noch funkelnden Augen zeigten nun die Auswirkungen der schlaflosen Nacht. Etwas ließ ihn stoppen und umher sehen. Seine Aufmerksamkeit galt den Aufzügen am entfernten Ende der Empfangshalle, wo ein leerer Fahrstuhl begleitet von einem hellen Glockenschlag seine Türen geöffnet hatte. Niedergeschlagen winkte er Nami und Love noch einmal zu. Hitomi hörte noch Roberts langen tiefen Seufzer nachklingen, da plötzlich eine aufgeregte Frauenstimme durch die Empfangshalle schallte: "UTZUMI! UTZUMI!" Eine junge Dame mit lockigen rotblonden Haaren in Lederjacke und Jeans stürzte auf sie zu. "Utzumi! Halten Sie sie auf." Alle Blicke waren sofort auf die störende Person gerichtet, die nun schnaufend vor Toshi Halt machte. "Utzumi!" keuchte sie und schnappte nach Luft. "Die.. die Schwestern sind.. sind in großer Gefahr." Der Ex-Detektiv zuckte zusammen. Er kannte die großen und entschlossenen Augen mit denen die Fremde ihn ansah. "Asaja ! Was machen sie denn hier. Und wie zum Teufel sehen sie aus !" "Keine Fragen." antwortete Asaja hektisch, "Sie müssen die Schwestern warnen." "Aber sie sind auf dem Weg zu ihrem Zimmer." entgegnete Toshi. "Sie dürfen das Zimmer nicht betreten." mahnte Asaja äußerst energisch und der Detektiv nickte verständig. "Robert! Schnell!" rief er seinem verwirrt dreinblickenden Kollgen zu und rannte zum Treppenhaus. Er stürzte die Stufen hinauf, gefolgt von Robert. Auch Hitomi lief nach einer kurzen Schrecksekunde los, doch trotz ihres sportlichen und durchtrainierten Körpers fiel sie immer weiter hinter den beiden Polizisten zurück, die Raketen gleich die Treppen zur zweiten Etage hinauf flogen. Es war sicher, daß der Aufzug mit den Schwestern darin schon längst vor ihnen angekommen war. Doch Toshi hatte noch die Hoffnung, daß Nami und Love ihr Zimmer nicht auf Anhieb finden würden. Kopf an Kopf mit Robert stürmte er den Gang hinunter und sah nur noch Nami, wie sie gerade im Begriff war das Zimmer zu betreten. Mit allerletzter Kraft hechtete Robert Rossinier auf seine Freundin zu und riß sie aus dem Eingangsbereich des Zimmers heraus zu sich auf den Flur. Love hingegen war schon einige Schritte weit ins Zimmer hinein gegangen, als der plötzliche Tumult sie aufmerken ließ. Neugierig drehte sie um und kehrte zur Zimmertüre zurück.. Toshi wollte ihr noch warnende Worte zurufen.- Sie auffordern stehen zu bleiben, doch da hörte er auch schon dieses leise merkwürdig klickende Geräusch. "Stolperdrahtfalle" schrie er und faßte eine folgenschwere Entscheidung. Verzweifelt nahm er allen Mut zusammen und stürmte hinein. Im Stile eines Football-Spielers tackelte er Love und riß sie zu Boden. Aber noch während des Fluges,- noch bevor ihre Körper einige Meter weiter auf dem Boden aufprallten,- erschütterte bereits die Explosion das Gebäude. Metallsplitter und Bruchstücke der Einrichtung flogen wie Geschosse durch das Zimmer und vermischten sich mit dem ohrenbetäubendem Lärm zerberstenden Glases. Doch dann, mit einem Mal, wurde es ganz still. Rauchschwaden verhüllten den Raum als Love noch benommen die Augen aufschlug. Ihr Kopf schmerzte ein wenig und als sie an ihre Stirn reichte, da klebte ein wenig Blut an ihren Fingern. Dennoch fühlte sie sich den Umständen entsprechend ganz gut, doch aufstehen konnte sie nicht. Etwas Schweres lag auf ihr und hinderte sie daran. Noch ein wenig schwindlig hob sie ihren Kopf und erblickte Toshi, der mit dem Gesicht nach unten auf ihren Beinen lag. Sie wollte schon ein paar witzige Bemerkungen an ihn loswerden, da sie erst bemerkte, das er sich nicht bewegte. Sie sah die vielen Löcher in seinem Sakko und erschrak zu Tode als langsam Blut aus ihnen hervorquoll. Die jüngste der drei Schwestern begann hysterisch zu kreischen und nach Hilfe zu schreien. Hitomi war herbei geeilt und ihr genügte ein Blick um zu wissen, was passiert war... Sofort kniete sie sich neben ihren Mann und rollte ihn vorsichtig von ihrer Schwester herunter. Love zitterte vor Angst aber Toshi lag nur regungslos da. Hitomi ergriff sein Handgelenk und tastete nach seinem Puls. Er war schwach, kaum spürbar und seine Atmung war flach und unregelmäßig. Zärtlich bettete sie seinen Kopf in ihren Schoß und sie betete zu Gott, daß der Arzt bald eintreffen würde, doch insgeheim rechnete sie bereits mit dem Schlimmsten. Liebevoll strich sie eine Haarsträhne aus seinem Gesicht, als er unerwartet die Augen aufschlug. "Hitomi... bist... du... es..." flüsterte er leise und seine Frau merkte sofort, daß ihm das Sprechen sehr schwer fiel. "Psst. Sei ruhig. Du mußt dich ausruhen. Alles wird gut." beruhigte sie ihn und ergriff die zitternde Hand, die er ihr entgegen streckte. Tränen liefen über ihre Wangen und tropften von ihrem Kinn auf sein Haar. "Du.. mußt.. nicht.. um.. mich.. weinen.. Es.. war.. schön.. mit.. dir.. Danke.. für.. die.. letzten.. Tage.. Hitomi.." sagte er schließlich mit schmerzverzerrtem Gesicht. Hitomi küßte zärtlich seine Stirn und wollte noch etwas erwidern, doch da schloß Toshi seine Augen und sein Kopf kippte zur Seite. Panisch ergriff Hitomi sein Handgelenk,- Doch es war kein Puls mehr zu spüren. "TOSHI, NEIN ! BLEIB BEI MIR ! DU DARFST MICH JETZT NICHT ALLEIN LASSEN !" rief sie verzweifelt und blickte Hilfe suchend zu ihrer jüngeren Schwester. "Bitte Love, so hilf mir doch." flehte sie, doch Love saß nur stumm da - zusammengekauert auf dem Boden und sie wimmerte leise vor sich hin. Angelockt von Hitomis verzweifelten Hilferufen war Nami hereingekommen. Auch sie war noch Benommen von dem Schreck. Sie kniete neben Toshi nieder und faßte seinen Hals: "Er lebt noch. Der Notarzt ist bestimmt gleich hier. Es wird alles wieder gut." "Ich habe Angst um ihn." flüsterte Hitomi leise und von neuem rollten Tränen über ihre roten Wangen. "Keine Sorge, ihr habt noch sehr viele Jahre vor euch." Kriminaloberinspektor Robert Rossinier trat ins Zimmer und nahm seine Freundin Nami bei Seite. "Der Notarzt ist unterwegs und meine Männer sind auch gleich da." berichtete er, doch dann fiel sein Blick auf den schwerverletzten Detektiv, der von seiner Frau liebevoll umsorgt wurde. "Was ist mit ihm ?" fragte er sichtlich besorgt. "Es sieht nicht gut aus." erwiderte Nami sichtlich um Fassung bemüht. "Er ist bewußtlos. Er hat wahrscheinlich viele Splitter abbekommen. Wenn nicht bald der Arzt kommt, sehe ich schwarz." Roberts Blick wanderte durch das Zimmer und blieb bei Love hängen, die immer noch teilnahmslos auf dem Boden saß. "Was ist mit Love ?" "Sie ist völlig daneben. Aber sie hat nur eine Schramme am Kopf.- Nichts ernstes." "Das freut mich. Sie hat ihr Leben wohl deinem Schwager zu verdanken." "Ja, da hast du recht." murmelte Nami traurig. "Robert, kannst du dich um Love kümmern, während Hitomi und ich mit Toshi ins Krankenhaus fahren." bat sie ihren Freund. "Kein Problem. Verlaß dich auf mich." antwortete Robert wie selbstverständlich. "Bleib du nur bei Hitomi. Sie kann jetzt sicher deine Hilfe gebrauchen.- Wir kommen dann so schnell wie möglich nach." "Danke, ich wußte, daß ich mich auf dich verlassen kann." gab Nami zurück. "Dafür sind doch Freunde da." meinte Robert noch, als auch schon von draußen Rufe ins Zimmer drangen. "Platz, macht Platz. Der Notarzt kommt...." 11. Ein Akt der Nächstenliebe Loves Augen waren leer und ausdruckslos. Starr geradeaus gerichtet blickten sie den langen Krankenhausflur hinunter. Das Blut.- Toshis Blut. - Das war das Letzte woran sie sich erinnerte. Und erst jetzt begann sie langsam wieder Alles um sich herum wahrzunehmen. In ihren Augenwinkeln sah sie Robert. Er ging neben ihr diesen Gang entlang. Unaufdringlich aber nur eine Armlänge entfernt,- in Reichweite für den Fall... - Tränen schossen in ihre Augen. Ihr Schwager, den sie immer so verspottet hatte, hatte sein Leben riskiert um sie zu retten. Sie waren da: Die Intensivstation, in die man Toshi gebracht hatte. Nami saß niedergeschlagen auf der leeren Stuhlreihe vor dem Eingang. Erst jetzt, da sie ihre jüngere Schwester bemerkte stand sie langsam auf. Love begann zu laufen. Wie ein kleines Kind rannte sie die letzten Meter und warf sich in die offenen Arme ihrer großen Schwester. Sie begann zu weinen und Nami drückte sie tröstend an sich. "Wie geht es ihm ?" fragte Love leise. "Er ist immer noch bewußtlos und er hat viel Blut verloren. Er schläft jetzt." erklärte Nami und strich Love über ihr Haar. "Wenn du möchtest, dann darfst du einen Moment hineingehen, aber nur wenn du Hitomi nicht störst." "Danke Nami." erwiderte Love und wischte ihre Tränen aus den Augen. Als Love in Begleitung einer Schwester in der Intensivsation verschwunden war, fiel Nami unerwartet ihrem Freund in die Arme. "Du hast ihr nicht die ganze Wahrheit erzählt." vermutete er, als Nami ihren Kopf hob und er ihr verzweifeltes Gesicht sah. Nami nickte und Tränen stiegen in ihre Augen. "Weiß Hitomi die Wahrheit ?" wollte Robert wissen. "Ja, aber sie möchte nicht, daß Love es erfährt." erwiderte Nami und wischte verstohlen über ihr Gesicht. "Er hat sehr viele Splitter in seinem Körper, die meisten sind nicht bedrohlich, aber einer liegt sehr nahe am Herzen. Aber da er so viel Blut verloren hat, können sie ihn noch nicht operieren. Die Ärzte sagen, daß die kommende Nacht sehr kritisch wird." "Hoffentlich schafft er es." Nami nickte. "Ja, ich hoffe es.- Haben deine Männer schon etwas herausgefunden ?" "Wir haben in Hitomis Zimmer auch eine Sprengladung gefunden." "Oh Gott!" entfuhr es Nami. "Ja, so kann man es auch ausdrücken. - Ich habe geklärt, das wir die beiden Zimmer neben dem Schwesternzimmer nutzen können. Ich werde bis auf Weiteres auch hier bleiben.- Wer immer versucht hat euch umzubringen, weiß, daß er versagt hat und er wird es wieder versuchen." Robert stutzte und hob nachdenklich die Augenbrauen. "Was habt ihr nur angestellt, das euch einer derart den Krieg erklärt?" "Keine Ahnung!" log Nami und blickte ihren Freund aus großen unschuldigen Augen an. Doch in ihrem Kopf, verborgen vor den Blicken des Polizisten, begann die ganze Sache langsam Sinn zu machen. Der Nachmittag verging ohne das etwas geschah. Aber mit jeder Stunde die verrann rückte die entscheidende Nacht näher. Nami hatte begonnen eines der beschlagnahmten Zimmer für sich und ihre Schwestern herzurichten. Sie wußte, daß dies eigentlich unsinnig war, doch es war das Einzige, das sie davon abhielt, ständig zwischen der Intensivstation, dem Gang und den Zimmern umherzuirren. Inspektor Rossinier hingegen hatte im zweiten Zimmer ein provisorisches Büro eingerichtet, um von dort aus die Ermittlungen in diesem Fall persönlich überwachen zu können. Er wußte, daß es nicht das Klügste war einen Fall zu übernehmen, der ihm persönlich derart zusetzte, aber andererseits wollte er auch die Sicherheit seiner neuen Freunde, nicht zuletzt Nami wegen, keinem Anderen anvertrauen. Und so kam es, daß er noch am Tisch saß und hektisch die Untersuchungen koordinierte als der Abend bereits dämmerte. Jede Spur hatte er bereits verfolgen lassen, doch immer wieder führte es ihn in eine Sackgasse. Selbst Informationen über diese Asaja, die er ja selbst gesehen hatte, waren nirgends auf der Welt aufzutreiben. Er telefonierte gerade wieder aufgeregt mit einem seiner Kollegen im Präsidium, als Nami beinahe lautlos hereinkam und sich wortlos vor das große Fenster stellte. "Jetzt keine weiteren Anrufe mehr. Ich rufe zurück." herrschte er mit einem Mal seinen Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung an, als er Namis versteinertes Gesicht sah auf dem dicke Tränen herunter liefen. Leise stand er auf und trat von hinten an seine Freundin. "Wie geht es ihm." fragte er mit sanfter Stimme. "Unverändert." murmelte Nami leise und starrte dabei weiter aus dem Fenster. "Und deine Schwestern ?" "Hitomi ist noch immer bei ihm. Sie ist so schrecklich tapfer. Ich wüßte nicht, was ich an ihrer Stelle machen würde." "Und wie geht es Love ?" "Sie schläft jetzt. Die Ärzte haben ihr ein Beruhigungsmittel gegeben." "Es ist schon komisch, wie sehr sie sich verstellen kann." meinte Robert nachdenklich. "Nach dem, wie ich sie im Zug erlebt habe, habe ich gedacht, daß sie Toshi nicht leiden könnte." "Das ist typisch für sie." meinte Nami und begann zaghaft zu lächeln. "Das ist halt die Art wie sie ihre Liebe zeigt." "Sie mag Toshi sehr, oder ?" "Ja. Manches Mal kommen sie mir vor wie Vater und Tochter. Er hat ihr das gegeben, was wir ihr nie geben konnten." "Was ist eigentlich mit eurem Vater ? Du hast nie von ihm erzählt." wollte Robert wissen, doch Nami schwieg. Vorsichtig machte sie einen Schritt zurück und ließ sich rückwärts in die Arme ihres Freundes fallen. "Das ist eine lange Geschichte." murmelte sie leise und griff nach den Händen ihres Freundes. Wie einen Gürtel legte sie sich die kräftigen Arme um ihre Taille. "Du mußt es mir nicht erzählen." flüsterte Robert leise Nami nickte dankbar und suchte nach der Wärme dieser vertrauten Person. "Weißt du, ich habe noch nie einen so schönen Sonnenuntergang gesehen." meinte sie schließlich, als sie gemeinsam beobachteten, wie das Rot der Abendsonne langsam hinter den Häusern verschwand und sich die Nacht über die Stadt legte. Robert roch das atemberaubende Parfüm, das Nami trug und die Art, wie sie sich an ihn schmiegte ermutigte ihn, vorsichtig das Haar aus ihrem Nacken zu streichen und sie zu küssen. Als Nami aus dem Zimmer trat, war sie schrecklich glücklich. Sie hatte an der Seite von Robert eine wundervoll romantische Nacht verbracht und erst vor Stunden waren sie Arm in Arm eingeschlafen. Sie spürte ganz tief in ihrem Herzen, daß sie die letzte Nacht bei dem Mann verbracht hatte, den sie abgrundtief liebte. Als sie etwas später in die Intensivstation trat, hatte sich nichts verändert. Hitomi saß am Krankenbett ihres Mannes, dort, wo sie auch gestern Abend gesessen hatte. Der leere und von Tränen bestimmte Ausdruck in ihren Augen war der Gleiche und es war unschwer zu erraten, daß es Toshi keinen Deut besser ging. Alles um sie herum sprach eine nur all zu deutliche Sprache: Hoffnungslosigkeit. Nami schwieg und stellte sich stumm ans Fenster der Intensivstation. "Es geht ihm noch nicht besser, stimmt's ?" stellte sie leise fest und betrachtete nachdenklich den Horizont. Hitomi stand vom Krankenbett auf und ging hinüber zu ihrer Schwester. Sie nickte zustimmend. "Nein, es sieht sehr schlecht aus." antwortete sie leise und wischte über ihr Gesicht. Nami ahnte, daß ihre Schwester die ganze Nacht über geweint hatte. Die ersten Sonnenstrahlen erhoben sich über die Häuser und die Lichter einiger weit entfernter Autos zogen wie Leuchtkäfer an einer Schnur durch die Morgendämmerung. "Hast du schon einmal einen so schönen Sonnenaufgang gesehen ?" Hitomis Augen folgten den Blicken ihrer Schwester. "Ja, du hast recht." antwortete sie und für einen Moment begannen ihr traurigen Augen wieder zu glänzen. "Woran denkst du ?" fragte Nami neugierig, als sie den plötzlichen Wandel im Gesichtsausdruck ihrer Schwester bemerkte. "Das erinnert mich an meinen ersten Urlaub mit Toshi auf Saipan. Wir haben jeden Morgen am Strand gelegen und den Sonnenaufgang betrachtet." erzählte sie und die aufkommenden Erinnerungen ließen sie einen Moment lang Abstand gewinnen. Nami legte tröstend den Arm um die Schulter ihrer Schwester. "Du hast die ganze Nacht hier verbracht.- Ruh' dich einen Moment aus.- Nimm eine Dusche. Ich bleibe bei ihm." schlug sie vor, doch Hitomi zögerte. "Nun geh schon." drängte Nami. "Was meinst du welchen Schrecken Toshi bekommt, wenn er die Augen aufschlägt und dich so sieht !" Ein flüchtiges Lächeln huschte über Hitomis Gesicht. "Ja, ist gut." Nami stand noch lange am Fenster, selbst nachdem Hitomi endlich gegangen war. In der letzten Nacht, zusammen mit Robert, hatte sie alle Gedanken verdrängt.- Gedanken, die Fragen aufwarfen. Fragen, die jetzt, im Licht des des Morgens laut nach Antworten schrien. Ein Geräusch ließ sie herumfahren: Eine Krankenschwester war hereingekommen. Nichts Ungewöhnliches für eine Intensivstation, in der das Leben der Patienten in den Händen von Geräten lag. Doch etwas an dieser Frau stimmte Nami nachdenklich. Sie schien sich überhaupt nicht um all die piepsenden und schnaufenden Apparate zu kümmern, die Toshis Lebenszeichen kontrollierten. Unbeholfen war die Art, wie sie durch die mitgebrachte Krankenakte blätterte und es war nicht verwunderlich schließlich einen Teil des Inhaltes fallen zu sehen. Zuvorkommend machte Nami einige Schritte auf den großen Umschlag zu, der unter Toshis Bett gefallen war. Sie hob ihn auf und stutzte. 'KISUGI' stand in japanischen Lettern darauf und sofort ließ Nami den Umschlag in ihrer Rocktasche verschwinden. Als sie wieder vom Boden aufstand sah sie die Krankenschwester prüfend an. Sie hatte schulterlanges blondes Haar und ihr Gesicht erinnerte im Entferntesten an Hitomi. "Asaja ?" "Ja." flüsterte die Dame neben ihr leise und ohne sichtlich den Mund zu bewegen. "Im Umschlag sind wichtige Informationen für sie." "Danke, Asaja." murmelte Nami. "Warum helfen sie uns ?" "Gerechtigkeitssinn." gab der Unterinspektor kurz zurück. "Ich wünschte ich könnte ihnen helfen, aber sie sind auch hinter mir her. Ich glaube, sie wissen, was zu tun ist." Als die rätselhafte Krankenschwester gegangen war, setzte sich Nami an das Bett ihres Schwagers. Sie wartete noch eine ganze Weile bevor sie den Umschlag wieder hervorholte und öffnete... Was sie fand waren Fotokopien. Befehle, Pläne,- allesamt Dinge, die ihr bei näherer Betrachtung einen Schauer über den Rücken jagten. Diese Dokumente bestätigten genau das, was sie bereits geahnt hatte. Nicht nur die Katzen auch ihr Vater war ein Spielball der Regierung gewesen und ihr Freund Nageishi war ein doppelzüngiger Mann, der nur Eines im Sinn hatte: Seinen Profit. Doch erst als sie schließlich noch die handgeschriebene Mitteilung von Asaja überflogen hatte, da wurde ihr endlich das ganze Ausmaß der Verschwörung klar, der sie zum Opfer gefallen waren. Sie wußte jetzt, wer den Befehl gegeben hatte, sie zu töten. Und was dem Mann passiert war, dem sie ihr ganzes bisheriges Leben geopfert hatte... Als Hitomi einige Zeit später an das Bett ihres Mannes zurückkehrte, verließ Nami beinahe sofort den Raum. Sie erzählte ihrer Schwester kein Wort von dem überraschenden Besuch oder der Mitteilung. Sie hatte einen Plan, aber sie wußte, das das Wissen um diesen Plan, Hitomi sicherlich nicht zuträglich sein würde. Schnell eilte Nami über den Gang hinüber in das Zimmer, das Robert für sie und ihre Schwestern hatte reservieren lassen. Love lag im Bett und schlief immer noch fest. Welch schwere Zeit mußte sie durchmachen.- Doch so sehr Nami auch Alles ungeschehen machen wollte,- so sehr sie auch wünschte, daß sie sich damals nie auf den Handel mit dem Geheimdienst eingelassen hätte,- sie wußte, daß es jetzt keinen Weg zurück gab. Das Einzige, was sie noch für Toshi und ihre beiden Schwestern tun konnte war der Gerechtigkeit auf die Sprünge zu helfen.- Zärtlich aber entschlossen weckte sie die Jüngste auf. "Komm Love, wir haben noch einen Auftrag zu erfüllen." sagte sie geheimnisvoll und begann sich umzuziehen. 12. Finale Kurz vor Mittag verließ ein Wagen mit Diplomatenkennzeichen ein Militärgefängnis, welches versteckt in einem Waldstück etwas außerhalb von Ost-Berlin lag. Die einzige Zufahrtstrasse, die durch das beinahe undurchdringliche Unterholz führte, war so schmal, daß keine zwei Wagen aneinander vorbei kamen und so war es unvermeidlich, daß der Fahrer des geheimnisvollen Wagens anhalten mußte, als vor ihm ein liegengebliebenes Fahrzeug auftauchte. Er hupte und hinter der aufgeklappten Motorhaube des anderen Fahrzeuges tauchte ein junger Mann auf. Mit einer Handbewegung deutete er, daß er Hilfe benötige. "Gehen Sie und sehen Sie nach, was da los ist. Wir haben wenig Zeit." drängte der einzige Mitfahrer der Diplomatenlimousine. Der Chauffeur nickte gehorsam und stieg aus. Mit wachsamen Augen beobachtete der feine Herr vom Fond aus, wie sich sein Fahrer mit dem Fremden unterhielt um dann im Blickschatten der Motorhaube zu verschwinden. Nervös blickte der edel angezogene Herr mit dem Bart und den asiatischen Gesichtszügen auf seine Uhr. "Wenn das noch lange dauert, dann komme ich nie rechtzeitig an." murmelte er noch leise, als sich mit einem Mal die Türe öffnete und eine Dame in einem hautengen Trikot eine Waffe auf ihn richtete. Der Mann war nicht sehr erstaunt. "Fräulein Nami. Und in ihrer Berufskleidung." entfuhr es dem Herrn im Angesicht des Revolverlaufes und der aufreizenden Dame. "Ich würde sie gerne zu einem kleinen Spaziergang einladen, Herr Nageischi." erwiderte Nami und drängte den Herrn auszusteigen. Wortlos und unauffällig verließen die beiden die Straße und schlugen sich in das angrenzende Dickicht. Mit vorgehaltener Waffe führte Nami ihren einst so vertrauensvollen Freund immer tiefer in den Wald, bis zu einer kleinen Lichtung. "Gut, das reicht ! Und jetzt umdrehen. Aber langsam und keine Tricks." befahl sie schließlich. Doch so energisch sie auch nach Außen hin zu sein schien, so aufgeregt war sie in ihrem Innersten. Und sie mußte sich gehörig konzentrieren um die Waffe ruhig zu halten. In all den Jahren ihrer Raubzüge als Katzenauge hatte sie sich noch nie in einer solchen Situation befunden. Zumal ein Freund, dem sie jahrelang bedingungslos vertraute, sich plötzlich als ihr größter Feind entpuppt hatte. "Ich freue mich zu sehen, daß sie dem Anschlag auf ihr Leben unverletzt entkommen sind." bemerkte der feine Herr scheinbar besorgt nun, da er sich umdrehte und Nami musterte. "Ja, ich lebe noch." entgegnete die Frau angewidert von der offensichtlichen Unaufrichtigkeit dieses Mannes. "Es mag zwar ein Schock für sie sein, aber wir alle leben noch.- Dank Detektiv Utzumi, der in diesem Moment um sein Leben kämpft." "Es tut mir leid, aber ich hatte keine Möglichkeit es zu verhindern." rechtfertigte sich der Botschafter. "Es reicht !" rief Nami erbost und richtete die Waffe demonstrativ auf den Kopf des Mannes. "Ich habe ihrem doppelten Spiel lange genug vertraut. Sie haben uns nicht nur benutzt, um die Drecksarbeit für die Regierung zu machen, nein, sie haben uns auch noch hintergangen." "Entschuldigen sie, aber ich weiß nicht, wovon sie reden." heuchelte der Herr unschuldig. "Natürlich nicht.Schade nur, daß ihr Plan nicht funktioniert hat. Ihre Kollegin Asaja konnte uns noch rechtzeitig warnen, bevor wir ihrer kleinen Stolperdrahtfalle zum Opfer gefallen wären." "Aber bitte, sie müssen verstehen, auch ich hatte meine Befehle und sie können sich ja denken, wie Befehlsverweigerung beim Geheimdienst bestraft wird." "Das ist eine abscheuliche Lüge !" schrie Nami wütend und spannte den Hahn des kleinen Revolvers. "Sie haben den Befehl uns zu töten nie erhalten. Erst als es durch die Zeitungen ging haben ihre Vorgesetzten erfahren, daß man versucht hat uns zu töten." erklärte sie und wandte ihren Kopf ab. Tränen schossen in ihre Augen als sie fortfuhr. "Und der Befehl meinen Vater zu töten stammte auch von ihnen." Der Mann grinste angesichts des Gefühlsausbruches der Frau "Warum hätte ich sowas machen sollen ? Heintz war immerhin mein Freund." Namis Kopf fuhr herum. So ruckartig, daß die letzten Tränen von ihren Wangen geschleudert wurden. Sie begann bitter zu lächeln. "Sie sind wohl um keine Antwort verlegen." sagte sie. "Freundschaft,- was bedeutet das überhaupt für Sie. Die Feundschaft endet für Sie doch dann, wenn einer nicht mehr nützlich ist. - Leugnen Sie es, wenn sie können. Sie haben Vater verraten. Sie haben seine Sammlung verschachert. Das er sein Wissen darin versteckt hat, haben Sie erst später bemerkt. Sie haben uns und die Regierung Japans benutzt. Und Sie waren es auch, der uns hat entführen lassen. Es waren Ihre Leute, die Toshi und Hitomi verfolgten. Als Sie aber merkten, daß die beiden Ihnen auf die Schliche kamen, da haben Sie kurzerhand ihre eigenen Leute umgebracht um uns zu ködern.- Sie haben vier Menschen kaltblütig umgebracht,- und Einer liegt im Sterben, nur um Ihre Spuren zu verwischen. Nur um Ihre doppelte Identität zu verschleiern.- Aber das Spiel ist aus ! Man hat die Wahrheit über Sie herausgefunden und man wird Sie zur Rechenschaft ziehen.- Sie sind ein Kunsthehler, Spion und Doppelagent, Herr Nageischi !" Der Enttarnte brach nur in ein lautes Gelächter aus. Jedoch war es kein fröhliches Lachen. - Es war mehr ein Ausdruck von Arroganz und Überheblichkeit gegenüber den Schwestern. "Wenn Sie schon so versessen auf die Wahrheit sind, dann sollen Sie es auch erfahren." meinte er nach einer Weile herablassend. "Ja, Sie haben recht, ich arbeite für die Sowjetunion. Aber ich arbeite auch für die japanische Regierung. Ich bin ein Doppelagent, so wie Ihr Vater einer war, als er während des Krieges für Deutschland und die Alliierten arbeitete. Nur er hat leider den Fehler gemacht, sich für eine Seite zu entscheiden. Die falsche Seite." "Und weil Sie sich für die richtige Seite entschieden haben, mussten Menschen sterben." gab Nami bitterböse zurück. "Wissen Sie," begann der Spion anmaßend. "So ist das nunmal. Das Wohlergehen eines Volkes bedarf manchmal einiger Opfer." "Aber nicht, wenn es meine Familie betrifft." erwiderte Nami gefaßt und mit einem Ausdruck absoluter Entschlossenheit im Gesicht. "Womit rechtfertigen Sie, daß eine junge Frau um das Leben ihres Mannes bangt. Das Sie - nach einer schlaflosen Nacht am Krankenbett - bange den ersten Sonnenstrahlen entgegen blickt, in der Angst, dort wo einst ihr Mann lag, nur noch ein Leichentuch zu finden... - Was sind Sie für ein Mensch, das Sie zulassen, das ein junges Mädchen nie die Gelegenheit bekommt ihren Vater kennenzulernen.- Sagen Sie mir, womit kann man so etwas rechtfertigen ?" "Aber Fräulein Nami. So kenne ich sie ja garnicht." entgegnete Herr Nageischi und lachte unberührt von Namis Worten. "Sie wissen doch gar nichts über mich. " gab Nami verächtlich zurück. "Ich bin nicht mehr die Frau, die sie kennen und die sie benutzt haben. Die Frau, die für sie ihre Haut zu Markte trug und der ein Wink von ihnen genügte um mit jedem Mann ins Bett zu steigen. Es muß ihnen Spaß gemacht haben zu sehen, wie sich eine reife Dame zum Flittchen machte um ihren Vater zu retten, der schon längst verloren war. Aber dann war da ja auch noch die Diebin, die einen Detektiv liebte, und was könnte schöner sein, als mit der aufrichtigen Liebe zweier Menschen zu spielen. Aber vielleicht wurde das ja alles noch übertroffen von dem Gefühl, einem Kind seine Eltern genommen zu haben." Herr Nageischi lachte. "Das war aber eine ergreifende Rede." meinte er mit Gleichgültigkeit in der Stimme. "Aber wenn sie nun fertig sind, dann würde ich jetzt gerne gehen. Mein Flugzeug wartet." fügte er schließlich bereits im Gehen begriffen hinzu, doch als Nami scheinbar zu allem entschlossen von Neuem die Waffe auf ihn richtete blieb er stehen. "Na los, schießen sie schon." sagte er arrogant. "Na los, worauf warten sie. Schießen sie." drängte er, doch Nami zögerte. Irgend etwas in ihr ließ sie diesen gespannten Abzug nicht durchdrücken. "Sie können es nicht. Hab ich recht. " stellte Herr Nageischi triumphierend fest, als er das angstvolle Zittern bemerkte, das durch den Körper der Dame ging. "Ich kenne sie besser als sie denken." meinte er verächtlich. "Ich kenne ihren Sinn für Fair-Play. Ihre Loyalität. Ihr Ehrgefühl. Ich bin sicher, daß sie keinen Moment zögern würden, wenn ich eine Waffe hätte und sie bedrohen würde. - Aber einen wehrlosen Mann umzubringen, das bringen sie einfach nicht fertig." Der Mann begann erneut höhnisch zu lachen. "Ein bewundernswerter Charakterzug." spottete er siegessicher als Nami letztlich entnervt den Revolver sinken ließ. Die älteste der drei Kisugi-Schwestern stand wie angewurzelt da.- Enttäuscht von sich und betroffen von den verletzenden Worten des Mannes, dem sie einst vertraut hatte. Der Spion hingegen kam hochmütig lächelnd auf sie zu und ging provozierend nah an ihr vorbei. "Ach übrigens, grüßen sie mir Fräulein Love. Ich fand ohnehin, daß sie die Bestaussehendste von ihnen Dreien war." meinte er noch beiläufig und ließ Nami dann alleine auf der Lichtung stehen. Die gedemütigte Frau verharrte einen Moment. Sie lauschte, wie sich die Schritte des Herrn entfernten,- doch dann plötzlich fuhr sie herum. "Ach, Herr Nageischi." rief Nami und der angesprochene Mann und drehte sich nochmals um. "Haben sie heute morgen den Sonnenaufgang gesehen ?" fragte sie voller Selbstvertrauen. Der Herr stutzte und sah sie verwundert an. Vielleicht wollte er noch etwas erwidern, doch da hallte auch schon ein Schuss durch den dichten Wald und ein Körper fiel zu Boden.... ----------------------------------------------------------------------------- Autorenliste: Teil I: Martin Bueltgen 1992-1994 Teil II: Martin Bueltgen 1,3 1994 Melissa Schneider 2,4-12 1994-1997 Stefan Krommes (11-12) 1995 Zusammenstellung: Melissa, Stefan 1997 Prügel und wüste Beschimpfungen bitte in Runenschrift an Bill Gates. Konstruktive Kritik bitte per eMail an Martin oder Stefan (er verteilt das dann...) Danksagungen bitte in monetärer Form auf unsere Schweizer Bankkonten.